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Archiv "Der „Bayern-Katalog“ - was wirklich drinsteht" (20.06.1987)

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Der „Bayern-Katalog"

was wirklich drinsteht

Zum Hintergrund des abge- druckten „Briefes eines Betroffe- nen" gehört der sogenannte bayeri- sche Maßnahmenkatalog zur Verhü- tung und Bekämpfung von AIDS.

Die Bayerische Staatsregierung hat- te diesen Katalog am 25. Februar 1987 beschlossen, und er wird seit- dem heftig diskutiert; die entspre- chende Bekanntmachung des Baye- rischen Staatsministeriums des In- nern erfolgte allerdings erst am 19.

Mai, und sie ist nachstehend im Mi- nisterialamtsblatt vom 25. Mai er- schienen. Sie besteht lediglich aus

„Vollzugshinweisen" zum Seuchen- recht, Ausländerrecht und Polizei- recht.

Wesentlich ist dabei zunächst die Feststellung, daß AIDS im Sinne des

§ 1 des Bundesseuchengesetzes eine übertragbare Krankheit ist. Dies war gelegentlich umstritten, weil § 3 BSeuchG eine Liste der Krankheiten enthält, bei denen Meldepflicht be- steht; in dieser Liste ist AIDS noch nicht enthalten. Nach § 7 können der Bundesgesundheitsminister mit Zu- stimmung des Bundesrates oder aber eine Landesregierung die Melde- pflicht auf andere übertragbare Krankheiten ausdehnen.

Diesen Weg ist die Bayerische Staatsregierung jedoch nicht gegan- gen. Sondern sie hat die in § 2 BSeuchG enthaltenen Definitionen

— „krank; krankheitsverdächtig; an- steckungsverdächtig; Ausscheider;

ausscheidungsverdächtig" — im Zu- sammenhang mit AIDS neu defi- niert. Dabei gilt als „ansteckungs- verdächtig" im Sinne des § 2 Nr. 3

„eine Person, von der anzunehmen ist, daß sie das HI-Virus aufgenom- men hat, ohne krank, krankheitsver- dächtig oder Ausscheider zu sein".

Und darauf folgt der Satz: „Die Voraussetzungen eines Anstek- kungsverdachts sind erfüllt bei:

männlichen und weiblichen Prosti- tuierten; intravenös Drogensüchti- gen (Fixern)."

Alle anderen nach dem Katalog möglichen Maßnahmen nach dem

BSeuchG und anderen Rechtsvor- schriften beruhen gewissermaßen auf diesen beiden Definitionen. So stützt sich der „bayerische Kondom- zwang" auf § 34 BSeuchG. Die ent- sprechende Passage lautet: „An- steckungsverdächtige, die Prostitu- tion ausüben, sind durch Anordnung (§ 34) zu verpflichten, beim Ge- schlechtsverkehr Kondome zu ver- wenden. Ferner ist ihnen nach § 34 zu untersagen, mit der ärztlichen Untersuchungsbescheinigung zu werben, insbesondere durch Aus- hang in den Räumen, in denen die Prostitution ausgeübt wird."

Auch die von den bayerischen Gesundheitsämtern anzustellenden Ermittlungen werden auf das Bun- desseuchengesetz gestützt (§§ 31 und 32). Dabei gestatten „begrün- dete Anhaltspunkte, daß jemand der Prostitution nachgeht oder intra- venös drogensüchtig (Fixer) ist", die Annahme, daß jemand ansteckungs- verdächtig ist. Ein anonymer Hin- weis allein reiche allerdings für eine solche Annahme nicht aus. Die Ge- sundheitsämter stützen sich neben eigenen Erkenntnissen auf die An- gaben der Polizei und der Sicher- heitsbehörden.

Bemerkenswert ist dabei jedoch folgende Einschränkung: „Erkennt- nisse der Gesundheitsämter im Rah- men ihrer anonymen Beratung und damit verbundene Untersuchungen auf HIV dürfen nicht weiter verwer- tet werden."

Bemerkenswert ist ferner: Die überhaupt größte Risikogruppe, die Homosexuellen, wird in dem Bay- ern-Katalog nicht erwähnt. Ebenso gibt es keinen Hinweis auf etwaige Absichten, allen Bewerbern für den öffentlichen Dienst einen Test abzu- verlangen. gb

Die bayerischen Maßnahmen wurden von Professor Dr. Wolfgang Spann, Vorstand des Universitäts- Instituts für Rechtsmedizin in Mün- chen, und Professor Dr. Dr. h. c.

Hans J. Sewering, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer,

beim Fortbildungskongreß der Bun- desärztekammer in Grado nach- drücklich verteidigt. Spann wie Se- wering gehören einem wissenschaft- lichen Beirat an, der die bayerische Regierung in diesen Fragen berät.

Spann sprach von einer Verdop- pelung der Erkrankungszahl inner- halb von sechs bis zwölf Monaten.

Vor diesem dramatischen Hinter- grund seien die bayerischen Maß- nahmen zu sehen. Aufklärung sei zwar „ungeheuer wichtig", doch da- mit allein sei es nicht getan. Viel- mehr müsse seuchenhygienisch „je- de denkbare Möglichkeit" genutzt werden, um die Nichtinfizierten zu schützen. Das Recht des Nichtinfi- zierten auf Schutz seiner Gesundheit genieße Priorität, rief Spann aus.

Das sei ärztlich gedacht und entspre- che dem Grundsatz: vorbeugen ist besser als heilen. Spann betonte al- lerdings auch, daß der an AIDS Er- krankte jede benötigte Pflege erhal- ten solle.

Kondom-Kontrolle

Professor Spann verteidigte aus- drücklich die Vorschrift, wonach in- fizierte Prostituierte und Strichjun- gen, die ohne Kondome arbeiteten, mit Tätigkeitsverbot belegt und not- falls abgesondert werden dürfen.

Professor Sewering ging in diesem Zusammenhang auf Pressekommen- tare ein, in denen bezweifelt wurde, ob ein solches Tätigkeitsverbot kon- trolliert werden könne. Es gebe eine Fülle von Vorschriften in unserem Rechtswesen, die nicht kontrolliert werden könnten. Eine solche Vor- schrift habe auch im Hinblick auf ei- ne strafrechtliche Verfolgung ihren Sinn: Infizierte, die kein Kondom benutzen und einen anderen anstek- ken, machten sich unter Umständen der Körperverletzung mit Todesfol- ge schuldig.

Laut Spann verhalten sich die Prostituierten (weniger die Strich- jungen), jedenfalls im Raum Mün- chen, in hohem Maße kooperativ.

Problematisch sei jedoch das Ver- halten der Zuhälter und auch das Verhalten der Kunden, denn 90 Pro- zent wünschten den Verkehr ohne Kondom. gb/NJ A-1810 (26) Dt. Ärztebl. 84, Heft 25/26, 20. Juni 1987

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