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Archiv "Patientenrechtegesetz: Konsensfindung statt Revolution" (07.12.2012)

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Deutsches Ärzteblatt

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Heft 49

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7. Dezember 2012 A 2445 PATIENTENRECHTEGESETZ

Konsensfindung statt Revolution

Der Bundestag hat das Patientenrechtegesetz beschlossen. Es soll mehr Autonomie und Trans- parenz für Patienten bringen und ihre Rechte gegenüber Ärzten und Krankenkassen stärken.

F

ür den Patientenbeauftragten der Bundesregierung war der 29. November ein guter Tag: „Wir legen einen Grundstein für eine neue Kultur der Partnerschaft, der Transparenz und der Rechtssicher- heit“, sagte Wolfgang Zöller (CSU) in der Debatte vor der Verabschie- dung des „Gesetzes zur Verbesse- rung der Rechte von Patientinnen und Patienten“ (Patientenrechtege- setz). Zöller betonte, die Koalition habe das Vorhaben nicht gegen, sondern mit den Leistungserbrin- gern erarbeiten wollen. Dieses Mot- to habe ihn in mehr als 300 Gesprä- chen bei der Suche nach Konsens- lösungen geleitet.

Die Opposition meinte, das Ge- setz sei kein großer Wurf. Vorhan- dene Rechte nur zu bündeln, reiche nicht, kritisierte Dr. med. Marlies Volkmer (SPD). Kathrin Vogler (Die Linke) monierte, es fehlten deutli- chere Vorgaben zur Beweiserleich- terung bei Behandlungsfehlern, ein Härtefallfonds sowie ein verpflich- tendes Register für Medizinproduk- te. Maria Klein-Schmeink (Bündnis 90/Die Grünen) fürchtet, auch in Zu- kunft werde es beim Verdacht eines Behandlungsfehlers lange Prozesse und hohe Beweislasthürden geben.

Dennoch enthielten sich die Grü- nen bei der Abstimmung lediglich, während SPD und Die Linke gegen den Gesetzentwurf der Koalition stimmten. Wenn das Gesetz Anfang Februar 2013 den Bundesrat pas- siert hat, kann es in Kraft treten – als erstes Patientenrechtegesetz nach einer etwa 20 Jahre währenden Diskussion über das Thema.

Montgomery: Ärzte nehmen gestiegene Anforderungen an

Wie es sich auswirken wird, wird kontrovers diskutiert. Eine Revolu- tion löst es sicher nicht aus. Doch möglicherweise verschafft die ein oder andere Vorgabe dem Patienten, der nicht Arzt oder Medizinrechtler ist, mehr Klarheit. Dass sich für Ärzte gar nichts ändert, ist falsch.

Der Gesetzestext selbst mag knapp sein. Aus den Begründungen lässt sich aber herauslesen, wie hoch die Erwartungen an Handeln und Be- handeln von Krankenhausärzten wie Niedergelassenen sind.

„Wir haben ein großes Interesse daran, dass die Patientenrechte ein- deutig, klar und in einem ausge - wogenen Verhältnis der jeweils agierenden Parteien – Ärzte, Kos- tenträger, Politik und Patienten –

geregelt werden“, erklärte der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med. Frank Ulrich Mont- gomery, beim 4. Kölner Medizin- rechtstag. „Unsere Herausforde - rungen, die wir mit dem Patienten- rechtegesetz annehmen, sind die gestiegenen Anforderungen an In- formation, Aufklärung und Doku- mentation.“ Das Haftungsrisiko werde sich dadurch erhöhen. Zu- dem müssten Anpassungen der ärzt- lichen Berufsordnungen an das neue Gesetz geprüft werden, ergänzte der BÄK-Präsident. Dieser Prozess sei bereits eingeleitet worden. Bei- spielsweise sieht das Gesetz vor, in der Bundesärzteordnung festzu- schreiben, dass das Ruhen der Ap- probation bei fehlender oder nicht ausreichender Haftpflichtversiche- rung angeordnet werden kann.

Ein Anliegen des Patientenbeauf- tragten Zöller ist auf jeden Fall umgesetzt: Der medizinische Be- handlungsvertrag und das Arzthaf- tungsrecht, die derzeit nur als Rich- terrecht und teilweise lückenhaft in vielen Gesetzen verstreut vorliegen, werden nun einheitlich im Bürger - lichen Gesetzbuch kodifiziert. Zu- dem wird die Fehlervermeidungs- kultur in Krankenhäusern gefördert, und die Verfahrensrechte der Patien- ten etwa bei Behandlungsfehlern werden durch neue Regelungen im Sozialgesetzbuch V gestärkt. „Un- ser Leitbild ist der mündige Patient.

Patientenorientierung und Patien- tenautonomie sind erklärte Ziele unserer Gesundheits politik. Das Pa- tientenrechtegesetz wird die Positi- on der Patienten künftig stärken“, betonte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP).

Nach dem neuen Gesetz müssen Patienten umfassend und verständ- lich über die Behandlung informiert werden (therapeutische Aufklä- rungspflicht). Dies gilt auch für die Zufrieden: Eine

jahrelange Diskus- sion über Patienten- rechte sei mit dem Gesetz nicht been- det, aber sie habe ein sehr gutes Er- gebnis gefunden, sagte Wolfgang Zöl- ler, Patientenbeauf- tragter der Bundes- regierung.

Foto: dapd

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7. Dezember 2012 Kosten, wenn die Krankenkasse

diese nicht übernimmt (wirtschaft- liche Aufklärungspflicht), wie etwa bei den individuellen Gesundheits- leistungen (IGeL). Weitergehende Forderungen der Opposition zu IGeL, beispielsweise eine 24-Stun- den-Bedenkzeit zwischen Beratung und Leistung, findet man nicht im Gesetz.

Zudem umfasst die Informations- pflicht auch die Fehlerinformation auf Nachfrage des Patienten oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren. Im Gesetz heißt es nun nach einer Änderung: „Sind für den Behandelnden Umstände erkenn- bar, die die Annahme eines Behand- lungsfehlers begründen, hat er den Patienten über diese auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitli- cher Gefahren zu informieren.“

Dr. Larissa Thole, Sonderbeauf- tragte für das Patientenrechtegesetz

im Bundesministerium der Justiz, erläuterte beim Kölner Medizin- rechtstag, dass diese Pflicht sich auf die Umstände beziehe, nicht auf Behandlungsfehler als solche: „Ge- sundheitlich Behandelnde müssen keine juristische Wertung vorneh- men.“ Gesetzlich geregelt ist zu- dem, dass demjenigen, der einen Fehler eingesteht, daraus keine nachteiligen Konsequenzen drohen:

Seine Informationen sollen in einem Strafverfahren nur mit seiner Zu- stimmung verwertet werden dürfen.

Nachgebessert wurden zudem die Bestimmungen zur Aufklärung vor einem Eingriff. Diese darf nun der Behandelnde oder eine Person übernehmen, die hierfür über die er- forderliche Ausbildung verfügt. Die Formulierung „Ausbildung“ ersetzt dabei den früheren Begriff der

„Befähigung“. So wollte man klar - zustellen, dass die Aufklärung auch jemand übernehmen darf, der die notwendige theoretische Befähi- gung besitzt, auch wenn er wegen fehlender praktischer Erfahrung die Maßnahme nicht selbst durchfüh-

ren kann. Die Regelung „trägt ins - besondere den Bedürfnissen des Kran kenhausalltags Rechnung“, heißt es zur Begründung.

Apropos Krankenhäuser: Ein Änderungsantrag, mit dem kurz vor der Gesetzesverabschiedung noch vorgegeben werden sollte, dass Krankenhäuser künftig in ihren Qualitätsberichten offenlegen müs- sen, ob und welche Bonusvereinba- rungen sie mit ihren Ärztinnen und Ärzten geschlossen haben, ist zu- nächst vom Tisch. Er wird mögli- cherweise demnächst an ein ande- res Gesetz „angehängt“.

Festgelegt ist im Gesetz zudem, dass ein Arzt die Behandlung vollständig und sorgfältig in einer schriftlichen oder elektronischen Patientenakte dokumentieren muss.

Berichtigungen und Änderungen sind nur zulässig, wenn erkennbar bleibt, wann diese vorgenommen

worden sind. Ein Verstoß wirkt sich in einem späteren Gerichts- verfahren negativ aus: Es wird dann beispielsweise vermutet, dass eine nicht dokumentierte Maßnahme auch tatsächlich nicht durchgeführt wurde. Zum Schutz von elektronischen Dokumenten müssen Behandelnde künftig auch eine manipulationssichere Soft- ware verwenden.

Behandlungsfehler – einer der strittigsten Punkte

Der Patient hat in Zukunft grund- sätzlich das Recht auf unverzügli- che Einsicht in die vollständige Pa- tientenakte, soweit nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonsti- ge Rechte Dritter dagegensprechen.

Verweigert der Arzt die Einsicht- nahme, muss er das begründen.

Außerdem kann der Patient gegen Kostenübernahme eine Abschrift oder Kopie der Akte verlangen.

Dies umfasst auch elektronische Dokumentationen.

Die Regelungen zur Beweislast bei Behandlungs- und Aufklärungs-

Das Patientenrechtegesetz wird die Position der Patienten stärken.

Daniel Bahr, Bundesgesundheitsminister

fehlern lehnen sich an die bis he- rige Rechtsprechung des Bundes - gerichtshofs an. Nach wie vor müs- sen Patienten im Falle eines Haf- tungsprozesses beweisen, dass der Arzt einen Fehler gemacht hat und ein gesundheitlicher Schaden dar - auf zurückzuführen ist. Nur bei gro- ben Behandlungsfehlern kommt es wie bisher zu einer Umkehr der Beweislast: Der Arzt muss dann beweisen, dass der Schaden nicht durch seine Behandlung verursacht wurde. Forderungen vonseiten der Opposition und von Patientenver- bänden nach weitergehenden Be- weiserleichterungen oder einer ge- nerellen Beweislast umkehr wurde nicht entsprochen, um eine „Defen- sivmedizin“ zu vermeiden.

Krankenkassen bekommen Fristen gesetzt

Das Patientenrechtegesetz regelt je- doch nicht nur das Verhältnis von Arzt und Patienten, sondern auch das des Versicherten gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung präziser. So sollen die Kranken- und Pflegekassen ihre Versicherten beispielsweise beim Einfordern von Schadensersatzansprüchen aus Be- handlungsfehlern unterstützen. Über beantragte Leistungen, wie zum Beispiel Rehamaßnahmen oder Hilfsmittel, müssen die Kranken- kassen künftig innerhalb von drei Wochen, bei Einschaltung des Me- dizinischen Dienstes innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang entscheiden. Nach Ablauf der Frist gilt die Leistung als genehmigt, wenn die Kasse dem Versicherten keinen hinreichenden Grund für die Verzögerung nennt. Dann können sich Versicherte die Leistung selbst beschaffen und die Erstattung der Kosten von der Kasse verlangen.

Die Krankenhäuser müssen ein patientenorientiertes Qualitätsma- nagement einrichten, das auch ein Beschwerdemanagement umfasst.

Für die Teilnahme an einrichtungs- übergreifenden Fehlermeldesyste- men sollen sie zudem künftig Ver- gütungszuschläge erhalten.

Heike E. Krüger-Brand, Sabine Rieser

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Weitere Informationen und Einschät- zungen: www.aerzteblatt.de/122445

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In der Debatte vor der Verabschiedung des Pa- tientenrechtegesetzes griff die SPD-Abgeordnete Dr. med. Marlies Volkmer auch den Patientenbe- auftragten der Bundesregierung, Wolfgang Zöller, an: Er ziehe seit Jahren durch die Lande und for- dere einen Härtefallfonds, trotzdem habe die Ko- alition im Gesetz einen Fonds nicht hinbekom- men. In der Tat hatte sich Zöller ursprünglich für einen Fonds eingesetzt. Seine aktuelle Meinung hat er vor kurzem, am 1. Oktober, in einem Inter- view mit der Zeitung „Das Parlament“ dargelegt.

„Ich hätte gerne noch einen Härtefallfonds ge- habt“, erklärte Zöller. „Aber bevor das Gesetz da- ran scheitert, mache ich jetzt lieber erst einmal das Gesetz und versuche die Lösung des Fonds

auf andere Art und Weise zu regeln.“ Als proble- matisch bezeichnete der Patientenbeauftragte die Finanzierung: „Ein Fonds, in den nur die Versicher- ten einzahlen sollen, ist mit mir nicht zu machen.“

Noch nicht vom Tisch ist für den Patientenbeauf- tragten ein Härtefallfonds.

Foto: dapd

ZÖLLER UND DER HÄRTEFALLFONDS

PATIENTENRECHTEGESETZ: REAKTIONEN

Für viele hat es zu wenig Substanz

Nach der Verabschiedung des Patientenrechtegesetzes im Bundestag haben sich vor allem Kritiker der getroffenen Regelungen zu Wort gemeldet - eine Übersicht.

scher Dokumentation keine Sank- tionen drohen.

Die Situation habe sich im Falle eines Behandlungsfehlers oder für Opfer von schädlichen Medizinpro- dukten nicht verbessert, kritisiert die BGAP weiter: Forderungen nach Beweiserleichterung und Be- weislastumkehr sowie nach einem Härtefallfonds wurde nicht entspro- chen. Die BGAP bemängelt zudem, dass das Gutachterwesen und das Schlichtungsverfahren nicht überar- beitet worden sind und die Verjäh- rungsfrist für Ansprüche aus der Arzthaftung nicht verlängert wurde.

Es sei gut, dass die Betroffenen jetzt ein unverzügliches Einsichts-

recht in die Patientenakte hätten, meinte der Geschäftsführende Vor- stand der Patientenschutzorgani- sation Deutsche Hospiz Stiftung, Eugen Brysch. Das werde helfen, manche Verzögerungen der Ärzte aufzufangen. Dennoch hält er ins- besondere die Regelungen zur Be- weislastverteilung für unzurei- chend. Die Deutsche Hospiz Stif- tung hatte eine grundsätzliche Um- kehr der Beweislast gefordert.

Fehlender Härtefallfonds: Ein

„Armutszeugnis“

Dass der Härtefallfonds nicht im Gesetz vorgesehen wurde, ist nach Auffassung von Brysch „ein Ar- mutszeugnis“. Dieser hätte aus Sicht der Stiftung die größten Härten bei unklaren Fällen lindern können, bei überschaubaren Kosten: „Gerade mal 73 Cent pro Versichertem hätten das Gesundheitssystem nicht in eine Finanzierungskrise gestürzt.“

Auch der Deutsche Berufsver- band für Pflegeberufe hat das Ge- setz als „unzureichend und wenig zielführend“ kritisiert. „Das große finanzielle Risiko, das Geschädigte auf sich nehmen müssen, um den in der Regel jahrelangen Klageweg zu beschreiten, bleibt weiterhin eine fast unüberwindliche Hürde“, sagte Verbandsreferentin Johanna Knüp-

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us Sicht von Patientenorgani- sationen bringt das Gesetz keine wesentlichen Verbesserungen für Patienten, da lediglich Regelun- gen aus verschiedenen Rechtsberei- chen und aus der Rechtsprechung resultierende Rechte zusammenge- fasst werden. „Das Beste ist, dass es nun ein Gesetz gibt“, kommentierte Peter Friemelt von der Geschäfts- stelle der Bundesarbeitsgemein- schaft der PatientInnenstellen (BAGP). Zu den Kritikpunkten die- ser Organisation zählt unter ande- rem, dass es kein uneingeschränk- tes Einsichtsrecht in die Kranken- akten gibt und dass bei Verweige- rung der Akteneinsicht oder bei fal-

Foto: Fotolia/

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pel. Ihrer Auffassung nach wäre an- gesichts der zunehmenden Risiken für Patienten durch Arbeitsverdich- tung, Zeitdruck, kurze Verweildau- ern und ökonomischen Druck in den Kliniken die rechtliche Stär- kung von Geschädigten besonders nötig gewesen.

AOK Bayern: Mehr Schutz bei Medizinprodukten nötig

Die AOK Bayern begrüßte hinge- gen die Stärkung der Patientenrech- te durch das Gesetz, sieht jedoch auch Nachbesserungsbedarf. So ist es aus Sicht der Krankenkasse ein Fortschritt, dass Versicherte künftig schriftlich über die Kosten Indivi- dueller Gesundheitsleistungen (IGeL) informiert werden sollen.

Der Schutz von Patienten vor rein wirtschaftlichen Interessen Dritter könnte jedoch noch verbessert wer- den, indem „neben den Kosten der Individuellen Gesundheitsleistun- gen auch über den in der Regel feh- lenden medizinischen Nutzennach- weis aufgeklärt werden muss“, so der AOK-Vorstandsvorsitzende Dr.

Helmut Platzer in einer Presseerklä- rung.

Vor dem Hintergrund der Skan- dale um fehlerhafte Brustimplanta- te und Hüftgelenksprothesen for- dert die Kasse zudem einen deutlich verbesserten Patientenschutz bei hochrisikoreichen Medizinproduk- ten. Hier reichten die gesetzlichen Vorgaben nicht aus, um Patienten wirksam zu schützen, meinte Plat- zer. Mit unangemeldeten Kontrol- len sollten vorgegebene Qualitäts- standards überprüft werden. Zudem wäre ein verpflichtendes Register über das Produkt nötig, um bei auf- tretenden Qualitätsmängeln Betrof- fene schnell zu identifizieren und dadurch Risiken zu vermeiden.

Die Ärztekammer Schleswig- Holstein bewertet das Gesetz grundsätzlich positiv. „Das Gesetz gibt Patienten und Ärzten mehr Rechtssicherheit“, befand Kammer- präsident Dr. med. Franz-Joseph Bartmann. Damit sei ein Ausgleich zwischen berechtigten Ansprüchen der Patienten und einer kontrapro- duktiven Überreglementierung ge- lungen. Das gelte auch für das The- ma Behandlungsfehler, ergänzte Bartmann: „Die ärztlichen Pflich- ten zur Information und Aufklärung

ihrer Patienten sowie zur Doku- mentation des Behandlungsablaufs sind jetzt klar beschrieben. Auch die Rechte des Patienten bei vermu- teten Behandlungsfehlern sind ge- nauer definiert.“ Der schleswig- holsteinische Kammerpräsident be- grüßte auch, dass das Patienten- rechtegesetz Kliniken belohne, wenn sie in Systeme zur Fehlerver- meidung investierten.

Kritik aus Brandenburg am fehlenden Patientenbrief

Die brandenburgische Gesundheits- ministerin Anita Tack (Die Linke) bemängelte dagegen, im Gesetz fehle die Verpflichtung, einen ver- bindlichen und verständlichen Pa- tientenbrief schreiben zu müssen, der die Patienten über wichtige As- pekte der Diagnose und Behand- lung aufkläre. „Bis heute haben Pa- tientinnen und Patienten beispiels- weise keine lückenlose Dokumen- tation darüber, wie oft und warum sie geröntgt wurden oder welche Krankheiten über die Jahre dia - gnostiziert und behandelt wurden“, sagte Tack.

Ihre Parteikollegin, die Bundes- tagsabgeordnete Kathrin Vogler, vermisst mehr Unterstützung für benachteiligte Gruppen: „Unsere Forderung nach einem Dolmet- scherpool wurde missachtet“, sagte sie. Das gelte auch für die Unter- stützung für Blinde, Taube und Menschen mit Behinderung.“

Union: Alle Beteiligten sollen aus Fehlern lernen

Vonseiten der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag erklärten sowohl der gesundheitspolitische Sprecher Jens Spahn wie der zuständige Be- richterstatter Erwin Rüddel in ei- nem gemeinsamen Statement, das Gesetz sei keine Einbahnstraße im Hinblick auf die wichtige und not- wendige Stärkung der Information und Transparenz für Patienten. „Es hat zum Ziel, auch dort, wo im Rah- men einer immer komplexeren und schnelleren Medizin Fehler passie- ren, diese nicht unter den Teppich zu kehren. Alle Beteiligten sollen die Möglichkeit erhalten, hieraus zu

lernen.“

Heike E. Krüger-Brand, Sabine Rieser Kritische Stimmen aus Rechtspre-

chung und Medizinrecht wurden beim 4. Kölner Medizinrechtstag am 30.

November zum gerade verabschiede- ten Patientenrechtegesetz laut:

„Es führt in keinem Regelungs- punkt zu einer substanziellen Verbes- serung der bisherigen Rechtslage“, monierte Dr. Peter Thurn, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Köln.

Neuerungen wie die Textform bei wirt- schaftlicher Aufklärung oder die Pflicht, Veränderungen der ärztlichen Dokumentation kenntlich zu machen, seien begrüßenswert, aber in ihrer Wirkung begrenzt. Die Behauptung, die Rechte der Patienten würden ge- stärkt, werde sich als Etikettenschwin- del erweisen. Kein den Gerichten zur Entscheidung vorliegender Fall werde künftig anders oder besser entschie- den als zuvor.

„Die Festschreibung von Patien- tenrechten führt zu keiner größeren

Transparenz, zu keiner größeren Rechtssicherheit, und sie bringt Pa- tienten nicht ,auf Augenhöhe` mit der Behandlungsseite“, meinte Prof. Dr.

Christian Katzenmeier, Institut für Me- dizinrecht der Universität zu Köln. Von- seiten der Ärzte müsse die flächende- ckende Haftpflichtversicherung mit ausreichendem Deckungsschutz zu tragbaren Konditionen sichergestellt werden, ebenso eine zügige Scha- densregulierung.

Das Patientenrechtegesetz wer- de in dieser Form vermutlich einen Entwicklungsstillstand sowohl im Be- reich individueller wie auch kollektiver Patientenrechte bewirken, urteilte Prof. Dr. Dieter Hart, Institut für Ge- sundheits- und Medizinrecht der Uni- versität Bremen. Das Gesetz sei ein

„Status-quo-Gesetz ohne Impetus. Der Gesetzgeber vergibt seine Gestal- tungskompetenz im Medizin- und Ge- sundheitsrecht“.

DAS URTEIL VON JURISTEN

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PATIENTENRECHTEGESETZ

Die wichtigsten Regelungen im Überblick

Das Gesetz soll mehr Autonomie, Transparenz und Rechtssicherheit für Patienten bringen.

M

it dem geplanten „Gesetz zur Verbesserung der Rech- te von Patientinnen und Patienten“

verfolgt die Bundesregierung zwei Ziele: Einerseits sollen der medizi- nische Behandlungsvertrag und das Arzthaftungsrecht, die nur als Rich- terrecht und teilweise lückenhaft in vielen Gesetzen verstreut vorliegen, einheitlich im Bürgerlichen Gesetz- buch (BGB) kodifiziert werden.

Andererseits sollen die Fehlerver- meidungskultur in Krankenhäusern gefördert und die Verfahrensrechte der Patienten bei Behandlungsfeh- lern sowie die Beteiligungsrechte durch neue Regelungen im Sozial- gesetzbuch V gestärkt werden.

Inhaltliche Schwerpunkte im BGB

Die acht neuen Paragrafen im BGB umfassen die Behandlung nach fachlichem Standard, Informati- ons-, Aufklärungs- und Dokumen- tationspflichten für Ärzte, die Pa- tienteneinwilligung, Einsichtnahme in die Patientenakte und die Rege- lungen zur Beweislast bei Behand- lungsfehlern.

Informationspflicht: Die Ärzte sind verpflichtet, den Patienten um- fassend und verständlich über sämt- liche wesentlichen Umstände der Behandlung, etwa über erforderli- che Untersuchungen, Diagnosen und beabsichtigte Therapien, zu in- formieren. Ausnahmen von der In- formationspflicht sind etwa Notfäl- le oder der ausdrückliche Verzicht des Patienten.

Die „therapeutische Aufklärung“

umfasst ausdrücklich auch die Ver- pflichtung des Behandelnden, den Patienten auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Ver- fahren über Umstände, die auf einen Behandlungsfehler hindeuten, zu in-

formieren. Ist mit dieser Informati- on eine Selbstbelastung des Behan- delnden verbunden, darf dies in ei- nem späteren gerichtlichen Verfah- ren nicht gegen ihn verwendet wer- den (Beweisverwertungsverbot).

Darüber hinaus muss der Arzt auch über die voraussichtlichen Kosten einer Behandlung informie- ren (wirtschaftliche Aufklärungs- pflicht), wenn er weiß, dass diese nicht vollständig von den gesetzli- chen Krankenkassen oder der priva- ten Krankenversicherung übernom- men werden. Dies betrifft etwa die individuellen Gesundheitsleistun- gen (IGeL).

Einwilligung und Aufklärungs- pflicht: Vor jedem Eingriff, der ei- ne Einwilligung erfordert, müssen Patienten rechtzeitig in einem mündlichen Gespräch umfassend und verständlich über die konkrete Maßnahme und mögliche Risiken aufgeklärt sowie auf gegebenenfalls mögliche Alternativen zur Maßnah- me hingewiesen werden. Minder- jährige sowie einwilligungsunfähi- ge volljährige Patienten sollen stär- ker in das Behandlungsgeschehen einbezogen werden und entspre- chend ihres Entwicklungsstandes und ihrer Verständnismöglichkeiten aufgeklärt werden.

Dokumentation: Der Arzt muss die Behandlung vollständig und sorgfältig in einer schriftlichen pa- pierbasierten oder elektronischen Patientenakte dokumentieren. Be- richtigungen und Änderungen der Akte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkenn- bar bleibt, wann diese vorgenom- men worden sind (Revisionssicher- heit). Wird gegen diese Pflichten verstoßen, wirkt sich dies in einem späteren Gerichtsverfahren aus: Es wird beispielsweise vermutet, dass

eine nicht dokumentierte Maßnah- me auch tatsächlich nicht durchge- führt wurde.

Einsichtnahme: Der Patient hat – als Umsetzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung – grundsätzlich das Recht auf un- verzügliche Einsicht in die vollstän- dige Patientenakte, soweit nicht er- hebliche therapeutische Gründe oder sonstige Rechte Dritter dage- gensprechen. Verweigert der Arzt die Einsichtnahme, muss er das be- gründen. Außerdem kann der Pa- tient gegen Kostenübernahme eine Abschrift oder Kopie der Akte ver- langen. Dies umfasst auch elektro- nische Dokumentationen.

Behandlungsfehler: Die Rege- lungen zur Beweislast bei Behand- lungs- und Aufklärungsfehlern leh- nen sich an die bisherige Rechtspre- chung des Bundesgerichtshofes an.

Nach wie vor müssen Patienten im Falle eines Haftungsprozesses be- weisen, dass der Arzt einen Fehler gemacht hat und dass ein gesund- heitlicher Schaden darauf zurück- zuführen ist. Nur bei groben Be- handlungsfehlern kommt es zu ei- ner Umkehr der Beweislast: Der Arzt muss dann beweisen, dass der Schaden beim Patienten nicht durch seine Behandlung verursacht wur- de. Beweiserleichterungen ergeben sich für den Patienten unter ande- rem auch aus einer unzureichenden Dokumentation, einem erkennbaren Verstoß gegen gesetzliche Richtli- nien und einer mangelhaften Quali- fikation des Behandelnden.

Änderungen im Sozialgesetzbuch V

Patientenorientiertes Qualitäts- management: Krankenhäuser wer- den dazu verpflichtet, ein patienten- orientiertes Qualitätsmanagement

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7. Dezember 2012 A 2 einzurichten, das auch ein Be-

schwerdemanagement umfasst.

Dar über hinaus soll der Gemeinsa- me Bundesausschuss Mindeststan- dards von Risiko- und Fehlermelde- systemen festlegen, um die Verbrei- tung solcher Systeme zu unterstüt- zen. Für die Teilnahme an einrich- tungsübergreifenden Fehlermelde- systemen sollen Krankenhäuser künftig Vergütungszuschläge erhal- ten.

Schadensersatz: Die gesetzli- chen Kranken- und Pflegekassen sind gehalten, ihre Versicherten beim Einfordern von Schadenser- satzansprüchen aus Behandlungs- fehlern zu unterstützen.

Bewilligungen: Die gesetzlichen Krankenkassen müssen beantragte Leistungen, wie etwa Rehamaßnah- men oder Hilfsmittel, innerhalb von drei Wochen, bei Einschaltung des Medizinischen Dienstes innerhalb von fünf Wochen nach Antragsein- gang entscheiden. Nach Ablauf der Frist gilt die Leistung als geneh- migt, wenn die Kasse dem Versi- cherten keinen hinreichenden Grund für die Verzögerung nennt.

Dann können sich Versicherte die erforderliche Leistung selbst be- schaffen und die Erstattung der Kosten von der Kasse verlangen.

Patientenbeteiligung: Patien- tenverbände können unter anderem zu den Bedarfsplänen zur Sicher- stellung der vertragsärztlichen Ver- sorgung Stellung nehmen und in den Landesgremien zu sektoren- übergreifenden Versorgungsfragen mit beraten. Darüber hinaus können sie im Gemeinsamen Bundesaus- schuss eigene Themen zur Beratung

einbringen.

Heike E. Krüger-Brand

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