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Archiv "Tiefe Hirnstimulation bei psychiatrischen Erkrankungen" (19.02.2010)

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ÜBERSICHTSARBEIT

Tiefe Hirnstimulation bei psychiatrischen Erkrankungen

Jens Kuhn*, Theo O. J. Gründler*, Doris Lenartz, Volker Sturm, Joachim Klosterkötter, Wolfgang Huff

ZUSAMMENFASSUNG

Hintergrund: Das bei Bewegungsstörungen etablierte Ver- fahren der tiefen Hirnstimulation (THS) wird mittlerweile auch zur Behandlung von psychischen Störungen erprobt.

In jüngst publizierten Fallserien wurden beeindruckende Therapieergebnisse mitgeteilt, die durch THS bei behand- lungsresistenten, psychiatrischen Erkrankungen erzielt wurden.

Methoden: Basierend auf einer stichwortgebundenen se- lektiven Literaturrecherche in Pubmed soll – unter Berück- sichtigung einschlägiger Referenzen und eigener Arbeiten – ein Überblick über die Anwendung der THS bei psychi- atrischen Erkrankungen gegeben werden.

Ergebnisse: Zur Behandlung von therapieresistenten Zwangserkrankungen, depressiven Störungen und dem Tourette-Syndrom liegen Studienergebnisse vor. Die zitier- ten Arbeiten umfassten zwar nur kleine Fallzahlen, wiesen jedoch teilweise methodisch gute Untersuchungsabläufe auf. So gibt es Studien, in denen die Effektstärken durch eine doppeltverblindete Phase der Stimulationsunterbre- chung kontrolliert wurden. Insgesamt sind deutliche Bes- serungsquoten zwischen 35 bis 70 % hinsichtlich des pri- mären Zielsymptoms dokumentiert, wenngleich sich nicht bei allen Patienten durch die THS eine Besserung der Be- schwerden ergab. Die Rate an beobachteten Nebenwir- kungen durch die THS war in der Regel sehr gering und meistens durch eine Modulation der Stimulationsparame- ter rückbildungsfähig.

Schlussfolgerung: Die vorliegenden Resultate zum klini- schen Nutzen der THS sind ermutigend und eröffnen neue Perspektiven bei der Behandlung von therapieresistenten psychiatrischen Erkrankungen. Eine weitere Erforschung von Wirksamkeit, Wirkmechanismen und Nebenwirkungs- profil mittels sorgfältiger und nach hohen ethischen Maß - stäben durchgeführter Studien ist jedoch erforderlich.

Zitierweise: Dtsch Arztebl Int 2010; 107(7): 105–13 DOI: 10.3238/arztebl.2010.0105

E

nde der 1980er-Jahre führte eine Arbeitsgruppe aus Grenoble um den Neurochirurgen A.L. Bena- bit die Technik der chronischen Stimulation subkortika- ler Kerngebiete zur Behandlung von Bewegungsstö- rungen ein (e1, e2). Bei dieser sogenannten tiefen Hirnstimulation (THS) werden dem Patienten Elektro- den stereotaktisch implantiert, die dann dauerhaft hoch- frequente kurze elektrische Impulse abgeben, um so neuronale Funktionskreise zu modulieren (Grafik;

eSupplement 1). Die Elektrodenspitze besteht aus min- destens vier Polen. Dies ermöglicht postoperativ und von außen eine Vielzahl von Stimulationsvarianten.

Über Kabel werden die Elektroden mit dem Impulsge- nerator verbunden, der meistens unter dem Schlüssel- bein implantiert wird (eSupplement 2).

Die THS hat sich bei M. Parkinson und bei essen- ziellem Tremor als so wirkungsvoll erwiesen, dass sie für diese Indikationen als Therapieoption zugelassen ist (e3). Des Weiteren liegen zur Behandlung bestimmter Unterformen von therapierefraktären Epilepsien (e4, e5), Dystonien (e6, e7) und chronischen Clusterkopf- schmerzen (e8, e9) mittels THS Erfolg versprechende Fallserien vor. Das Verfahren ist infolge seiner über 20-jährigen Anwendung gut bekannt und trotz der Inva- sivität mit nur geringen Nebenwirkungen behaftet.

Die Idee, die Anwendung der THS auch auf psy- chische Störungen zu erweitern, basierte auf folgenden Aspekten:

Im Rahmen der THS bei Parkinsonpatienten wur- den in verschiedenen Fällen psychische Effekte als Nebenwirkungen (Induktion von Depressivität und hypomanen Zustandsbildern) beobachtet.

Hieraus ergaben sich Überlegungen, das Verfah- ren auch zur primären Modulation psychopatho- logischer Veränderungen einzusetzen (e10, e11).

In den vergangenen Jahren konnten insbesondere durch den Einsatz moderner Bildgebungsverfah- ren zusätzliche Erkenntnisse über die Entste- hungsmechanismen von psychiatrischen Erkran- kungen gewonnen werden. Die zugrunde liegen- den pathophysiologischen Prozesse und gestörten neuronalen Netzwerke konnten partiell bestimmt und lokalisiert werden. Dadurch wurde es mög- lich, potenzielle Stimulationsorte für die Applika- tion einer THS zu identifizieren.

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Klinikum der Universität zu Köln:

Dr. med. Kuhn, Prof. Dr. med.

Klosterkötter, Dr. med. Huff Klinik für Stereotaxie und funktionelle Neu-

rochirurgie, Klinikum der Universität zu Köln:

Dr. med. Lenartz, Prof. Dr. med. Sturm Max-Planck-Institut für neurologische Forschung, Köln:

Dipl.-Psych. Gründler Universität Trier:

Dipl.-Psych. Gründler

*Die Autoren Kuhn und Gründler haben in gleichem Maße zum Manuskript beigetragen.

(2)

Die in früheren Jahren bei behandlungsresisten- ten psychiatrischen Erkrankungen als ultima ratio durchgeführten läsionellen Prozeduren wie die vordere Kapsulotomie, Zingulotomie oder limbische Leukotomie konnten positive Effekte erzielen (e12, e13). Sie sind jedoch auf- grund der irreversiblen Hirnschädigung und des schweren Nebenwirkungsprofils abzulehnen.

Das deutlich weniger invasive, potenziell rever- sible und modulierbare Verfahren der THS, kann an ähnlichen anatomischen Strukturen ansetzen und eine Verschiebung des Wirkungs- profils hin zu den erwünschten Effekten ermög- lichen.

Methoden

Die vorliegende Arbeit stützt sich auf eine Literature- cherche in der Datenbank Pubmed und schloss Arbei- ten im Zeitraum 1980 bis Januar 2009 ein. Die Such- begriffe lauteten: „obsessive compulsive disorder“,

„Tourette Syndrome“, „depression“, „psychiatric, mental disorder“ und „substance abuse“ in Kombina- tion mit „deep brain stimulation“ (DBS). Durch ent- sprechende Kombinationen der Suchtermini wurden alle in Pubmed gelisteten Studien über THS bei psy- chiatrischen Erkrankungen identifiziert und außerdem wurden die Referenzlisten der einschlägigen Publika- tionen gesichtet.

In einem weiteren Schritt wurden die Suchergebnis- se eingegrenzt auf Studien, die explizit über Behand- lungsergebnisse der THS bei mindestens drei Patienten mit primär psychiatrischen Erkrankungen berichteten.

Die ermittelten Therapiestudien sind im Weiteren kom- plett aufgeführt.

Anwendung bei psychiatrischen Erkrankungen Zwangsstörungen

Die Zwangsstörung ist eine relativ häufig auftretende psychiatrische Erkrankung mit einer Lebenszeitpräva- lenz von etwa 2 % (e14). Sie manifestiert sich klinisch in Form von Zwangsgedanken und -handlungen mit ei- nem Erkrankungsbeginn zwischen dem Kindes- und frühen Erwachsenenalter. Es besteht eine hohe Komor- bidität mit Depressionen, aber auch mit Angst- und Per- sönlichkeitsstörungen (e15). Pathophysiologisch wird bei den Zwangspatienten eine Dysbalance der cortico- striato-thalamocorticalen Leitungsbahnen mit fehlen- der Hemmung angenommen. Neurochemisch wird derzeit von Fehlregulationen bei serotonergen und do- paminergen Systemen ausgegangen. Diese Annahmen basieren auf der Kenntnis einer positiven Wirkung der Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), des vor- wiegend serotonerg ausgerichteten Clomipramins, so- wie einiger Neuroleptika.

Neben diesen pharmakologischen Behandlungsan- sätzen kann vor allem die Verhaltenstherapie, insbeson- dere die „Exposition mit Reaktionsverhinderung“ hohe Erfolgsraten erzielen (e16).

Während 70 bis 80 % der Patienten mit einer Zwangserkrankung gut auf Verhaltenstherapie und die medikamentöse Behandlung ansprechen, zeigt sich bei den übrigen Patienten meist ein schwerer und chroni- scher Krankheitsverlauf. Für diese Gruppe kamen bis- lang neurochirurgische Verfahren in Betracht. Inner- halb dieses Methodenspektrums mit durchweg irrever- sibel läsionellen Techniken profitierten die Patienten am meisten von der bilateralen anterioren Kapsuloto- mie mit der höchsten Erfolgsrate von insgesamt mehr als 60 % (e17, e18). Diese Daten wurden in zum Teil mehrjährigen prospektiven Verlaufsstudien erhoben, je- doch ohne Verwendung von Kontrollbedingungen (e13, e19).

Seit 1999 wird über die Behandlung von Patienten mit therapieresistenter Zwangsstörung mittels THS be- richtet. Bei vielen Veröffentlichungen handelt es sich um Fallbeschreibungen. Nach Durchsicht konnten fünf Arbeitsgruppen ermittelt werden, die über mehr als drei Patienten berichteten, bei denen Zwangsstörungen mit THS behandelt wurden (Tabelle 1). In den Arbeitsgrup- pen von Nuttin (1, 4–9), Abelson (2), Mallet (3) sowie in der eigenen Kölner Arbeitsgruppe (11) beinhaltete das methodische Design der Studie auch eine randomi- sierte doppelblinde On-Off-Phase als Kontrollmecha- nismus. Das heißt, zu bestimmten Untersuchungsab- schnitten wussten weder die behandelnden Ärzte noch die Patienten, ob die Stimulation ein- oder ausgeschal- tet war (1, 2).

Für die Stimulation im Bereich des Nucleus accum- bens/Nucleus caudatus (11, e20–e22) und der angren- zenden Capsula interna (1, 4–10) sowie für den Nu- cleus subthalamicus (3) zeigten sich auch bei durchaus abweichender Elektrodenposition gute Effekte.

In allen Arbeitsgruppen ergab sich bei mindestens 50 % der bislang therapieresistenten Patienten inner- halb eines Jahres eine Verbesserung im Sinne einer GRAFIK

Zielregionen der tiefen Hirnstimulation bei psychiatrischen Erkrankungen:

Th, Thalamus; STh, Nucleus subthalamicus; Ac, Nucleus accumbens; Cg25, subgenualer Bereich des Cingulum

Grafik: Jürgen Stoffels, Medizin Foto Köln

(3)

„Partial Response“ (Verbesserung ≥ 25 % in dem Y-BOCS-Fragebogen [Y-BOCS, Yale-Brown Obsessi- ve Compulsive Scale]). Die Ergebnisse der Langzeitbe- obachtungen zeigten weitere Optimierungen sowohl hinsichtlich des Ausmaßes der Symptomreduktion als auch des Anteils an Zwangspatienten, die von der Sti- mulation profitieren konnten. Die eigene Kölner Ar- beitsgruppe beschränkte sich zunächst auf eine Stimu- lation des rechten Nucleus accumbens (Abbildung).

Der Entschluss zur einseitigen Stimulation resultierte aus Voruntersuchungen, bei denen die rechtsseitige Sti- mulation den besten Effekt erzielen konnte, während eine zusätzliche linksseitige Stimulation keine darüber hinausgehende wesentliche Verbesserung mehr er- brachte (e23). Obwohl auch dadurch eine signifikante Besserung der Zwangssymptomatik erreicht werden konnte, wurden die vergleichbaren 1-Jahres-Ergebnisse der anderen Arbeitsgruppen nicht ganz erzielt (11).

Erwähnenswert sind die vorläufigen Ergebnisse ei- ner Multicenterstudie unter der Federführung von Mal- let (3). Diese Arbeitsgruppe wählte mit dem Nucleus subthalamicus eine für Morbus Parkinson etablierte, für die Behandlung von Zwangsstörungen jedoch neue Zielregion. Die positiven Ergebnisse, die in der dreimo- natigen On-Off-Phase erzielt werden konnten, sind durch die ungewöhnlich hohe Rate an transienten Ne- benwirkungen (Kasten 1) jedoch vorsichtig zu bewer-

ten. Ausdruck der umfangreichen wissenschaftlichen Aktivität auf dem Gebiet der THS ist die Tatsache, dass kürzlich eine weitere Fallstudie mit neuartigem Ziel- punkt, nämlich des unteres Thalamusstiels, publiziert wurde. Da das Erscheinungsdatum dieser Arbeit jen- seits des oben definierten Suchzeitraums liegt, kann an dieser Stelle nur kurz darauf hingewiesen werden. Es sei aber erwähnt, dass sich bei den dort mittels THS be- handelten Patienten eine signifikante Reduktion der Zwangssymptome innerhalb eines Jahres einstellte (e24).

Tourette-Syndrom

Das Tourette-Syndrom ist durch das chronische, oft aber fluktuierende Auftreten von vokalen (Räuspern, Husten, Koprolalie) und motorischen Tics (Blinzeln, Grimassieren, Hüpfen) gekennzeichnet. Die Erkran- kung manifestiert sich üblicherweise im frühen Schul- kindalter und zeigt in etwa 40 % der Fälle eine Rückbil- dung der Symptomatik bis hin zu Spontanremissionen mit Eintritt in das Erwachsenenalter. Diesem natür - lichen Verlauf Rechnung tragend, muss die Indikation für den Einsatz des invasiven Therapieverfahrens der THS vor Abschluss des 21. Lebensjahres mit besonder er Sorgfalt überdacht werden.

Nahezu regelhaft ist das Tourette-Syndrom komor- bid mit Zwangsstörungen, Aufmerksamkeitsdefizit-Hy- TABELLE 1

Wirkung der tiefen Hirnstimulation bei Patienten mit Zwangsstörungen

*„full response“ > 35 % Reduktion Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale (Y-BOCS), „partial response“ < 35 % > 25 % Reduktion Y-BOCS,

„no response“ < 25 % Reduktion Y-BOCS (ausgehend von e13) Referenzen

Nuttin et al., 2003 (1) Gabriels et al., 2003 (4) Nuttin et al., 1999 (5) Nuttin et al., 2003 (6) van Laere et al., 2006 (7) Cosyns et al., 2003 (8) Nuttin et al., 2003 (9) Abelson et al., 2005 (2)

Greenberg et al., (2006) (10)

Mallet et al., (2008) (3)

Huff et al., (in press) (11)

Patienten 6

4

10

16

10

Stimulation vorderer Schenkel der Capsula interna, beidseitig

vorderer Schenkel der Capsula interna, beidseitig vorderer Schenkel der Capusla interna (7/10), kaudaler Anteil des Nucleus accumbens (8/10), beidseitig (8/10)

Nucleus subthalamicus beidseitig

Nucleus accumbens rechts

Wirkung*

Beobachtungszeitraum bis 20 Monate:

Reduktion der Y-BOCS-Werte:

3 „full response“, 1 „partial response“, 2 „no response“

Beobachtungszeitraum 4–23 Monate:

Reduktion der Y-BOCS-Werte:

2 „full response“, 2 „no response“

Beobachtungszeitraum 36 Monate (8 ausgewertete Patienten):

signifikante Reduktion der Y-BOCS-Werte:

4 „full response“, 2 „partial response“, 2 „no response“

Beobachtungszeitraum 3 Monate:

Vergleich einer randomisierten kontrollierten On-Off-(Off-On-)Bedingung:

signifikante Reduktion der Y-BOCS-Werte nach „On-Stimulation“; hohe Nebenwirkungsrate Beobachtungszeitraum 12 Monate:

signifikante Reduktion der Y-BOCS-Werte:

1 „full response“, 4 „partial responses“, 5 „no response“

(4)

peraktivitäts-Symptomen (ADHS) oder Depression en verbunden (e25). Die Ätiologie ist bis heute nicht hin- reichend geklärt. Lange Zeit wurde angenommen, dass es sich bei dem Tourette-Syndrom um eine psychogene Störung handeln könnte, jedoch gilt mittlerweile eine neurobiologische Grundlage als gesichert. Dabei wird ein komplexes Zusammenspiel zwischen Vulnerabili- tätsgenen und Umweltfaktoren vermutet.

Die Tatsache, dass Neuroleptika die wirksamsten Medikamente gegen Tics sind, weist auf die besondere Rolle des dopaminergen Systems hin. Bildgebende Un- tersuchungen zeigten dabei wiederholt Auffälligkeiten im ventralen Striatum (e26). Letztlich wird in der patho - physiologischen Endstrecke eine Dysfunktion inner- halb spezifischer Basalganglienregelkreise für wahr - schein lich gehalten, die Thalamus und Globus pallidus internus als Kernstrukturen motorischer Schleifen mit- einbeziehen. Basierend auf diesen Kenntnissen wurde die THS bei den bisher behandelten Tourette-Patienten in den drei folgenden Regionen eingesetzt, die sich al- lesamt als wirksamer Zielpunkt erwiesen (Tabelle 2):

Nucleus accumbens als Bestandteil des ventralen Striatums

Globus Pallidus internus

Thalamus.

Die zahlenmäßig größten Erfahrungen zur Behand- lung des Tourette-Syndroms mittels THS liegen für tha- lamische Kerngebiete – das heißt für Nucleus ventro- oralis internus, Nucleus centromedianus und Nucleus parafascicularis – vor. Hier zeigten sich anhand einer großen offenen prospektiven Studie mit 18 einge- schlossenen Patienten Besserungsquoten hinsichtlich der Tic-Symptomatik von im Durchschnitt circa 70 %, gemessen mit der üblicherweise verwendeten Yale Glo- bal Tic Severity Scale (YGTSS) (12). Es fehlten im Studiendesign allerdings Kontrollbedingungen. Kürz- lich – jedoch außerhalb des oben definierten Suchzeit-

raums – publizierte die gleiche Arbeitsgruppe die 24-Monats-Ergebnisse von 15 der bereits erwähnten 18 Patienten, die eine anhaltende Besserung der Sympto- matik dokumentieren (e27).

In einer für Patienten mit Tourette-Syndrom ersten prospektiven, doppelblinden Studie ergab sich eine statistisch signifikante Verbesserung aller Zielparame- ter in der vierwöchigen verblindeten Phase mit Stimu- lation und auch nach anschließender dreimonatiger offener Stimulation, obwohl im Langzeitverlauf nur zwei von fünf Patienten eine signifikante Linderung erfuhren (13).

Mit dem Problem der „Response“, neben dem rei- nen Effektivitätsgrad bei verschiedenen anatomischen Zielstrukturen beschäftigt sich auch die hiesige Kölner Arbeitsgruppe im Rahmen einer offenen prospektiven Pilotstudie (14–16). Bei den mittlerweile acht einge- schlossenen Patienten erwiesen sich thalamische Kern- strukturen als am wirkungsvollsten, um die Tourette- Symptomatik zu lindern. Im Zuge der Verbesserung des Kardinalsymptoms, der Tics, besserten sich bei den meisten stimulierten Patienten auch komorbide Zwangszüge. Dennoch kann eine abschließende Ant- wort auf die Frage nach der idealen Zielregion für die Behandlung des TS nicht gegeben werden, da sich in der jüngsten Studie an drei Patienten, die jeweils vier Elektroden – beidseits Thalamus und beidseits Globus Pallidus internus – implantiert bekamen, die pallidale Stimulation als wirkungsvoller zeigte im Vergleich zur thalamischen Stimulation (17).

Schwere depressive Störung

Die depressiven Störungen stellen mit einer Lebens- zeitprävalenz von rund 15 % (e28) die häufigsten psy- chiatrischen Erkrankungen dar. Durch verfügbare Me- dikamente wie Antidepressiva (inklusive verschiedener Augmentationsstrategien) kann man in der Kombinati- Abbildung: Planungs-Magnet resonanztomo graphie; Zielpunkt: rechtsseitiger Nucleus accumbens

(5)

on mit psychotherapeutischen Verfahren die Erkran- kung in den meisten Fällen effektiv behandeln. Bei et- wa einem Zehntel der Patienten kommt es jedoch zu chronischen, weitgehend therapieresistenten Verläufen (e29). Für diese Gruppe bieten sich als nichtmedika- mentöse Maßnahmen insbesondere die seit Jahren be- währte Elektrokonvulsionstherapie (EKT) an, in spezia- lisierten Zentren auch die Vagusnervstimulation oder die transkranielle Magnetstimulation. Die wirksame EKT hat einige grundlegende Nachteile, zum Beispiel eine hohe Rückfallsquote und eine oft starke Ablehnung durch die Patienten. Die THS könnte bei nachgewiese- ner Wirksamkeit daher womöglich als nebenwirkungs- arme und wirksame Langzeitbehandlungsstrategie neue therapeutische Chancen eröffnen.

Ähnlich wie bei den zuvor genannten Erkrankungen trug die Erkenntnis, dass schwerst depressive Patienten von einem läsionalen neurochirurgischen Eingriff pro- fitieren können dazu bei, die THS als reversible und modulierbare Therapie einzusetzen. Ausgehend von einer neuronalen Dysregulation in limbischen Regelkreisen und positiven läsionalen Effekten wurden verschiedene Zielgebiete für die THS bei depressiven Störun g en disku- tiert:

das ventrale Striatum – Nucleus accumbens

das subgenuale Cingulum

der Globus pallidus internus

der untere Thalamusstiel

der rostrale cinguläre Kortex (BA24a)

die laterale Habenula.

KASTEN 1

Nebenwirkungen

Obwohl es sich um eine invasive Prozedur handelt, ist die tiefe Hirnstimulation (THS) grundsätzlich nebenwirkungsarm. Das mögliche Spektrum an unerwünschten Wirkungen lässt sich in drei Gruppen aufteilen:

die mit dem operativen Eingriff assoziierten Komplikationen

rein technische Probleme

Nebenwirkungen durch die eigentliche Stimulation.

Basierend auf den umfangreichen Erfahrungen mit der THS bei Bewegungsstörungen (über 55 000 weltweit operierte Pa- tienten) kann man die Risiken innerhalb der beiden erstgenannten Gruppen recht gut abschätzen. Durch das Einbringen der Elektroden kann als schwerste Komplikation eine intrazerebrale Blutung resultieren. Damit ist operateur- beziehungsweise zentrumsabhängig in 0,2–5 % der Fälle zu rechnen. Eine intrazerebrale Blutung kann zu neurologischen Herdsymptomen wie Dysarthrie, Hemiparese oder Aphasie führen, schlimmstenfalls letal enden. Eine postoperative Infektion durch das eingebrach- te Fremdmaterial ist in 2–25 % der Fälle zu befürchten, das Risiko kann aber durch eine perioperative systemische Antibitioka- gabe deutlich reduziert werden (e41, e42).

Gerätebedingte „Hardware“-assoziierte Probleme wie Kabelbruch, Fehlfunktion des Neurostimulators sind aufgrund techni- scher Weiterentwicklungen deutlich rückläufig, sodass die im Jahre 2002 erfasste Rate von etwa 8 % pro Elektrodenjahr als nicht mehr aktuell einzustufen ist (e43).

Schließlich sind stimulationsbedingte unerwünschte Effekte zu berücksichtigen, die sich in Abhängigkeit vom anatomischen Zielpunkt erheblich in ihrer Phänomenologie unterscheiden, grundsätzlich aber durch das Ausschalten der Stimulation reversi- bel sind. Stimulationsbedingte neurologische Symptome wie etwa Dyskinesien, Dysarthrien, Lidapraxie und seltener Gangun- sicherheit remittieren im Verlauf oft spontan, sind aber insbesondere durch Modulation der Stimulation rückbildungsfähig.

Gegenstand einer derzeitig intensiven Beobachtung sind unerwünschte Veränderungen des psychischen Befundes. Neben berichteten positiven Wirkungen auf Depression und Angst, häuften sich mit Verbreitung der THS bei Morbus Parkinson in den letzten Jahren die Berichte über die Induktion von Verhaltensauffälligkeiten (e44) sowie depressiven (e45) und manischen Zu- ständen (e46). Diese unerwünschten Wirkungen auf den psychischen Befund sind aber bisher nur für den Nucleus subthalami- cus systematisch erfasst. In einer Metaanalyse (e47) zur THS bei M. Parkinson wurden im Beobachtungszeitraum von 10 Jah- ren folgende psychiatrische Nebenwirkungen beschrieben: Depressionen traten bei 2–4 % der Fälle auf, Manie bei 0,9–1,7 %,

„emotional changes“ bei 0,1–0,2 % und Suizidalität bei 0,3–0,7 %. Das Suizidrisiko ist womöglich unter subthalamischer Sti- mulation erhöht (e48).

Unerwünschte Wirkungen der THS im Rahmen der Anwendung für psychiatrische Erkrankungen sind den aufgeführten Stu- dien zufolge als relativ unproblematisch einzustufen (eine Ausnahme muss für den Ansatz von Mallet et al. (3), gemacht wer- den, die bei THS des Ncl. subthalamicus ungewöhnlich viele Nebenwirkungen beobachteten). Die Nebenwirkungen waren in der Regel nur transient, sie ließen sich meistens durch eine Anpassung der Stimulationsparameter beheben oder wurden von den Patienten aufgrund der überwiegenden positiven Effekte toleriert. Hierzu liegen bisher keine statistischen Auswertungen vor. Die eTabelle listet für einige der genannten Studien die transienten stimulationsbedingten Nebenwirkungen beim Einsatz der THS für psychiatrische Krankheitsbilder auf. Besonders aufmerksam wurden im Rahmen einiger THS-Studien die Auswir- kungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit verfolgt. Hierbei zeigten sich bisher keine signifikanten Beeinträchtigungen durch die THS (10, 11, 13, 19–21).

(6)

TABELLE 3

Wirkung der tiefen Hirnstimulation bei Patienten mit depressiver Störung

HAM-D, Hamilton Rating Scale for Depression Referenzen

Schlaepfer et al., 2008 (20) Malone et al., 2009 (19)

Mayberg et al., 2005 (22)

Lozano et al., 2008 (21)

Patienten 3 15

6

20

Stimulationsort Nucleus accumbens

ventrale Capsula interna und ventrales Striatum

subgenualer Bereich des Cingulum

subgenualer Bereich des Cingulum

Wirkung

bereits nach einer Woche eine Reduktion der Symptomatik um 42 % (gemessen am HAM-D) Beobachtungszeitraum 12 Monate;

in dieser Zeit deutliche Reduktion der Symptomatik um 57 % (gemessen am HAM-D) Beobachtungszeitraum 6 Monate;

bei 4 der 6 Patienten eine Reduktion der Symptomatik um 71 % (gemessen am HAM-D);

Remission bei 2 Patienten (HAM-D ≤ 8) Beobachtungszeitraum 12 Monate;

in dieser Zeit deutliche Reduktion der Symptomatik um durchschnittlich 48 % mit zwei

„Non-Respondern“; Remission bei 7 Patienten (HAM-D ≤ 7)

TABELLE 2

Wirkung der tiefen Hirnstimulation bei Patienten mit Tourette-Syndrom

*1 Patient wurde zunächst mittels THS des Globus pallidus internus behandelt, bei fehlendem Ansprechen dann Neuimplantation beidseitiger thalamischer Elektroden;

THS, tiefe Hirnstimulation;

Ncd, Nucleus caudatus;

YGTSS, Yale Global Tic Severity Scale Referenzen

Visser-Vandewalle et al., 2003 (18)

Servello et al., 2007 (12)

Maciunas et al., 2007 (13)

Welter et al., 2008 (17)

Kuhn et al., 2007 (14) Kuhn et al., 2008 (15) Kuhn et al., 2008 (16)

Patienten 3

18

5

3

8*

Stimulationsort

Thalamus (Nucleus ventrooralis, Nucleus centromedianus, Substantia periventricularis) Thalamus (Nucleus ventrooralis, Nucleus centromedianus)

Thalamus (Nucleus centromedianus)

Thalamus (Nucleus centromedianus und Nucleus parafascicularis) und Globus pallidus internus

Nucleus accumbens (2 Pat.) Caput nucleus caudatus (1 Pat.) Thalamus (4 Pat.)

Globus pallidus internus (2 Pat.)

Wirkung

Beobachtungszeitraum 8–60 Monate;

zwischen 72 und 90 % Reduktion der Tic-Häufig- keit (Video-basierte Messung)

Beobachtungszeitraum 3–18 Monate;

31–95 % Verbesserungsraten, gemessen am

„total tic score“ des YGTSS

Verblindungsphase mit On- und Off-Phasen über 4 Wochen;

3 von 5 Patienten signifikante (> 50 %) Reduktion der Tics im On,

gemessen anhand eines Videoscores (primärer Zielparameter) und des YGTSS (sekundärer Zielparameter) gegenüber dem Off;

nach dreimonatiger offener Stimulation Verbesserung nur noch bei 2 von 5 Patienten Beobachtungszeitraum 20–60 Monate (10-monatige Verblindungsphase);

Globus-pallidus-internus-Stimulation:

65–96 % Reduktion der Symptomatik Thalamus-Stimulation: 30–64 % Reduktion der Symptomatik (gemessen am YGTSS)

Beobachtungszeitraum 3–60 Monate;

Besserung der Symptomatik gemessen am YGTSS Nucleus accumbens: 20–41 % Thalamus: 33–80 %

Globus pallidus internus: 50 % (1 Pat.),

„no response” (1 Pat.) Ncd: 33 %

(7)

Zu den beiden erstgenannten Zielgebieten liegen Forschungsberichte mit Patientengruppen (19–22) vor (Tabelle 3), wohingegen es für die Anwendung der THS im unteren Thalamusstiel sowie im Globus palli- dus internus nur Kasuistiken gibt (e30–e32).

Der Bereich des Gyrus cinguli unterhalb des Genu Corporis callosi zeigt bei depressiven Störungen eine messbare Hyperaktivität (20), die durch eine antide- pressive Medikation regredient ist. In der Arbeits- gruppe um Mayberg wurde daher das subgenuale Cin- gulum als Zielgebiet für die THS gewählt. Bei vier von sechs Patienten mit ansonsten therapieresistenter Depression wurde durch die THS nach sechs Monaten eine deutliche Linderung der Symptome erreicht. Im Durchschnitt ergab sich eine 71-prozentige Reduktion der „Hamilton Rating Scale for Depression“

(HAM-D). Darüber hinaus wies eine Minderung des zuvor gesteigerten zerebralen Blutflusses im subge- nualen Gyrus cinguli (22) auf einen Therapieerfolg hin. Auch nach zwölf Monaten konnten keine kogniti- ven Beeinträchtigungen festgestellt werden, so blieben auch die im Rahmen der EKT gelegentlich in Mitlei- denschaft gezogenen Gedächtnisfunktionen unberührt (e33). Die Rekrutierung 14 weiterer therapieresisten- ter Patienten bestätigte die Ergebnisse der beschriebe- nen Pilotstudie: Nach sechs Monaten reduzierte sich bei zwölf der 20 Teilnehmer die Punktzahl im HAM-D um mindestens 50 % und sieben Patienten er- füllten die Kriterien der Remission (< 7 Punkte im HAM-D). Analog zur ersten Untersuchung ließen sich die Ergebnisse durch Positronen-Emissions-Tomogra- phien (PET) verifizieren. Bei keinem Patienten wur- den kognitive Beeinträchtigungen festgestellt (21).

Der Nucleus accumbens nimmt eine zentrale Schalt- stelle ein zwischen emotionalen, limbischen und moto- rischen Regelkreisen und ist maßgeblich für die Erfah- rung von Belohnung und hedonistischen Reizen. Diese Erkenntnis bewog die Köln-Bonner Arbeitsgruppe um Sturm und Schläpfer diese Struktur auch als Zielgebiet für die THS bei depressiven Störungen zu verwenden (20). Nach Beginn der Stimulation zeigten sich spontan positive Effekte bei allen drei Patienten. Innerhalb ei- ner Woche gingen die HAM-D Punktwerte durch- schnittlich um 42 % zurück. Wurde die Stimulation doppelblind unterbrochen, verschlechterte sich der Zu- stand von zwei der drei Patienten soweit, dass der Ver- such gestoppt werden musste. Die Korrelation zwi- schen Stimulation und Depression war signifikant (HAM-D und Stimulation: r = -0,54, p < 0,01) und ver- anschaulichte die Effektivität der Stimulation im Nu- cleus accumbens. Alle drei Patienten sprachen auf die Behandlung an, ohne dass schwere Nebenwirkungen auftraten. Zusätzliche PET-Untersuchungen verdeutli- chen die Modulation fronto-striataler Netzwerke durch eine bilaterale Neurostimulation im Nucleus accum- bens. Vor kurzem wurden aus dieser Arbeitsgruppe die erweiterten Daten der ersten zehn behandelten Patien- ten veröffentlicht. Neben einer Reduktion der HAM- D-Punktwerte um 50 % bei fünf Patienten zeigte sich eine deutliche Anxiolyse im einjährigen Beobachtungs- zeitraum (gemessen mit der Hamilton Anxiety Scale).

Da die Veröffentlichung außerhalb des oben definierten Suchzeitraums erschien, sei an dieser Stelle nur kurz darauf verwiesen (e34).

Über fünfzehn depressive Patienten, die im Zuge ei- ner Multicenterstudie mittels THS behandelt wurden KASTEN 2

Ethische Aspekte

Insbesondere vor dem historischen Hintergrund, und hier besonders im Hinblick auf das unrühmliche Zeitalter der läsionellen Psychochirurgie, ist es notwendig, sich infolge der zunehmenden Anwendung der tiefen Hirnstimulation für psychiatrische Erkrankungen mit der Thematik kri- tisch-ethisch auseinanderzusetzen. Interventionen am Gehirn, das wie kein anderes Organ das spezifisch Menschliche repräsentiert, könnten zur Veränderung der Persönlichkeit beitragen. Die allgemeine Aus - einandersetzung wegen derartiger Befürchtungen im Kontext der Be- handlungserfolge mittels tiefer Hirnstimulation ist durchaus vielschichtig und sehr komplex.

Für die kritisch-ethische Analyse bietet sich eine Vorgehensweise auf zwei Ebenen an:

Einerseits gilt es in einem anwendungsbezogenen, normgebenden Sinn Kriterien für eine vertretbare Durchführung der THS in For- schung und in medizinischer Versorgung zu finden und sich danach zu richten. Dies schließt unter anderem Aspekte zur Aufklärung und Einwilligung, zum methodischen Design von Studien und zur notwen- digen Krankheitsschwere der zu behandelnden Patienten ein.

Andererseits geht es aber um grundlegende philosophisch-anthropo- logische Reflexionen über das Verständnis von Krankheit und Le- bensqualität sowie das Selbstverständnis des Menschen in seiner personalen Identität (e49).

Das Kölner Zentrum stellt sich schwerpunktmäßig beiden Aufgaben.

Es führt unter der Verbundkoordination der hiesigen Forschungsstelle Ethik des Institutes für Geschichte und Ethik der Medizin im Rahmen ei- nes binationalen, deutsch-kanadischen, BMBF-geförderten Projektes eine empirisch gestützte ethische und rechtliche Untersuchung der THS und ihrer psychosozialen Auswirkungen durch. Ebenfalls interdisziplinär beschäftigt sich eine Expertenkommission der Europäischen Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklun- gen (Bad Neuenahr-Ahrweiler) mit ethischen Fragestellungen der THS.

In diesem Zusammenhang ist eine Verabschiedung von Leitlinien für Forschung und Behandlung zu fordern, wie sie für die neurologischen Krankheitsbilder durch die Arbeitsgruppe THS der Deutschen Gesell- schaft für Neurologie bereits erstellt wurden. Derartige Bestrebungen vonseiten internationaler, interdisziplinärer Arbeitsgruppen für einzelne psychiatrische Erkrankungen wie zum Beispiel für Zwangsstörungen und das Tourette-Syndrom gibt es bereits (e39, e40).

(8)

berichtet die Gruppe um Malone und Dougherty. Mit der ventralen Capsula interna/dem ventralen Striatum wurde ein ganz ähnliches Zielgebiet wie von Schläpfer et al. (e35) gewählt. Auch in dieser Studie verringerten sich während des sechsmonatigen Verlaufs die Sympto- me, die HAM-D Punktwerte verbesserten sich um 42 %.

Ausblick

Neben den genannten Einsatzgebieten sind in der jüngs- ten Vergangenheit bemerkenswerte Veränderungen im Suchtverhalten bei stoffgebundenen Abhängigkeiten im Rahmen der THS des Nucleus accumbens beschrieben worden (23, 24, e36). Diese vielversprechenden Ergeb- nisse, die unter anderem auf eine Modulation des „Cra- ving“ zurückgeführt werden und es Betroffenen offen- sichtlich erleichtern, abstinent zu bleiben, sind allerdings bislang nicht durch Studien untermauert. Eine fundierte Einschätzung kann daher noch nicht erfolgen.

Bezüglich der anatomischen Zielstrukturen ist für aktuelle und künftige psychiatrische Indikationen eine Präzisierung durch den Einsatz weitergehender Bild- analyseverfahren, wie beispielsweise der diffusionsba- sierten Traktographie zum Aufzeigen von kortikalen und subkortikalen Konnektivitäten, Gegenstand derzei- tiger Forschungen (e37, e38).

Resümee

Wenngleich eine „globale Effektstärke“ der THS für psychische Störungen derzeit nicht bestimmbar ist, sind die publizierten Ergebnisse zur Behandlung von thera- pierefraktären, psychiatrischen Erkrankungen mittels THS als vielversprechend einzustufen. Sie belegen mehrheitlich eine deutliche Verbesserung des psychia - trischen Befundes und das bei schwerstkranken und zuvor behandlungsresistenten Patienten. Neben vielen Kasuistiken wurden vermehrt Pilotstudien, mit partiell randomisiert-verblindeten Stimulationsphasen veröf- fentlicht.

Die dokumentierten Nebenwirkungen durch THS bei Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen sind

bisher geringfügig, oftmals durch Änderungen der Pa- rametereinstellungen reversibel oder durchaus tolerier- bar. Allerdings fehlen Langzeitbeobachtungen.

Wenngleich keine abschließende Bewertung mög- lich ist, scheint die tiefe Hirnstimulation bei therapiere- sistenten psychiatrischen Erkrankungen neue Optionen zu eröffnen. Die Indikationsstellung für die Implantati- on der THS sollte internationale Empfehlungen berück- sichtigen (e39) (Kasten 2) und insbesondere den poten- ziellen Behandlungserfolg dem Risiko des chirurgi- schen Eingriffs entgegensetzen.

Danksagung

Die Autoren danken Prof. Dr. med. Markus Ullsperger, Leiter der Max-Planck Forschungsgruppe Kognitive Neurologie am Max-Planck-Institut für neurologi- sche Forschung in Köln und Professor für Biologische Psychologie an der Rad- boud Universität Nijmegen, für seine Mitwirkung bei der Konzeption und Er- stellung dieses Manuskripts.

Interessenkonflikt

Dr. med. Lenartz bekam finanzielle Zuwendungen für Kongressreisen von der Firma Medtronic AG.

Prof. Dr. med. Sturm erhielt finanzielle Unterstützung für Studien, Kongressrei- sen und wurde honoriert für Vorträge von den Firmen Medtronic AG und Ad- vanced Neuromodulation Systems, INC. Er ist ferner an Patenten zur desyn- chronisierten Hirnstimulation beteiligt und Mitbegründer der Firma ANM-GmbH Jülich, die die Entwicklung neuer Stimulatoren beabsichtigt.

Dr. med. Jens Kuhn, Dipl.-Psych. Gründler, Prof. Dr. med. Klosterkötter und Dr. med. Huff erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht: 20. 5. 2009, revidierte Fassung angenommen: 27. 8. 2009

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KERNAUSSAGEN

Die vorliegenden Resultate zum klinischen Nutzen der tiefen Hirnstimulaton (THS) bei psychischen Störungen sind ermutigend und eröffnen neue Behand- lungsperspektiven.

Bei Chronizität und Therapieresistenz einiger definierter psychiatrischer Er- krankungen kann die Behandlung mittels tiefer Hirnstimulation eine Option sein.

Die THS soll grundsätzlich, aber insbesondere bei psychiatrischen Erkrankun- gen, von einem laufenden kritisch-ethischen Diskurs begleitet werden.

Eine weitere Erforschung von Wirksamkeit, Wirkmechanismen und Nebenwir- kungsprofil der THS ist erforderlich; insbesondere Daten zum Langzeitverlauf fehlen derzeit noch.

(9)

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Anschrift für die Verfasser Dr. med. Jens Kuhn

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Klinikum der Universität zu Köln Kerpener Straße 62 50924 Köln

E-Mail: Jens.Kuhn@uk-koeln.de

SUMMARY

Deep Brain Stimulation for Psychiatric Disorders

Background: Deep brain stimulation (DBS), an established treatment for some movement disorders, is now being used experimentally to treat psychiatric disorders as well. In a number of recently published case series, DBS yielded an impressive therapeutic benefit in patients with medically intractable psychiatric diseases.

Methods: This review of the use of DBS to treat psychiatric disorders is based on literature retrieved from a selective Pubmed search for rele- vant keywords, reference works on the topic, and the authors’ own re- search.

Results: Studies have been performed on the use of DBS to treat medi- cally intractable obsessive-compulsive disorder, depressive disorders, and Tourette syndrome. The case numbers in the cited publications were small, yet at least some of them involved a methodologically sound investigation. Thus, in some studies, the strength of the effect was controlled with a double-blinded interval in which the stimulation was turned off. In general, the primary symptoms were found to impro- ve markedly, by 35% to 70%, although not all patients responded to the treatment. Adverse effects of DBS were very rare in most studies and could usually be reversed by changing the stimulation parameters.

Conclusions: The results of DBS for psychiatric disorders that have been published to date are encouraging. They open up a new per- spective in the treatment of otherwise intractable disorders. Nonethe- less, the efficacy, mechanism of action, and adverse effects of DBS for this indication still need to be further studied in methodologically ade- quate trials that meet the highest ethical standard.

Zitierweise: Dtsch Arztebl Int 2010; 107(7): 105–13 DOI: 10.3238/arztebl.2010.0105

@

Mit „e“ gekennzeichnete Literatur:

www.aerzteblatt.de/lit0710

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de eSupplements 1 und 2 sowie eTabelle unter:

www.aerzteblatt.de/Jahr10m0105

(10)

ÜBERSICHTSARBEIT

Tiefe Hirnstimulation bei psychiatrischen Erkrankungen

Jens Kuhn*, Theo O. J. Gründler*, Doris Lenartz, Volker Sturm, Joachim Klosterkötter, Wolfgang Huff

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(12)

eTABELLE

Ausgewählte stimulationsbedingte Nebenwirkungen Zielpunkt

Nucleus accumbens Thalamus

Thalamus Nucleus accum- bens

Nucleus subthala- micus

Capsula interna/

ventrales Striatum subgenualer Bereich des Cingulum Capsula interna/

ventrales Striatum

Krankheitsbild Tourette-Syndrom Tourette-Syndrom

Tourette-Syndrom Zwangsstörung Zwangsstörung

Zwangsstörung

depressive Störung

depressive Störung

Transiente stimulationsbedingte Nebenwirkungen hypomane Episode (1 von 2)

Schwindel (18 von 18 bei Überstimulation), Doppelbilder (4 von 18), Abdominalschmerzen (2 von 18), Blickdeviation (1 von 18) psychotische Symptomatik (1 von 5)

innere Unruhe und Ängstlichkeit (4 von 12), hypomane Episode (2 von 12), Konzentrationsstörungen (1 von 12)

hypomane Episode (6 von 18), Ängstlichkeit (2 von 18), Dyskinesie und Impulsivität (2 von 18), Dysarthrie, Dysphagie,

Gangstörung und Gesichtsasymmetrie (1 von 18), Depressivität (1 von 18), Zwangsgedanken (1 von 18), Schwindel (1 von 18)

verstärkte Depressivität verbunden mit suizidalen Gedanken (3 von 26), Verstärkung der Zwangssymptomatik (3 von 26), hypomane Episode (1 von 26), erhöhte Reizbarkeit (1 von 26)

erhöhte Depressivität (2 von 20)

hypomane Episode (1 von 15), erhöhte Suizidalität (2 von 15), Synkope (1 von 15), erhöhte Depressivität (1 von 15)

Referenz

Kuhn et al., 2007 (14) Servello et al., 2008 (12)

Maciunas et al., 2007 (13) Huff et al., in press (11) Mallet et al., 2008 (3)

Greenberg et al., 2006 (10)

Lozano et al., 2008 (21)

Malone et al., 2009 (19)

ÜBERSICHTSARBEIT

Tiefe Hirnstimulation bei psychiatrischen Erkrankungen

Jens Kuhn*, Theo O. J. Gründler*, Doris Lenartz, Volker Sturm, Joachim Klosterkötter, Wolfgang Huff

(13)

ÜBERSICHTSARBEIT

Tiefe Hirnstimulation bei psychiatrischen Erkrankungen

Supplement 2: Durchführung des Verfahrens (Planung und Operation) in der Kölner Arbeitsgruppe Jens Kuhn*, Theo O. J. Gründler*, Doris Lenartz, Volker Sturm,

Joachim Klosterkötter, Wolfgang Huff

postoperative Röntgen- oder craniale Computertomo- graphie-(gegebenenfalls auch MRT-)Aufnahme heran- gezogen werden. Eine MRT bei implantierten Elektro- den ist aufgrund von potenziellen Nebenwirkungen nur bedingt möglich. Die initiale Parametereinstellung ba- siert derzeit meistens auf empirischen Erfahrungen. Die Breite der angewendeten Stimulationsparameter um- fasst eine Spannungsamplitude von 1–6 V, eine Puls- dauer von 60–200 s und eine Stimulationsfrequenz von 120–180 Hz.

In einer zweiten operativen Sitzung wird abschlie- ßend der Impulsgenerator infraclavikulär implantiert.

Bei der THS zur Behandlung von Bewegungsstörun- gen erfolgt die Operation üblicherweise ohne symp- tomspezifische Medikation, um bei der intraoperativen Teststimulation bereits die erwünschten Effekte beur- teilen zu können. Zur Fortführung oder Unterbrechung der Medikation im Rahmen der THS bei psychiatri- schen Erkrankungen existiert bisher kein einheitlicher Konsens, auch da die erwünschten Wirkungen der THS meistens erst mit einer deutlichen Latenz einsetzen.

Sinnvollerweise sollte aber bei einer geplanten intra- operativen Exposition und Teststimulation (zum Bei- spiel bei Patienten mit Tourette-Syndrom) die spezifi- sche Medikation möglichst niedrig dosiert oder pau- siert werden.

A

analog zum Vorgehen bei Bewegungsstörungen verläuft das Prozedere zur Durchführung der tiefen Hirnstimulation (THS) bei psychischen Stö- rungen. Kurz vor der Operation erfolgt eine kraniale Kernspintomographie in verschiedenen Wichtungen und mit speziellen Modalitäten – das sogenannte

„Planungs-MRT“. Anhand dieser Bilddaten und nach Vergleich mit stereotaktischen Atlanten werden der Zielpunkt bestimmt und die Elektrodenverläufe drei- dimensional visualisiert. Durch Fusion der MRT-Da- ten mit CT-Bildern, die intraoperativ nach Anlage des stereotaktischen Grundringes gewonnen wurden, können die Einstellungen des Zielbügels zum Errei- chen des Zielpunktes computergesteuert ermittelt werden.

Nach einer Bohrlochtrepanation werden die Elektro- den implantiert. Man verwendet quadripolare (oder mehrpolige) Elektroden, die durch die Wahl der aktiv stimulierenden Pole eine postoperative Adjustierung und Modifikation des Stimulationsortes erlauben. Eine vorherige Mikroableitung, wie sie bei der THS für Be- wegungsstörungen üblich ist und über das abgeleitete Signal zur Kontrolle der korrekten Elektrodenlage dient, wird bei psychiatrischen Erkrankungen oft durchgeführt, ist aber nicht regelhaft beschrieben. Zur Überprüfung der Elektrodenlokalisation kann eine

(14)

ÜBERSICHTSARBEIT

Tiefe Hirnstimulation bei psychiatrischen Erkrankungen

Supplement 1: Effekt von Hochfrequenzstimulation auf Hirnstrukturen Jens Kuhn*, Theo O. J. Gründler*, Doris Lenartz, Volker Sturm, Joachim Klosterkötter, Wolfgang Huff

Modulation neuronaler Systeme scheint eine funktio- nelle Anpassung die Wirkung zu ermöglichen. Untersu- chungen mittels funktioneller Kernspintomographie, Positronen-Emissions-Tomographie (PET) und an Ver- suchstieren konnten partiell und unter bestimmten Mo- dalitäten eine Erhöhung der hämodynamischen Ant- wort und des Glucosestoffwechsels stimulierter tiefer Hirnstrukturen und deren efferenter Projektionsgebiete belegen – hinweisend auf zusätzliche exzitatorische Wirkmechanismen (e53–e55).

Es ist davon auszugehen, dass die Wirkung der THS auf einer Vielzahl von Effekten und Interferenzen ba- siert, die – je nach Stimulationsort, verwendeten Stimu- lationsparametern und zugrunde liegender Erkrankung – in ihrer Bedeutsamkeit variieren und verschiedenartig in die pathophysiologischen Prozesse modulierend ein- greifen (e56–e58).

Sehr stark vereinfacht lässt sich zusammenfassen, dass die THS über eine Veränderung der Erregungs- ausbreitung im Bereich der Zielstruktur gestörte neu- ronale Netzwerke und Regelkreise beeinflusst. Das Ziel ist dabei, die pathologische Signalübertragung zu modulieren und idealerweise zu unterbinden. Durch eine Umgestaltung der neuronalen Aktivität resultie- ren positive Einflüsse auf die Erkrankung des Patien- ten.

D

ie Wirkmechanismen der tiefen Hirnstimulation (THS) sind noch nicht vollständig verstanden.

Die reversible und funktionelle Inhibierung der stimu- lierten Zielstrukturen durch eine Depolarisationsblo- ckade der Neurone, die die Elektrode umgeben, bezie- hungsweise der spannungsabhängigen Ionenkanäle an der Zellmembran, ist eine Erklärung (e50). Die Hem- mung von stimulierten Zellen in ihrer physiologischen Aktivität, die bis zu etwa fünf Minuten nach Stimulati- onsende anhält, korreliert mit der nahezu sofortigen und reversiblen Wirkung der THS auf Parkinson-Plus- Symptome und Tremor, in Abhängigkeit vom Funkti- onszustand des Impulsgenerators (On/Off). Neben der Depolarisationsblockade wird auch eine synaptisch vermittelte neuronale Hemmung durch antidrome Erre- gung inhibitorischer GABAerger-Afferenzen diskutiert (e51). Ferner ist eine synaptische Depression durch or- thodrome Reizung efferenter Axone und konsekutive Hemmung der Übertragung durch Erschöpfung des Neurotransmitterpools (e52) als Mechanismus denkbar.

Bei Dystonie und psychiatrischen Erkrankungen setzt die positive Wirkung der THS – vergleichbar dem Effektbeginn nach der Gabe von Psychopharmaka – oftmals erst nach Wochen ein. Dieses Phänomen kann nicht allein durch einen direkt inhibierenden Mechanis- mus erklärt werden, vielmehr verhält sich das System offenbar plastisch. Durch komplexe und längerfristige

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