Alternative zu Tierversuchen
„Das tut dem Hautmodell ja nicht weh“
Eine künstliche Haut, die in Aufbau und Funktion echter Haut ähnelt, entwickelt Dr. Cornelia Wiegand vom Unisklinikum Jena. Das soll Versuchstieren zukünftig Leid ersparen.
Um die Wirksamkeit antimikrobieller Wundheilungsprodukte zu testen, müssen bisher Schweine oder Mäuse herhalten: Sie wer- den gerade so schwer verletzt, dass ihre Selbstheilungskräfte über- fordert werden, um die Wunden mit den Produkten zu behan- deln. Dem soll ein Modell der Menschenhaut mit Ober- und Le- derhaut sowie zentralen Funktionen des Organs Abhilfe schaffen.
Dr. Cornelia Wiegand entwickelt es im dermatologischen For- schungslabor der Klinik für Hautkrankheiten am Uniklinikum Jena. Das Hautmodell wächst aus Fibroblasten und Keratinozy- ten auf einem Kollagengerüst heran. Um antimikrobielle Wund- heilungsprodukte zu testen, ist es nötig, dass das Modell auch bei
Verletzung und in der Wundumgebung möglichst genau der Menschenhaut ähnelt. „Derzeit etablieren wir standardisierte Verbrennungen und Schnittverletzungen,“ erklärt sie den Stand ihrer Forschung, „das tut dem Hautmodell ja nicht weh.“ Bei Ver- letzung schütten die Zellen der Kunsthaut nun schon immunre- levante Signale aus und bilden bei Hitze Brandblasen. Als nächs- ten Schritt sehen die Forscher Infektionsversuche mit Wundkei- men wie Staphylokokken oder Pseudomonaden vor.
Elisabeth Kerler Quelle: Mitteilung Uniklinikum Jena vom 5.7.2021
© Fraunhofer IMWS
Innovative Wundversorgung
Maßgeschneiderte Wundauflagen aus humanem Tropoelastin
Ulcus cruris oder diabetische Wunden erfordern eine aufwändige Wundversorgung. Neue Materialien, die Forscher aus Halle entwickelt haben, könnten die Behandlung vereinfachen.
Maßgeschneiderte, biomedizinisch einsetzbare Materialien für die Wundversorgung auf der Basis von humanem Tropoelastin haben Wissenschaftler aus Halle entwickelt. Das Material sei biologisch verträglich, haltbar, biologisch abbaubar und habe günstige mechanische Eigenschaften, die der Haut ähneln.
Präklinische Tests hätten bestätigt, dass es sich zur Verwen- dung als Wundauflage eignet, das bei der Versorgung chroni- scher und komplexer Wunden zum Einsatz komme, teilt die Fraunhofer-Gesellschaft mit. An der Entwicklung des Projekts beteiligt waren das Unternehmen Skinomics, die Universität Halle-Wittenberg und das Fraunhofer-Institut für Mikrostruk- tur von Werkstoffen und Systemen (IMWS).
Hintergrund: Besonders in einer immer älter werdenden Ge- sellschaft stellt die Versorgung von komplexen Wunderkran- kungen, etwa Ulcus cruris oder diabetische Wunden, medizi- nisches Personal vor eine Herausforderung, die für die Betrof- fenen oft langfristig und schmerzhaft sowie für das Gesund- heitswesen kostspielig ist. Dabei kommen immer öfter neue, proteinbasierte Materialien zum Einsatz, die aus tierischen Ge- weben hergestellt werden. Diese bergen das Potenzial für erhöh- te Infektionsrisiken, unerwünschte Immunreaktionen und ethi- sche Bedenken. Das Forscherteam aus Halle hat nun Materiali-
en aus humanem Tropoelastin entwickelt. Dieses wird im Kör- per zu Elastin umgewandelt, einem lebensnotwendigen und langlebigen Strukturprotein, das über außergewöhnliche me- chanische Eigenschaften verfügt und damit u. a. der Haut die für deren Funktion nötige Elastizität und Spannkraft verleiht.
„Elastin ist chemisch und enzymatisch äußerst stabil, biokom- patibel und erzeugt bei der Anwendung als Biomaterial bei Men- schen keine immunologischen Abstoßungen“, wird Dr. Chris- tian Schmelzer, Leiter des Geschäftsfeldes Biologische und ma- kromolekulare Materialien IMWS, in der Mitteilung zitiert.
Die Forscher nutzten ein neues Verfahren, mit dem sie hauch- dünne Nanofasern aus Tropoelastin herstellen, deren Durch- messer nur wenige Hundert Nanometer betragen. Diese Fasern werden zu Nanofaservliesen gesponnen (s. ▶Abb. 1). Dabei blei- ben biomedizinische Parameter wie Porengröße, Stabilität und mechanische Eigenschaften variabel und können damit indivi- duell und maßgeschneidert den Erfordernissen der jeweiligen Wundbehandlung angepasst werden, heißt es in der Mitteilung.
Zu diesen Materialien liefen derzeit erste präklinische Tests mit
vielversprechenden Ergebnissen. mmr
Quelle: Mitteilung der Fraunhofer-Gesellschaft, August 2021