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Archiv "Verfahren vor dem Zulassungsund Berufungsausschuß" (18.02.1983)

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Naturwissenschaften und der Me- dizin, daß der Mensch immer wie- der in der Lage war, mit derartigen Problemen fertig zu werden. Auch dieses ist ein Charakteristikum der biologischen wie auch der kultu- rellen Evolution des Menschen.

Nach den Regeln der Evolution bedeutet dies nicht, daß Sackgas- sen, Exzessivbildungen, Überspe- zialisierungen ausgeschlossen wären.

Es ist aufregend, spannend und bedrückend zugleich — nolens vo- lens —, Teil dieses Prozesses zu sein. Eine „schöne neue Welt" ist und bleibt die Herausforderung.

Literatur

Unter Einbeziehung verschiedener ein- schlägiger Publikationen in der allgemei- nen Presse (Frankfurter Allgemeine Zei- tung, Der Spiegel, Weser-Kurier usw.) wurde folgende Literatur, die auch als weiterführende Literatur geeignet ist, verwendet: Eser, A.: Der Arzt zwischen Eigenverantwortung und Recht; Ärzte- blatt Baden-Württemberg, Heft 1 (1981) — Eser, A.: Recht und Humangenetik; 4.

Colloquium des Bremer Wissenschafts- forums „Möglichkeiten und Grenzen der Humangenetik" 25.-26. 2. 1981 a (Publi- kation in Vorbereitung) — Gründel, J.:

Ethik und Humangenetik; 4. Colloquium des Bremer Wissenschaftsforums „Mög- lichkeiten und Grenzen der Humangene- tik" 25.-26. 2. 1981 (Publikation in Vorbe- reitung) — Horn, E.: Mensch oder werden- der Mensch?; zur debatte Mai/Juni (1982)

— Hungerland, H.: Über die Utopie des Normalen und die normale Utopie; Uni- versitas, Heft 7, Seite 733-740 (1976) — Kesten, H.: Copernicus und seine Welt;

Kurt Desch, Wien, 1953 — Wolstenholme, G. (Hrsg.): Man and his Future, Churchill, London, 1963.

(Nach einem Vortrag vor Bremer Ärzten. — Vom Verfasser Herrn Prof. Dr. med. Gerhard Koch, Er- langen, zum 70. Geburtstag ge- widmet.)

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. Werner Schloot Leiter des Zentrums für Humangenetik und Genetische Beratung der Universität

Leobener Straße NW 2 2800 Bremen 33

1. Einleitung

Nachdem an dieser Stelle von Zwanzig') grundsätzliche Rechts- fragen bei Zulassungsentziehun- gen erörtert worden sind und Mar- tens2) die Gewichtigkeit, wenn nicht sogar die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen der Zulas- sungsgremien aus dem Hinweis auf die an diesen Entscheidungen Mitwirkenden herzuleiten ver- sucht hat, besteht Veranlassung, sich mit den von den Zulassungs- gremien zu beachtenden Verfah- rensregeln zu beschäftigen.

Bedeutsamer und die Bestands- kraft der von den Zulassungsgre- mien getroffenen Entscheidungen eher erhaltend ist es, wenn die Ge- richte der Sozialgerichtsbarkeit in Klageverfahren feststeIlen kön- nen, daß der Zulassungsausschuß und der Berufungsausschuß die ihnen vorgegebenen Verfahrens- vorschriften beachtet und z. B. die die Entscheidung tragenden Tat- sachen in einer Weise ermittelt ha- ben, die es den Gerichten — insbe- sondere im einstweiligen Anord- nungsverfahren — ermöglicht, der eigenen Entscheidung den in ei- nem fehlerfreien Verwaltungsver- fahren festgestellten Sachverhalt ohne weitere oder nach gezielter (bei substantiiertem Bestreiten im Klageverfahren) Sachaufklärung zugrunde zu legen 3).

Am 1. Januar 1981 ist das Zehnte Buch des Sozialgesetzbuches — Verwaltungsverfahren — (SGB X) in Kraft getreten (BGBl. 11980, 1469 ff.). Diese, das Verwaltungs- verfahren und u. a. den Schutz von Sozialdaten betreffenden Vor- schriften gelten für die öffentlich-

rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden, die nach diesem Gesetzbuch ausgeübt wird, soweit sich aus dem Allgemeinen Teil und den besonderen Teilen dieses Gesetzbuches nichts Abweichen- des ergibt, § 1 Abs. 1 S. 1 SGB X.

Die Reichsversicherungsordnung mit ihren das Kassenarztrecht re- gelnden Vorschriften gehört zum besonderen Teil des Sozialgesetz- buches, Art. II § 1 Nr. 4 SGB I.

Damit sind auch die Bestimmun- gen über die Zulassungs- und Berufungsausschüsse, § 368 b

Reichsversicherungsordnung (RVO), und die auf § 368 c RVO fußenden Zulassungsordnungen besondere Teile des Sozialgesetz- buches geworden. Behörde im Sinne dieses Gesetzbuches ist je- de Stelle, die Aufgaben der öffent- lichen Verwaltung wahrnimmt.

Es liegt kein Grund vor, den Zulas- sungsausschuß und Berufungs- ausschuß als Einrichtungen der kassenärztlichen Selbstverwal- tung außerhalb des Sozialgesetz- buches zu stellen; sie müssen viel- mehr ebenfalls als „Behörden" im Sinne von § 1 Abs. 2 SGB X ange- sehen werden.

Aus alledem folgt, daß das Zehnte Buch des Sozialgesetzbuches Ver- fahrensregeln enthält, die die Zu- lassungs- und Berufungsaus- schüsse seit dem 1. Januar 1981 bei der Zulassung oder Entzie- hung als Kassenarzt zu beachten

1) DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 82, Heft 11, Aus- gabe A/B: 65 ff., Ausgabe C: 51 ff.

2) DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 82, Heft 6, Aus- gabe A/B: 109 ff., Ausgabe C: 69 ff.

3) vgl. Urteil des SG Berlin in „arztrecht" 82, 75

Verfahren vor dem Zulassungs- und Berufungsausschuß

Herbert Schultze

92 Heft 7 vom 18. Februar 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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Zulassungs- und Berufungsausschuß

haben, es sei denn, den in der Zu- lassungsordnung für Kassenärzte (ZO-Ä) niedergelegten Verfahrens- vorschriften muß wegen des in § 1 Abs. 1 S. 1 SGB X enthaltenen Vorbehalts Vorrang vor denen des Zehnten Buches eingeräumt wer- den. Es ist deshalb zu prüfen, ob und in welchem Umfange die in der Zulassungsordnung enthalte- nen Verfahrensregeln von denen des Zehnten Buches abweichen und deshalb dem allgemeinen Verfahrensgesetz vorgehen. Dies soll — ausgehend von den Bestim- mungen des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches — nachfol- gend dargestellt werden.

2. Die Verfahrensgrundsätze im einzelnen

2.1. Verfahrensbeteiligte

Nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 SGB X ist der Antragsteller Beteiligter des Verfahrens. Dies ist im Zulas- sungsverfahren der die Zulassung beantragende Arzt und sind im Entziehungsverfahren_ die nach

§ 27 ZO-Ä zur Antragstellung be- rechtigten Kassenärztliche Ver- einigung und die Landesverbände der Krankenkassen.

In dem von Amts wegen einzulei- tenden Entziehungsverfahren wird der Arzt zum Beteiligten, weil sich der Entziehungsbescheid an ihn richtet, § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB X.

Die Kassenärztliche Vereinigung und die Landesverbände der Kran- kenkassen werden in einem sol- chen Falle erst Verfahrensbeteilig- te, wenn der Zulassungsausschuß oder der Berufungsausschuß sie zum Verfahren hinzuzieht, § 12 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. Abs. 2 S.1 SGB X. Dies setzt voraus, daß die Zulas- sungsgremien deren rechtliche In- teressen durch den Ausgang des Verfahrens berührt sehen. Weil der Ausgang des Zulassungsver- fahrens und der des Entziehungs- verfahrens gegenüber der Kassen- ärztlichen Vereinigung rechtsge- staltende Wirkung hat (der Arzt wird durch die Zulassung kraft Ge- setzes Mitglied der Kassenärztli-

chen Vereinigung und verliert die Mitgliedschaft im Falle der Entzie- hung), ist die Kassenärztliche Ver- einigung auf ihren Antrag hin im- mer zum Verfahren hinzuzuzie- hen, § 12 Abs. 2 S. 2 SGB X. Vor- schriften der Zulassungsordnung stehen dem nicht entgegen. Allen- falls kann aus § 37 Abs. 2 ZO-Ä entnommen werden, daß die Kas- senärztliche Vereinigung und die Landesverbände der Krankenkas- sen in jedem Falle, auch ohne aus- drückliche Hinzuziehung am Ver- fahren beteiligt sind, denn sie sind ebenso wie der betroffene Arzt zur mündlichen Verhandlung zu la- den. Diese, die Beteiligung betref- fenden Nuancen, dürften in der Praxis aber ohne jede Bedeutung sein.

Nach § 13 SGB X kann sich ein Verfahrensbeteiligter (dies wird in der Regel der Arzt sein) durch ei- nen Bevollmächtigten oder Bei- stand vertreten lassen, Die Zulas- sungsordnung sagt hierzu nichts.

Dieses „Schweigen" kann nicht als abweichende, dem Recht auf Vertretung entgegenstehende Re- gelung verstanden werden. Das bedeutet, daß der Arzt seit dem 1.

Januar 1981 nicht nur die ihm bis- her schon immer eingeräumte Möglichkeit, sondern auch das Recht hat, sich im Verfahren vor dem Zulassungs- und Berufungs- ausschuß vertreten zu lassen. Der Bevollmächtigte hat auf Verlangen seine Vollmacht schriftlich nach- zuweisen, § 13 Abs. 1 S. 3 SGB X.

Die Zulassungsgremien werden darauf zu achten haben, daß sie ihre Mitteilungen, also auch La- dungen, an den Bevollmächtigten zu richten haben. Wenn sie sich unmittelbar an den Beteiligten wenden, ist der Bevollmächtigte zu verständigen, § 13 Abs. 3 S. 3 SGB X. Diese und die übrigen Re- gelungen in § 13 SGB X entspre- chen den von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu beach- tenden Verfahrensvorschriften,

*) dieses Rechts (nämlich die Rechtswidrig- keit der Verwaltungsentscheidung)

§ 73 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Ihnen kommt wegen des An- spruchs des Betroffenen auf rechtliches Gehör, § 24 SGB X, und der Folgen bei einer Verlet- zung*) besondere Bedeutung zu.

Die Zulassungsgremien werden in Zukunft auch zu prüfen haben, ob nicht die Voraussetzungen vorlie- gen, unter denen beim Vormund- schaftsgericht die Bestellung ei- nes geeigneten Vertreters für den Arzt zu beantragen ist, § 15 SGB X.

Denkbar ist dies, wenn die Entzie- hung der Kassenzulassung wegen der körperlichen oder geistigen Gebrechen (z. B. bei Drogensucht) des Arztes vorgesehen ist, § 15 Abs. 1 Nr. 4 SGB X.

2.2. Besetzung des Zulassungs- und des Berufungsausschusses Nach § 9 SGB X ist das Verwal- tungsverfahren an bestimmte For- men nicht gebunden, soweit keine besonderen Rechtsvorschriften für die Form des Verfahrens beste- hen. Hieraus, aber auch aus dem eingangs erwähnten Vorbehalt in

§ 1 Abs. 1 SGB X folgt, daß nach

§ 368 b RVO die Zulassungs- und Berufsausschüsse weiter berufen sind, die Beschlüsse im Zulas- sungs- und Entziehungsverfahren zu fassen. Die in §§ 34, 35 ZO-Ä festgelegte Zusammensetzung der Zulassungsgremien bleibt beste- hen. Es sind aber die Bestimmun- gen des Zehnten Buches zu be- achten, in denen geregelt ist, un- ter welchen Voraussetzungen ein

Mitglied des Zulassungs- oder Be- rufungsausschusses in einem Ver- waltungsverfahren nicht tätig wer- den darf. Es sind dies die in § 16 SGB X konkret bezeichneten Aus- schließungsgründe, bei denen die nicht widerlegbare gesetzliche Vermutung der Befangenheit be- steht, und der Grund der Besorg- nis der Befangenheit, § 17 SGB X.

Jedes Ausschußmitglied ist ver- pflichtet, die Gründe mitzuteilen, die ihn von der Mitwirkung an der Beschlußfassung ausschließen können, § 16 Abs. 4 S. 1 SGB X.

Die Entscheidung darüber, ob ein Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 7 vom 18. Februar 1983 95

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Mitglied des Ausschusses von der Mitwirkung in einem Verwaltungs- verfahren auszuschließen ist, trifft der Zulassungs- oder Berufungs- ausschuß ohne den Betroffenen, d. h. der Zulassungsausschuß mit fünf Mitgliedern und der Beru- fungsausschuß mit sechs Mitglie- dern, §§ 16 Abs. 4 S. 2 und 3, 17 Abs. 2 SGB X. Dem steht nicht § 41 Abs. 2 ZO-Ä entgegen, wonach die Beschlüsse nur bei vollständiger Besetzung der Ausschüsse gefaßt werden können. Dort sind die das Zulassungs- bzw. Entziehungsver- fahren abschließenden Entschei- dungen, d. h. die Sachentschei- dungen gemeint, während es sich bei den nach § 16 Abs. 4 SGB X zu fassenden Beschlüsse um solche handelt, die der eigentlichen Sachentscheidung vorausgehen und letztlich nur das Verfahren be- treffen.

Um nach Ausschluß eines Mit- glieds wieder die in der Zulas- sungsordnung für die Sachent- scheidung vorgesehene Beset- zung der Ausschüsse zu erreichen (sechs Mitglieder für den Zulas- sungsausschuß, sieben Mitglieder für den Berufungsausschuß), muß für den Ausgeschlossenen der für den Verhinderungsfall vorgesehe- ne Vertreter tätig werden.

Das ausgeschlossene Mitglied darf nämlich bei den weiteren Be- ratungen und der Beschlußfas- sung nicht mehr zugegen sein; er ist also nicht nur von der Mitwir- kung ausgeschlossen, sondern er darf an den weiteren Sitzungen überhaupt nicht mehr, auch nicht als Zuhörer, teilnehmen.

2.3. Verfahren vor dem Zulas- sungs- und Berufungsausschuß 2.3.1. Mündliche Verhandlung.

Das eingangs im Zusammenhang zur Besetzung der Ausschüsse Gesagte gilt auch hier: Nach wie vor haben die Zulassungsgremien vor Beschlußfassung eine mündli- che Verhandlung durchzuführen,

§ 37 ZO-Ä.

Die Beteiligten des Verfahrens sind unter Einhaltung einer Frist von zwei Wochen mit Postzustel- lungsurkunde zur mündlichen Verhandlung zu laden, § 37 Abs. 2 ZO-Ä. Es kann auch in Abwesen- heit eines Beteiligten verhandelt werden, wenn in der Ladung dar- auf hingewiesen worden ist. Um von dieser Möglichkeit verfahrens- fehlerfrei Gebrauch zu machen, kommt dem in § 24 SGB X (bis zum 31. Dezember 1980: § 34 SGB I) niedergelegtem Anhörungsrecht besondere Bedeutung zu.

Das Recht auf Anhörung ent- spricht dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf „recht- liches Gehör", Art. 103 Abs. 1 GG.

Nach § 24 Abs. 1 SGB X ist jedem, in dessen Recht eingegriffen wer- den soll, vor Erlaß des Verwal- tungsaktes Gelegenheit zu geben, sich zu dem für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (die in Abs. 2 aufgeführten Aus- nahmen sollen hier unberücksich- tigt bleiben). Ihm ist „Gelegenheit zu geben", d. h.: nutzt er die ihm eingeräumte Möglichkeit nicht, so ist der Zulassungsausschuß und der Berufungsausschuß nicht ge- hindert, in Abwesenheit des Be- troffenen zu entscheiden. Voraus- setzung ist aber, daß der Betroffe- ne mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht nur die Tages- ordnung, § 36 ZO-Ä, mitgeteilt be- kommen hat, sondern auch über die vom Zulassungs- und Beru- fungsausschuß in der mündlichen Verhandlung vorgesehenen Maß- nahmen, z. B. zur Ermittlung des Sachverhaltes, informiert worden ist. In der Ladung zur mündlichen Verhandlung müssen deshalb dem Arzt die Zeugen und Sachver- ständigen genannt werden, die der Ausschuß zu hören beabsich- tigt.

Der Betroffene darf nicht von einer Entscheidung überrascht werden, die auf das Ergebnis einer ihm un- bekannt gebliebenen Sachermitt- lung gestützt wird. Darüber hinaus besteht für den Berufungsaus-

4) BSG in Soz R 1200 Nr. 8 zu § 34 SGB 1

schuß eine zusätzliche Verpflich- tung, dem Widerspruchsführer Gelegenheit zur Äußerung zu ge- ben, wenn eine Entscheidung ge- troffen werden soll, die ihn schlechter als in der ersten Ver- waltungsentscheidung stellen würde4).

Zum Anhörungsrecht gehört letzt- lich das Recht auf Akteneinsicht.

Soweit § 25 SGB X jedem Beteilig- ten grundsätzlich das Recht ein- räumt, die betreffenden Akten ein- zusehen, ist die dort beschriebene Verfahrensweise sowohl vom Zu- lassungs- als auch vom Beru- fungsausschuß zu beachten.

2.3.2. Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts

Nach § 20 Abs. 1 SGB X haben der Zulassungs- und Berufungsaus- schuß den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Sie bestim- men Art und Umfang der Ermitt- lungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten sind sie nicht gebunden. Dies ent- spricht inhaltlich § 40 S. 4 und 5 ZO-Ä, wonach der Vorsitzende des Ausschusses dahin zu wirken hat, daß der Sachverhalt ausreichend geklärt wird; die übrigen Aus- schußmitglieder wirken dabei mit dem ihnen eingeräumten Recht mit, eigene Fragen und Anträge zu stellen. Das Zehnte Buch des So- zialgesetzbuches bringt insoweit nichts Neues. Das gilt auch für die in § 21 SGB X nunmehr kon- kret bezeichneten Beweismittel.

Die Zulassungsgremien konnten schon immer die ihnen erforder- lich erscheinenden Beweise erhe- ben, § 39 Abs. 1 ZO-Ä; und geeig- nete Beweismittel waren von jeher Zeugen und Sachverständige, wie sich aus § 39 Abs. 2 ZO-Ä un- schwer herleiten läßt. Die Zulas- sungsordnung enthält aber keine, die Durchführung der Beweisauf- nahme regelnden Vorschriften.

Der Zulassungs- und der Beru- fungsausschuß werden deshalb bei der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen nach den DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

96 Heft 7 vom 18. Februar 1983 80. Jahrgang

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Zulassungs- und Berufungsausschuß

hierfür im Zehnten Buch vorgese- henen Regelungen verfahren müs- sen. Nach § 21 Abs. 3 S. 1 SGB X besteht für Zeugen und Sachver- ständige eine Pflicht zur Aussage bzw. zur Erstattung von Gutachten nur, wenn sie durch Rechtsvor- schriften vorgesehen ist. Während sich eine derartige Verpflichtung für einen Sachverständigen aus

§ 407 Zivilprozeßordnung (ZPO) ergibt, wenn er hierzu öffentlich bestellt worden ist, oder ein Ge- werbe, deren Kenntnis Vorausset- zung der Begutachtung ist, öffent-

lich zum Erwerb ausübt oder hier- zu öffentlich bestellt oder ermäch- tigt worden ist, oder er sich zur Erstattung des Gutachtens bereit erklärt hat, sieht weder die Reichs- versicherungsordnung (RVO) noch die Zulassungsordnung für Zeugen die Verpflichtung zur Aus- sage vor.

Die Ausschüsse bleiben weiter darauf angewiesen, daß die Zeu- gen bereit sind, freiwillig auszusa- gen. Die Ausschüsse können auch nicht die Vernehmung der Zeugen durch das Sozialgericht nach § 22 SGB X veranlassen, denn Voraus- setzung hierfür ist, daß aussage- pflichtige Zeugen die Aussage ver- weigern.

Eine gerichtliche Vernehmung auf Antrag ist nur zulässig, wenn der Zulassungsausschuß oder der Be- rufungsausschuß es für geboten hält, daß der zur freiwilligen Aus- sage bereite Zeuge seine Angaben beeidigt, § 22 Abs. 2 SGB X. Die in

§ 23 SGB X vorgesehene Möglich- keit, eidesstattliche Versicherun- gen zu verlangen und zu berück- sichtigen, besteht für die Zulas- sungsgremien dann nicht, wenn die Zulassungsordnung — wie in

§ 4 Abs. 4 — eidesstattliche Erklä- rungen nicht für zulässig erklärt.

In diesem Zusammenhang wird auf § 42 ZO-Ä hingewiesen, wo- nach der Ausschuß über jede Sit- zung eine Niederschrift anzuferti- gen hat. Diese Niederschrift soll u. a. die wesentlichen Erklärungen der Beteiligten und das Ergebnis der Beweiserhebung enthalten.

Zur Beweiserhebung gehört die Beweisaufnahme. Wenn § 42 ZO-Ä davon spricht, daß das Ergebnis der Beweiserhebung in die Sit- zungsniederschrift aufzunehmen ist, so sollte dies nicht so verstan- den werden, daß nur das protokol- larisch festgehalten wird, was der Ausschuß nach Würdigung der Zeugenaussagen als festgestellt ansieht.

Die Zulassungsordnung und das Zehnte Buch des Sozialgesetzbu- ches enthalten zwar keine Vor- schriften über die Durchführung einer Beweisaufnahme. Dem Zu- lassungs- und Berufungsaus- schuß wird es deshalb auch in Zu- kunft überlassen bleiben, das Ver- fahren im wesentlichen frei von

Förmlichkeiten, einfach und zweckmäßig zu gestalten, § 9 SGB X. Wenn die Zulassungsgremien und die Beteiligten am Verwal- tungsverfahren aber daran inter- essiert sind, im nachfolgenden Klageverfahren verwertbare Zeu- genaussagen zu erhalten, so soll- ten sie zweckmäßigerweise, ohne daß dies für das Verwaltungsver- fahren ausdrücklich normiert ist, die für die Beweisaufnahme gel- tenden Grundsätze des Prozeß- rechts beachten. Dazu gehört beim Zeugenbeweis, den Zeugen zu veranlassen, dasjenige, was ihm vom Gegenstand seiner Ver- nehmung bekannt ist, im Zusam- menhang anzugeben, § 396 Abs. 1 ZPO. Diese Aussage sollte ins Pro- tokoll aufgenommen werden,

§ 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO. Die für den Zivilprozeß geltenden Bestimmun- gen finden über §§ 118 Abs. 1, 122 SGG im sozialgerichtlichen Ver- fahren Anwendung und sollten von den Zulassungsgremien auch im Verwaltungsverfahren berück- sichtigt werden.

Letzterem steht nicht entgegen, daß das Verwaltungsverfahren möglichst einfach und zweckmä- ßig durchzuführen ist. Viel un- zweckmäßiger und dem Erfolg des Entziehungsverfahrens entgegen- stehend ist es, eine Beweisaufnah- me in einer Weise durchzuführen, die eine Verwertung der Aussagen

im Klageverfahren erschwert, wenn nicht sogar ausschließt. Un- abhängig von der Frage, ob die Wiedergabe zweckmäßigerweise in direkter oder indirekter Rede protokolliert wird, kann nicht als Wiedergabe angesehen werden, wenn die Aussage der Zeugen zu- sammengefaßt, gleichsam gekürzt aufgenommen werden. Bei dieser Verfahrensweise ist das Gericht nicht in der Lage, die Aussage des Zeugen selbständig zu würdigen und auf deren Richtigkeit und Wahrheitsgehalt zu überprüfen.

Für das Gericht ist es dann unum- gänglich, eigene Ermittlungen an- zustellen, z. B. im Entziehungsver- fahren Patienten nochmals als Zeugen zu vernehmen. Es bedarf keiner weiteren Begründung, daß durch sich wiederholende Verneh- mungen die Aussage von Zeugen immer mehr in Frage gestellt wird, denn es geht jene Unmittelbarkeit, Unbefangenheit und Spontaneität verloren, durch die Zeugenaussa- gen besonders überzeugend wir- ken können.

Die Gerichte werden schon wegen des Zeitablaufs kaum in der Lage sein, Versäumnisse wettzuma- chen, die in den Verantwortungs- bereich des Zulassungs- und des Berufungsausschusses fallen.

2.3.3. Beratung und Beschlußfassung

Nach § 35 SGB X ist ein schriftli- cher Verwaltungsakt schriftlich zu begründen. Dies entspricht § 41 Abs. 4 ZO-Ä. Danach haben die Mitglieder des Ausschusses das Ergebnis ihrer in Abwesenheit der Beteiligten getroffenen Entschei- dung in einem Beschluß niederzu- legen und mit Gründen und der Rechtsmittelbelehrung zu verse- hen.

Der im Zehnten Buch des Sozial- gesetzbuches enthaltenen Rege- lung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, § 27, kommt im Zulassungs- und Entziehungsver- fahren nur insoweit Bedeutung zu, Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 7 vom 18. Februar 1983 99

(5)

als gesetzliche Fristen einzuhalten sind. Eine solche Frist sieht das Gesetz für die Einlegung des Wi- derspruchs vor. Auf deren Einhal- tung hat der Berufungsausschuß zu achten. Weil das Verfahren vor dem Berufungsausschuß als Vor- verfahren im Sinne des § 78 SGG gilt, § 368 c Abs. 7 RVO, und auch

§ 62 SGB X für das Vorverfahren die Anwendung des Sozialge- richtsgesetzes vorsieht, ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach wie vor unter den in

§ 67 SGG genannten Vorausset- zungen zu prüfen.

2.4. Kosten des Verfahrens Nach § 64 SGB X werden für Ver- fahren nach dem Zehnten Buch keine Gebühren und Auslagen er- hoben. Hiervon abweichend ent- hält die ZO-Ä einen eigenen Ab- schnitt über Gebühren. Aus den eingangs unter Hinweis auf § 1 Abs. 1 S. 1 SGB X dargelegten Gründen haben diese Gebühren- vorschriften Vorrang vor der im Zehnten Buch eingeräumten Ge- bührenfreiheit. Gebühren können in Zulassungs- und Entziehungs- verfahren nach wie vor erhoben werden.

Die ZO-Ä regelt nicht, unter wel- chen Voraussetzungen einem Be- teiligten die ihm durch das Verfah- ren vor dem Zulassungs- oder Be- rufungsausschuß entstandenen Aufwendungen zu erstatten sind.

In Zukunft wird es aber insbeson- dere aber immer dann einer Ko- stenentscheidung bedürfen, wenn sich ein Beteiligter (in der Regel der Arzt) im Zulassungs- und Ent- ziehungsverfahren von einem Be- vollmächtigten oder Beistand ver- treten läßt, vgl. § 13 SGB X. Weil die ZO-Ä keine abweichende, die Anwendung des Zehnten Buches ausschließende Regelung enthält, werden nach § 63 SGB X die dem Arzt zur zweckentsprechenden Rechtverfolgung oder Rechtsver- teidigung notwendigen Aufwen-

5) BSG in Soz R 1500 Nr. 3 zu § 193 SGG

dungen zu erstatten sein, wenn der gegen den Beschluß des Zu- lassungsausschusses von ihm ein- gelegte Widerspruch erfolgreich war, wobei Gebühren und Ausla- gen eines Rechtsanwaltes oder ei- nes sonstigen Bevollmächtigten nur erstattungsfähig sind, wenn die Zuziehung notwendig war,

§ 63 Abs. 2 SGB X. § 63 SGB X gilt nur für das Widerspruchsverfah- ren, so daß Aufwendungen im Ver- fahren vor dem Zulassungsaus- schuß unter keinen Umständen zu erstatten sind.

Die vom Berufungsausschuß zu treffende Kostenentscheidung stellt sich als Verwaltungsakt dar, so daß der Arzt, der zwar mit sei- nem Widerspruch in der Sache Er- folg hatte, dem aber die Aufwen- dungen nicht erstattet werden sol- len, gegen die Kostenentschei- dung Klage vor dem Sozialgericht erheben kann.

Folgt einem ohne Erfolg gebliebe- nen Widerspruch ein für den Arzt erfolgreiches Klageverfahren, so gehören die Kosten des Vorverfah- rens, dessen Durchführung Vor- aussetzung für die Zulässigkeit der Klage gewesen ist, zu den Ko- sten des gesamten Verfahrens, über deren Erstattung die Gerich- te der Sozialgerichtsbarkeit nach

§ 193 SGG zu entscheiden ha- ben 5 ).

Der vom Vormundschaftsgericht bestellte Vertreter hat gegen den- jenigen, der die Bestellung veran- laßt hat, Anspruch auf eine ange- messene Vergütung und auf Er- stattung der baren Auslagen. Der gegenüber dem Vertreter Zah- lungspflichtige hat wiederum ge- gen den Vertretenen einen An- spruch auf Ersatz dieser Aufwen- dungen, § 15 Abs. 3 SGB X.

Anschrift des Verfassers:

Herbert Schultze Vizepräsident

des Sozialgerichts Berlin Invalidenstraße 52 1000 Berlin 21

Betriebshygiene in der

ärztlichen Praxis

Zu dem Beitrag von

Dr. med. Hildegard Schreiber (Heft 34/1982)

Bundesseuchengesetz

Es war sehr verdienstvoll, die „Be- triebshygiene in der ärztlichen Praxis" zu diskutieren. Allerdings wurden die §§ 19-29 BSeuchG in ihrer ab 1. 1. 1980 geltenden Fas- sung nicht korrekt wiedergegeben bzw. interpretiert:

1. Zunächst besteht nach § 20 Abs. 2 eine Anzeigepflicht bei der zuständigen Behörde für jeden, der mit Krankheitserregern, also medizinisch-mikrobiologisch ar- beiten will. Das gilt auch für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte, wenn sie sich auf die erlaubnisfreien Unter- suchungen für die eigene Praxis beschränken.

2. In jedem Fall sind geeignete Räume und Einrichtungen dafür Voraussetzung. Außerdem sieht das Gesetz ausdrücklich als weite- res Kriterium die Zuverlässigkeit des Betreffenden vor.

3. Auf keinen Fall darf die erlaub- nisfreie aber anzeigepflichtige Tä- tigkeit auf alle in § 19 Abs. 1 Nr. 1 und 2 genannten Erreger ausge- dehnt werden, sie ist vielmehr be- schränkt auf die in Nr. 2 des § 19, Abs. 1. Dagegen darf nicht mit den in Nr. 1 a) bis 1c) aufgezählten „ge- meingefährlichen" Krankheitser- regern gearbeitet werden, wenn die hierfür notwendige Sach- kenntnis und Erlaubnis fehlt. Zu diesen nur den ausgebildeten me- dizinischen Mikrobiologen vorbe- haltenen Erregern gehören neben einigen exotischen und/oder schwer anzüchtbaren Mikroorga- 100 Heft 7 vom 18. Februar 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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