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Archiv "Statine: Regeln evidenzbasierter Medizin" (16.12.2005)

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(1)

hende finanzielle Verbindung zum Sortis®-Hersteller Pfizer, die er in internationalen Publi- kationen offen gelegt hat, in seinem Kommentar nicht er- wähnt.

Dr. med. T. Kaiser,

Prof. Dr. med. Peter T. Sawicki, Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Dillenburger Straße 27, 51105 Köln

Peinliche Argumentation

Dass man an der Arbeit des IQWiG Anstoß nehmen kann, ist sehr gut verständlich. Der Kommentar zur Nutzenbewer- tung der Statine des IQWiG beruft sich mit seiner Kritik auf „renommierte Journale“,

„nationale und internationale Fachgesellschaften“ und „alle gängigen Lehrbücher für In- nere Medizin“. Eine solche Begründung ist ausschließlich eminenzbasiert und entspricht damit weder den Grundlagen der ärztlichen wissenschaftli- chen Sorgfalt noch dem von Bundesärztekammer, KBV und AWMF anerkannten Ver- fahren zur Bewertung medizi- nisch-wissenschaftlicher Er- zeugnisse. Eine solche Argu- mentation im zentralen Stan- desorgan der verfassten Ärz- teschaft ist schlicht peinlich.

Dr. med. Günther Jonitz, Präsident der Ärztekammer Berlin, Friedrichstraße 16, 10969 Berlin

Disqualifikation

. . . Alle Beteiligten – Patien- ten, Krankenhausträger, Ärzte – haben sich längst daran ge- wöhnt, dass reichlich unbe- zahlte und oft auch ungesetzli- che – nach Nachtdiensten – Überstunden gemacht wer- den. Die gleichen Ärzte wer-

den mit dem neuen Arbeits- zeitgesetz die gleiche Arbeit tun, weil sie eben getan wer- den muss, nur mit noch weni- ger Bezahlung und mit noch mehr Ungesetzlichkeit. Die Staatsanwälte werden solange darüber hinwegsehen, wie sie nicht selbst betroffen sind und solange nichts passiert, dann aber ist der überarbeitete Arzt schuld. Die Attraktivität der Tätigkeit in deutschen Klini- ken und Praxen lässt sich so nicht steigern. Doch ein Licht- blick ist da: Die Zweckmäßig- keit von medizinischen Be- handlungen wird kurzerhand negiert, Behandlung damit unnötig, das Ganze billiger.

Das hat dann aber mit der Er- füllung der eigentlichen ärztli- chen Aufgabe und dem ärztli- chen Gewissen nichts mehr zu tun. Wenn das IQWiG (Insti- tut für Qualität und Wirt- schaftlichkeit im Gesundheits- wesen) die umfassende und überzeugende evidenzbasierte Erfolgsgeschichte der Statine, die zweifellos zu den ganz großen Würfen der modernen Medizin gehört, infrage stellt, hat es sich in unseren Augen disqualifiziert, oder vielleicht sollte man sagen: suizidiert.

Dr. med. habil. Eckart Wunderlich, Friedrichstraße 39, 01067 Dresden

Entgegnung

ŒProf. Greten ist „ungläubig überrascht“, dass in der „Nut- zenbewertung Statine“ durch das IQWiG (Institut für Qua- lität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen) auf Seite 100 in der Zusammenfassung festgestellt wird, „. . . das Aus- maß der LDL-Cholesterin- Senkung ist nicht geeignet, den Nutzen hinsichtlich pati- entenrelevanter Endpunkte

generell zu belegen oder zu quantifizieren“. Er hat in sei- nem Zitat allerdings vergessen anzuführen, dass sich die Au- toren des Berichts expressis verbis auf „vorliegende Lang- zeitinterventionsstudien“ be- ziehen. Es war nicht die Rede von epidemiologischen und anderen Studien, mit denen sich allenfalls Hypothesen ge- nerieren lassen. Wenn Prof.

Greten die vorherigen 99 Sei- ten und die nachfolgenden Anhänge studiert hätte, hätte sich sein „Weltbild“ vielleicht gewandelt. Spätestens im Jahr 2002 wurde die Cholesterol- Legende definitiv widerlegt:

„The size of the 5-year benefit depends chiefly on such indivi- duals’ overall risk of major vascular events, rather than on their blood lipid concentra- tions alone“. Das Zitat stammt aus der HPS (Heart Protec- tion Study), in der an 20 536 Patienten Simvastatin (40 mg/d) gegen Placebo vergli- chen wurde. Das ist Evidence based Medicine (EbM).

Prof. Greten führt an, dass nationale und internationale Fachgesellschaften überein- stimmend konstatieren: LDL- Cholesterinsenkung – je nied- riger, je besser. Und wer deutschsprachigen Aussagen misstraut, erfährt noch: („the lower – the better“). Nun sind die vielfältigen Verflechtungen zwischen Fachgesellschaften und Industrie seit langem be- kannt. Im konkreten Fall ist der Koautor der TNT(Treat- ing to New Targets)-Studie, S. M. Grundy, auch Erstautor des NCEP(National Chole- sterol Education Program)- Reports. In der TNT-Studie (La Rosa et al. 2004) ging es darum, eine hochdosierte Atorvastatin-Anwendung (80 mg/d) zu begründen. Diese Studie wurde von Pfizer finan- ziell unterstützt. Grundy steht auch auf der Honorarliste von Pfizer. Dass aus solchen Kon- stellationen Interessenkonflik- te resultieren können, ist ein- leuchtend.

ŽProf. Greten formuliert:

„Ein niedriges LDL-Choleste- rin reduziert das individuelle koronare Risiko: nachzulesen in allen gängigen Lehrbüchern

für Innere Medizin und Prü- fungsgegenstand im medizini- schen Staatsexamen.“ Lehr- bücher und Prüfungsfragen dürften wohl der niedrigsten (bisher noch nicht definierten) Evidenzklasse sechs zuzuord- nen sein. Ganz abgesehen da- von, dass auch die Lehrbücher von denselben Experten ge- schrieben werden wie Leitlini- en,Therapieempfehlungen usw.

Prof. Greten plädiert für ei- ne optimale, verantwortungs- bewusste, evidenzbasierte Pa- tientenversorgung. Was be- deutet das? Aus den Ergebnis- sen von HPS, PROVE-IT (Pravastatin or Atorvastatin Evaluation and Infection Therapy, Cannon et al. 2004) und TNT lässt sich die allge- meine Empfehlung von Prof.

Greten: „Je niedriger, je bes- ser“ keinesfalls ableiten. Der zusätzliche Nutzen, der aus ei- ner Senkung des LDL-C von 100 mg/dl auf 70 mg/dl resul- tiert, ist selbst für bestimmte Hochrisikopatienten nur recht gering: ARR (absolute Risiko- reduktion) der primär zusam- mengesetzten Endpunkte in PROVE-IT 3,9 Prozent und in TNT 2,2 Prozent. Die Anzahl der Schlaganfälle wurde übri- gens – im Gegensatz zur Be- hauptung von Prof. Greten – in keiner der genannten Studi- en reduziert. In PROVE-IT zogen Patienten ≥65 Jahre keinen Nutzen aus einer inten- siven LDL-C-Senkung . . . Im ureigensten Interesse der Patienten dürfte es sein, wenn zukünftig nicht einzelne Risi- kofaktoren behandelt wer- den, wie z. B. LDL-C, Blut- druck usw., sondern wenn das Gesamtrisiko eines Patienten für eine Therapieempfehlung entscheidend wird – in Deutschland etwa der PROCAM-Score (Cullen et al. 2005).

Literatur bei dem Verfasser Prof. Dr. Frank P. Meyer, Magdeburger Straße 29, 39167 Groß Rodensleben

Regeln evidenzbasierter Medizin

In seinem Kommentar zur Nutzenbewertung der Statine A

A3500 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 50⏐⏐16. Dezember 2005

B R I E F E

Anonym

Die Redaktion veröffentlicht keine ihr anonym zugehen- den Zuschriften, auch keine Briefe mit fingierten Adres- sen. Alle Leserbriefe werden vielmehr mit vollem Namen und voller Anschrift gebracht. Nur in besonderen Fällen können Briefe ohne Namensnennung publiziert werden – aber nur dann, wenn intern bekannt ist, wer geschrieben

hat.

(2)

durch das IQWiG postuliert Prof. Greten, das Institut sei in seiner Schlussfolgerung von den Regeln der evidenzbasier- ten Medizin (EbM) abgewi- chen. Ohne an dieser Stelle auf den inhaltlichen Gegen- stand des Kommentars einge- hen zu wollen, sei doch die Frage nach der Evidenzbasis erlaubt, mit welcher der Autor seine Argumentation stützt.

Der Hinweis auf einen Kon- sens nationaler und internatio- naler Fachgesellschaften be- züglich einer bestimmten Fra- gestellung, unterstützt durch die Aussagen gängiger Lehr- bücher für Medizinstudieren- de als zusätzliche Evidenzba- sis, ist nach den EbM-Kriteri- en – so pauschal – nicht geeig- net, eine Aussage valide zu be- gründen. Wesentliches Kriteri- um zur Bewertung von Evi- denz ist die Qualität der zu- grunde liegenden Information, nicht die Quantität oder Ho- mogenität. Prinzipiell ent- scheidend ist nicht, ob Inhalte und Aussagen von Fachgesell- schaften oder medizinischen Lehrbüchern einander ent-

sprechen, sondern ob die Grundlagen, auf denen diese Aussagen fußen, qualitativ hochwertig und belastbar sind.

Somit bietet es sich unseres Erachtens an, die Qualität der Evidenzbasis zu prüfen und nach den Regeln der EbM zu bewerten, die nach Ansicht des Autors gegen die vom IQWiG getroffenen Schluss- folgerungen stehen. Mögli- cherweise wird dies erneut un- gläubige Überraschung auslö- sen.

Lars Gerrit Hemkens,

Andreas Waltering,DIeM – Institut für evidenzbasierte Medizin GmbH, Venloer Straße 301–303, 50823 Köln

Auf den Punkt gebracht

Glückwunsch zu dieser Stel- lungnahme. Prof. Greten bringt die Argumente auf den Punkt. Das IQWiG diskredi- tiert sich zunehmend, indem es sich mit einer gewissen Willkür, aber keineswegs zu- fällig, zum Schiedsrichter über lege artis zustande ge- kommene Leitlinien – und

jetzt auch über in exzellenten Journals publizierte wissen- schaftliche Forschungsergeb- nisse macht. Dazu gehört auch, dass sich sein Leiter Prof. Sawicki für keinen Me- dienauftritt zu schade ist, bei der die Konsensusmeinung von Fachgesellschaften gegen populistische Meinungsma- che („Die Krankheitserfin- der“) ausgespielt wird. Wis- senschaftliche Fachgesell- schaften dürfen dem nicht länger widerspruchslos zuse- hen.

Prof. Dr. med. Harry W. Hahmann, Stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Arteriosklero- seforschung, Waldburg-Zeil Kliniken, Waldburgallee 3–5,

88316 Isny-Neutrauchburg

Krankenhäuser

Zu dem Beitrag „DRG-System prägt den Arbeitsalltag“ von Dr. med.

Sascha Baller M.Sc. und Dr. med. Ker- stin Oestreich M.Sc. in Heft 44/2005:

Abenteuerlicher Weg

Der sehr informative Artikel macht mir einmal mehr schlaglichtartig klar, auf welch abenteuerlichen Weg man sich in Deutschland – im Unter- schied z. B. zu den USA – mit seinen G-DRGs und ihrer me- tastasenhaften Ausweitung von Kodierungsalternativen gemacht hat (und ihn – bis die G-DRGs eines Tages durch ein „Pay for Performance“ ab- gelöst sein werden – wohl

auch weiterzugehen gedenkt).

Ich habe sehr früh und leider vergeblich auf die Folgen auf- merksam gemacht. Ein DRG- System muss robust und von den Beteiligten einfach zu handeln sein. Und es darf kei- ne Anreize für Manipulation (und aufwendige Gegenmaß- nahmen) bieten. Was wir in Deutschland stattdessen ha- ben, wird sich noch als ein in absehbarer Zukunft nicht mehr zu bändigender „Fla- schengeist“ herausstellen. Die Autoren schreiben: „Die At- traktivität des Arztberufes sinkt seit der Einführung des DRG-Systems – auch wegen des hohen Anteils an fach- fremden, weitgehend verwal- tungsorientierten Aufgaben“.

Die G-DRGs dürfen nicht da- zu führen, dass Kranken- hausärzte auf die Dauer in größerem Umfang dank fall- bezogener Ertragsoptimie- rung von ihrer eigentlichen Arbeit abgehalten werden, den Patienten zu helfen – zu wie viel Prozent auch immer.

Dass sich Krankenhausärzte der neuen Bürokratie nur mit- tels neuer Kodierungskräfte (zulasten der Arztstellen) er- wehren zu können glauben, ist schrecklich. Mit der Ausdün- nung ärztlichen Personals ver- stärken sie doch noch das „hi- storische“ Problem der (unbe- zahlten) ärztlichen Überstun- den. Die Autoren beschreiben sehr gut, was ist, leider aber kaum, was besser sein sollte:

Statt einer zementierenden Steigerung der Bürokratieko-

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 50⏐⏐16. Dezember 2005 AA3501

B R I E F E

E-Mail

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kürzen.

Referenzen

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