2 3. JUNI 1994
Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft
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Institut fM~ral de lstituto federale Swiss Federal
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WSLla foret, la neige la foresta, la neve Snowand
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et le paysage eil paesaggio Landscape Research
CH-8903 Birmensdorf
Ulmenwelke
Biologie, Vorbeugung und Gegenmassnahmen
' Bergulme Eidg. fori.chungsanstalt für W.ld. Schnee und Landschaft
Bibliothek CH-8903 8\rm!n~corf
Flatterulme
Feldulme
I
ll,000001855967
~ Phytosanitärer Beobachtungs- und Meldedienst (PBMD) der
~ Forschungsanstalt WSL, Birmensdorf
Sonderdruck aus Wald und Holz, Nr. 13/93
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Ulme gefährdet
Ulmenwelke - Biologie, Vorbeugung
und Gegenmassnahmen
Abbildung 1:
Krankheitsverlauf derUlmen-
we/ke.
Se it Beg inn der 70er Jahre breitet sich das Ulmensterben epidemieart ig in Europa aus. In der Schwei z sind seit etwa 1975 grosse Schäden an Stadt- und Park-
bäumen sowie an natürl ichen Beständen zu verze ichnen . Die Krankheit wird durch einen Pi lz verursacht und durch Borkenkäfer übertragen . Eine Gesundung befa llener Ulmen, wie sie bei einer ersten Ep idemie zwischen 1918 und 1940 für einzelne Bäume beschrieben wurde , ist heute nicht mehr zu beobachten (siehe auch WALD und HOLZ Nr. 9/92) .
ab April/ Mai schwannende
Ulmenspli; : !1 /
P ilrnp= ; l
mit Pilzsporen beladener Jungkäfer im Frassgang
der Pilz (Nebenfruchtform) wächst In den Frassgängen
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Hauptfruchtform und
ebenfruchtformen des Pilzes ~ 4 Muttergang
Frassbild 2
,
. II .
Zwe,gfrass an gesunder Ulme -+Übertragung der Krankheit
Folgen
der Infektion
~
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a
Pilzfaden Sporen
Thylle
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auf dem Stamm- Verstopfung der Querschnitt braun wasserleitenden verfärbte Gefässe Gefässe durch
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Thyllen und Pilzfäden (Gefäss stark vergrössert)
Welken und / Verfärbung der Blätter
kranke Ulme gesunde Ulme
Infektion durch Wurzelverwachsungen
36 W A L D U N O H O L Z 13/93
Wirtsbäume
Alle heimischen Ulmenarten sind von dieser Welkekrankheit betroffen: Die in der Schweiz am weitesten verbreitete Bergulme (Ulmus glabra Huds.), weiter die Feldulme (Ulmus minor Mill.) und die
Von Dagmar Nierhaus-Wunderwald*
Flatterulme (Ulmus laevis Pali.), die aller- dings weniger häufig von krankheitsüber- tragenden Borkenkäfern aufgesucht wer- den soll. Auch die in Parkanlagen anzu- treffende Kaukasus-Zelkove (Zelkova car- pinifolia (Pali.) K. Koch) und der Südliche Zürgelbaum (Celtis australis L.), beide ebenfalls zu den Ulmengewächsen gehö- rend, werden mehr oder weniger stark befallen. Ulmen bilden in der Schweiz keine grösseren Reinbestände; sie sind - rschiedenen Waldgesellschaften beige-
mischt.
Seltener brüten Ulmensplintkäfer an anderen Baumarten. Werden hierbei auch Pilzsporen übertragen, zeigt der Pilz nur geringes Wachstum, verursacht keine erkennbaren Schäden und stirbt schliess- lich ab.
Ulmenheister sowie bis 3jährige Stock- ausschläge sind offenbar für die Ulmen- splintkäfer nicht attraktiv und bleiben deshalb vor einer Infektion weitgehend verschont.
Biologie
Hauptfruchtform des Erregers Der Pilz Ophiostoma ulmi (Buism.) Nannf. (syn.: Ceratocystis ulmi (Buism.) C. Moreau) gehört zur grossen Klasse der Schlauchpilze (Ascomycetes), zu denen
~ eh viele andere forstschädliche Pilze
~ hlen. Die Hauptfruchtform (Abbildung 1.5) wächst in den Frassgängen, tritt al- lerdings nur selten auf. In ihren Frucht- körpern entwickeln sich klebrige Sporen, die von Ulmensplintkäfern übertragen werden.
Nebenfruchtformen des Erregers - Graphium ulmi Schwarz (syn.: Peso-
tum ulmi (Schwarz) Crane & Scho- knecht; Abbildung 1.5). Dieses Sta- dium wird am häufigsten von allen Entwicklungsformen gebildet und kommt in den Frassgängen vor. Die an Sporenträgern entstehenden klebrigen Sporen werden durch Ulmensplintkä- fer verbreitet;
* Dr. Dagmar Nierhaus-Wunderwald arbeitet als Bio- login beim Phytosanitären Beobachtungs- und Meldedienst (PBMD) der Eidgenössischen For- schungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), Birmensdorf.
Vorbeugung und fors lieh Gegenmassnahmen
Ulme'1 nicht ar Bestandes•a,dern, Wegen, Rückelit" en usw. pflanzen, da d e Ulrr1ensplintkäfer sich be1 ih- rem Flug an markanten geraden Li- nien orientieren Vorzuziehen ist eine einzel- bis höchstens truppweise Bei- mischung im Innern grösserer Laub- holzbestände, um grössere Infek- tionsherde zu vermeiden;
- bei Sanierungsarbeiten an Park- und Alleebäumen ist zu empfehlen, die Baumschnittwerkzeuge durch Be- sprayen oder Abreiben mit 70prozen- tigem Alkohol oder durch Einpinseln mit Sprozentigem Javelwasser zu des- infizieren.
Für die Bekämpfung der Ulmenwelke gibt es kaum praxistaugliche Verfahren. Biologische Abwehrmassnahmen durch Ausbringung von natürlichen Feinden sowohl der Ulmensplintkäfer als auch des Erregerpilzes oder die chemische Be- kämpfung des Pilzes und der pilzüber- tragenden Käfer waren bisher wenig er- folgreich. Die Anwendung von Fungizi- den und Insektiziden am stehenden Baum ist zudem aus ökologischen Grün- den abzulehnen.
Die aussichtsreichste Bekämpfungsme- thode besteht bis heute darin, die krank- heitsübertragenden Käfer durch Beseiti- gung des bruttauglichen Materials mög- lichst an der Vermehrung zu hindern:
- infizierte Ulmen fällen und sofort ab- führen;
- kein befallenes Ulmenholz in Rinde im Wald lagern; wenn unumgänglich, geschlagenes Holz bis spätestens Mitte April (Flugzeit der Käfer!) ent- rinden; Rindenabfälle und Äste ver- nichten (verbrennen oder häckseln);
- in warmen Sommern kann sich eine zweite Käfergeneration entwickeln, so dass ein zweiter Sanierungszyklus (etwa Anfang Juli) erforderlich wird;
- Behandlung infizierter Einzelbäume:
befallene Zweigpartien umgehend und grosszügig entfernen; dabei min- destens einen Meter gesunden Holzes (ohne braune Verfärbungen) mit ein- schliessen; bei all diesen Arbeiten ist wiederum die Desinfektion der Baum- schnittwerkzeuge zu empfehlen;
- Ulmennachwuchs fördern.
Ulmenholz ist durch die Pilzkrankheit, die auf die Rinde und meist den äusser- sten Jahresring beschränkt ist. im Wert nicht gemindert.
- Hefe-Form des Pilzes: In dieser Form wächst der Pilz ausschliesslich in was- serführenden Gefässen des Splinthol- zes (Abbildung 1 a), wo er sich durch hefeartige Sporenknospung vermehrt;
- die Sporothrix-Form des Pilzes findet sich sowohl in den wasserleitenden Gefässen (Abbildung 1 a) als auch in
_ fORSTSCHUT Z _ _ _
den Frassgängen. Die Funktion der nichtklebrigen Sporen, die an Sporen- trägem in den Gängen gebildet wer- den, ist nicht näher bekannt. Mög- licherweise stellen sie eine «Hunger- form» dar, die nach dem Absterben des Baumes und Abfallen der Rinde mit dem Wind verbreitet werden kann.
Ophiostoma ulmi überwintert als Neben- fruchtform und Pilzgeflecht (Myzel) in den Geweben des Wirtsbaumes.
Überträger
In Mitteleuropa sind vorwiegend der Grosse und der Kleine Ulmensplintkäfer (Scolytus scolytus und Scolytus multistria- tus) für die Pilzübertragung von Bedeu- tung (siehe Seite 38).
Ulmensplintkäfer können auch unab- hängig vom Erregerpilz leben, hingegen ist der Pilz bei der Verbreitung seiner Sporen auf flugfähige Insekten angewie- sen.
Infektion und Verbreitung der Krankheit
Die ab Lufttemperaturen von 20 Grad Celsius (in Tieflagen April/Mai) schwär- menden Ulmensplintkäfer, die mit dem Pilz in Berührung gekommen sind, tragen klebrige Pilzsporen an der Körperoberflä- che (Abbildung 1.1 ). Die Sporen werden auch gefressen und mit dem Kot in keim- fähigem Zustand ausgeschieden. Die Jungkäfer führen zunächst an jungen Zweig- oder Blattachseln in den Baum- kronen meist gesunder Ulmen einen Zweigfrass (Abbildung 1.2) durch. Hierbei nagen sie in der Regel bis aufs Splintholz und übertragen bei dieser Gelegenheit die Pilzsporen in das Wirtsbaumgewebe - es kommt zu einer Neuinfektion, die zum Absterben des betreffenden Kronenteiles führt. Auf diese Weise sorgen auch die Käfer selbst für eine Erweiterung ihres zukünftigen Brutraumes.
Zur Eiablage suchen sie, angelockt durch vom Baum produzierte Lockstoffe, bruttaugliches Material auf. Hierzu zäh- len geschwächte oder absterbende Ul- men sowie frisch geschlagenes Ulmen- holz in Rinde (Abbildung 1.3). Die Ursa- che der Schwächung (zum Beispiel Trok- kenheit, Blitzschlag oder Infektion mit Ul- menwelke) ist dabei ohne Bedeutung.
Der Grosse Ulmensplintkäfer brütet vorwiegend in dickeren Ästen und dem Stamm, der Kleine Ulmensplintkäfer eher in dünneren Ästen und dringt somit hö- her in den dünnrindigen Kronenraum vor.
Beide Arten besiedeln aber gemeinsam die dickborkigen, unteren Stammpartien.
Es kommt wiederum zur Übertragung von Pilzsporen. Die schlüpfenden Larven bohren sich weiter in die inneren Rinden-
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_ _ _ FORSTSCHUTZ _ _ _ ~ - -
Biologie der Ulmensplintkäfer
Männchen Männchen
Grosser Ulmensplintkäfer Kleiner Ulmensplintkäfer
(Scolytus scolytus [Fabricius, 1775]) (Scolytus multistriatus [Marsham, 1802]) Familie der Borkenkäfer (Scolytidae); Rindenbrüter
Männchen
Weibchen
Frassbild
3,0-5,0 mm lang; Stirn flach, dicht und kurz behaart; am Ende des Hinterleibes ein Fächer gelber Borsten(!);
4,0-6,0 mm lang; Stirn leicht gewölbt mit geringer Behaarung oder kahl;
das Ende des Hinterleibes kahl;
2,0-3,8 mm lang; Stirn flach, rechteckig und stark behaart, Randhaare lang, einwärts gebogen; am 2.
Hinterleibsegment Dornfortsatz(!);
2,0-3,8 mm lang; Stirn schwach gewölbt, spärlich behaart, oft kahl;
am 2. Hinterleibsegment Dornfortsatz(!);
zwischen innerer Rinde und den jüngsten Jahrringen im Splint; Einbohrlöcher in den tiefsten Winkeln und Ritzen der feuchten Rinde, nur durch Bohrmehlauswurf zu erkennen; Ausschlupflöcherkreisrund (Abb. 1.1 );
Brutsystem ohne Rammelkammer;
- Larvengänge Larvengänge 10-15 cm lang, mehr oder weniger strahlig vom Muttergang (einarmiger Längsgang)abzweigend; den Splint
schürfend;
Larvengänge 7-12 cm lang; zahlreicher (mehr als 100/
Muttergang) und dichter als bei Scolytus sc. stehend; den Splint schürfend,
- Larven 5 Larvenstadien; Larven 6,0-7,0 mm lang; im 1.-3. Stadium Ernährung von pilzfreiem Siebteilgewebe, im 4.-5. Stadium teilweise von Pilzhyphen;
5 Larvenstadien; Larven 3,5-4,0 mm lang; Ernährung der Larven wie bei Scolytus sc.;
Anzahl Generationen/
Jahr
in der Regel 2 in der Regel 2
Hauptflugzeiten April/Mai und Juli/August April/Mai bis Juni und Ende Juli/August ab
Zweigfrass
Überwinterung
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ab Temperaturen von 20°(, später im Jahr bereits bei 15 °C; maximale Flugaktivität in den frühen Na eh m ittagsstu nden;
Frassspuren der Jungkäfer im Kronenraum vorwiegend in den Astgabeln 2-4jähriger Triebe und in
Blattachseln meist gesunder Ulmen (Abb. 1.2). In der Literatur wird der Zweigfrass auch als Ernährungs- oder Reifungsfrass beschrieben. Er ist allerdings für die Entwicklung der Geschlechtsreife der Käfer nicht
lebensnotwendig;
Larven im Brutbild überleben bis zu -30°C; Käfer, Eier und Puppen sterben meist im Winter ab.
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•
Befallsmerkmale
Abbildung 3: Gesunde Ulme.
A
Abbildung 5: Brutbild des Kleinen Ulmen-• splintkäfers (ähnlich dem des Grassen Ulmensplintkäfers).
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Abbildung 4: frühzeitige «herbstliche» Verfärbung der Blätter an betroffenen Ästen in der Krone.
Abbildung 6: nach Abziehen der Rinde bräunlich-schwarze Streifen auf dem Früh- holz.
Abbildung 8:
Im Holzquerschnitt werden die Streifen als punktartige bräunlichschwarz
verfärbte Gefässe in den Jahrringen sichtbar.
Abbildung 9:
Wasserreiserbildung am Hauptstamm teilweise abgestorbener Ulmen.
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Abbildung 7: Zweigfrass-Wundeamjungen Trieb einer gesunden Ulme.