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Archiv "Tiefe Hirnstimulation: „Subtile Veränderungen“" (26.12.2011)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 51–52

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26. Dezember 2011 A 2757 TIEFE HIRNSTIMULATION

„Subtile Veränderungen“

Greift der Arzt mit der tiefen Hirnstimulation in das Persönlichkeitsrecht seiner Patienten ein?

Darf man Patienten an solchen Verfahren teilnehmen lassen?

Mit diesen Fragen beschäftigte sich der Arbeitskreis medizinischer Ethik-Kommissionen.

W

eltweit sind bisher mehr als 50 000 Menschen mit dem Verfahren der tiefen Hirnstimula - tion (THS) behandelt worden. Es wurde vor allem bei Parkinsonpa- tienten eingesetzt, die oft unter ei- ner besonderen Beeinträchtigung der motorischen Abläufe leiden (DÄ, Heft 17/2011). Bei der An- wendung von THS bei psychischen Krankheiten habe man es dagegen

„mit einem ganz anderen Problem- feld zu tun“, sagte Prof. Dr. med.

Thomas Schläpfer, Universität Bonn, bei der Jahrestagung des Arbeits- kreises medizinischer Ethik-Kom- missionen Mitte November in Berlin.

Depressionen seien zwar in der Re- gel gut mit Psycho- und Pharma - kotherapie behandelbar, zehn bis 30 Prozent der Patienten seien aber therapieresistent. Seit einigen Jah- ren werde deshalb THS bei der Behandlung von Patienten mit schwersten Depressionen erforscht, und das mit Erfolg. Die Symptome bildeten sich mitunter deutlich zu- rück. „Wir hatten auch bei Lang-

zeittherapien keine Rückfälle zu verzeichnen,“ berichtete Schläpfer.

Dennoch sei eine ethische Be- wertung dieser Methode erforder- lich, da sie zu komplexen Situa - tionen führen könne, meinte Dr.

phil. Bert Heinrichs vom Deut- schen Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften, Bonn.

Es stelle sich die Frage, ob ein me- dizinisches Verfahren, selbst wenn es wirksam sei, gerechtfertigt sein könne, wenn es die Lebensge- schichte eines Patienten radikal zu verändern vermag. Prof. Dr. med.

Hans-Joachim Heinze, Magdeburg, betonte allerdings, dass er bisher noch keinen Patienten mit einer extremen Persönlichkeitsverände- rung durch THS erlebt habe. „Wo- vor wir mehr Angst haben, sind die allmählichen Verän derungen. Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass diejenigen Parkinsonpatien- ten, die wir seit mehr als zehn Jah- ren therapiert haben, sich eher kon- servativ verhalten. Es sind diese subtilen Dinge, mit denen wir uns

in Studien beschäftigen müssen“, forderte Heinze.

Es stellt sich außerdem die Fra- ge, ob es ethisch vertretbar ist, Pa- tienten vor die Entscheidung zu stellen, ob sie an Forschungsprojek- ten teilnehmen wollen, bei denen solche Nebenwirkungen nicht aus- zuschließen sind. Heinrichs vertritt die Auffassung, dass bei „maxima- ler Transparenz bei der Aufklärung, der Verfügbarkeit von psychologi- scher Betreuung, der Reversibilität des Eingriffs und des Vorliegens einer gravierenden Störung“ dies gerechtfertigt sei. Mit einer entspre- chenden psychologischen Beglei- tung könne der Patient während ei- nes experimentellen THS-Eingriffs in die Lage versetzt werden, auch den plötzlichen Wandel als Teil sei- ner Lebensgeschichte zu begreifen.

Handeln im „Lichte der Grundrechte“

Neben ethischen Fragen müssen bei der Anwendung von THS außerdem mögliche rechtliche Probleme in Betracht gezogen werden. So stellt sich die Frage, ob der Arzt bei der Anwendung mit der tiefen Hirnsti- mulation in die Menschenwürde oder das allgemeine Persönlich- keitsrecht des Patienten eingreift.

Priv.-Doz. Dr. jur. Dr. rer. pol. Tade Matthias Spranger vom Institut für Wissenschaft und Ethik der Univer- sität Bonn meint: „Der Arzt kann das Grundrecht eines Patienten nicht verletzen.“ Er müsse aller- dings im „Lichte der Grundrechte“

handeln. „Das bedeutet, dass der Arzt den Patienten nicht in seinen basalen Rechten verletzt und dann korrekt handelt, wenn der Patient dem Verfahren zugestimmt hat.“

Unzulässig wäre dagegen eine er-

zwungene THS.

Gisela Klinkhammer Der Arbeitskreis medizinischer Ethik-Kommissio-

nen bildet seit 1983 eine Plattform zur Harmoni- sierung der Tätigkeit der Ethik-Kommissionen und hat sich als Gesprächspartner von Bundesminis- terien, Bundesoberbehörden, Einrichtungen der medizinischen Forschung und der forschenden Pharmaindustrie bewährt. Die Beratung durch ei- ne Ethik-Kommission vor jedem Forschungsvor- haben zur Prüfung von Arzneimitteln wurde mit der 5. Novelle zum Arzneimittelgesetz 1995 vor- geschrieben. Am 30. Juni 2010 hatte die Bun- desärztekammer ihre finanzielle Förderung des Gremiums beendet. Der Arbeitskreis hat sich in- zwischen konsolidiert, sein Bestand ist gesichert.

Dem Arbeitskreis gehören weiterhin alle Ethik-

Kommissionen der medizinischen Fakultäten und der Landesbehörden an. Auch acht Ethik-Kom- missionen der Landesärztekammern hatten sich für einen Verbleib entschieden. „Wir können hof- fen, dass der Arbeitskreis in Zukunft wieder alle nach Landesrecht gebildeten Ethik-Kommissio- nen in der Bundesrepublik Deutschland vertreten wird. Inzwischen wurde nämlich für vier bei Lan- desärztekammern gebildete Ethik-Kommissionen ein Antrag auf Wiedereintritt in den Arbeitskreis gestellt“, berichtete der Vorsitzende des Arbeits- kreises, Prof. Dr. med. Elmar Doppelfeld, Köln. Er drückte die Hoffnung aus, dass ähnliche Anträge für die restlichen der fünf ausgeschiedenen Ethik- Kommissionen eingehen werden.

ARBEITSKREIS

P O L I T I K

Referenzen

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