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Archiv "Retina-Implantate: Lernende Sehprothesen" (26.10.2007)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 43⏐⏐26. Oktober 2007 A2967

T E C H N I K

S

eit einigen Jahren arbeiten Forscher an Verfahren, das Sehvermögen von Blinden wieder- herzustellen, indem sie in die geschä- digte Netzhaut Elektroden implantie- ren und daran eine Minikamera an- schließen. Dazu wird der Augapfel geöffnet und auf der Netzhaut eine dünne Folie befestigt. Von dieser ra- gen haarfeine Kontakte an die Ner- venzellen, die die obere Netzhaut- schicht bilden. Diese elektrischen Reizkontakte speisen die Kamera- signale in den Sehnerv ein. Die Ka- mera ist beispielsweise an einer Brille befestigt und überträgt ihre Daten drahtlos an die künstliche Netzhaut.

Knapp zwei Dutzend Patienten in Deutschland und den USA wurden bislang Sehprothesen implantiert – bislang mit unbefriedigendem Ergeb- nis. Neuroinformatiker der Univer- sität Bonn haben jetzt eine Software vorgestellt, mit der Sehprothesen die zum Gehirn gesendeten Signale bes- ser interpretieren und ihre Leistung verbessern können (www.nero.uni- bonn.de). „Die Kamera liefert elektri- sche Impulse, mit denen das Gehirn kaum etwas anfangen kann. Unser Verfahren übersetzt die Kamera- signale in eine Sprache, die das Seh- zentrum versteht,“ erläutert Prof. Dr.

med. Rolf Eckmiller vom Bonner In-

stitut für Informatik. Allerdings spricht das Sehzentrum jedes Men- schen einen anderen Dialekt – das er- schwert die Übersetzung. Daher hat der Neuroinformatiker und Medizi- ner zusammen mit zwei Mitarbeitern den „Retina-Encoder“ entwickelt.

Übersetzungsprogramm

Dabei handelt es sich um ein Com- puterprogramm, das die Signale der Kamera umwandelt und an das Netzhaut-Implantat weitergibt. In einem kontinuierlichen Prozess lernt der Encoder, wie er das Signal verändern muss, damit der Patient das Bild erkennen kann. Der Lern- dialog wird zurzeit mit normalsich- tigen Probanden getestet. Die Ka- merabilder werden dabei vom En- coder übersetzt und an ein „virtuel- les Sehzentrum“ weitergegeben.

Dort wird simuliert, wie das Gehirn die umgewandelten Kameradaten interpretieren würde. Der Encoder weiß zunächst nicht, welche Spra- che das virtuelle Sehzentrum spricht. Daher übersetzt die Soft- ware das Ausgangsbild – etwa einen Ring – in verschiedene, zufällig ge- wählte „Dialekte“. Dabei entstehen Bildvarianten, die einem Ring un- terschiedlich ähnlich sehen. Die Versuchsperson sieht diese Varian-

ten auf einem Mini-Bildschirm, der in ein Brillengestell integriert ist.

Per Kopfbewegung wählt sie die Versionen aus, die einem Ring am ähnlichsten sehen. Die Software lernt dadurch schrittweise, wie die Übersetzung zu optimieren ist. Im nächsten Zyklus präsentiert sie neue Bilder, die dem Original schon et- was ähnlicher sehen. Der Encoder passt sich so allmählich an die Spra- che des virtuellen Sehzentrums an.

Flexible künstliche Netzhaut

Beim gesunden Menschen ist diese Übersetzungsleistung bereits in die Netzhaut integriert. Vor den Lichtsin- neszellen liegen vier Schichten von speziellen Nervenzellen. Die Netz- haut wandelt die elektrischen Impul- se der Stäbchen und Zapfen in ein Signal um, das über den Sehnerv in das Gehirn gelangt. Dort wird die komplexe Information entschlüsselt.

Die Fähigkeit dazu erwirbt das Ge- hirn in den ersten Lebensmonaten. In dieser Zeit stellt sich das Sehzentrum individuell auf die Retina-Signale ein, indem das Gehirn lernt, die vom Sehnerv gelieferten Daten zu inter- pretieren. Beim Erwachsenen, der im Laufe des Lebens erblindet, ist das Sehzentrum schon ausgereift und kann sich nicht mehr so einfach um- stellen. „Wenn das Sehzentrum nicht mehr so flexibel ist, muss es die künstliche Netzhaut sein“, sagt Eck- miller. „Sie muss lernen, Signale zu liefern, mit denen das Gehirn etwas anfangen kann.“ Diesen Lernvorgang unterstütze der Retina-Encoder.

Allzu hohe Erwartungen dämpft Eckmiller jedoch: „Niemand soll den- ken, er könne mit einer Sehprothese wieder seine Lieblingskrimis lesen.

Er kann vielleicht die Gestalt größe- rer Objekte schemenhaft wahrneh- men. Für einen Blinden bedeutet das aber einen riesigen Fortschritt: Er kann sich wieder in seiner Umgebung orientieren.“ Dieser Gewinn an Ei- genständigkeit sei das Ziel. An Pati- enten wurde das Verfahren bislang noch nicht erprobt. Der Encoder könnte aber in bereits implantierte Sehprothesen integriert werden. I KBr/Uni Bonn

Informationen:Professor Dr. Rolf Eckmiller, Institut für Informatik VI, Universität Bonn,

E-Mail: eckmiller@nero.uni-bonn.de

RETINA-IMPLANTATE

Lernende Sehprothesen

Eine verbesserte Signalübersetzung soll die Leistung von Netzhaut-Implantaten erhöhen und Blinden das Erkennen von Umrissen ermöglichen.

Nach einigen Lernzyklen kann der Proband Sichel und Kreis sicher voneinander unterscheiden.

Foto:Frank Luerweg/Uni Bonn

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