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Archiv "Arzneimittelforschung: Das Kind als freiwilliger Partner" (28.05.2010)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 21

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28. Mai 2010 A 1059 ARZNEIMITTELFORSCHUNG

Das Kind als freiwilliger Partner

Eine Bestandsaufnahme und ein Vorschlag aus der Praxis der Ethikkommission zum Abfassen einer Patienteninformation für Kinder von zehn bis 14 Jahren

B

ei Forschungsvorhaben am Menschen ist die Patienten- beziehungsweise Probandeninfor- mation eine der Voraussetzungen für deren Durchführung und wichti- ger Bestandteil der Unterlagen, die bei der Ethikkommission zur Bera- tung eingereicht werden. Sie ist für Kinder und Jugendliche sowie de- ren gesetzliche Vertreter ebenso er- forderlich wie für einwilligungsfä- hige Erwachsene, die sich in einer klinischen Prüfung als Probanden zur Verfügung stellen wollen.

Neben der Rechtschaffenheit des Prüfers verlangt das Arzneimittel- gesetz (1), dass der Minderjährige vor Beginn der klinischen Prüfung

„über die Prüfung, die Risiken und den Nutzen aufzuklären“ ist, „so- weit dies im Hinblick auf sein Alter und seine geistige Reife möglich ist“. Besteht die Möglichkeit, „Wesen, Bedeutung und Tragweite der klinischen Prüfung zu erken- nen, . . . so ist auch seine Einwilli- gung erforderlich“. Man ist sich da- rüber einig, dass die Urteilsfähig- keit nicht einem bestimmten Le- bensalter zugeordnet werden kann (2–4). Die Reife eines Kindes oder

Jugendlichen kann nur durch den Prüfarzt im Einzelfall festgestellt werden.

Methode

Es wurden 30 Forschungsvorhaben mit Kindern und Jugendlichen, die die Ethikkommissionen der Landes- ärztekammer und des Landes Sach- sen-Anhalt zu prüfen hatten, auf das Vorhandensein und die Qualität der Probandeninformation für Kinder und Eltern untersucht. Als Maßstab galten die aktuellen gesetzlichen Vor- schriften und Empfehlungen (5– 10).

Dabei handelte es sich um Unterla- gen, die bei nichtuniversitären Ethik- kommissionen in den Jahren 2000 bis 2008 zur Beratung eingereicht wurden, davon 25 Arzneimittel-, zwei epidemiologische und drei Diätstu- dien. Die wissenschaftlichen Aufga- benstellungen und klinischen Diagno- sen bewegten sich im Rahmen häufi- ger, nichtlebensbedrohender Erkran- kungen im Kindes- und Jugendalter.

Ergebnisse

In den Beurteilungen durch die Ethikkommissionen, die allgemein anerkannten Regeln (11–16) folg-

ten (Tabelle), ist aufgefallen, dass die klinischen Prüfungen von Anti- asthmatika und Impfstoffen in der Regel gut vorbereitet waren. Wie bei bekannten kinderonkologischen Studien zeichneten auch sie sich durch einen sorgsamen Umgang mit den jungen Probanden aus, wie- sen kaum Mängel auf und gaben wenig Anlass zu Kritik. Umso mehr hat es überrascht, dass andere For- schungsvorhaben aus ethischer und rechtlicher Sicht häufig durch die Kommissionen beanstandet werden mussten, bis hin zur Versagung der zustimmenden Bewertung. Die fol- genden Mängel wurden wiederholt festgestellt:

Fehlen der Probandeninformati- on für Kinder

Kombination der Aufklärung für Eltern und Kinder ohne ange- messene Berücksichtigung kind- licher Belange

Fehlen der Einwilligungserklä- rung für reife Kinder und Ju- gendliche

Einwilligung nur eines Elternteils bei zwei Erziehungsberechtigten

ungenügende und zum Teil täu- schende Information über invasi-

Die Studie im Internet unter:

www.aerzteblatt.de/

101059

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28. Mai 2010 ve Maßnahmen wie Parazentese,

Augenprovokationstest mit All- ergenen oder Venenpunktion

versäumtes Angebot schmerzstil- lender Pflaster zur Anwendung vor Venenpunktionen

methodische Fehler wie die Empfehlung der axillaren Tem- peraturmessung bei Säuglingen oder die Anwendung identischer Einschlusskriterien vom zwölf- ten bis zum 70. Lebensjahr

abwiegelnde Information über Nebenwirkungen und Komplika- tionen

oft unzureichende Aufklärung über Schwangerschaftsverhütung bei Mädchen

stets fehlende Verhütungsaufklä- rung bei Jungen.

Diskussion

Wenn in einem Prüfplan die Eltern - information für nicht notwendig er- achtet wurde, mag das ein zufälliger Einzelfall sein. Die hohe Fehlerquote der übrigen ist aber bedenklich und lässt an eine systematische Ursache denken. Dass jedoch die Patienten - information für Kinder bei zwei Dritteln der analysierten Studienpro- tokolle fehlte oder mangelhaft war, spricht für eine Missachtung kind- licher Bedürfnisse und stellt einen Verstoß gegen geltendes Recht dar.

In einer Studie hat der Sponsor seinen Verzicht auf eine separate Kinderaufklärung zu begründen versucht. Er führte als Argument

„die unterschiedliche intellektuelle Kapazität von Minderjährigen“ und das „Fehlen einer vertretbaren me- dizinischen Begründung für die Informationsselektion beziehungs- weise -reduktion“ an. Des Weiteren könne „das Aushändigen einer Kin- der-Patienteninformation dazu ver- leiten, dem Minderjährigen das Le- sen . . . zu überlassen und lediglich auf seine Fragen zu antworten, statt die Studie aktiv und ausführlich zu erklären“. Schließlich würde „das persönliche Gespräch die individu- elle, altersgerechte und erschöpfen- de Aufklärung durch den Studien- arzt“ gewährleisten.

Diese Begründung ehrt den einen Sponsor vor dem Hintergrund der verweigernden Mehrheit, die von vornherein eine schriftliche Aufklä-

rung junger Studienteilnehmer für überflüssig hält. Sie umfasst ande- rerseits genau die vielschichtige Pro- blematik der Aufklärung der Heran- wachsenden, deren Entwicklungsal- ter nicht uniform ist. Jeder, der sich mit der Frage befasst, wie Kinder, die ganz andere Dinge machen wollen, als Teilnehmer an einer klinischen Prüfung zu gewinnen sind, kennt die Schwierigkeit dieser Aufgabe. Sie kann nicht durch Ausweichen, son- dern nur durch verantwortungsvolle Arbeit bewältigt werden.

Die Ethikkommission erwartet in Stellvertretung der Kinder und Ju- gendlichen in klinischen Studien heute eine schriftliche Patientenin- formation und Einwilligungserklä- rung, die allen ethischen und rechtli- chen Erfordernissen als Ergänzung zur mündlichen Aufklärung genügt.

Diese muss dem Entwicklungsstand des Heranwachsenden entsprechen, in verständlicher Sprache abgefasst und in kindgemäßer grafischer Form (Bilder, Comic) gestaltet sein. Sie darf dem Kind keine Vorschriften machen, sondern muss alle Möglich- keiten nutzen, bei dem Kind die Lust zum Mitmachen zu wecken, und es als freiwilligen Partner für die ge- meinsame Arbeit zu gewinnen. Kin- der, die wahrhaftig und gut motiviert werden, erstaunen uns immer wieder mit ihrer Kraft und Belastbarkeit.

Dem Problem der „Informationsre- duktion“ kann mit der pädagogi- schen Empfehlung begegnet wer- den, dem Kind das zu sagen, was es wissen will, und ehrlich auch das, was es wissen muss und was viel- leicht unangenehm sein wird.

In einer Form, die seiner Reife entspricht, muss das Kind unter an- derem über die wissenschaftliche

Fragestellung, die Freiwilligkeit seiner Teilnahme, Belastungen, Eingriffe, Untersuchungsmethoden, medikamentöse Wirkungen und Nebenwirkungen, möglichen Nut- zen und Schaden, sein Recht zum Ausscheiden, Informationsquellen und auch über die Schwanger- schaftsverhütung unterrichtet wer- den. Das Kind muss erfahren, dass es erst nach dem Lesen seiner Ein- ladungsschrift und gründlichen Ge- sprächen mit seinen Eltern und dem Prüfarzt seine Einwilligung zur Teilnahme geben kann und dass sein Einverständnis oder seine Wei- gerung anerkannt werden.

Vorschlag

Eine Patienteninformation für Kin- der von zehn bis 14 Jahren entstand in inhaltlicher Anlehnung an die Muster-Patienteninformation, die im Arbeitskreis Medizinischer Ethikkommissionen in Deutschland erarbeitet wurde (17). Der Entwurf, der eine ungestörte kindliche Ent- wicklung voraussetzt, versucht, sich an den altersgerechten Bedürf- nissen und gesetzlichen Regelwer- ken zu orientieren. Er richtet sich an alle Wissenschaftler in der Medizin und Industrie, die mit Kindern und Jugendlichen forschen.

Der Entwurf ist kein Muster, sondern mag als Modell angesehen werden, das der Orientierung bei dem Verfassen einer Patienteninfor- mation für Kinder dient. ■

Dr. med. Ernst Fukala Ethikkommission des Landes Sachsen-Anhalt Kühnauer Straße 70, 06846 Dessau-Roßlau E-Mail: ernst.fukala@web.de

@

Literatur im Internet unter:

www.aerzteblatt.de/2110 TABELLE

30 Forschungsvorhaben mit Kindern und Jugendlichen

* Impfstudien im Säuglingsalter Patienteninformation für Eltern

fehlend 1

Patienteninformation für Kinder und Jugendliche

fehlend 10

vorhanden 29

vorhanden 14

mit Mängeln 13

mit Mängeln 6

gut 16

gut 8

entfällt*

6

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28. Mai 2010

T H E M E N D E R Z E I T

LITERATURVERZEICHNIS HEFT 21/2010, ZU:

ARZNEIMITTELFORSCHUNG

Das Kind als freiwilliger Partner

Eine Bestandsaufnahme und ein Vorschlag zum Abfassen einer Patienteninformation aus der Praxis der Ethikkommission für Kinder von zehn bis 14 Jahren

LITERATUR

1. Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz – AMG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.12.1989 (BGBl. IS 3586 ff.), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 30.07.2004 ( BGBl. IS 2031 ff)

2. Directive 2001/20/EC of the European Parliament and the Council on the appro- ximation of the law, regulations and admi- nistrative provisions of the member states relating to the implementation of good cli- nical practice in the conduct of clinical tri- als on medicinal products for human use (4 April 2001) Luxembourg (http://www.

eortc.be/Services/Doc/clinical-EU-directi- ve-04-April-01.pdf)

3. Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin: Zur Forschung mit Kin- dern. NEK – CNE, Bern, März 2009 4. R. Kurz: Ethik in der pädiatrischen For-

schung. Grundsatzpapier der Ethik – Ar- beitsgruppe der Österreichischen Gesell- schaft für Kinder- und Jugendheilkun- de.Monatsschr. Kinderheilkd. (2003) 151:

1276–1281

5. Verordnung über die Anwendung der Gu- ten Klinischen Praxis bei der Durchfüh- rung von klinischen Prüfungen mit Arznei- mitteln zur Anwendung am Menschen vom 09.08.2004. (BGBl. IS. 2081 ff.) 6. Zentrale Ethikkommission bei der Bundes-

ärztekammer. Stellungnahme der Zentra- len Kommission zur Wahrung ethischer Grundsätze in der Medizin und in ihren Grenzgebieten. Forschung mit Minderjäh- rigen. 28. April 2004, Dtsch Arztebl 2004, 1001: A 1613–1617 (Heft 22)

7. C. M. Korbel u. B. Mühlbauer: Klinische Forschung an Kindern. Monatsschr. Kin- derheilkd. (2005) 153: 756–760 8. D. Gill et al.: Guidelines for informed con-

sent in biomedical research involving pae- diatric populations as research partici-

pants. Eur J Pediatr (2003) 162:

455–458

9. J. A. Schwarz: Leitfaden Klinische Prüfun- gen von Arzneimitteln und Medizinproduk- ten. Editio Cantor Verlag 2005

10. M. Parzeller u.a.: Aufklärung und Einwilli- gung bei ärztlichen Eingriffen. Dtsch Arzt- ebl 2007; 104(9): A 576–86

11. H. Raspe, A. Hüppe u. M. Steinmann.:

Empfehlungen zur Begutachtung klini- scher Studien durch die Ethik – Kommis- sionen. Dtsch. Ärzteverlag. Köln 2006 12. J. Wessler, R. Burger u. E. Doppelfeld:

Neuordnung des Verfahrens und der Auf- gaben der zuständigen Ethik – Kommis- sionen. Bundesgesundheitsblatt – Ge- sundheitsforschung – Gesundheitsschutz 2005, 48: 155–167

13. Leitlinien für die Arbeit von Ethik-Kommis- sionen, die biomedizinische Forschungs- projekte begutachten. World Health Or- ganization, Geneva 2000

14. J. A. Schwarz: Patienteninformation und Einwilligung bei Geschäftsfähigen, Ge- schäftsunfähigen und Minderjährigen vor der Teilnahme an klinischen Prüfungen.

Bundesgesundheitsblatt- Gesundheitsfor- schung- Gesundheitsschutz 2005, 48;

429–437

15. C. Wiesemann: Ethische Probleme und rechtliche Regelung der Forschung an Kindern und Jugendlichen. Ethik Med 2005, 51; 129–138

16. M. Dahl u. C. Wiesemann: Forschung an Minderjährigen im internationalen Ver- gleich: Bilanz und Zukunftsperspektiven.

Ethik Med 2001, 13; 87–110

17. Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommis- sionen in Deutschland: Mustertext für die Patienten-Information und –Einwilligung zur Durchführung einer klinischen Prüfung eines Arzneimittels mit volljährigen einwil- ligungsfähigen Patienten vom 10.11.2007www.ak-med-ethik-komm.de

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