DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT
KURZBERICH Diagnostik in der
Herzinfarkt-Rehabilitation
Wolfgang F. Koenig und Laszlo Toth
) 110 — , ie Notwendigkeit der Diagnostik in Rehabili- tationskliniken für Herz- infarktkranke wird in letzter Zeit auch im gesundheitspoli- tischen Raum kontrovers diskutiert.
Allzu verständlich ist die Frage nach Erfordernis und Kosten und auch danach, ob Mehrfach- oder gar sinn- lose Überdiagnostik geschieht.
Schließlich mischt sich in unsere Thematik auch noch Rivalitätsge- plänkel verschiedener medizinischer Versorgungszweige. Mit Hilfe eines Mikrozensus von 100 konsekutiv zur Anschlußheilbehandlung aufgenom- menen Patienten, 79 Männer und 21 Frauen im Alter bis zu 65 Jahren, in einer 265-Betten-Rehabilitationskli- nik sollen Zahlen zur Versachli- chung geboten werden (Tabelle).
Vorab müßte die dem Arzt selbstverständliche Tatsache, daß der Infarktkranke nicht nur einem akut lebensbedrohlichen Ereignis ausgesetzt ist, sondern zu einem chronisch Herzkranken wird, auch den Entscheidungsgremien und Ge- sundheitspolitikern bewußt werden.
Diesem trägt unser optimales Ver- sorgungssystem in der Reihe Akut- krankenhaus, Rehabilitationsklinik, ambulante ärztliche Versorgung ein- schließlich ambulanter Koronar- gruppen wie in nur wenigen Ländern Rechnung. Eine zentrale Bedeutung nach Überwindung der vitalen Be- drohung hat die Rehabilitationskli- nik. Sie verdankt ihre Aufgabenstel- lung vor allem seit 1974 dem Gesetz über die Angleichung der Leistun- gen zur Rehabilitation, nach dem Behinderte auf die Dauer in Arbeit, Beruf und Gesellschaft eingegliedert werden sollen.
Die Rehabilitationsklinik bietet dem chronisch Herzkranken alltags- nahe Bedingungen, unter denen Grenzen der körperlichen Belastung und psychische Beeinträchtigungen
diagnostiziert werden, um dann zu lernen, mit seinem chronischen Lei- den und den daraus resultierenden Behinderungen zu leben. Diagnostik betrifft auch die kardiovaskulären Risikofaktoren, und aus ihr wird se- kundär präventive Hilfe eingeübt.
Die Beinahe-Alltagssituation provo- ziert bei vielen Patienten Angina pectoris, stumme Ischämie, Herz- rhythmusstörungen oder gar Herzin- suffizienz.
So ist es zwingend, daß auf der Grundlage breitester Diagnostik in der Rehabilitationsklinik Weichen- stellungen erfolgen im Hinblick auf medikamentöse Langzeittherapie, dosierte Bewegungstherapie, Koro- narrevaskularisation oder Aneurys- mektomie , Diätetik, Psychotherapie und berufliche Veränderung. Dieser Komplex kommt nur dann optimal zur Wirkung, wenn die Rehabilita- tionsphasen frühzeitig und nahtlos einsetzen.
Weniger Klinikzeit
Knüpft man an diese Forderung an, so erstaunt bei unserer Untersu- chung, daß die Verweildauer unse- rer Infarktkranken im Akutkran- kenhaus 9 bis 48 Tage und durch- schnittlich 29 Tage betrug. Es ist kaum noch einsehbar, weshalb die Durchschnittsverweildauer nicht bei höchstens zwei Wochen oder gar darunter liegen könnte. Die unnötig lange Verweildauer steht der Förde- rung möglichst frühzeitiger Rehabi- litation geradezu in Form einer De- konditionierung entgegen. Die kür- zeste mittlere Verweildauer von im Durchschnitt 26 Tagen war in Kran- kenhäusern der Zentralversorgung, während in Krankenhäusern der Grundversorgung die Verweildauer bei 30 Tagen lag, und dazwischen sind die Regel- und Schwerpunkt- krankenhäuser einzuordnen.
Diagnostische
Minimalforderungen
Wie sieht derzeit die Diagnostik bei Entlassung aus dem Akutkran- kenhaus aus, wobei als Minimalfor- derung das Belastungs-EKG und ein 24-Stunden-Langzeit-EKG bestehen sollte? Nur genau die Hälfte der auf- genommenen Infarktpatienten hatte vorher ein Belastungs-EKG erhalten und 53 von 100 Patienten ein Lang- zeit-EKG. Belastungsinduzierte ST- Streckensenkungen und Auslösung einer Angina pectoris haben in je- dem Fall Konsequenzen und führen zu weiterer stufenweiser Diagnostik.
Das Langzeit-EKG ist für den Nach- weis von komplexen Rhythmusstö- rungen und stummer Ischämie eben- so zwingend erforderlich.
Offensichtlich großzügiger, wenn auch unserer Auffassung nach ebensowenig ausreichend wurde vorher die Indikation zur Echokar- diographie gestellt. Sie dient dazu, infarktbedingte Einschränkungen der regionalen und auch globalen Pumpfunktion des Herzens mit Maß und Zahl zu versehen, was für die funktionelle Verlaufsbeobachtung wichtig ist. Die Rechtsherz-Ein- schwemmkatheteruntersuchung in Ruhe und unter Belastung war nur bei sieben Patienten und damit sel- ten vorgenommen worden, obwohl pathologische Druck- und Herzzeit- volumen-Reaktionen wichtige Grö- ßen zur Abschätzung funktioneller Myokardschädigung aufschlußreich sein können.
Noch seltener und nur in sechs Fällen war eine Thallium-Szintigra- phie vorausgegangen, hierbei wird es sich nur um eine ergänzende Un- tersuchung handeln, beispielsweise bei unklarem Belastungs-EKG- oder Einschwemmkatheterbefund. Die Koronarangiographie ist mit 23 Pa- tienten ebenfalls nicht ausreichend häufig durchgeführt worden. Eine Reihe Patienten mit Postinfarktangi- na oder nach nichttransmuralem Myokardinfarkt mit erheblichen, neben der Infarktnarbe bestehen- den Belastungsischämiezeichen im EKG, und nicht zuletzt ein großer Teil von Patienten nach system- ischer Lyse bedürfen der koronaran- Dt. Ärztebl. 85, Heft 27, 7. Juli 1988 (57) A-2009
Tabelle: Diagnostische Maßnahmen im Akutksankenhaus bei 100 In- farktkranken vor Aufnahme in eine Rehabilitationsklinik
Belastungs- EKG Langzeit- EKG Echo
Einschwemm- katheterun- tersuchung Thallium Coro n = 100
53 10 14 25 4
58 10 12 27 9
3 2
4 2
3 9 7
7 2
6
23 4
Anzahl Krankenhausgröße in Bettenzahl
< 250 251-350 351-650 651 <
(n = 18) (n = 21) (n = 37) (n = 24)
50 7 12 17 14
giographischen Abklärung, um eventuell mit Ballondilatation oder Bypass-Operation weiterbehandelt zu werden.
Wenn behauptet wird, die letzt- genannte Untersuchungsmethode gehöre nicht in den Rehabilitations- bereich, so muß dem entgegengehal- ten werden, daß, wie erwähnt, die erforderliche Basisdiagnostik bei et- wa der Hälfte aller aus Akutkran- kenhäusern kommenden Infarktpa- tienten in der Rehabilitationsklinik durchgeführt werden muß, und hier- aus ergibt sich häufig die Indikation zur Koronarangiographie. Auch muß es von Nachteil sein, wenn die- se Untersuchung nicht sofort bei In- dikationsstellung geschieht.
Daß in der Bundesrepublik kei- ne ausreichende, flächendeckende Versorgung mit Linksherzkatheter- laboratorien besteht, mußte kürzlich die Kommission Klinische Kardiolo- gie der Deutschen Gesellschaft für Herz- und Kreislaufforschung fest- stellen. Eine hinreichende Versor- gung ist danach nur in den Stadtstaa- ten Berlin, Bremen, Hamburg, im Saarland und in den Regierungsbe- zirken Detmold, Gießen, Unterfran- ken und Oberbayern gewährleistet.
Bedeutende Rehabilitationskliniken haben schon lange eine Vorreiter-
stellung bei der Herzdiagnostik ein- genommen, auch auf dem Gebiet der invasiven Herzdiagnostik.
Es kann hier nicht die Stelle sein, auf die umfassenden Aufgaben einer kardiologischen Rehabilita- tionsklinik einzugehen. Der chro- nisch Herzkranke, und ein solcher ist der Infarktkranke, bedarf eines speziellen diagnostischen und thera- peutischen Konzepts, das in unse- rem Lande verwirklicht ist und in der umfassenden Weise auch nicht in den Akutkrankenhausbereich verlagert werden kann ohne erheb- lichen Mehraufwand, und schon si- cher nicht flächendeckend. Es gibt Anzeichen dafür, daß ein Grund- prinzip, Diagnose vor Therapie, bei der Versorgung chronisch Herzkran- ker im Rahmen gesetzlicher Vorha- ben zerstört wird. Die vorgelegten Daten beweisen hingegen die Not- wendigkeit umfassender Diagnostik in kardiologischen Rehabilitations- kliniken
Literatur über die Verfasser:
Dr. med. Wolfgang F. Koenig Dr. med. Laszlo Toth
Klinik Wetterau der BfA Zanderstraße 30-32 6350 Bad Nauheim
FÜR SIE REFERIERT
Intraoperative Sonographie von Lebermetastasen
Die intraoperative Sonographie gewinnt in der Abdominalchirurgie zunehmend an Bedeutung, läßt sich doch zeigen, daß sie allen anderen bildgebenden Verfahren hinsichtlich ihrer Aussagekraft, insbesondere bei der Erfassung von Lebermeta- stasen, überlegen ist.
Bei 84 Patienten mit kolorekta- lem Karzinom wurde die intraopera- tive Sonographie routinemäßig ein- gesetzt. In 10 Fällen (11,9 Prozent) konnten dadurch 14 bislang nicht be- kannte Lebermetastasen identifi- ziert werden, die alle nicht palpabel waren und deren Durchmesser unter 2 cm lag. Die Sensitivität der intra- operativen Sonographie geben die Autoren mit 97,8 Prozent an, wäh- rend der präoperative Ultraschall ei- ne Sensitivität von 41,3 Prozent, das CT von 47,8 Prozent und die chirur- gische Exploration von 58,7 Prozent aufwies. Die Spezifität aller Verfah- ren lag bei rund 90 Prozent.
Da Lebermetastasen beim kolo- rektalen Karzinom häufig operativ angegangen werden können, sollte die intraoperative Sonographie mög- lichst breit eingesetzt werden. W
Machi, J., H. Isomoto, Y. Yamashita, T.
Kurohiji, K. Shirouzu, T. Kakegawa: In- traoperative ultrasonography in the scree- ning for liver metastases from colorectal cancer: Comparative accuracy with tradi- tional procedures. Surgery 101: 678-684, 1987
First Department of Surgery, Kurume University School of Medicine, 67 Asahi- machi, Kurume, Fukuoka 830, Japan
A-2012 (60) Dt. Ärztebl. 85, Heft 27, 7. Juli 1988