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Archiv "Liquid Ecstasy – ein relevantes Drogenproblem" (05.09.2008)

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G

amma-Hydroxybuttersäure (GHB) gewinnt als illegale Droge in Deutschland immer mehr an Bedeutung (1). Obwohl der Szenename Liquid Ecstasy darauf hindeuten könnte, ist diese Substanz weder che- misch noch pharmakologisch mit den Ecstasy-Substan- zen wie Methylendioxyamphetamin oder Methylendi- oxymethamphetamin (MDA oder MDMA) verwandt.

Die Wirkung kann eher mit der von Alkohol oder Ben- zodiazepinen verglichen werden. Aufgrund der mittler- weile weiten Verbreitung dieser Droge werden Kliniker vermehrt mit GHB-Intoxikationen konfrontiert (1, 2).

Dieser Artikel informiert über die Substanz, ihre Wir- kungsweise sowie rechtliche Bestimmungen.

Geschichte der Droge

Bereits in den 1980er-Jahren wurde GHB in den USA in Fitness- und Gesundheitszentren angeboten. Vor allem Bodybuilder nahmen GHB wegen der angepriesenen Muskel aufbauenden Wirkung durch gesteigerte Frei- setzung von Wachstumshormonen und des aphrodisie- renden Effektes (3, 4). Nachdem in den darauffolgenden Jahren zahlreiche Intoxikationen mit GHB auftraten, unterstellte die Food and Drug Administration (FDA) 1990 GHB der Verschreibungspflicht (5, 6). Dem Miss- brauch von GHB konnte dadurch jedoch kein Einhalt geboten werden: Der Konsumentenkreis erweiterte sich; GHB wurde nun als „Liquid Ecstasy“ oder „Soap“

auch in der Club-Szene als Party-Droge oder auch in privatem Rahmen alternativ zu oder in Kombination mit Alkohol eingenommen.

Von Amerika aus gelangte die neue Droge nach Eng- land, Frankreich und in die Schweiz. Bereits seit Anfang dieses Jahrtausends wird Liquid Ecstasy auch in Deutschland sichergestellt. Einer Studie der Europä- ische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) zufolge ist der Konsum von GHB oder Gam- ma-Butyrolacton (GBL) im Vergleich zu anderen illega- len Drogen in der EU wenig verbreitet. Erhebungen zei- gen, dass die Prävalenz des Gebrauchs innerhalb des vergangenen Monats bei jungen Leuten in der Freizeit selten über 3 % liegt. Es gibt jedoch Anhaltspunkte für einen vermehrten Konsum in bestimmten Untergruppen der Bevölkerung, bestimmten Umfeldern oder geografi- schen Gebieten und einen häufigeren Gebrauch im pri- vaten Bereich (1). Je nach Studie und befragter Ziel- gruppe lag die Lebenszeitprävalenz bei 3 bis 19 %.

Trotz der immer noch verhältnismäßig geringen Ver- ÜBERSICHTSARBEIT

Liquid Ecstasy – ein relevantes Drogenproblem

Hilke Andresen, Thomas Stimpfl, Nadine Sprys, Timo Schnitgerhans, Alexander Müller

ZUSAMMENFASSUNG

Einleitung: Der Konsum von Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB) sowie ihrer legalen Vorstufen Gamma-Butyrolacton und 1,4-Butandiol gewinnt in Deutschland immer mehr an Bedeutung. Die Wirkungen dieser Chemikalien können mit Alkohol oder Benzodiazepinen verglichen werden. Auf- grund der weiten Verbreitung dieser Droge werden Kliniker vermehrt mit GHB-Intoxikationen konfrontiert.

Methoden: Übersichtsartikel auf der Basis einer selektiven Literaturrecherche sowie eigenen Erfahrungen und Infor- mationen aus dem Giftinformationszentrum Nord.

Ergebnisse: Nach Aufnahme höherer Dosen von GHB oder deren Vorstufen kommt es zu schweren Intoxikationen mit Atemdepression und komatösen Zuständen. Ein Antidot ist nicht verfügbar; die Behandlung besteht in einer supporti- ven Therapie.

Diskussion: Bei Patienten mit unklarer Bewusstseinstrü- bung muss mit einer Intoxikation durch GHB gerechnet werden. Ein chemischer Nachweis von GHB ist nur bei ge- zielter Analytik und nur innerhalb eines kurzen Zeitfensters (< 12 h) in Blut oder Urin möglich. Aufgrund der kurzen Halbwertszeit verlaufen die Vergiftungen unter intensiv- medizinischer Versorgung meist ohne Komplikationen. Al- lerdings sind bereits mehrere Todesfälle aufgetreten. Mit einer Verabreichung als sogenannte K.-o.-Tropfen muss ebenfalls gerechnet werden.

Dtsch Arztebl 2008; 105(36): 599–603 DOI: 10.3238/arztebl.2008.0599 Schlüsselwörter: Liquid Ecstasy, Gamma-Butyrolacton, Drogenmissbrauch, Gamma-Hydroxybuttersäure, Diagnose- stellung

Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf:

Dr. rer. nat. Andresen, Dr. rer. nat. Stimpfl, Dipl.-Pharmazeutin Sprys, A. Müller Internistische Intensivstation, Asklepios Klinik Nord, Hamburg:

Dr. med. Schnitgerhans

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breitung von GHB häufen sich Fälle von Intoxikationen – zum Teil mit letalem Ausgang (6, 7, 8). Genaue Zahlen zu Todesfällen in Deutschland oder anderen Ländern sind bisher nicht verfügbar.

Biologische Wirkung

Gamma-Hydroxybuttersäure ist ein Derivat des endoge- nen Botenstoffs Gamma-Aminobuttersäure (GABA) (Grafik). Sie kann die Blut-Hirn-Schranke passieren.

GHB wurde erstmals 1960 synthetisiert und in Europa als intravenöses Narkotikum zugelassen (9). Obwohl dieses auch heute noch in Deutschland im Handel ist, wird es nur selten eingesetzt, vor allem wegen:

>unzureichender analgetischer Wirkung, die eine Kombination mit Analgetika nötig macht

>geringer therapeutischer Breite und dadurch be- dingt einem häufigen Auftreten von unerwünschten Nebenwirkungen wie Krämpfen oder Erbrechen

>schlechter Steuerbarkeit

>unzureichend kalkulierbarer Wirkungsdauer (3).

Nachdem in Studien gezeigt werden konnte, dass GHB einen positiven Effekt bei Patienten zeigte, die un- ter einer Narkolepsie mit Kataplexie leiden, wurde GHB im Jahre 2002 zunächst in den USA und 2005 auch in Europa für diese Indikation zugelassen. Dabei handelt es sich auch hier um nebenwirkungsreiche Therapien (10, 11).

Dosierung

Zur Sedierung wird GHB intravenös verabreicht; für an- dere Indikationen wird es meist peroral appliziert (Ta- belle 1). Bei missbräuchlicher Anwendung überwiegt die perorale Aufnahme in flüssiger Form – pur oder mit Getränken vermischt. Gelegentlich werden auch Kap- seln eingenommen, die meist GHB als Natriumsalz ent- halten.

GHB hat eine geringe therapeutische Breite: Die Wir- kung reicht dosisabhängig von einem leichten Rausch- zustand, ähnlich einem Alkoholrausch, bis hin zu Koma, Herz-Kreislauf-Stillstand und Atemstillstand (Tabelle 2) (4, 12, 13).

Aufgrund des extrem schnellen Metabolismus der GHB halten die erwünschten oder unerwünschten Wir- kungen abhängig von der aufgenommenen Dosis nur circa ein bis vier Stunden an. Typisch für eine GHB-Ein- nahme sind Patienten, die mit schwerer Bewusstseins- trübung in die Klinik eingeliefert wurden und meist nach kurzer Zeit plötzlich erwachen. GHB führt in der

Regel nicht zu länger andauernden Nachwirkungen, so- dass sich die Patienten fit fühlen und, auch bedingt durch die mnestische Wirkung, das Krankenhaus verlas- sen wollen, um „zurück zur Party“ zu gehen. Dieses Phänomen wird auch als „fast-in, fast-out“-Effekt be- zeichnet (14).

Pharmakodynamik

Auf welche Weise GHB wirkt, konnte trotz zahlreicher Studien bisher nicht endgültig geklärt werden. Nach ak- tuellem Stand der Literatur scheinen verschiedene Fak- toren den Neurotransmitterhaushalt zu beeinflussen. So konnte bereits kurz nach der Markteinführung als Nar- kotikum festgestellt werden, dass GHB als endogene Substanz im Gehirn vorhanden ist. Hier tritt sie sowohl als Abbauprodukt als auch sehr wahrscheinlich als Vor- stufe der GABA auf (15).

Als ein möglicher Wirkmechanismus wird diskutiert, dass GHB im Rahmen des GABA-Metabolismus als Neuromodulator im GABA-System fungiert. Außerdem führt GHB Studien zufolge dosisabhängig zu einem An- stieg oder Abfall des Dopaminspiegels im Gehirn und beeinflusst das cholinerge und serotoninerge System so- wie Neurosteroide und Opioide.

Es konnte belegt werden, dass GHB im millimolaren Konzentrationsbereich – das heißt oberhalb endogener Konzentrationen – die G-Protein-gekoppelten GABAB- Rezeptoren aktiviert und damit wie GABA den Ca2+- Einstrom inhibiert und Kaliumkanäle öffnet.

Ferner wird das Vorhandensein eines eigenen G-Pro- tein-gekoppelten GHB-Rezeptors im Gehirn diskutiert.

Dieser soll bereits durch endogene Konzentrationen im mikromolaren Bereich stimuliert werden. Man nimmt an, dass GHB nach exogener Zufuhr sowohl am GABAB- als auch am GHB-Rezeptor als Agonist agiert (14).

Kinetik

Resorption und Verteilung

Nach peroraler Aufnahme wird GHB sehr schnell resor- biert; maximale Plasmaspiegel treten bereits nach 25 bis 45 Minuten auf. Die Verteilung im Körper geschieht rasch und folgt einem Zwei-Kompartiment-Modell (7).

Das Verteilungsvolumen ist mit 0,4 bis 0,6 L/kg kleiner als das von Ethanol.

Biosynthese, Metabolismus und Elimination

GHB wird durch die Succinsemialdehyd-Reduktase über das Zwischenprodukt Succinsemialdehyd aus GABA gebildet.

Über das Enzym GHB-Dehydrogenase kann GHB zurück zu Succinsemialdehyd oxidiert werden und ge- langt dann nach einem weiteren Oxidationsschritt hauptsächlich als Succinat in den Citratzyklus. Nur zu einem geringen Teil (< 2 %) wird GHB unverändert re- nal eliminiert.

Die Halbwertszeit beträgt circa 20 bis 60 Minuten;

allerdings gibt es Hinweise darauf, dass die Eliminati- onskinetik von GHB nach Aufnahme therapeutischer Dosen nicht linear verläuft (16).

GRAFIK Strukturformeln

von Gamma- Aminobuttersäure (GABA) und Gamma- Hydroxybuttersäure (GHB)

(3)

Gesetzliche Bestimmungen

In den USA ist GHB seit März 2000 dem Suchtmittelge- setz unterstellt und unterliegt dort der strengsten Kate- gorisierung (Schedule I).

Seit dem 1. März 2002 unterliegt GHB auch in Deutschland dem Betäubungsmittelgesetz: Gamma- Hydroxybuttersäure und ihre Salze sind in der Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) aufgeführt.

Der Besitz von GHB oder der Handel damit ist gemäß BtMG eine Straftat. Als Fertigarzneimittel ist GHB ver- schreibungs- und verkehrsfähig.

Legale Alternativen zu GHB

Da GHB dem Betäubungsmittelgesetz unterliegt, wer- den derzeit in Deutschland zu einem großen Teil lega- le Ersatzstoffe konsumiert. Hierbei handelt es sich zum Beispiel um Gamma-Butyrolacton (GBL) oder 1,4-Butandiol (1,4-BD). Diese Substanzen werden entweder nach peroraler Aufnahme zu GHB metaboli- siert oder zuvor von den Verkäufern oder den Konsu- menten selbst durch eine einfache chemische Reaktion zu GHB umgesetzt. Syntheseanleitungen und sogar ganze Bausätze sind mittlerweile „kundenfreundlich“

über das Internet zu beziehen.

Da es sich bei der eigentlichen Wirksubstanz um GHB handelt und GBL und 1,4-BD somit aus pharma- kologischer Sicht Prodrugs sind, treten nach deren Kon- sum dieselben Wirkungen, Nebenwirkungen und Into- xikationssymptome auf (17, 18). Aus diesem Grunde warnte die FDA bereits 1999 die Öffentlichkeit vor dem Konsum GBL-haltiger Produkte und rief dazu auf, den Vertrieb freiwillig einzustellen und die Produkte zurückzunehmen. Eine Aufnahme der GHB-Substitute in das Betäubungsmittelgesetz ist bisher aufgrund der verbreiteten Anwendung als Lösungsmittel und der da- mit verbundenen Konsequenzen für die chemische In- dustrie nicht erfolgt. Sie können somit straffrei gehan- delt und konsumiert werden. Allerdings besteht seit 2002 ein freiwilliges Monitoringsystem des Bundeskri- minalamtes. Da sich jedoch nicht alle Vertreiber dieser Chemikalien daran beteiligen, ist es für potenzielle Konsumenten immer noch verhältnismäßig einfach, GBL oder 1,4-BD zu erwerben.

Vergiftungen Symptome

Die Symptome einer Vergiftung mit Gamma-Hydroxy- buttersäure ähneln teilweise einer Alkoholvergiftung. Es können dosisabhängig Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbre- chen, Schwindel sowie Sprachstörungen auftreten. Bei höheren Konzentrationen kommt es zu Bradykardie, Krämpfen, Atemdepression bis hin zum Atemstillstand und Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma (Tabelle 2). Im Gegensatz zur Opioid-Intoxikation zeigen die Pa- tienten in der Regel keine Miosis. Ein weiterer diagnosti- scher Hinweis könnte ein Nichtansprechen auf die Exju- vantibusgabe von Naloxon oder Flumazenil sein.

Präzise Angaben über den zeitlichen Verlauf der Sym- ptome können aufgrund der schnellen Resorption und des schnellen Wirkungseintritts nicht zuverlässig ge-

macht werden. Typisch ist eine rasche und plötzliche Klinik, die dann dosisabhängig verläuft. Unter sym- ptomorientierter Therapie erholen sich die Patienten in sechs bis acht Stunden (19). Bei schweren Intoxikatio- nen werden häufig Myoklonien/Krämpfe mit an- schließender plötzlicher Bewusstlosigkeit beschrieben.

Wichtig ist, bei entsprechender Risikogruppe an die Möglichkeit einer GHB-Intoxikation zu denken.

Zahl der Vergiftungsfälle

Nicht nur in Europa, sondern auch in Deutschland steigt die Zahl der Vergiftungsfälle mit GHB (1). Nachdem in Hamburg lange Zeit nur sehr wenige Intoxikationen mit GHB auftraten, kommt es seit Ende 2006 regelmäßig zu schweren Vergiftungen mit der Notwendigkeit intensiv- medizinischer Betreuung. Hierbei handelt es sich nicht um ein bestimmtes Klientel, weil GHB und ihre Analo- ga nicht nur als Fertigarzneimittel, sondern auch als Chemikalien erworben und konsumiert werden können.

Meist sind es allerdings ältere Konsumenten zwischen 20 und 40 Jahren, die bereits Erfahrungen mit anderen Drogen haben (1).

Nach aktuellen Informationen des Giftinformations- zentrums Nord, Göttingen, stieg die Zahl dort gemelde- ter Intoxikationen im Jahre 2007 deutlich an (Tabelle 3).

Im Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklini- kums Hamburg-Eppendorf traten im Zeitraum von Ende 2006 bis April 2008 im Untersuchungskollektiv – Pro- ben mit toxikologischer Fragestellung aus den Hambur- ger Krankenhäusern – bereits 18 klinisch relevante Into- xikationen auf, bei denen analytisch eine Aufnahme von GHB oder GBL belegt werden konnte. Außerdem star- ben bisher im Zuständigkeitsbereich des Instituts drei junge Frauen und ein Mann nachweislich an einer GHB- oder GBL-Intoxikation. Da nicht bei allen Vergif- tungsfällen im Raum Hamburg Proben in das Labor der Rechtsmedizin eingesandt werden, muss man von einer größeren Dunkelziffer ausgehen.

Therapie

Die Behandlung der Intoxikationen mit GHB stützt sich vor allem auf die intensivmedizinische Überwachung und Stabilisierung der Vitalfunktionen. In Abhängig- keit von Klinik, Schutzreflexen, Atemfrequenz und

GHB, Gamma-Hydroxybuttersäure TABELLE 1

Therapeutische Anwendung von GHB (nach [9,11,13])

Dosis Effekt

1,7–3,5 g/Tag (p.o.) Dämpfung der Entzugssympto- matik bei Heroinabhängigkeit 3,5 g/Tag (p.o.) Dämpfung der Entzugssympto-

matik bei Alkoholabhängigkeit 4,0–7,0 g/70 kg KG (i.v.) Narkose

4,5–9,0 g/Tag (p.o.) Behandlung der Narkolepsie mit Kataplexie

(4)

blutgasanalytischen Kontrollen ist die Indikation zur endotrachealen Intubation und temporären Respirator- therapie zu prüfen (19). Besonderes Augenmerk gilt zu- dem der Neigung zur Emesis auch bei schwerer Vigi- lanzstörung und somit deutlich erhöhter Aspirationsge- fahr. Der erstversorgende Notarzt sollte grundsätzlich bereit sein zu intubieren. Eine symptomatische brady- karde Herzrhythmusstörung sollte zunächst mit Atro- pin behandelt werden. Bei Nichtansprechen ist gegebe- nenfalls die Indikation für eine temporäre Schrittma- chertherapie zu prüfen. Bei Krampfanfällen empfiehlt sich die Therapie mit Benzodiazepinen, wobei hierbei selbstverständlich eine Zunahme der Bewusstseinstrü- bung zu beachten ist (2). Die Gabe von Aktivkohle ist aufgrund der raschen Resorption und Metabolisierung meistens nicht nützlich, kann aber eventuell im Rah- men einer Mischintoxikation diskutiert werden.

Trotz des Benzodiazepin-ähnlichen Wirkmechanis- mus ist der Benzodiazepin-Antagonist Flumazenil als Antidot ebenso wenig wirksam wie der Opioid-Antago- nist Naloxon (4). Allerdings sollen gemäß Fachinforma- tion zum GHB-Narkotikum die Symptome einer Intoxi- kation durch Physostigmin antagonisiert werden kön- nen. Hierzu liegen jedoch keine eindeutigen Studiener- gebnisse vor (20). Gerade bei bradykarden Herzrhyth- musstörungen überwiegt das Risiko, sodass eine Gabe von Physostigmin in diesen Fällen als bedenklich ange- sehen wird (2).

Abhängigkeit

Nachdem in ersten Untersuchungen nach klinischer Verabreichung von GHB bei Patienten mit Narkolepsie weder von Missbrauch, noch von einer Toleranzent-

wicklung berichtet wurde, weisen neuere Studien so- wohl auf ein psychisches als auch physisches Suchtpo- tenzial hin (12, 21). Die Symptome eines Entzugs ähneln denen des Alkoholentzugs und treten circa eine bis sechs Stunden nach letzter Einnahme auf. Die Be- handlung gestaltet sich schwierig. Eingesetzt werden unter anderem Benzodiazepine, Barbiturate oder Neu- roleptika (2, 22).

K.-o.-Tropfen

GHB und seine Vorstufen sind als Flüssigkeiten farblos, klar und nahezu geschmacklos. Somit können sie unbe- merkt in Getränke gemischt und einem ahnungslosen Opfer verabreicht werden. Die Wehrlosigkeit der Opfer wird dann für sexuelle Übergriffe oder Raubdelikte aus- genutzt.

Vor allem in Kombination mit Alkohol kann GHB zu einer Bewusstseinsstörung bis hin zum Koma mit ante- rograder Amnesie führen. GHB ist Studien zufolge eine der am häufigsten zu diesem Zwecke eingesetzten Sub- stanzen in den USA (6, 23). Auch aus Deutschland und anderen Ländern Europas wird von solchen Fällen be- richtet (24).

Analytik

Der Nachweis von GHB in menschlichem Untersu- chungsmaterial wie Blut oder Urin oder auch in Geträn- keresten ist mittels instrumenteller Analytik, beispiels- weise durch Gaschromatografie in Kombination mit Massenspektrometrie, möglich (25).

Problematisch ist, dass bisher kein immunologischer Schnelltest für GHB entwickelt werden konnte. Somit ist eine schnelle Diagnostik in der Klinik oder in weniger gut ausgestatteten Laboratorien nicht möglich. Bei Verdacht auf eine GHB-Aufnahme kann die Probe in ein speziali- siertes Labor versandt werden. Ein Nachweis der Sub- stanz ist dann in der Regel innerhalb von zwei bis drei Stunden möglich. Informationen zu Laboratorien mit ent- sprechendem Analysenspektrum und gegebenenfalls Not- dienstbereitschaft erteilen die Giftinformationszentren.

Aufgrund der extrem kurzen Halbwertszeit der GHB im Körper wird zurzeit von einer maximalen Nachweis- barkeitsdauer im Blut von circa fünf bis acht Stunden, im Urin von circa zwölf Stunden ausgegangen (23).

Deshalb ist es wichtig, dass die Proben – Serum oder Urin – so schnell wie möglich gewonnen werden. Dies muss vor allem bei Fällen einer möglichen versteckten Verabreichung bedacht werden („Mir hat jemand etwas ins Bier getan“), da nach einem größeren Zeitabstand GHB – im Gegensatz zu den meisten anderen Substan- zen – nicht mehr nachweisbar ist.

Bei forensischer Fragestellung, zum Beispiel einer vermuteten ungewollten Einnahme zentral wirksamer Substanzen, sollte die Probe zeitnah eingefroren wer- den, weil eine Zunahme der GHB-Konzentrationen bei höheren Temperaturen aufgrund bakterieller Aktivität nicht ausgeschlossen werden kann. Handelt es sich um den Verdacht einer akuten Intoxikation, ist eine Aufbe- wahrung der Proben bei Kühlschranktemperatur (2 bis 8 °C) ausreichend.

GHB, Gamma-Hydroxybuttersäure TABELLE 2

Missbräuchliche Anwendung von GHB (nach [13])

Einzeldosis Effekt

1,0–2,0 g (p.o.) Entspannung, Anxiolyse, Euphorie, Sedierung

2,5–3,0 g (p.o.) Übelkeit, Erbrechen, Myoklonien, Bradykardie, Amnesie 3,0–4,0 g (p.o.) Bewusstlosigkeit

> 4,0 g Atemdepression, Koma

TABELLE 3

Anzahl der gemeldeten Intoxikationen im Gift- informationszentrum Nord

Substanz 2006 2007 01/2008–

03/2008 Gamma-Hydroxybuttersäure 16 28 7

Gamma-Butyrolacton 5 10 0

1,4-Butandiol 1 1 0

(5)

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht: 25. 1. 2008; revidierte Fassung angenommen: 6. 6. 2008

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Anschrift für die Verfasser Dr. rer. nat. Hilke Andresen

Abteilungen Toxikologie und Alkohologie Institut für Rechtsmedizin

Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Butenfeld 34

22529 Hamburg

E-Mail: h.andresen@uke.uni-hamburg.de

SUMMARY

LLiiqquuiidd EEccssttaassyy –– AA SSiiggnniiffiiccaanntt DDrruugg PPrroobblleemm

Introduction: Gamma-hydroxybutyric acid (GHB, "liquid ecstasy") and its legal pro-drugs gamma-butyrolactone and 1.4-butanediol are gaining in importance as recreational drugs in Germany. The effects of these substances are comparable with those of alcohol or benzodia- zepines. Because of the wide availability of GHB physicians are increa- singly being confronted with cases of intoxication. Methods: This review is based on a selective literature search as well as on the authors' own experience and on information provided by the GIZ-Nord Poisons Centre, Göttingen, Germany. Results: Consumption of a high dose of GHB or its pro-drugs leads to severe intoxication with respiratory depression and coma. Only supportive therapy can be offered; no antidote is available. Discussion: In any patient with impaired consciousness of unknown cause, the possibility of intoxication with GHB must be considered. Chemical detection of GHB in blood or urine is possible on- ly using specific analytical methods and only within a short time frame (<12 h). Because of the short half-life of GHB, intoxications treated in intensive care units rarely show any complications. However, a number of fatalities have occurred. The potential abuse of GHB as a date rape drug must be borne in mind.

Dtsch Arztebl 2008; 105(36): 599–603 DOI: 10.3238/arztebl.2008.0599 Key words: liquid ecstasy, gamma-hydroxybutyric acid, drug abuse, designer drugs, diagnosis

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

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