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Archiv "Retina-Implantate: Erste klinische Studien angelaufen" (21.12.2009)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 51–52

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21. Dezember 2009 A 2549 RETINA-IMPLANTATE

Erste klinische Studien angelaufen

Weltweit geht der Wettlauf der Systeme um künstliche Sehprothesen für Blinde weiter. In wenigen Jahren könnten erste Medizinprodukte verfügbar sein, an denen deutsche Projektgruppen maßgeblich beteiligt sind.

C

irca 20 Konsortien forschen weltweit an Retina-Implan- taten für Patienten, die an der nicht behandelbaren degenerativen Netz- hauterkrankung Retinitis pigmento- sa leiden; in Deutschland sind etwa 30 000 Personen davon betroffen.

Die Entwicklung ist in den letzten Jahren deutlich vorangekommen:

Vier klinische Studien zu unter- schiedlichen Ansätzen für künst - liche Sehprothesen laufen derzeit, die nach ersten Untersuchungen zur Sicherheit der Systeme nun den Fo- kus auf die Sehwahrnehmung der Patienten richten.

Mikrochips wandeln Licht in elektronische Signale um

Dabei erweitere sich die Forschung hin zu hybriden Systemen mit bio- chemischen Impulsen anstelle von elektrischen sowie zu Systemen, die mit Wachstumsfaktoren kombi- niert werden, erklärte Prof. Dr.

med. Peter Walter von der Aachener Universitätsaugenklinik beim inter- nationalen Symposium der „Retina Implant Foundation“ und der „Pro Retina Stiftung zur Verhütung von Blindheit“ in Bonn.

Zwar ist die Krankheit mit dem Verlust an Fotorezeptoren verbun- den; doch nachgeschaltete retina- le Neurone in der Netzhaut mit Verbindung der Nervenzellen zum Gehirn sind noch teilweise intakt, sodass elektronische Implantate an diese Zellen ankoppeln und die eingesetzten Mikrochips das Licht in elektronische Signale umwandeln können. Die elektri- schen Impulse werden über die verbliebenen Netzhautneurone und ihre Sehnervenfasern an die Seh- rinde des Gehirns (visueller Kor- tex) weitergeleitet und sollen im zentralen Sehsystem zu einer vi- suellen Wahrnehmung verarbeitet werden.

Zu den führenden Forschungs- gruppen zählen die drei deutschen Verbünde; von einem US-amerika- nischen Projekt erwarten Experten das erste marktfähige Medizinpro- dukt in wenigen Jahren. Wie ihre Prä- sentationen zeigten, vermitteln alle elektronischen Sehhilfen künstlich ausgelöste Seheindrücke, sogenannte Phosphene. In einer US-Studie konn- ten die Patienten hell und dunkel un- terscheiden sowie Bewegungen und größere Objekte wahrnehmen. Und es gibt Berichte der Forschergruppe aus Tübingen, dass einzelne Patien- ten Buchstaben lesen können, wenn diese acht Zentimeter groß sind.

In Bonn stellte das US-amerika- nische Unternehmen Second Sight Medical Products sein Produkt „Ar- gus II“ vor. 17 Patienten zwischen 51 und 69 Jahren mit einer so schlechten Sehschärfe, dass sie das Stadium

„Lichtwahrnehmung“ kaum erreich- ten, trugen das epiretinale Implan-

Retinopathia pigmen- tosa: Auf der Netzhaut sieht man die knochen- körperchenartige Pig- mentierung, die arteriolä- re Gefäßverengung und deutlich die wachsgelbe Papille. Das Gesichtsfeld verengt sich, bis nur ein kleiner Sehrest im Zen- trum übrig bleibt (Tunnel- blick/Röhrengesichts- feld).

Foto: Prof. Dr. H. Busse, Universitätsklinikum Münster

M E D I Z I N R E P O R T

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A 2550 Deutsches Ärzteblatt

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21. Dezember 2009 tat, das sich auf der Innenseite der

Netzhaut befindet, über sechs Mo- nate. Allen Patienten seien bis Janu- ar 2009 (dem Berichtszeitraum) Phosphene bei insgesamt guter Ver- träglichkeit des Implantats vermit- telt worden, es habe keine Funkti- onsausfälle des Produkts gegeben, berichteten Brian Mech und Robert Greenberg.

Unerwünschte Wirkungen seien zumeist während der Operationszeit aufgetreten, fünf Patienten hätten ei- ne Bindehauterosion, vier eine Hy- potonie und drei eine Endophthal- mitis entwickelt, was innerhalb des sechsmonatigen Untersuchungszeit- raums behoben werden konnte. Ab- gesehen von den Seheindrücken hätten sich auch das Sehvermögen hinsichtlich der Wahrnehmung von Bewegungen und die Mobilität der Patienten verbessert. Insgesamt hät- ten bis Juli dieses Jahres 32 Patien- ten in elf kooperierenden Zentren ein solches Implantat erhalten. Für die Patienten sei das Erkennen be- reits weniger Lichtsignale als hilf- reich für die Orientierung, zumal die Wiedererlangung der Mobilität bei den meisten Erkrankten Priori- tät habe.

Implantat zwischen Retina und Glaskörper

Zwei der drei deutschen Projekt- gruppen, entwickeln ebenfalls epi- retinale Prothesen, bei denen sich die Implantate zwischen der Retina und dem Glaskörper befinden. Der Prototyp des Verbunds um die Inge- nieure der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, des Fraunhofer-Instituts für Mikro- elektronische Schaltungen und Sys- teme unter Beteiligung von Prof.

Dr. med. Peter Walter von der Uni- versitätsaugenklinik Aachen und Neurophysikern der Universität Marburg gilt nach eigenen Angaben als weltweit einziges vollständig implantierbares System, was das Infektionsrisiko sinken lässt.

Bei den Untersuchungen mit dem

„Epiret 3“ des Start-up-Unterneh- mens Epiret gehe es jetzt um die Langzeitverträglichkeit, da die Ethik- kommission den Einsatz nicht mehr auf vier Wochen begrenze. Eine Fo- lie mit Chips wird ins Auge gesetzt,

über die neuronale Signale an eine Stimulationselektrodenmatrix auf der Netzhaut geleitet werden. Bei einem externen Sender, der in ein Brillengestell integriert ist, werden aufgenommene Bilder in Stimula- tionsmuster umgewandelt, die Da- ten über eine telemetrische Verbin- dung zur Empfängereinheit des Implantats übertragen und die Zel- len im Auge stimuliert. Die Versor- gung der Prothese mit Energie und Daten funktioniert drahtlos. Da- durch sollen die Operationszeit und Belastung für den Patienten sinken.

Bei dem zweiten epiretinalen Projekt des Unternehmens Intelli- gent Medical Implants mit Sitz in Bonn und in der Schweiz soll eine weitere klinische Studie in Koope- ration mit Prof. Dr. med. Gisbert Richard von der Universitätsaugen- klinik in Hamburg sowie mit einer Augenklinik in Graz, Österreich, lau- fen, bei der den Patienten ihr Implan- tat für die Dauer von 18 Monaten eingesetzt wird. Eine Empfangsein- heit wird außen auf der Lederhaut angebracht, an die ein Sender von einer Kamerabrille Stimulationsda- ten und Energie überträgt. Während die Energie, die für das Implantat benötigt wird, drahtlos ins Augen - innere gesendet wird, ist eine Prozessor einheit samt Mikrocom- puter, die die Batterien für die Ener- gieversorgung enthält, über ein dün- nes Kabel mit der Brille verbunden.

Bei subretinalen Systemen erhal- ten Patienten die Chips dagegen nicht auf, sondern unter der Netz- haut fest implantiert. Hieran forscht ein Verbund um Prof. Dr. med.

Eberhart Zrenner vom Department für Augenheilkunde der Universität Tübingen mit Augenärzten der Re- gensburger Universität und des Dresdener Uniklinikums. In einer klinischen Studie wurden an der Tübinger Augenklinik insgesamt elf Patienten mit einem subretinalen Chip versehen, der von der ausge- gründeten Firma Retina Implant AG hergestellt wird.

Nach Worten von Zrenner ist bei diesem System vorteilhaft, dass der Chip selbst lichtempfindlich ist, das Bild an Ort und Stelle verarbeitet und damit die Augenbewegung für

die Ortung von Gegenständen ver- wenden kann. Er berichtete von ei- nigen blinden Patienten, die mithil- fe der Implantate Gegenstände wie Messer, Teller oder Gitter und deren Richtung unterscheiden könnten.

Bei einem Patienten sei eine Seh- schärfe oberhalb der Grenze der deutschen Definition der Blindheit festgestellt worden, was bisher welt- weit mit keinem anderen Implantat erreicht worden sei.

Alternative: Sehprothesen mit biochemischen Impulsen

Arbeitsgruppen in Japan und der Schweiz entwickeln Systeme, bei denen der Chip außen auf der Le- derhaut befestigt wird und nur noch Mikroelektroden zur Stimu- lation der Retina ins Augeninnere vorgeschoben werden. Chinesi- sche Forscher verfolgen den An- satz, direkt den Sehnerv zu stimu- lieren, und eine US-amerikani- sche Gruppe versucht, die Seh - rinde des Gehirns zu aktivieren.

Ein völlig anderes Verfahren setzt auf Sehprothesen mit biochemi- schen Impulsen, konkret Neuro- transmittern.

Der Bonner Neuroinformatiker Prof. Dr. med. Rolf Eckmiller nann- te die Gestaltwahrnehmung als Ziel aller Entwicklungen, wobei letztere untrennbar mit der Grundlagenfor- schung verbunden seien. Notwen- dig sei eine lernfähige Prothese, die eine Art Melodie aus Impulsen er- zeuge, die im Gehirn erkannt und eine Gestaltwahrnehmung – wie Tisch oder Tasse – erzeugen könne.

Voraussetzung dafür sei der aus vier Nervenzellschichten bestehende Auf- bau vor den Lichtsinneszellen, was die komplexe Datenverarbeitung in der Retina zur Wandlung optischer Muster in Impulsmelodien erst er- mögliche.

Die Referenten appellierten an das Bundesforschungsministerium, die eingestellte Förderung wieder aufzunehmen. In Deutschland hatte das Ministerium die Entwicklung von Sehprothesen mit 17,5 Millio- nen Euro unterstützt. Eine „zweite Welle“ an öffentlicher Förderung sei für die Entwicklung medizinisch ausgereifter Systeme notwendig. ■

Susanne Imhoff-Hasse

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