AGRARForschung 99
Editorial Die Weiden besser nutzen
AGRARForschung 16 (4): 99, 2009
Im Hinblick auf die bevorstehen- de Marktöffnung muss sich die Schweizer Landwirtschaft gleich zwei Herausforderungen stellen:
Sie muss ihre Produktqualität ver- bessern und ihre Produktionskos- ten senken. Zur Nutzung der Gras- flächen, die beinahe 30 % unseres Landes ausmachen, stellt die Wei- de eine interessante Lösung dar.
Mehrere Studien haben in der Tat bestätigt, dass diese Nutzungs- form sehr wirtschaftlich ist. Eine Tonne Weidefutter kostet durch- schnittlich zwei bis vier Mal we- niger als eine Tonne Futter, die im Stall verfüttert wird.
Wenn das Gras teilweise von al- leine wächst, besteht die Her- ausforderung darin, die verfüg- bare Futtermenge und -qualität mit den Bedürfnissen der Tiere abzustimmen, das Gras nicht zu verschwenden und gute Futter- pflanzen zu fördern. In bestimm- ten Fällen, wie etwa im Bergge- biet, stellen Weiden nicht nur eine wertvolle Futterquelle dar, son-
dern sie sind auch das Herzstück der Landschaft und ein Reservoir für die Artenvielfalt.
Beitrag einer inter- disziplinären Forschung Eine gute Weideführung setzt zu- gleich gute Kenntnisse der Pflan- zen (Fortpflanzungsart, Ertrags- vermögen, Nährwert usw.) und der Tiere (Ernährungsbedarf, Weideverhalten usw.) voraus. Seit vielen Jahren forscht Agroscope Changins-Wädenswil ACW auf dem Gebiet der Weidesysteme.
Dabei wird sie vor allem von Ag- roscope Liebefeld-Posieux ALP, Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Futterbaues AGFF und der Schweizerischen Hochschule für Landwirtschaft SHL unterstützt. Den Tierhal- tern werden regelmässig Verbes- serungsvorschläge zum Weidema- nagement unterbreitet.
Bei extensiver genutzten Syste- men, wo die Multifunktionalität von grosser Bedeutung ist, be- müht sich die Forschung, Wei- desysteme zu entwickeln, die zu- gleich der Fleischproduktion, der Landschaftspflege und dem Er- halt der Biodiversität Rechnung tragen. Genau dieses Ziel ver- folgt das inderdisziplinäre Pro- jekt PASTO mit der Eringerrasse, das hier in den Artikeln von Mié- ville-Ott und Hermier (S. 100 und 106) vorgestellt wird.
Fachwissen und Erfah- rungen verstärkt teilen Die bis heute realisierten Arbeiten zeigen Wege zur Verbesserung des Weidemanagements auf, verdeut- lichen aber auch, dass Fortschrit- te noch möglich sind. Im Bergge-
biet ist es schwierig, Produktion und Erhaltung eines offenen und diversifizierten Landschaftsrau- mes zu vereinen. Es müssen Prio- ritäten festgelegt und den lokalen Bedingungen angepasst werden.
Die sozio-kulturellen Aspekte und die «Züchterlogik» müssen ihrer- seits stärker berücksichtigt wer- den, sowohl im Tal- als auch im Berggebiet. Eine schöne Kuh, die viel Milch produziert und Wett- bewerbe gewinnt, ist der gan- ze Stolz seines Eigentümers, eig- net sich aber nicht zwingend für die Weide. Für viele Züchter der Eringerrasse ist der Besitz einer
«Königin» ein grosser Ansporn, was allerdings zu einem Inter- essenkonflikt bezüglich einer ra- tionellen Weidebewirtschaftung führen kann. Für die verschie- denen betroffenen Akteure, d.h.
Forscher, Berater, Bewirtschaf- ter usw. bleibt also noch viel zu tun. Das Fachwissen und die Er- fahrungen aller müssen verstärkt geteilt und neue Wege gefunden werden. Nur so können die Wei- den, eine wichtige Grundlage un- serer Landwirtschaft, noch besser genutzt werden.
Bernard Jeangros Agroscope Changins- Wädenswil ACW