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Archiv "Das Ich und sein Gehirn" (18.02.1983)

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DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft 7

vom

18. Februar 1983

Das Ich und sein Gehirn

Der Neurophysiologe Sir John Eccles, Mitverfasser des hier besprochenen Bu- ches. Eccles, der 1963 den Nobelpreis für Medizin erhal- ten hat, vollendete am 27. Ja- nuar dieses Jahres sein 80.

Lebensjahr Foto: Tappe

Die Frage nach dem Ver- hältnis von Materie und Le- ben hat ein unmittelbar ak- tuelles und ein immer be- stehendes überzeitliches Interesse. Die heutige Ak- tualität leitet sich ab von der These des weltan- schaulichen Materialismus westlicher und östlicher Prägung, daß die Materie die alleinige und eigentlich existierende Wirklichkeits- form sei, das Leben aber, organisches, seelisches und geistiges sei nur eine besondere Erscheinungs- weise, eine „Bewegungs- form" oder Entwicklungs- stufe der Materie.

Genau hier setzt die For- schung des Philosophen und des Neurophysiologen an, die beide je aus ihrer besonderen Sicht die Fra- gen des Leib-Seele-Pro- blems als „Gehirn-Be- wußtseins-Liaison" neu aufrollen, neue Interpreta- tionen anbieten, neue Hy- pothesen aufstellen mit neuen Argumenten aus scharf formulierter Posi- tion. Dabei verzichtet Ec- cles auf Fragestellungen, die im Prinzip nicht zu be- antworten sind: Wo ist der selbstbewußte Geist lokali- siert? Es hat keinen Sinn zu sagen, wo die Gefühle von Liebe oder Haß, von Freude oder Furcht oder von solchen Werten wie Wahrheit, Güte und Schön- heit lokalisiert sein sollen, die für geistige Wertung, also eigentlich für Ich-Wer- tung gelten. Eingefügt in die Drei-Welten-Theorie Poppers, Physische Welt — Welt psychischer Zustände einschließlich der Be- wußtseinszustände, der psychischen Dispositionen und unbewußten Zustände

— Welt der Inhalte des Den- kens und der Erzeugnisse

des menschlichen Geistes und der Wechselwirkung dieser drei Welten, impo- niert die fachneurologi- sche Darstellung des Ge- hirns mit neuesten Er- kenntnissen der Hirnanato- mie und -physiologie als neuronale Maschinerie von fast grenzenloser Komple- xität und Feinheit, das in bestimmten Regionen un- ter geeigneten Bedingun- gen offen gegenüber der Interaktion mit der Welt der bewußten Erfahrung ist.

Platos Erkenntnis neu formuliert: die Seele ist der Steuermann Der Neurophysiologe sieht keinen bestimmten Teil des Gehirns, der dem Ich ent- spräche. Im Gegenteil, es scheint so, daß das gesam- te Gehirn hochaktiv sein muß, um mit dem Bewußt- sein verbunden zu bleiben.

Und der Philosoph behaup- tet, in Übereinstimmung mit dem Buchtitel, daß das Gehirn dem Ich gehört und nicht umgekehrt . . . Das Ich ist fast immer aktiv. Die Aktivität des Ich ist, nach seiner Ansicht, die einzige echte Aktivität, die wir ken- nen. Das aktive, psycho- physische Ich ist der aktive Programmierer des Ge- hirns (das der Computer ist), es ist der Ausführende, dessen Instrument das Ge- hirn ist. Die Seele ist, wie Plato sagt, der Steuer- mann.

Wenn man so die falschen Schranken überspringt, die Materie und Geist vonein- ander trennen, wenn wir ei- nen unlogischen Materia- lismus vermeiden wollen, zwingt uns die moderne Wissenschaft förmlich da- zu, ihren wahren philoso-

phischen und religiösen Sinn anzuerkennen.

Das faszinierende Buch bietet ein Modell vorbildli- cher interdisziplinärer For- schung und mit seinem dritten Teil der Dokumenta- tion einer Diskussion krea- tiver Geister auf Tonband einen neuen Weg wissen- schaftlicher Erörterungen.

Nicht zuletzt ist „Das Ich und sein Gehirn" eine Be- stätigung der Wiederannä- herung von Natur- und Gei- steswissenschaft, die seit der Aufklärung, oft ideolo- gie-befrachtet, tendenziös auseinanderstrebten.

Hannes Sauter-Servaes, Singen

Karl R. Popper, John C. Ec- cles: Das Ich und sein Gehirn, R. Piper & Co. Verlag, Mün- chen/Zürich, 1982, 699 Seiten, 66 Abbildungen, gebunden, 68 DM

Heinz Nicolai (Hrsg.): Goe- thes Gedichte in zeitlicher Folge, Sonderausgabe zum 150. Todestag, Insel Verlag, Frankfurt/M., 1982, 1256 Seiten, Ganzleinen, 20 DM Nun kann also jeder Goe- the in die Tasche stecken, und zwar sämtliche Ge- dichte und Gelegenheits- versspielereien des Mei- sters in zeitlicher Folge:

Ein „Sinn"-volles Ge- schenk des Verlages zum Jubiläumsjahr, in dem man immer wieder mit Genuß blättern und lesen kann (zum Beispiel über die Lie- be: „Wir irrten uns anein- ander, es war die schöne Zeit.") gemäß den Worten des Dichters „Angedenken an das Gute hält uns immer frisch bei Mute" und „Dass die Muse zu begleiten, doch zu leiten nicht ver- steht". Den frommen Wunsch, daß hier Goethe irrt, muß sich der Leser selbst erfüllen.

Gerhard Uhlenbruck, Köln Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 7 vom 18. Februar 1983 125

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