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Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 26, 30. Juni 2000
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lle Journalisten sollten sich geschmeichelt fühlen. Die Deutsche Forschungsge- meinschaft (DFG) hat zur Überprü- fung von Projekten im Schwer- punktprogramm „Embryonale und gewebespezifische Stammzellen“einen Arbeitskreis für ethische Fra- gen eingerichtet, dem neben Ethi- kern und Juristen auch Journalisten angehören, „um für Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit Sorge zu tragen“. Dies scheint eine weise und vorausschauende Entschei- dung gewesen zu sein, denn es be- darf schon erheblichen kommuni- kativen Geschicks, den in einem DFG-Projekt vorgesehenen Import embryonaler Stammzellen mit den Vorschriften des deutschen Em- bryonenschutzgesetzes in Überein- stimmung zu bringen.
Der CDU-Abgeordnete Hu- bert Hüppe hat kürzlich darauf auf- merksam gemacht, dass im Rah- men des DFG-Programms geplant
sei, an humanen embryonalen Zell- linien, die in den USA nach dort geltendem Recht hergestellt wur- den, zu forschen. Paragraph 2 des deutschen Embryonenschutzgeset- zes lautet: „Wer einen . . . mensch- lichen Embryo veräußert oder zu einem nicht seiner Erhaltung dien- enden Zweck abgibt, erwirbt oder verwendet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geld- strafe bestraft.“ Damit sollte ei- gentlich alles klar sein. Zwar ließe sich darüber debattieren, ob das seit 1990 in Deutschland geltende Ge- setz noch zeitgemäß ist oder ob nicht die rasante Entwicklung bei der Forschung an Stammzellen und deren therapeutischer Nutzen eine Modifizierung des Embryonen-
schutzgesetzes unerlässlich macht.
Spitzfindig ist es allerdings, wenn die DFG behauptet, der Import em- bryonaler Zelllinien aus den USA sei „nach geltendem deutschem Recht erlaubt“. Genauso wenig kann die vom Staatssekretär im Bundesforschungsministerium, Wolf-Michael Catenhusen, getrof- fene Unterscheidung zwischen dem verbotenen Import totipotenter und dem zulässigen Import pluripoten- ter Stammzellen darüber hinweg- täuschen, dass das geplante Projekt dem Geist des geltenden Gesetzes widerspricht. All zu schnell wird sich die Öffentlichkeit in dem Vor- urteil bestätigt sehen, dass die For- schung ohnehin alles macht, was möglich ist. Thomas Gerst
Forschung mit embryonalen Stammzellen
Spitzfindig
D
ie medizinischen Fakultä- ten bemühen sich um eine klare Position zur Reform des Medizinstudiums, zur Überar- beitung der Kapazitätsverordnun- gen auf Länderebene sowie zur Neugestaltung des Dienst- und Be- soldungsrecht der Hochschullehrer.Der Ordentliche (61.) Medizi- nische Fakultätentag, der am ver- gangenen Wochenende in Erlangen stattfand, umriss die Probleme. Nach einer zunächst zögerlichen Haltung zu dem Entwurf der Bundesregie- rung für eine Revision der Appro- bationsordnung für Ärzte, hatte der Fakultätentag im Februar 2000 Zu- stimmung signalisiert und rasche Verabschiedung noch in dieser Le- gislaturperiode angemahnt. Ende der vergangenen Legislaturperiode ist der verabschiedungsreife Ent- wurf auf Widerspruch der Wissen- schaftsminister der Länder im Bun- desrat zunächst gescheitert. Inzwi- schen hat Bundesgesundheitsmini- sterin Andrea Fischer einen erneu- ten Versuch unternommen, mit den Wissenschaftsressorts der Länder
einen Kompromiss zu finden. Der Fakultätentag hat sich energisch ge- gen eine solche kurzsichtige Ge- sundheits- und Bildungspolitik ge- wandt. Kritisiert wurde, dass die ärztliche Ausbildung schon lange nicht mehr „bedarfsgerecht“ sei.
Jahr für Jahr steigt die Zahl der ap- probierten Ärzte um rund 5 000.
Mehr als 11 500 Medizinstudenten sind in den Hochschulen einge- schrieben. Zur Bedarfsdeckung würden jedoch 7 000 bis 8 000 aus- reichen. Die Bundesregierung be- absichtigt, die Studienbeginner im Fach Medizin um rund 20 Prozent zu reduzieren und die Hochschulka- pazitäten daraufhin auszurichten:
Die Finanzminister der Länder soll- ten nach Auffassung des Fakultä- tentages jedoch daran keine kurz- sichtige Sparaktion knüpfen: weni- ger Studenten, dann auch weniger
Geld. Infolge der Überproduktion von Medizinern würden den Län- derhaushalten jährlich mindestens 75 Millionen DM entzogen.
Ähnliche Brisanz beinhaltet der Vorstoß, das Personalrecht und das Vergütungssystem in der Hoch- schulmedizin zu revidieren. Der Fa- kultätentag mahnt: Die Fakultäten werden gespalten, wenn die Neure- gelung Universitätsprofessoren mit ärztlichen und nicht-ärztlichen Auf- gaben dienst- und liquidationsrecht- lich ungleich behandelt wissen möchte. Dessen ungeachtet wird ei- ne leistungsorientierte Besoldung grundsätzlich unterstützt. Aller- dings dürfe sich dies nicht auf die Hochschulprofessoren beschrän- ken, sondern müsse auch für die öf- fentliche Verwaltung und selbstver- ständlich auch für die Politiker gel-
ten. Dr. Harald Clade