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Archiv "Ethische Aspekte neonatologischer Forschung: Die Sicht von Eltern, Pflegenden und Ärzten" (27.09.2002)

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M E D I Z I N

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A2554 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 3927. September 2002

F

orschung in der Kinderheilkunde stößt oft auf besondere Besorgnis vonseiten der Öffentlichkeit. Denn Kinder und Jugendliche zählen zu den so genannten vulnerablen Gruppen, die aufgrund begrenzter Einwilligungs- fähigkeit oder ihrer Abhängigkeit von anderen Personen leichter der Gefahr eines Missbrauchs von Forschung aus- gesetzt sind. Die stellvertretende Ein- willigung stellt Eltern wie Ärzte vor große Probleme (1). Darf man Eltern die Entscheidung über so konfliktbela- dene Fragen überhaupt zumuten? Vor- ausgegangene empirische ethische Stu- dien haben darauf teilweise wider- sprüchliche Antworten gegeben (2–5).

Anlässlich der CHF-PRO-INFANT- Studie ist eine Forschergruppe der Ab- teilung Ethik und Geschichte der Medi- zin der Universität Göttingen der Frage nachgegangen, wie Eltern, Pflegende und Ärzte die Teilnahme von Säuglin- gen an einer klinischen Studie erleben und bewerten. Die Autoren führten halbstrukturierte Interviews mit 26 Müttern und Vätern von 17 Säuglingen sowie mit 15 Pflegenden und sieben Ärzten durch, die unmittelbar an der Studie beteiligt waren. Die Interviews dauerten durchschnittlich 71 Minuten und erfolgten ein bis 37 Monate nach Beendigung der Studie. Die Eltern von vier in der Zwischenzeit verstorbenen Kindern wurden nicht kontaktiert. Drei Elternpaare antworteten nicht auf die Anfrage. Gefragt wurde, wie die Studi- enrekrutierung, das Informed-Consent- Verfahren und die Randomisierung er- lebt wurden sowie nach den retrospek- tiven Wünschen und Verbesserungsvor- schlägen der Beteiligten.

Die Auswertung der Interviews zeigt, dass Eltern und Pflegende den Informed Consent als deutlich weniger

problematisch ansehen als die beteilig- ten Ärzte. Nur zwei der interviewten Eltern wünschten sich mehr Informa- tionen während des Aufklärungsge- sprächs, wohingegen fünf von sieben Ärzten der Meinung waren, die Eltern hätten wegen psychischer Belastung den Aufklärungsgesprächen nicht aus- reichend folgen können. Problemati- scher fanden einige Eltern (in 7 von 17 Interviews) das Randomisierungsver- fahren, das sie als moralisch bedenklich einschätzten, obgleich sie hinreichend darüber aufgeklärt worden waren und ihnen die wissenschaftliche Rationale einsichtig war.

Eltern bewerten Studie positiv

Im Nachhinein fanden es alle Eltern richtig, dass ihnen die Teilnahme an der Studie angeboten worden war. Vier El- tern beurteilten die Studienteilnahme als durchweg positiv. Zehn Eltern hät- ten sich eine intensivere psychologi- sche und emotionale Betreuung wäh- rend der Studie gewünscht. Diese Wün- sche richten sich vor allen Dingen an die betreuenden Ärzte. Fünf Eltern dachten, dass eine Studienteilnahme ei- ne bessere Betreuung des Kindes durch das medizinische Personal zur Folge hätte.

´Die Schlussfolgerungen lauten: Das Informed-Consent-Verfahren hat für Eltern einen geringeren Stellenwert als für Ärzte. Während es für Ärzte wichtig ist, die moralische Verantwortung für die Durchführung einer Studie mit den Eltern zu teilen, sind für Eltern die Er- eignisse nach der Studienrekrutierung

wichtiger. Mit einer Studie verbinden viele Eltern die Hoffnung, dass ihr Kind und sie selbst besonders gut betreut werden. Studienbedingte Ereignisse nach dem Informed Consent – wie zum Beispiel die Randomisierung – können das Vertrauen von Eltern erschüttern und müssen von Gesprächsangeboten begleitet werden. Die emotionalen Be- dürfnisse von Eltern sind besonders groß. Eine gute psychologische Betreu- ung sollte Eltern das Gefühl geben, ernst genommen zu werden und an Ent- scheidungsprozessen beteiligt zu wer- den.

Manuskript eingereicht und angenommen: 26. 6. 2002

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2002; 99:A 2554 [Heft 39]

Literatur

1. Dahl M, Wiesemann C: Forschung an Minderjährigen im internationalen Vergleich: Bilanz und Zukunftsperspekti- ven. Ethik Med 2001; 13: 87–110.

2. Mason SA, Allmark PJ, for the Euricon Study Group: Ob- taining informed consent to neonatal randomised con- trolled trials: interviews with parents and clinicians in the Euricon study. Lancet 2000; 356: 2045–2051.

3. Postlethwaite RJ, Reynolds JM, Wood AJ, Evans JHC, Lewis MA, Eminson DM: Recruiting patients to clinical trials: lessons from studies of growth hormone treatment in renal failure.Arch Dis Child 1995; 73: 30–35.

4. Snowdon C, Garcia J, Elbourne D: Making sense of rando- mization; responses of parents of critically ill babies to random allocation of treatment in a clinical trial. Soc Sci Med 1997; 45: 1337–1355.

5.Van Stuijvenberg M, Suur MH, de Vos S,Tijang GCH, Stey- erberg EW, Derksen-Lubsen G et al.: Informed consent, parental awareness, and reasons for participating in a randomised controlled study. Arch Dis Child 1998; 79:

120–125.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Claudia Wiesemann Ethik und Geschichte der Medizin Universität Göttingen Humboldtallee 36 37073 Göttingen E-Mail: cwiesem@gwdg.de

Ethische Aspekte

neonatologischer Forschung

Die Sicht von Eltern, Pflegenden und Ärzten

Matthias Dahl, Johannes Hoffmann, Marianthi Styllos, Claudia Wiesemann Editorial

Abteilung Ethik und Geschichte der Medizin (Direktorin:

Prof. Dr. med. Claudia Wiesemann), Universität, Göttingen

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