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Vergleich verschiedener Aufschlussverfahren zur Herstellung von Gelatine aus Knochen im Hinblick auf Rückstände von Tetracyclinen

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Academic year: 2022

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(1)

der Tierärztlichen Hochschule Hannover

_______________________________________________

Vergleich verschiedener Aufschlussverfahren zur Herstellung von Gelatine aus Knochen im Hinblick auf Rückstände von Tetracyclinen

INAUGURAL-DISSERTATION zur Erlangung des Grades einer

Doktorin der Veterinärmedizin (Dr. med. vet.)

durch die Tierärztliche Hochschule Hannover

Vorgelegt von Elke Weidenberg

aus Detmold

Hannover 2002

(2)

1. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. S. Wenzel 2. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. M. Kietzmann

Tag der mündlichen Prüfung: 06. Juni 2002

(3)

in Erinnerung an meinen Vater

(4)
(5)

1 Einleitung ...11

2 Literatur ...13

2.1 Tetracycline ... 13

2.1.1 Chemie .. ... 13

2.1.2 Wirkungsmechanismus und Wirkungsspektrum ... 14

2.1.3 Pharmakokinetik ... 15

2.1.4 Einlagerung in Knochen und Fluoreszenz der Tetracycline ... 16

2.1.5 Metaboliten ... 17

2.1.6 Mechanismen der Resistenzentwicklung und Resistenzsituation... 19

2.1.7 Anwendung in Veterinär- und Humanmedizin... 21

2.1.8 Rückstände von Tetracyclinen in Lebensmitteln... 21

2.1.9 Nachweisverfahren für Tetracycline... 26

2.2 Gelatine ... 28

2.2.1 Zusammensetzung und Struktur... 28

2.2.2 Eigenschaften und Verwendung ... 28

2.2.3 Rohstoffe... 30

2.2.4 Herstellungsverfahren ... 30

2.2.5 BSE - Problematik ... 36

2.2.6 Rechtliche Anforderungen an Speisegelatine ... 39

2.2.7 Laboruntersuchungen... 40

2.3 Folgerungen aus der Literatur und daraus resultierende Zielsetzung für die eigenen Untersuchungen ... 43

(6)

3.1 Herstellung von Gelatine aus Knochen... 45

3.1.1 Gewinnung des Probenmaterials... 45

3.1.2 Herstellungsverfahren ... 45

3.1.3 Sensorische Untersuchung der Gelatine ... 49

3.2 Eigenkontrollproben... 49

3.3 Handelsproben... 50

3.4 Entwicklung einer Methode zur Extraktion von Tetracyclinen aus Gelatine ... 51

3.4.1 Vorversuche ... 51

3.4.2 Angewendete Methode ... 54

3.5 Aufarbeitung der Proben für die High-Performance Liquid Chromatography (HPLC) ... 54

3.5.1 Knochen und Ossein ... 54

3.5.2 Gelatine .. ... 54

3.5.3 Eigenkontrollproben und Handelsproben ... 55

3.6 HPLC-Untersuchung ... 56

3.7 Chemische Untersuchungen... 57

3.7.1 Asche-Bestimmung... 58

3.7.2 Trockensubstanz-Bestimmung... 58

3.7.3 Fettgehaltsbestimmung ... 58

3.7.4 Rohprotein-Bestimmung... 59

3.7.5 Bindegewebseiweiß-Bestimmung... 59

3.7.6 Calcium-Bestimmung ... 59

3.8 Statistische Auswertung der Ergebnisse... 60

(7)

4.1 Ergebnisse der UV-Untersuchung... 62

4.2 Nachweisgrenzen... 63

4.3 Wiederfindungsraten der Methoden zur Extraktion von Tetracyclinen aus Knochen bzw. Ossein und aus Gelatine ... 64

4.3.1 Auswahl einer geeigneten Methode zur Extraktion von Tetracyclinen aus Gelatine .. ... 64

4.3.2 Mittlere Wiederfindungsraten der angewendeten Methoden... 65

4.3.3 Vergleich der Methoden zur Extraktion von Tetracyclinen aus Knochen bzw. Ossein und aus Gelatine ... 65

4.4 Korrekturfaktor zur Berücksichtigung der Gewichtsveränderungen während des Herstellungsprozesses ... 67

4.5 Ergebnisse der Tetracyclin-Bestimmungen während des Gelatine- Herstellungsprozesses ... 67

4.5.1 Alkalischer Aufschluss ... 68

4.5.2 Saurer Aufschluss ... 76

4.5.3 Saurer Aufschluss mit Variation der Dauer ... 80

4.5.4 Saurer Aufschluss mit Variation der Salzsäurekonzentration... 84

4.5.5 Handwerkliche Methode ... 89

4.5.6 Vergleich der Methoden bezüglich der Gesamtveränderung der Tetracyclin-Gehalte... 92

4.6 Ergebnisse der statistischen Auswertung ... 94

4.6.1 Vergleich der Gelatine-Herstellungsverfahren ... 94

4.7 Ergebnisse der chemischen Untersuchung ... 102

4.7.1 Alkalisches Aufschlussverfahren... 102

4.7.2 Saures Aufschlussverfahren... 102

(8)

5 Diskussion...104

5.1 Diskussion der Methodik... 104

5.1.1 Herstellung der Gelatine aus Knochen... 104

5.1.2 Aufarbeitung der Proben für die HPLC-Untersuchung ... 107

5.1.3 HPLC-Untersuchung... 108

5.2 Diskussion der Ergebnisse... 109

5.2.1 Ergebnisse der UV- Untersuchung ... 109

5.2.2 Ergebnisse der Untersuchung der Proben aus dem Gelatine- Herstellungsprozess ... 110

5.2.3 Ergebnisse der Untersuchung der Handelsproben ... 119

5.3 Schlussfolgerungen... 120

6 Zusammenfassung ...124

7 Summary ...127

8 Literaturverzeichnis...130

9 Anhang...142

(9)

ADI acceptable daily intake A-E-TC Anhydro-epi-Tetracyclin Aqua dest. destilliertes Wasser A-TC Anhydro-Tetracyclin BGA Bundesgesundheitsamt

BgVV Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinämedizin BSE Bovine Spongiforme Encephalopathie

bzw. beziehungsweise

cm Zentimeter

CTC Chlortetracyclin DAB Deutsches Arzneibuch d.h. das heißt

E. coli Escherichia coli E-CTC Epi-Chlortetracyclin EDTA Ethylendiamintetraacetat

ELISA Enzyme-linked immunosorbent assay

EMEA European Agency for the Evaluation of Medicinal Products et al. et alii

E-TC Epi-Tetracyclin

EU Europäische Union

EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft FAO Food and Agriculture Organization

g Gramm

GME Gelatine Manufacturers of Europe

h Stunden

HCl Salzsäure

HFA human flora-associated

HPLC High-Performance Liquid Chromatography i.d.R. in der Regel

JECFA Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives

kg Kilogramm

KG Körpergewicht

l Liter

LMBG Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz

LD Letale Dosis

(10)

min Minuten

ml Milliliter

mm Millimeter

mPas Millipascal

MHK minimale Hemmkonzentration MRL maximum residue limit

MS Microsoft

µS Mikrosiemens

n Probenanzahl

NADP Nicotinsäureamid-Adenin-Dinucleotid-Phosphat

NaOH Natronlauge

nm Nanometer

NOEL No-observed-effect-level OTC Oxytetracyclin

Past. Pasteurella

pH negativer dekadischer Logarithmus der Wasserstoffionenkonzentration ppm parts per million

Pztl. Perzentil

R Rest

s. siehe

S. Seite

SAS Statistical Analysis System

sec Sekunden

Staph. Staphylococcus s.u. siehe unten

t Tonnen

Tab. Tabelle

TC Tetracyclin

t-RNA Transfer-Ribonukleinsäure

TS Trockensubstanz

U Umdrehungen

USP United States Pharmakopoe usw. und so weiter

UV ultraviolett vgl. vergleiche

VO Verordnung

vol. Volumen

WHO World Health Organization

(11)

1 Einleitung

Gelatine ist weltweit die am zweithäufigsten verwendete Lebensmittelzutat. Die globale Produktionskapazität beträgt ca. 235.000 bis 250.000 Tonnen, nur übertroffen von Stärke mit einer Produktionskapazität von ca. 1.000.000 Tonnen. Die Lebensmittelindustrie verarbeitet ungefähr 60 % dieser Menge, die restlichen 40 % werden zum größten Teil von der pharmazeutischen sowie fotografischen Industrie verwendet. Aufgrund der hervorragenden lebensmitteltechnologischen Eigenschaften der Gelatine ist ein Ersatz durch andere Hydrokolloide kaum denkbar (JENSEN 2000).

Rohstoffe für die Herstellung der Gelatine sind hauptsächlich Knochen von Schweinen, Kälbern und Rindern, Schweineschwarten sowie Kalbs- und Rinderhaut. Nach einem chemischen Aufschluss der Rohstoffe (sauer oder alkalisch) wird die Gelatine bei Temperaturen von bis zu 95 °C ausgeschmolzen, anschließend gereinigt, konzentriert und getrocknet (SCHRIEBER 1988).

Tetracycline gehören zu den sogenannten Breitspektrumantibiotika. Aufgrund ihres breiten Wirkungsspektrums und des relativ niedrigen Preises werden sie trotz schlechter Resistenzlage auch heute noch in großem Umfang therapeutisch und prophylaktisch eingesetzt. Nach den Umsatzstatistiken für Tierarzneimittel liegen die Tetracycline weltweit auf Platz zwei (MILLER 1993). EU-weit liegt der Anteil der Tetracycline an den in der Tiermedizin angewendeten Antibiotika bei 66 %. Sie sind damit mit Abstand die am häufigsten in der Tiermedizin eingesetzten Antibiotika (FEDESA 1998).

Tetracycline reichern sich im Körper bevorzugt in den calciumhaltigen Geweben an. Nach Absetzen einer Tetracyclin-Verabreichung sinkt der Gehalt im Knochen zunächst deutlich, um dann über einen langen, weit über die Wartezeit hinausgehenden Zeitraum auf einem nachweisbaren Level relativ konstant zu bleiben (BUYSKE et al. 1960). Dies führt zu Rückständen in Knochen geschlachteter Tiere (KÜHNE et al. 2000).

Die Prozessschritte bei der Herstellung von Gelatine sollten gewährleisten, dass das fertige Erzeugnis keine unerwünschten Stoffe mehr enthält.

(12)

Bisher liegen keine veröffentlichten Daten über die Kontamination von Gelatine bzw.

gelatinehaltigen Produkten mit Tetracyclinen vor.

In der vorliegenden Arbeit wurde daher zum einen ein geeignetes Nachweisverfahren für Tetracyclin-Rückstände in Gelatine und gelatinehaltigen Produkten entwickelt, zum anderen wurden die verschiedenen Aufschlussverfahren zur Herstellung von Gelatine aus Knochen bezüglich ihrer Eignung, Tetracyclin-Rückstände in den Ausgangsmaterialien zu eliminieren, überprüft. Schließlich wurden gelatinehaltige Handelsproben aus dem Lebensmittel- und Arzneimittelhandel auf Rückstandsgehalte untersucht.

(13)

2 Literatur 2.1 Tetracycline

Das erste Tetracyclin, das Chlortetracyclin (CTC), wurde 1948 entdeckt, als Erdproben auf Antibiotika-produzierende Mikroorganismen untersucht wurden. 1950 wurden unabhängig das Oxytetracyclin (OTC) und 1953 das Tetracyclin (TC) entdeckt (HLAVKA u. BOOTHE 1985).

TC und CTC werden produziert von Streptomyces aureofaciens, OTC von Streptomyces rimosus (GOODMAN 1985).

Zu den klassischen Tetracyclinen gehören OTC, TC und CTC. Daneben steht auch das neuere Doxycyclin als Präparat zur Anwendung für die Veterinärmedizin zur Verfügung (KROKER 1994).

2.1.1 Chemie

Tetracycline sind polycyclische Kohlenwasserstoffe. Ihr Name leitet sich ab von ihrem Grundgerüst, einem Naphthacen-Kern, welcher aus vier linear kondensierten Sechserringen besteht.

Die verschiedenen Derivate unterscheiden sich in Zahl und Stellung der Substituenten (MITSCHER 1978, S. 4-6), ihre Strukturformeln sind in Abbildung 2-1 dargestellt.

Tetracyline sind kristalline, gelbliche, amphotere Substanzen. Sie bilden mit Säuren und Basen Salze. Trocken aufbewahrt sind sie sehr stabil, in wässriger Lösung zerfallen sie jedoch schnell, vor allem bei pH-Werten über 7,0. Mit zwei- und dreiwertigen Ionen bilden sie schwerlösliche Chelate (AIELLO 1998).

(14)

CH3 CH3

R1 R2 R3 R4 N

OH

C NH R5

OH

OH O OH O O

Abbildung 2-1: Allgemeine Grundstruktur der Tetracycline

Tetracyclin: Oxytetracyclin: Chlortetracyclin:

R1 = – R1 = – R1 = Cl

R2 = CH3 R2 = CH3 R2 = CH3

R3 = OH R3 = OH R3 = OH

R4 = – R4 = OH R4 = –

R5 = H R5 = H R5 = H

(Formeln nach HLAVKA u. BOOTHE 1985)

2.1.2 Wirkungsmechanismus und Wirkungsspektrum

Tetracycline erreichen das Zellinnere der Bakterien durch passive Diffusion in das Periplasma mit anschließendem aktiven Transport in das Cytoplasma. Dort sind die Tetracycline in der Lage, die Proteinbiosynthese reversibel zu hemmen, indem sie sich an die Interphase der 70S- Ribosomen heften und so die Bindung der Aminoacyl-t-RNA an die Akzeptorseite der Ribosomen verhindern. Damit wirken sie bakteriostatisch (KROKER et al. 1996). Obwohl die 70S-Ribosomen der Bakterienzelle empfindlicher sind, werden auch 80S-Ribosomen der eukaryontischen Zellen angegriffen (FRANKLIN u. SNOW 1981). Die aktive Aufnahme der Tetracycline in die Bakterienzelle, nicht jedoch in die Zellen der Säuger, gilt als Erklärung für die Spezifität der Wirkung und das Fehlen der Toxizität dieser Wirkstoffe (MOSHER u.

VINING 1992).

Einen vollkommen anderen Wirkungsmechanismus haben die Anhydro-Tetracycline. Sie interferieren mit der Cytoplasmamembran und verursachen so Zellschäden, die zur Lyse der

(15)

Zelle führen (ROBERTS 1996). Sie wirken also bakterizid. Die Verabreichung von Anhydro- Tetracyclinen führt zu schweren Nebenwirkungen, weil ihre Interferenz mit der Cytoplasmamembran wahrscheinlich nicht spezifisch für die prokaryontische Zelle ist (SCHNAPPINGER u. HILLEN 1996).

Tetracycline wirken gegen zahlreiche grampositive wie gramnegative, aerobe und anaerobe Infektionserreger inklusive Leptospiren, Mykoplasmen, Chlamydien sowie großer Virusarten.

Die für die antimikrobielle Wirksamkeit erforderlichen MHK-Werte variieren speziesspezifisch stark. Im allgemeinen gelten als Grenzen der Empfindlichkeit 0,5 bis 2 µg/ml (KROKER et al. 1996).

2.1.3 Pharmakokinetik

Nach oraler Gabe werden die älteren Tetracycline (OTC, TC und CTC) nur mäßig gut resorbiert (FORTH et al. 1993). Die orale Bioverfügbarkeit hängt sehr vom Füllungszustand des Magens und vor allem von der Art der verabreichten Nahrung ab, da in Abhängigkeit vom Kationengehalt schwerlösliche Chelate gebildet und kaum resorbiert werden (KROKER et al.

1996).

Aufgrund ihrer Lipophilie verteilen sich die Tetracycline gut im Körpergewebe, die Verteilungsvolumina liegen i.d.R. über 1 l/kg, so dass auch intrazelluläre Erreger wie z.B.

Chlamydien erreicht werden. Die Plazentarschranke, kaum aber die Blut-Hirn-Schranke werden passiert. KROKER et al. (1996) vertreten die Meinung, dass die älteren Tetracycline kaum metabolisiert und in aktiver Form renal durch glomeruläre Filtration oder via Faeces ausgeschieden werden. KÜHNE (1995) konnte jedoch bei der Untersuchung von TC- und CTC-positiven Gewebeproben aus Schlachttieren in fast allen Fällen das 4-Epimer der Muttersubstanz nachweisen.

Die folgende Tabelle fasst die pharmakokinetischen Eigenschaften verschiedener Tetracycline zusammen (nach KROKER et al. 1996):

(16)

Tabelle 2-1: Pharmakokinetische Daten von Tetracyclinen

Tetracyclin Enterale Resorption

%

Halbwertszeit h

Proteinbindung

%

Urinausscheidung

% Tetracyclin 50 (Hund)

80 (Mensch)

5 (Hund) 10 (Kalb) 10 (Mensch)

36 (Rind) 70-80 (Hund) 25-55 (Mensch)

56-85 (Hund) 40 (Mensch) Chlortetracyclin 24 (Hund)

47 (Kalb) 25-30 (Mensch)

5 (Hund) 9 (Kalb) 5-6 (Mensch)

38 (Rind) 61 (Hund)

50 (Mensch) 20 (Mensch) Oxytetracyclin

60 (Mensch)

3 (Huhn) 11 (Pferd)

8-10 (Mensch) < 30 30 (Mensch) Doxycyclin 70 (Hund)

45 (Katze)

> 90 (Mensch)

10 (Hund) 8 (Katze)

12-18 (Mensch) 80-90 (Mensch) 25 (Mensch)

2.1.4 Einlagerung in Knochen und Fluoreszenz der Tetracycline

Als Folge der prophylaktischen oder therapeutischen Anwendung von Tetracyclinen wurden Ablagerungen im Knochen festgestellt. Dieses Phänomen ist zurückzuführen auf die Eigenschaft dieser Wirkstoffe, mit Calcium stabile Chelatkomplexe zu bilden (MILCH et al.

1957, BUYSKE et al. 1960). Der Einbau der Tetracycline in das Knochengewebe erfolgt in den sogenannten Appositionszonen, in denen Phosphat und Apatit eingelagert werden bzw.

das Osteoid mineralisiert (DÄMMRICH 1969).

Die Menge der eingelagerten Substanzen steigt mit Zunahme der verabreichten Dosis an. Der Einbau der Tetracycline nimmt jedoch nicht linear mit linear steigenden Dosen zu, vielmehr ist die Resorption der begrenzende Faktor. Weiterhin von Bedeutung für die Menge der eingelagerten Tetracycline ist der Zeitpunkt der Verabreichung in Bezug auf das Knochenwachstum. So wird bei juvenilen Tieren, die sich zum Zeitpunkt der Tetracyclin- Verabreichung im Stadium der intensiven Knochenmineralisierung befinden, eine größere Menge des Wirkstoffes gebunden als bei adulten Tieren. Die Dauer der Tetracyclin- Verabreichung hat dagegen keinen Einfluss auf den Gehalt im Knochen (BRÜGGEMANN et al. 1966).

(17)

Nach Beendigung der Tetracyclin-Verabreichung sinkt der Gehalt im Knochen zunächst deutlich, um dann über Wochen und Monate in immer noch nachweisbaren Konzentrationen relativ konstant zu bleiben (BUYSKE 1960).

Tetracyclinhaltige Knochen fluoreszieren unter UV-Licht bei einer Wellenlänge von 366 nm (BLOMQUIST u. HANNGREN 1966). Verantwortlich für die Fluoreszenz ist das Naphthacen-Gerüst der Tetracycline (DÄMMRICH 1969).

KÜHNE et al. (2000) führten eine Untersuchung von insgesamt 20.770 Schlachtkörpern von Schweinen auf Rückstände von Tetracyclinen durch. Die Schlachtkörper stammten aus norddeutschen Schlachthöfen und hatten die Fleischuntersuchung bereits passiert. Sie wurden untersucht mit Hilfe einer UV-Lampe mit einer Wellenlänge von 366 nm. Bei den Mastschweinen (n = 17.150) wurden nur 30,0 % als negativ beurteilt, 15,4 % waren stark positiv. Bei den Ferkeln (n = 345) waren 27,2 % negativ und sogar 43,5 % stark positiv.

Allein bei den Sauen (n = 3.275) ergab sich ein anderes Bild, es wurden 89,6 % als negativ und nur 0,9 % als stark positiv beurteilt. Fazit dieser Untersuchung war, dass das Vorhandensein von Tetracyclin-Rückständen in Knochen eher den Regelfall denn die Ausnahme darstellt.

2.1.5 Metaboliten

Tetracycline werden bei Lagerung, in vivo und in der Umwelt zu verschiedenen Zwischen- und Abbauprodukten umgebaut. Das Ausmaß dieser Umbauprozesse ist in hohem Maße abhängig vom Umgebungsmilieu, insbesondere von pH-Werten und Temperaturen (YUEN u.

SOKOLOSKI 1977). Säuren beschleunigen vor allem den Abbau von TC, CTC ist diesbezüglich weniger empfindlich (WALTON et al. 1970). Je nach Konfigurationsänderung entstehen Epi-, Anhydro-, Iso-, Demethyl- und Apo-Tetracycline.

2.1.5.1 4-Epi-Tetracycline

In wässriger Lösung bei pH-Werten zwischen 3,0 und 5,0 findet eine Epimerisierung am C4-Atom statt. Eine Epimerisierung ist die Bezeichnung für eine Konfigurationsänderung einer organischen Verbindung, die sich nur an einem von mehreren asymmetrischen C-Atomen vollzieht.

(18)

Bei den Tetracyclinen kommt es zu einer Drehung des N(CH3)2-Restes am 4. Ring an der C4- Position. Diese Reaktion ist eine reversible chemische Reaktion erster Ordnung (MITSCHER 1978, S. 123-125).

Tetracycline und ihre Epimere liegen abhängig vom Umgebungsmilieu in einem Gleichgewicht vor. Milieuveränderungen wie pH-Wert-Verschiebungen drängen das Gleichgewicht in die eine oder andere Richtung (SCHEDL 2000).

Die entstandenen Epimere zeigen kaum antimikrobielle Aktivität: 4-Epi-Tetracyclin besitzt nur etwa 5 % der antimikrobiellen Wirkung der Muttersubstanz (KÜHNE 1995).

Bei seiner Untersuchung von 97 Gewebeproben (überwiegend) hemmstoffpositiver Schlachttiere mit Rückständen an TC und CTC konnte KÜHNE (1995) nur in Einzelfällen keine Epimere feststellen. Somit bestehen Hinweise, dass eine Epimerisierung bereits in vivo stattfindet.

In einer Untersuchung der toxischen Effekte von Epimeren auf wachsende Hühnerembryos stellten KLIMOVA und ERMOLOVA (1976) fest, dass die LD50 von 4-Epi-TC 4,8 mal niedriger ist als die LD50 von TC (eine Letale Dosis50 liegt vor, wenn 50 % der Versuchs- einheiten zugrunde gegangen sind). Desweiteren wurde eine Überlebensrate der Hühnerembryos von 12 % erreicht, wenn dem Muttertier eine Dosis von 1.000 µg TC oral verabreicht wurde. Bei 4-Epi-TC lag diese Dosis bei nur 100 µg.

2.1.5.2 Anhydro-Tetracycline

Eine weitere chemische Reaktion, die insbesondere bei pH-Werten unter 2,0 auftritt, ist eine Dehydratation der Tetracycline. Es wird unter Abspaltung von H2O ein Wasserstoffatom vom C5a-Atom an das C6-Atom des Naphthacen-Kernes abgegeben. Eine Rekonvertierung zur Muttersubstanz ist möglich durch Photooxygenierung mit anschließender Reduktion, sie tritt jedoch nicht spontan auf (MITSCHER 1978, S. 123-125).

Anhydro-Tetracycline entstehen spontan vor allem durch zu lange oder fehlerhafte Lagerung sowie unter dem Einfluss von Säure und/oder hohen Temperaturen (WALTON et al. 1970).

Auch bei den Anhydro-Tetracyclinen kommt es zur Bildung von Epimeren, welche sich in einem Gleichgewicht mit der Muttersubstanz befinden.

(19)

Die antimikrobielle Aktivität der Anhydro-Tetracycline beträgt etwa ein Drittel derjenigen der jeweiligen Muttersubstanz (ROGALSKI 1985). Sie finden jedoch keine klinische Anwendung (MITSCHER 1978, S. 123-125), da sie schwere Nebenwirkungen hervorrufen, die vermutlich auf ihrer nicht-selektiven Wirkung auf alle Zellmembranen, also auch auf die Zellmembran eukaryontischer Zellen, beruhen (SCHNAPPINGER u. HILLEN 1996). Anhydro- Tetracycline sind wesentlich toxischer als ihre Muttersubstanzen. Der No-observed-effect- level (NOEL, Erklärung siehe 2.1.8.1) der Anhydro-Tetracycline lag in diversen Untersuchungen zur immunodepressiven Wirkung, Embryotoxizität und Teratogenität 4,8 bis 100-fach niedriger als derjenige der Muttersubstanzen (KLIMOVA u. ERMOLOVA 1976).

WALTON et al. (1970) bringen 4-Epi-Anhydro-Tetracyclin in Verbindung mit renaler Dysfunktion. Nach BERTRAND et al. (1984) induzieren die Anhydro-Tetracycline in höherem Maße als die Muttersubstanzen die Expression von Resistenzen.

2.1.6 Mechanismen der Resistenzentwicklung und Resistenzsituation

Es sind bisher drei unterschiedliche bakterielle Resistenz-Strategien gegenüber Tetracyclinen bekannt, die mit verschiedenen Aspekten der antimikrobiellen Aktivität der Tetracycline im Zusammenhang stehen:

1. Reduktion der intrazellulären Tetracyclin-Konzentration

Eine Verringerung des Tetracyclin-Gehaltes im Zellinneren kann auf zwei Wegen erreicht werden. Zum einen besteht die Möglichkeit, die Permeabilität der Zellmembran herabzusetzen, so dass die Tetracycline erst gar nicht in die Zelle gelangen können. Von größerer Bedeutung ist jedoch die zweite Möglichkeit, nämlich ein aktiver energieabhängiger Transport der Tetracycline aus der Zelle (SCHNAPPINGER u. HILLEN 1996). Grundlage dieses Transportmechanismus sind verschiedene Resistenzgene, die alle ein membran- gebundenes Protein codieren (ROBERTS 1996).

(20)

2. Schutz der Ribosomen vor der Hemmwirkung der Tetracycline

BURDETT (1986) entdeckte bei Streptokokken ein Protein, das die Ribosomen vor der Hemmwirkung der Tetracycline schützt. Das Auftreten dieses Resistenzmechanismus wird durch die Anwesenheit von Tetracyclinen positiv beeinflusst.

„Resistente“ Ribosomen binden nicht weniger Tetracycline als „sensible“, sie werden aber deutlich weniger bei der Proteinsynthese gehemmt (SCHNAPPINGER u. HILLEN 1996).

Der genaue Wirkungsmechanismus dieses Schutzproteins ist nicht bekannt, ROBERTS (1996) vermutet eine Funktion als Tetracyclin-resistenter Verlängerungsfaktor.

3. Inaktivierung der Tetracycline durch modifizierende Enzyme

GUINEY et al. (1984) übertrugen ein Resistenzgen von Bacteroides fragilis auf Escherichia coli. Die E. coli-Stämme waren nun in der Lage, Tetracycline chemisch so zu modifizieren, dass diese ihre Hemmwirkung verloren. Das verantwortliche Protein verändert Tetracycline in Anwesenheit von Sauerstoff und NADP (SPEER et al. 1991).

Seit 1992 werden vom BgVV Resistenzen als Risiko einer Arzneimittelwirkung erfasst (TROLLDENIER 1999). An diesem Erfassungsprogramm sind verschiedene veterinär- medizinische Untersuchungseinrichtungen im gesamten Bundesgebiet beteiligt, die Bakterienstämme aus diagnostischem Material auf Resistenzen prüfen (ANON. 1997).

In 1997 waren 64 % der Escherichia coli-Stämme des Rindes gegen Tetracycline resistent, beim Geflügel lag der Wert bei 59 %, beim Schwein sogar bei 92 %. Bei den Pasteurellen sieht die Situation etwas besser aus, 32 % der Past. haemolytica-Stämme und 29 % der Past. multocida-Stämme des Rindes waren resistent. Beim Schwein wurden 24 % der Past. multocida-Stämme als resistent erfasst (TROLLDENIER 1999). In 1994 wurde bei aus Milchproben isolierten Staph. aureus-Stämmen eine Resistenz von 10 % festgestellt, bei Streptococcus agalactiae lag der so ermittelte Wert nur bei 3 %. Die sowohl tier- als auch menschenpathogenen Salmonellen-Arten S. typhimurium und S. enteritidis waren zu 73 % bzw. 18 % resistent gegenüber Tetracyclinen (ANON. 1997).

(21)

2.1.7 Anwendung in Veterinär- und Humanmedizin

Die in der Veterinärmedizin am häufigsten eingesetzten Tetracycline sind die klassischen Tetracycline OTC, TC und CTC. Seltener angewendet wird das neuere Doxycyclin. In der Humanmedizin werden sowohl die klassischen Tetracycline als auch die neueren Tetracycline Doxycyclin und das nur für die Humanmedizin zugelassene Minocyclin angewendet.

Weltweit stehen die Tetracycline in einer Rangliste der zehn bestverkauften Tierarzneimittel an zweiter Stelle. Die Menge der verkauften Tetracycline wird lediglich übertroffen vom Antiparasitikum Ivermectin (MILLER 1993).

EU-weit wurden 1997 von insgesamt 10.493 Tonnen Antibiotika 52 % in der Humanmedizin und 48 % in der Tiermedizin eingesetzt. Bei den in der Tiermedizin angewendeten Antibiotika lag der Anteil der Tetracycline bei 66 %. Sie waren damit mit Abstand die am häufigsten in der Tiermedizin eingesetzten Antibiotika (FEDESA 1998).

2.1.8 Rückstände von Tetracyclinen in Lebensmitteln 2.1.8.1 Risikobewertung

Rückstände sind alle wirksamen Bestandteile oder deren Metabolite, die im Fleisch oder anderen Lebensmitteln enthalten sind, die von Tieren gewonnen wurden, denen das betreffende Arzneimittel verabreicht wurde.

Zur Abschätzung der Unbedenklichkeit eines Tierarzneimittels für den Verbraucher von Lebensmitteln tierischer Herkunft sind umfangreiche Studien erforderlich. Diese Unbedenklichkeitsversuche sind die Voraussetzung für die Festsetzung von Rückstandshöchstmengen in Lebensmitteln und umfassen pharmakodynamische, pharmakokinetische und toxikologische Studien. Im Rahmen der toxikologischen Studien werden Untersuchungen durchgeführt zur Toxizität bei einmaliger Verabreichung, Toxizität bei wiederholter Verabreichung, Reproduktionstoxizität, Mutagenität, Cancerogenität und Immunotoxizität. In diesen Versuchen wird die Dosis des Wirkstoffes ermittelt, die im jeweils durchgeführten Versuch keine substanzspezifische Wirkung mehr hervorruft, dieses ist der sogenannte „No-observed-effect-level“ (NOEL).

Der NOEL des empfindlichsten Versuches bei der empfindlichsten Tierart wird zur Berechnung der annehmbaren Tagesdosis (ADI, „acceptable daily intake“) herangezogen.

(22)

Der ADI-Wert ist die Rückstandsmenge (in mg pro Person und Tag), die der Verbraucher ohne erkennbares Risiko ein Leben lang täglich aufnehmen könnte. Zur Berechnung des ADI- Wertes wird der NOEL durch einen Sicherheitsfaktor von 10 - 1.000 dividiert und mit dem durchschnittlichen Körpergewicht des Menschen von 60 kg multipliziert.

Der Sicherheitsfaktor stellt einen Ersatz dar für die nicht praktikable Extrapolation von den Wirkungen relativ hoher Dosen im Tierversuch auf die hypothetische lebenslange Exposition des Menschen gegenüber niedrigsten Rückstandsmengen. Die Sicherheitsfaktoren sind so hoch gewählt, dass die resultierende annehmbare Tagesdosis jedes Risiko für den Verbraucher ausschließt (BETTE 1996).

Bei der Risikobewertung von Rückständen antibiotisch wirksamer Substanzen müssen zusätzlich zu toxikologischen Studien Untersuchungen zu potentiellen Auswirkungen auf die humane Darmflora durchgeführt werden. Nachteilige Effekte antimikrobieller Substanzen auf die Mikroflora des Darmes sind vor allem das vermehrte Auftreten von Resistenzen gegen Antibiotika durch einen erhöhten Selektionsdruck, Störungen des Stoffwechsels durch eine Änderung der spezifischen enzymatischen Aktivität im Darm sowie eine Schwächung der Abwehr gegen eine Besiedlung pathogener Keime durch eine Änderung der physiologischen Zusammensetzung der Mikroflora im Darm. Zur Einschätzung der potentiellen Auswirkungen auf die humane Darmflora werden sowohl in-vitro- als auch in-vivo-Untersuchungen durchgeführt. In-vitro-Untersuchungen führen zur sogenannten MHK50 (MHK = minimale Hemmkonzentration). Die MHK50 ist die minimale Konzentration einer antimikrobiellen Substanz, die das Wachstum von 50 % der Kulturen eines bestimmten Keimes hemmt.

In-vitro-Untersuchungen haben den Nachteil, dass das ökologische System im humanen Darm nur unzureichend nachgeahmt werden kann. Besser möglich ist eine Imitation der Mikroflora des menschlichen Darmes in in-vivo-Untersuchungen. Hierzu eignen sich vor allem sogenannte HFA-Ratten (HFA = human flora-associated). HFA-Ratten sind keimfrei aufgezogene Ratten, denen eine humane Darmflora in Form von faekaler Suspension verabreicht wird. So siedelt sich im Darm dieser Versuchstiere eine definierte Mikroflora an, die der menschlichen Darmflora sehr ähnlich ist.

Da die in-vivo-Untersuchungen noch nicht ausreichend getestet wurden und noch nicht validiert sind, werden zur Zeit für die Festsetzung von mikrobiologischen ADI-Werten die MHK50-Werte aus in-vitro-Untersuchungen herangezogen.

(23)

Die gemeinsame Expertenkommission der Welternährungsorganisation (FAO) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives (JECFA), schlägt zur Ermittlung eines mikrobiologischen ADI folgende Formel vor:

[kg]

cht Körpergewi x

sfaktor Sicherheit

x Dosis

oralen der

Fraktion are

bioverfügb

[g]

Inhaltes -

Colon des Masse x [µg/g]

KG] MHK [µg/kg

ADI = 50

wobei:

MHK50 = mittlere MHK50 der Stämme des getesteten Keims (obwohl MHK-Werte

üblicherweise in µg/ml ausgedrückt werden, erfolgt die Angabe hier in µg/g, damit der ADI in µg/kg ausgedrückt werden kann; bei der Umwandlung in diese Einheit wird angenommen, dass die Dichte des Mediums 1 g/ml beträgt)

Masse des Colon-Inhaltes = es wird ein durchschnittlicher Wert von 220 g angenommen bioverfügbare Fraktion der oralen Dosis = die Fraktion der oralen Dosis, die das Colon

erreicht und die dortige Mikroflora beeinflusst Sicherheitsfaktor = liegt je nach Substanz zwischen 1 und 10

Körpergewicht = es wird als durchschnittliches Körpergewicht eines Erwachsenen 60 kg angenommen (analog zum toxikologisch hergeleiteten ADI)

(JOINT FAO/WHO EXPERT COMMITTEE ON FOOD ADDITIVES 1998).

Die toxikologisch oder mikrobiologisch hergeleiteten ADI-Werte sind wiederum die Grundlage der Berechnung der sogenannten MRLs (MRL = „maximum residue limit“).

MRLs sind zugelassene Höchstmengen in verschiedenen Lebensmitteln tierischer Herkunft.

Die Europäische Gemeinschaft definiert Höchstmengen als eine „Höchstkonzentration von Rückständen aus der Verwendung von Tierarzneimitteln, bei der die Gemeinschaft akzeptieren kann, dass sie legal zugelassen wird oder als eine in oder auf einem Nahrungsmittel annehmbare Konzentration anerkannt wird“ (VO (EWG) Nr. 2377/90).

Um aus dem ADI die erlaubten MRLs zu errechnen, muss die in Rückstandsstudien ermittelte relative Verteilung der Gesamtrückstände auf die essbaren Gewebe und die täglich verzehrte Menge dieser Gewebe berücksichtigt werden. Dabei nimmt der Gesetzgeber die tägliche Aufnahme von 300 g Muskel, 100 g Leber, 50 g Niere, 50 g Fett, 20 g Honig, 100 g Eier und 1,5 l Milch an.

(24)

Mit der Annahme dieser hohen Verzehrsmengen bemüht sich der Gesetzgeber, auch extremen Verzehrsgewohnheiten gerecht zu werden. Unter Einbeziehung der genannten Faktoren kann schließlich die erlaubte Höchstmenge (in µg/kg) für das jeweilige Zielgewebe definiert werden (BETTE 1996).

Die Festlegung von Rückstandshöchstmengen in Lebensmitteln ist EU-einheitlich geregelt und wird von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMEA) in London organisiert.

Verschiedene internationale Fachkommissionen bewerten die für die einzelnen Wirkstoffe vorliegenden Gutachten, die meist von den pharmazeutischen Unternehmen zur Verfügung gestellt werden.

Zur Bewertung von Tetracyclin-Rückständen in Lebensmitteln tierischer Herkunft liegen eine Reihe von wissenschaftlichen Berichten vor, die von der Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives (JECFA) erarbeitet wurden.

Beim zuerst untersuchten OTC wurde die akute Toxizität als gering eingestuft. Die LD50- Werte bei Mäusen lagen zwischen 3.600 und 7.200 mg/kg KG. Es wurden auch keine Hinweise auf Teratogenität, Mutagenität und Cancerogenität gefunden (COMMITTEE FOR VETERINARY MEDICINAL PRODUCTS 1995). Als sicherheitsrelevant eingestuft wurden nur die Auswirkungen auf die humane Darmflora, was zu einem früheren ADI von 0-150 µg/kg KG/Tag führte (WHO 1969). In einer neueren Studie an freiwilligen Versuchspersonen wurde bei einer Dosis von 2 mg/Person/Tag kein Auftreten von resistenten Enterobacteriaceae festgestellt. Aufgrund dieses NOEL wurde unter Berücksichtigung eines Sicherheitsfaktors von 10 ein neuer ADI von 0-3 µg/kg KG/Tag eingeführt.

Bei der Untersuchung von TC und CTC ergaben sich ebenfalls keine Hinweise auf Teratogenität, Mutagenität und Cancerogenität. Auch die akute Toxizität wurde mit LD50- Werten bei Mäusen von 2.150 bis 5.000 mg/kg KG als gering eingestuft. Aus Studien zu potentiellen Auswirkungen auf die humane Darmflora schloss man, dass TC und CTC eine dem OTC vergleichbare antimikrobielle Potenz besitzen. Folglich wurde ein Gruppen-ADI von 0-3 µg/kg KG/Tag für OTC, TC und CTC allein oder in Kombination festgesetzt (COMMITTEE FOR VETERINARY MEDICINAL PRODUCTS 1995).

In einer weiteren neuen Studie wurden einer kontinuierlichen E. coli-Kultur einem ADI von 25, 250 und 2.500 µg/kg KG/Tag äquivalente Konzentrationen von TC zugesetzt. Nur die höchste Konzentration führte zur Resistenzausbildung bei den untersuchten Keimen.

(25)

Aufgrund dieser Studie wurde empfohlen, den Sicherheitsfaktor von 10 für die Berechnung des ADI fallen zu lassen und einen Gruppen-ADI von 0-30 µg/kg KG/Tag festzulegen (WHO 1999).

2.1.8.2 Rechtliche Normen

Die lebensmittelrechtliche Beurteilung von Tetracyclin-Rückständen ist im Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMBG) geregelt. Dort heißt es in §15 (Stoffe mit pharmakologischer Wirkung): „Es ist verboten, vom Tier gewonnene Lebensmittel gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen, wenn in oder auf ihnen Stoffe mit pharmakologischer Wirkung oder deren Umwandlungsprodukte vorhanden sind, die [...] nach Artikel 2 oder 4 der VO (EWG) Nr. 2377/90 festgesetzte Höchstmengen überschreiten [...]“.

Ein Verstoß gegen den §15 LMBG stellt einen Straftatbestand dar, der mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren, in besonders schweren Fällen sogar mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft werden kann.

Die Höchstmengen für Tetracycline in Lebensmitteln betragen nach VO (EWG) Nr. 2377/90:

Niere: 600 µg/kg Milch: 100 µg/kg

Leber: 300 µg/kg Eier: 200 µg/kg

Muskulatur: 100 µg/kg

Diese Werte gelten für OTC, TC und CTC allein oder in Kombination und zwar jeweils als Summe von Muttersubstanz und 4-Epimer. Sie basieren auf dem aktuellen ADI-Wert von 0-3 µg/kg KG/Tag.

Die WHO schlägt aufgrund neuer toxikologischer Studien vor, die MRLs für OTC, TC und CTC in Niere, Leber und Muskulatur zu verdoppeln (WHO 1999).

In den USA gelten bereits deutlich höhere MRLs. Für essbares Gewebe vom Rind, von nicht laktierenden Milchkühen, Kälbern, Schweinen, Schafen und Geflügel wurden folgende Höchstwerte von der Verwaltung für Lebensmittel und Arzneimittel festgelegt (FOOD AND DRUG ADMINISTRATION 1996):

Niere und Fett: 12.000 µg/kg

Leber: 6.000 µg/kg

Muskulatur: 2.000 µg/kg

(26)

Die Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen über Rückstandshöchstmengen in Lebensmitteln tierischer Herkunft ist in der Bundesrepublik Aufgabe der zuständigen Behörden und obliegt dem amtlichen Tierarzt. Im Rahmen dieser Überwachungstätigkeit gilt es auch, den sogenannten Nationalen Rückstandskontrollplan des BgVV durchzuführen.

Dabei handelt es sich um ein EU-weit einheitlich geregeltes Programm, welches im nationalen Lebensmittel-, Fleischhygiene- und Geflügelfleischhygienerecht verankert ist. Der Rückstandskontrollplan wird jährlich neu erstellt und enthält für jedes Bundesland konkrete Vorgaben über die Anzahl der zu untersuchenden Tiere oder tierischen Erzeugnisse, die zu untersuchenden Stoffe sowie die anzuwendende Methodik.

1999 wurden im Rahmen des Rückstandskontrollplanes in Schlachtbetrieben insgesamt 1.672 Stichproben von geschlachteten Schweinen entnommen und auf Tetracycline untersucht.

Dabei ergab sich beim OTC eine Höchstmengenüberschreitung, beim TC waren es fünf. In keiner der untersuchten Proben wurde eine CTC-Höchstmengenüberschreitung festgestellt (BGVV 2001).

2.1.9 Nachweisverfahren für Tetracycline

Der Nachweis von Tetracyclin-Rückständen ist mit einer Reihe sehr unterschiedlicher Methoden möglich:

mikrobiologische Verfahren (z.B. Hemmstofftest, Brillantschwarzreduktionstest), immunologische Verfahren (z.B. ELISA),

Rezeptortest (z.B. Charm-Test),

dünnschichtchromatographische Verfahren,

Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC).

Für den qualitativen und quantitativen Nachweis von Tetracyclin-Rückständen in Lebensmitteln sind zur Zeit nur HPLC-Verfahren geeignet. Die ausgeprägten Komplexbildungseigenschaften von Tetracyclinen mit Kationen (Fe, Mg usw.) stellen das Hauptproblem bei der Extraktion, Aufarbeitung und HPLC-Elution dar. Erst mit dem Einsatz von Komplexbildnern (Oxalsäure, EDTA usw.) wurden niedrigere Nachweisgrenzen und eine reproduzierbare Analytik Realität (KAUFMANN et al. 1999).

(27)

Basierend auf dem basischen Charakter der Tetracycline wurden saure/alkalische flüssig/flüssig Extraktionen vorgeschlagen (WHITE et al. 1993). Festphasenextraktionen mit XAD-Materialien (FARRINGTON et al. 1991), Umkehrphasen-C-18-Säulen (MACNEIL et al. 1996) oder COOH-Kationenaustauscher (OKA et al. 1987) wurden eingesetzt.

Die spezifische Eigenschaft von Tetracyclinen, Chelat-Komplexe mit verschiedenen Metallen zu bilden, kann zur sehr selektiven Aufarbeitung genutzt werden. Oft werden mit Kupfer beladene Chelating-Sepharose-Säulen verwendet. Zur Erhöhung der Selektivität können zwei verschiedene Aufarbeitungstechniken gekoppelt werden. Insbesondere die Kombination einer Aufreinigung über Chelating-Sepharose-Säulen mit einer C-18-Festphasenextraktion produziert sehr reine Extrakte (KAUFMANN et al. 1999).

Zum Nachweis von Tetracyclinen in Fleisch, Fisch, Milch, Ei und Honig gibt es eine vorläufige amtliche Methode nach §35 LMBG. Diese Methode beinhaltet eine Kopplung der Aufreinigung über eine Chelating-Sepharose-Säule mit einer C-18-Festphasenextraktion und wird im folgenden (3.4.1) näher beschrieben.

(28)

2.2 Gelatine

2.2.1 Zusammensetzung und Struktur

Bei Gelatine handelt es sich um ein Gemisch aus Polypeptiden, deren Molmassen -je nach Gewinnung- zwischen 1.500 und 500.000 Dalton liegen. Die Aminosäurezusammensetzung entspricht weitgehend der des Kollagens, aus dem sie hergestellt wird (EISENBRAND u.

SCHREIER 1995).

Charakteristisch für Gelatine ist der hohe Gehalt an den Aminosäuren Glycin (27 %) sowie Prolin und Hydroxyprolin (25 %). Weitere häufig in der Gelatine vorkommende Aminosäuren sind Glutaminsäure (10 %), Alanin (9 %), Arginin (8 %) und Asparaginsäure (6 %).

Im Kollagen, dem Vorläufer der Gelatine, liegen die Moleküle geordnet als Tripel-Helix- Strukturen vor. Dieses sogenannte Tropokollagen bildet Fibrillen, die sich wiederum zu einem kontinuierlichen Netzwerk aus Fasern zusammenlagern. Diese Kollagenstruktur hat großen Einfluss sowohl auf den Prozess der Gelatine-Extraktion als auch auf die Eigenschaften der Gelatine selbst. In und zwischen den Proteinketten werden durch Kondensation der Aminosäure-Seitenketten intra- und intermolekulare Querverbindungen gebildet. Diese Querverbindungen sind zum Teil instabil und fallen während der Gelatine- Extraktion der Hydrolyse anheim, während andere sehr stabil sind und eine permanente Brücke zwischen den Helices bilden. Dadurch entstehen Gelatine-Moleküle mit höherem Molekulargewicht (> 100.000 Dalton).

Das Molekulargewicht der Gelatinemoleküle hat großen Einfluss auf physikalische Eigenschaften der Gelatine, wie zum Beispiel die Gelfestigkeit und die Viskosität (HUDSON 1994).

2.2.2 Eigenschaften und Verwendung

Gelatine ist geruchlos und praktisch farblos. Sie ist schwerlöslich in Alkoholen und unlöslich in anderen organischen Lösungsmitteln. In Wasser quillt Gelatine stark auf und bildet in warmem Wasser eine visköse Lösung, die bei einer Konzentration von mindestens 1,0 Gew.%

unterhalb von ca. 35 °C gallertartig erstarrt. Die Festigkeit der Gallerte wird mit einem Gelometer bestimmt und als sogenannte Bloomzahl angegeben.

(29)

Der isoelektrische Punkt der Gelatine ist abhängig vom Herstellungsverfahren und liegt bei alkalisch aufgeschlossener Gelatine im Bereich pH 4,7 - 5,2, bei sauer aufgeschlossener Gelatine im Bereich pH 7,5 - 9,3. Das Wissen um den isoelektrischen Punkt der Gelatine ist besonders dann wichtig, wenn sie zusammen mit anderen Hydrokolloiden eingesetzt werden soll (EISENBRAND u. SCHREIER 1995).

Die für die Verwendung der Gelatine im Lebensmittel- und Arzneimittelbereich wichtigste Eigenschaft ist ihre Fähigkeit, thermoreversible Gele zu bilden, die bei Körpertemperatur schmelzen. Von Bedeutung sind weitere funktionelle Fähigkeiten der Gelatine wie Feuchtigkeitsbindung, Synäreseverhinderung, Emulgierung, Stabilisierung, Eindickung, Schutzkolloidwirkung, Schaumbildung und Adhäsion (HUDSON 1994). Weiterhin hat Gelatine als reines, gut verdauliches Eiweiß auch ernährungsphysiologische Vorteile.

Der Anwendungsbereich der Gelatine ist aufgrund der genannten positiven Eigenschaften sehr breit.

Als Speisegelatine verbessert sie das Aussehen und die Konsistenz von Sülzen und anderen Aspikwaren, Geleespeisen, Süßwaren, Backwaren, Brotaufstrichen, Speiseeis und Joghurterzeugnissen. Sie wird weiterhin als positiv geladenes Kolloid zur Klärung von Weinen und Fruchtsäften durch Ausfällung von negativ geladenen Trübteilchen und Gerbstoffen eingesetzt. Im Bereich spezieller Ernährungsformen (Diätkost, Aufbaukost, Schonkost) wird zunehmend Speisegelatine als zusätzlicher Proteinträger genutzt.

Im pharmazeutischen Bereich dient sie als technischer Hilfsstoff zur Herstellung von Arzneimittelkapseln sowie als Bindemittel und Presshilfsmittel für Tabletten (EISENBRAND u. SCHREIER 1995).

Der dritte große Anwendungsbereich für Gelatine ist die fotografische Industrie, in der Gelatine zum Beschichten von Filmmaterial und Fotopapier verwendet wird.

Aktuell werden weltweit 58 % der produzierten Gelatine im Lebensmittelbereich eingesetzt, 21 % in der pharmazeutischen Industrie, 12 % in der fotografischen Industrie und die restlichen 9 % in anderen Bereichen (nach Herrn Dr. Uwe Seybold, Eberbach, persönliche Mitteilung vom 22.11.2001).

(30)

2.2.3 Rohstoffe

Das Kollagen im tierischen Bindegewebe ist der Ausgangsstoff jeder Gelatineherstellung. Für die großtechnische Herstellung kommen jedoch nur Knochen von Schweinen, Kälbern und Rindern, Schweineschwarten sowie Kalbs- und Rinderhaut in Betracht.

Frischknochen, die in Schlacht- und Zerlegebetrieben sowie in Fleischwarenfabriken anfallen, werden vor Ort erfasst und auf kürzestem Weg in die Entfettungsanlagen der Gelatine- Hersteller gebracht. Dort werden sie unverzüglich weiterverarbeitet.

Die Schweineschwarte wird beim Fleischverarbeiter von der Fettschicht getrennt und gelangt in gekühltem oder tiefgefrorenem Zustand zum Gelatine-Hersteller. Bis zur Weiter- verarbeitung wird sie dort in Kühlhäusern gelagert.

Frische Kalbs- oder Rinderhaut wird von anhaftendem Fleisch und von anhaftenden Fettresten befreit. Anschließend wird sie in einen haarseitigen und einen fleischseitigen Teil gespalten. Da die Fellseite kein reines Bindegewebe darstellt, wird diese zur Lederherstellung verwendet. Die Unterseite hingegen ist weitgehend reines Kollagen und daher sehr gut geeignet zur Herstellung von Gelatine. Dieser sogenannte „Spalt“ wird in Schneidanlagen zu etwa handtellergroßen Stücken zerkleinert und in den Gelatine-Aufschluss gegeben (SCHRIEBER 1988).

Wichtigster Rohstoff zur Herstellung von Gelatine für die Lebensmittelindustrie ist heute die Schweineschwarte, wohingegen bei der Herstellung der Gelatine für die pharmazeutische Industrie der Knochen als Rohstoff die größte Rolle spielt (nach Herrn Dr. Uwe Seybold, Eberbach, persönliche Mitteilung vom 22.11.2001).

2.2.4 Herstellungsverfahren

Aktuell werden in der Industrie zwei unterschiedliche Prozesse zur Gelatinegewinnung eingesetzt. Der saure Prozess liefert Gelatine vom Typ A (acid processed). Diese wird überwiegend aus Schweineschwarten hergestellt. Gelatine vom Typ B (basic processed) wird aus alkalisch aufgeschlossener Rinderhaut (Spalt) und aus Knochen von Rind und Schwein hergestellt (ROTHER 1993).

Einen Überblick über die Prozessabläufe liefert Abbildung 2-2.

(31)

Waschen Brechen Waschen

Zerkleinern Entfetten Zerkleinern

Äscherprozess Waschen Säuerung

Waschen Mazeration Waschen

Neutralisieren Waschen Waschen

Stufenextraktion Stufenextraktion

Reinigen Konzentrieren Filtrieren Sterilisieren Gelieren Trocknen Zerkleinern Konfektionieren

Abbildung 2-2: Fließschema zur Herstellung von Gelatine (nach SCHRIEBER 1988)

Alkalischer Aufschluss Gelatine Typ B

Saurer Aufschluss Gelatine Typ A

Spalthäute Knochen Schweineschwarten

Ossein

Gelatinelösung

verkaufsfertige Gelatine

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2.2.4.1 Alkalisches Aufschlussverfahren für den Rohstoff Knochen 2.2.4.1.1 Vorbereitung des Rohmaterials

Die angelieferten Frischknochen werden schonend bis auf Haselnussgröße gebrochen, vorgewaschen und mit heißem Wasser unter starker mechanischer Verwirbelung entfettet.

Anschließend wird das Knochenschrot mit heißer Luft in kontinuierlichen Durchlauftrocknern getrocknet und mittels Sieben in verschiedene Körnungen, die später getrennt weiterverarbeitet werden, klassiert. Als Nebenprodukt fällt bei diesem Verfahrensschritt Knochenfett an, welches von der chemischen Industrie weiterverarbeitet wird. Außerdem entsteht Fleischknochenmehl, welches früher an die Futtermittelindustrie geliefert wurde, heute jedoch -in Deutschland zum Beispiel über Biogasanlagen- entsorgt werden muss.

2.2.4.1.2 Mazeration

Das getrocknete Knochenschrot wird anschließend ca. 1 Woche lang mit verdünnter Salzsäure (ca. 5 %) bei etwa 10 °C in großen Tanks behandelt. Während dieser Zeit geht der im Knochen vorhandene mineralische Anteil, das Calciumphosphat, in Lösung. Zurück bleibt das kollagene Grundgerüst des Knochens, das sogenannte Ossein.

Aus Kostengründen wird die Entmineralisierung der Knochen im Gegenstromverfahren durchgeführt, d.h. die frischen Knochen werden mit einer schon salzreichen Säurelösung behandelt, während die schon weitgehend entmineralisierten Knochen in der letzten Stufe des Prozesses mit frischer Säure behandelt werden.

Als Nebenprodukt dieses Verfahrensschritts gewinnt man nach Zugabe von Kalkmilch zur Säurelösung das Phosphat zurück, welches nach Zentrifugation und Trocknung als Dicalciumphosphat vorliegt. Früher war dieses Dicalciumphosphat ein wertvolles mineralisches Beifuttermittel, heute findet es vorwiegend als Düngemittel Verwendung.

2.2.4.1.3 Neutralisation

Nach Abschluss der Demineralisation wird das Ossein bis zur Neutralität gewaschen und bis zur Weiterverarbeitung feucht gehalten.

(33)

2.2.4.1.4 Alkalischer Aufschluss

Das im Knochen enthaltene Kollagen ist je nach Alter des Tieres mehr oder weniger stark quervernetzt und daher selbst in heißem Wasser nur begrenzt löslich. Es ist deshalb notwendig, vor der späteren Extraktion eine chemische Vorbehandlung durchzuführen, um die Quervernetzungen im Kollagen aufzuspalten. Für Knochen bietet sich die sehr intensive Behandlung mit Laugen, die sogenannte Äscherung, an.

Je nach Konzentration und Temperatur sind wenige Wochen mit Natronlauge oder bis zu 6 Monate mit Kalkmilch (Calciumhydroxid) nötig. Das langwierige Verfahren mit Kalkmilch hat einige Vorteile, so zum Beispiel eine stets gleichbleibende Alkalität durch die niedrige Löslichkeit des Calciumhydroxids. Gleichzeitig führt das verhältnismäßig milde Calciumhydroxid zu einem gewissen Ausgleich der Sudreife bei unterschiedlicher Beschaffenheit des Rohstoffes, sowohl hinsichtlich des Tieralters als auch hinsichtlich der mechanischen Abmessungen, z. B. des Körnungsdurchmessers des Knochenschrotes.

Die Kalkmilch muss während des Aufschlusses regelmäßig gerührt und mehrmals gewechselt werden, da sie sich ständig mit gelöstem Eiweiß anreichert.

2.2.4.1.5 Neutralisation

Das Material wird alkalifrei gewaschen und durch Zugabe einer verdünnten Säure neutralisiert. Die entstehenden Neutralsalze werden durch mehrmaliges Auswaschen entfernt.

2.2.4.1.6 Gelatine-Extraktion

Das so vorbereitete Ossein wird nun mit heißem Wasser unterschiedlicher Temperatur versetzt und mehrstufig extrahiert. Beginnend bei 50 °C und endend bei etwa 95 °C wird die Gelatine stufenweise ausgeschmolzen. Die Einwirkungszeit beträgt jeweils 4 bis 7 h.

Während dieses Vorgangs darf das Material nur sehr vorsichtig bewegt werden, damit es durch die enthaltenen Fettmengen nicht zu einer später nicht mehr trennbaren Emulsions- bildung kommt. Es entsteht in jeder Stufe eine 3-5 %ige Gelatinelösung mit von Temperatur- stufe zu Temperaturstufe abnehmender Gelierfähigkeit. Da die Extraktions-pH-Werte im allgemeinen im schwach sauren Bereich liegen, tritt während der etwa 24 h andauernden Extraktionsphase eine fortschreitende Thermohydrolyse und damit eine Aufspaltung der Polypeptidketten ein.

(34)

2.2.4.1.7 Reinigung

Über Hochleistungsseparatoren wird eine 3-Phasen-Trennung der Gelatinelösung durchgeführt. So werden zum einen ungelöste Festpartikel und zum anderen das Fett im Durchlaufverfahren von der wässrigen Gelatinelösung abgetrennt.

Die verbleibende Gelatinelösung hat noch immer nicht die notwendige Klarheit und muss daher mehreren Filtrationsstufen unterzogen werden. Üblich sind in der ersten Stufe Zentrifugal-Anschwemmfilter, in denen die Trübstoffe durch Diatomeenerde zurückgehalten werden. Im Anschluss erfolgt eine Polierfiltration durch Zellulose-Plattenfilter, oft in mehrfacher Ausfertigung.

Durch den Rohstoffaufschluss, die Neutralisation und die Extraktion ist die Gelatinelösung mit Mineralsalzen angereichert, die in der späteren Verwendung stören können, so dass die Gelatine einer Entsalzung bedarf. Dies geschieht durch die Behandlung in Ionenaustauschern, die entweder getrennt einen Kationen- und Anionenaustausch durchführen, oder aber im Mischbettverfahren.

2.2.4.1.8 Konzentration

Die zu diesem Zeitpunkt vorliegende Gelatinelösung besteht noch zu über 95 % aus Wasser, welches entfernt werden muss. Dazu dient das Verfahren der Vakuumeindampfung, bei dem die Gelatinelösung in mehrstufigen Vakuumverdampfern eingedickt wird. Bei bis zu 80 °C und einem Vakuum von bis zu - 0,9 bar verdampfen große Mengen Wasser. Im Einsatz sind Plattenverdampfer, Umlaufverdampfer und Dünnschichtverdampfer. Je nach Gelatinetyp werden in diesem Verfahrensschritt Konzentrationen von bis zu 50 % TS erreicht.

Grundsätzlich ist das Ziel, während der Eindampfung die höchstmögliche Konzentration zu erreichen, da beim späteren Auftrocknen der Energieaufwand für die Wasserentfernung ca. 10mal so hoch ist.

Da aufgrund der Hitzeeinwirkung während des Eindampfprozesses häufig Spuren der Begleiteiweiße Globulin und Albumin ausfallen, wird i.d.R. eine weitere Filtrationsstufe an die Eindampfung angeschlossen.

(35)

2.2.4.1.9 Sterilisation

Die Sterilisation erfolgt in einer Kurzzeit-Hocherhitzungsanlage. Die Gelatinelösung wird dort für mindestens 5 sec auf 140 °C erhitzt. Sowohl die indirekte Sterilisation über Platten- wärmeaustauscher als auch die direkte Dampfinjektion werden zu diesem Zweck eingesetzt.

2.2.4.1.10 Gelierung und Trocknung

Im Anschluss an die Sterilisation wird die Gelatinelösung über einen Kratzkühler oder über eine Kühltrommel abgekühlt, wobei sie erstarrt. Hierbei entstehen entweder Gelatinebänder oder Gelee-Nudeln, die gleichmäßig auf dem Band oder Netz eines Trockners verteilt werden.

In diesem Trockner wird die Gelatine mit filtrierter, erwärmter und entkeimter Luft getrocknet. Da man wegen des niedrigen Schmelzpunktes der Gelatinegallerten die Gelatine nicht direkt mit warmer Luft trocknen kann, muss die relative Feuchte der Trocknungsluft auf 10-15 % abgesenkt werden. In mehreren Trocknungszonen wird dann parallel zum Trocknungsgrad der Gelatinegallerte die Lufttemperatur und damit die Wasseraufnahme- fähigkeit der Luft stufenweise erhöht bis am Trocknerende die ca. 60 °C warme Luft fast mit Feuchtigkeit gesättigt ist. Die Gelatine hingegen verlässt mit ca. 10 % Wassergehalt als trockenes Blatt oder Nudel den Trockner.

2.2.4.1.11 Konfektionierung

Aus der eigentlichen Gelatineproduktion kommen Chargen von jeweils 1-2 t unterschiedlicher Art je nach Rohstoff und Herstellungsverfahren. Hinzu kommen Einflüsse aus der direkten Rohstoffbeschaffenheit wie Fütterung, Rasse und Alter der Tiere.

Um den weiterverarbeitenden Betrieben einen Rohstoff gleichmäßiger Beschaffenheit zur Verfügung zu stellen, ist es notwendig, die Gelatine zu standardisieren. Dies erfolgt durch Vermischen der verschiedenen Produktionschargen nach Maßgabe der physikalischen und chemischen Analysendaten (SCHRIEBER 1988).

(36)

2.2.4.2 Saures Aufschlussverfahren für den Rohstoff Knochen

Das Verfahren des sauren Aufschlusses eignet sich vor allem für die Verarbeitung von Schweineschwarten, wird aber zum Teil auch bei der Verarbeitung von Knochen zu Gelatine angewendet.

Die Durchführung gleicht im Falle der Knochenverarbeitung derjenigen des alkalischen Aufschlusses mit der Abweichung, dass die Behandlung mit Laugen (siehe 2.2.4.1.4) unterbleibt. Das Ossein wird also direkt der Gelatine-Extraktion zugeführt.

2.2.4.3 Handwerkliche Methode

Mitunter wird in kleinen Schlachtereien und Metzgereien die Gelatine direkt aus dem Knochen ausgeschmolzen. Hierzu wird der Frischknochen lediglich halbiert oder geviertelt, und das Knochenmark wird manuell unter fließendem heißem Wasser entfernt. Der so vorbereitete Knochen wird für 2-4 h in Wasser gekocht und die Gelatinelösung anschließend über ein Sieb von den verbleibenden Feststoffen getrennt. Diese Gelatinelösung wird direkt zur Herstellung von Sülze oder anderen Aspikwaren verwendet (nach Adolf Heise, Hannover, persönliche Mitteilung vom 17.04.2001).

2.2.5 BSE - Problematik

Nachdem jahrzehntelang keine speziellen gesetzlichen Vorgaben zur Rohstoffauswahl und zum Produktionsprozess der Gelatine-Herstellung existierten, wurde durch das BSE- Geschehen das Augenmerk verstärkt auf dieses Lebensmittel gerichtet, da ein Teil der verwendeten Rohstoffe von Wiederkäuern stammt.

In der Folge des BSE-Geschehens wurde im Jahre 1992 zunächst die Richtlinie 92/118/EWG des Rates über die tierseuchenrechtlichen und gesundheitlichen Bedingungen für den Handel mit Erzeugnissen tierischen Ursprungs in der Gemeinschaft [...] erlassen, und zwar u.a.

aufgrund der erheblichen Risiken der Krankheitsübertragung bei bestimmten Erzeugnissen tierischen Ursprungs. In dieser Richtlinie wird gefordert, dass für diese Erzeugnisse die besonderen Anforderungen für ihre Vermarktung zu Handelszwecken genau anzugeben sind.

In Anhang II, Kapitel 2 wird die Festlegung der gesundheitlichen Bedingungen für „die Zubereitung von für den Verzehr bestimmten Gelatinen“ gefordert.

(37)

Diesem Auftrag folgend wurden die beiden EU-Entscheidungen 1999/724/EG vom 28. Oktober 1999 (Bedingungen für die Herstellung und das Vermarkten von Speisegelatine in der Gemeinschaft) und 2000/20/EG vom 10. Dezember 1999 (Zertifikate für die Einfuhr von Speisegelatine und Ausgangsmaterialien zu deren Herstellung aus Drittländern) erlassen.

Durch diese beiden Entscheidungen erfolgte eine Konkretisierung der Anforderungen an die Rohstoffauswahl, die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Einfuhr von Speisegelatine.

Dies bedeutete eine Ergänzung der bereits für die Herstellung und Vermarktung von Speisegelatine bestehenden allgemeinen Regelungen nach dem Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz.

Beispielsweise ist es nun verboten, Knochen von in Ländern der Kategorie 4 (s.u.) geborenen, aufgezogenen oder geschlachteten Wiederkäuern zu verwenden. Bezüglich des BSE-Risikos werden Länder in die folgenden vier Kategorien eingeteilt:

Kategorie 1: BSE-frei (z.B. Argentinien) Kategorie 2: vorläufig BSE-frei (z.B. USA)

Kategorie 3: geringes BSE-Risiko (z.B. Deutschland) Kategorie 4: hohes BSE-Risiko (z.B. Großbritannien).

Es wird weiterhin vorgeschrieben, dass sämtliches von Wiederkäuern aus Ländern der Kategorie 3 gewonnene Knochenmaterial fein zerkleinert und mit heißem Wasser entfettet werden muss. Dieses Material muss zusätzlich mit verdünnter Salzsäure (Mindest- konzentration 4 %, pH-Wert < 1,5) mindestens 2 Tage lang behandelt, anschließend über einen Zeitraum von mindestens 20 Tagen einer Behandlung mit gesättigter Kalklösung (pH- Wert > 12,5) unterzogen und dann 4 sec bei 138-140 °C sterilisiert werden.

Die Umsetzung dieser EU-Entscheidungen in deutsches Recht ist noch nicht abgeschlossen, es existiert aber bereits ein Entwurf der „Verordnung zur Festlegung lebensmittelrechtlicher Anforderungen an die Herstellung, Behandlung und an das Inverkehrbringen von Speisegelatine und an deren Ausgangserzeugnisse (Speisegelatine-Verordnung)“.

In der Anlage dieser Verordnung wird in Kapitel 1 für das Herstellungsverfahren vorgeschrieben, dass die Ausgangserzeugnisse mit Säure oder Lauge behandelt und anschließend gespült werden müssen. Die Gelatine muss durch ein- oder mehrfaches Erhitzen mit anschließender Reinigung durch Filtration und Sterilisation extrahiert werden.

(38)

In Kapitel 2 wird festgelegt, dass die Ausgangsmaterialien zur Speisegelatine-Herstellung nur von Schlachttieren stammen dürfen, die im Rahmen der Schlachttier- und Fleischuntersuchung für genusstauglich befunden wurden. Durch diese Vorgabe nimmt die Verordnung eine Verbindung zur BSE-Entwicklung auf und stellt sicher, dass nur nach dem Fleischhygienerecht verzehrsfähiges Ausgangsmaterial für die Herstellung von Speisegelatine verwendet werden darf. Die Vorgaben für das Herstellungsverfahren minimieren ein eventuelles Restrisiko, da es durch die vorgeschriebenen Prozessschritte zu einer nahezu vollständigen Inaktivierung des infektiösen Agens kommt.

Das belegen Studien, die u.a. vom Verband der europäischen Gelatinehersteller (Gelatine Manufacturers of Europe (GME)) durchgeführt werden. Unter dem Titel „Evaluation of the inactivation/removal effect of the gelatine manufacturing process on TSE infectivity“ hat der GME im Jahre 1999 eine neue, umfassende Studie an Instituten in den USA, Großbritannien und den Niederlanden initiiert. Sie untersucht erstmalig das komplette Herstellverfahren von Gelatine sowie einzelne, bisher nicht getestete Produktionsphasen. Die Untersuchungen sollen bis Ende 2002 abgeschlossen sein.

Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass die BSE-Infektiosität bei der Herstellung alkalischer Knochengelatine allein durch Entfettung, Mazeration und alkalische Behandlung des Rohstoffes um mindestens das Zehntausendfache reduziert wird. Eine noch stärkere Inaktivierung ist zu erwarten, da für die Reinigungsschritte Filtration, Ionenaustausch und Sterilisation noch keine Ergebnisse vorliegen. Bei der sauren Knochengelatine konnte eine Inaktivierung der BSE-Infektiosität um mehr als das Tausendfache nachgewiesen werden.

Gar keine Infektiosität mehr war nach einer zusätzlichen Kurzbehandlung mit Natronlauge (2 h mit 0,3 N NaOH) nach der Mazeration festzustellen. So behandelte Gelatine konnte man den Versuchstieren direkt ins Gehirn spritzen, ohne dass sie krank wurden. Dabei lag die ursprüngliche infektiöse Dosis bei diesen Versuchen mehr als zehntausend mal höher als die Menge, die real vorkommen kann.

Die bisher vorliegenden Ergebnisse der GME-Studie sollen belegen, dass der Gelatine- Herstellungsprozess insgesamt in der Lage ist, eine möglicherweise über den Rohstoff eingeschleppte Infektiosität komplett zu beseitigen (nach Herrn Dr. Uwe Seybold, Eberbach, persönliche Mitteilung vom 06.09.2001).

(39)

2.2.6 Rechtliche Anforderungen an Speisegelatine

Neben den bereits genannten rechtlichen Anforderungen bezüglich der BSE-Problematik gibt es weitere Vorgaben, die ein Hersteller von Gelatine zu beachten hat.

Grundlage ist die in Kapitel 2.2.5 bereits genannte EU-Entscheidung 1999/724/EG der Kommission vom 28. Oktober 1999 zur Änderung des Anhangs II der Richtlinie 92/118/EWG des Rates über die tierseuchenrechtlichen und gesundheitlichen Bedingungen für den Handel mit Erzeugnissen tierischen Ursprungs in der Gemeinschaft [...]. Sie wurde aufgrund der Notwendigkeit erlassen, besondere Hygienebedingungen für die Zubereitung von Gelatine, die für den Verzehr bestimmt ist, festzulegen.

Mit dieser Entscheidung wurde der Richtlinie 92/118/EWG im Anhang das Kapitel

„Besondere Hygienebedingungen für die Herstellung von Speisegelatine“ hinzugefügt.

Es werden insbesondere zu erfüllende mikrobiologische Kriterien, Rückstandshöchstmengen sowie physikalische Parameter festgelegt, die der folgenden Tabelle zu entnehmen sind.

Tab. 2-2: Gesetzliche Anforderungen an das Enderzeugnis der Gelatineherstellung

1. Mikrobiologische Kriterien

Mikrobiologische Parameter Grenzwert

aerobe Bakterien insgesamt 103/g

Coliforme (30 °C) 0/g

Coliforme (44,5 °C) 0/10g

sulfitreduzierende anaerobe Bakterien (ohne Gaserzeugung) 10/g

Clostridium perfringens 0/g

Staphylococcus aureus 0/g

Salmonellen 0/25g

2. Rückstände

Element Grenzwert

As 1 ppm

Pb 5 ppm

Cd 0,5 ppm

Hg 0,15 ppm

Cr 10 ppm

Element Grenzwert

Cu 30 ppm

Zn 50 ppm

SO2 50 ppm

H2O2 10 ppm

(40)

3. Physikalische Parameter

Parameter Grenzwert

Feuchtigkeit (105 °C) 15 %

Asche (550 °C) 2 %

2.2.7 Laboruntersuchungen

2.2.7.1 Routinemäßig durchgeführte Laboruntersuchungen

Eigenschaften der Gelatine, die bei der industriellen Herstellung routinemäßig überprüft werden, sind im folgenden aufgelistet (nach Herrn Dr. Dieter Schulz, Eberbach, persönliche Mitteilung vom 06.09.2001).

1. Physikalisch-chemische Parameter a) Gelfestigkeit

Eine 6 2/3 %ige Gelatinelösung wird auf 60 °C erhitzt und über Nacht in einem Wasserbad auf 10 °C abgekühlt. Das entstandene Gel wird unter einen Stempel mit 0,5 Zoll Durchmesser gebracht und in einem „texture analyzer“ vermessen. Dabei wird gemessen, wie viel Gewichtskraft notwendig ist, um den Stempel genau 4 mm tief in das Gel einzudrücken. Die Angabe erfolgt in [g] und wird als Bloomzahl bezeichnet.

b) Viskosität

Eine 6 2/3 %ige Gelatinelösung wird auf 60 °C erhitzt und in eine Auslaufpipette eingefüllt.

Es wird gemessen, wie viel Zeit vergeht, bis die Lösung bis zu einer festgelegten Markierung ausgelaufen ist. Die Angabe erfolgt in [mPas].

c) Farbe

Die Transmission einer 6 2/3 %igen erstarrten Gelatinelösung wird im Photometer bei einer Wellenlänge von 450 nm gemessen. Die Angabe erfolgt in [%].

d) Klarheit

Die Transmission einer 6 2/3 %igen erstarrten Gelatinelösung wird im Photometer bei einer Wellenlänge von 620 nm gemessen. Die Angabe erfolgt in [%].

(41)

e) pH-Wert

Mit einem pH-Meter wird der pH-Wert einer 6 2/3 %igen Gelatinelösung bei 60 °C gemessen.

f) Elektrische Leitfähigkeit

Es wird die elektrische Leitfähigkeit einer 1 %igen Gelatinelösung bei 30 °C gemessen. Die Angabe erfolgt in [µS/cm].

g) Geruch

Der Geruch einer 6 2/3 %igen Gelatinelösung wird bei 60 °C von zwei Personen unabhängig voneinander auf Abweichungen von der Norm überprüft. Die Angabe erfolgt nach einem Notensystem mit den Noten 1-6 (1 = geruchsfrei; 6 = starker Fremdgeruch).

h) Nitritgehalt (halbquantitativ)

Eine 6 2/3 %ige Gelatinelösung wird bei 60 °C visuell gegen einen nitrithaltigen Farbstandard verglichen. Die Angabe erfolgt in einem Notensystem mit den Noten 0-3 (0 = ca. 0-3 ppm;

1 = ca. 3-6 ppm; 2 = ca. 6-15 ppm; 3 = ca. 15-30 ppm).

i) Peroxidgehalt (halbquantitativ)

Eine 6 2/3 %ige Gelatinelösung wird bei 60 °C mit Hilfe eines Teststreifens halbquantitativ auf ein Vorhandensein von Peroxid untersucht. Die Angabe erfolgt in [ppm]. Der gesetzlich vorgeschriebene Grenzwert liegt bei 10 ppm.

j) Wassergehalt

Eine Probe Gelatine-Granulat wird gewogen und bei 105 °C für 16 h getrocknet. Der Wassergehalt wird durch Differenzwägung bestimmt. Die Angabe erfolgt in [%]. Der gesetzlich vorgeschriebene Grenzwert liegt bei 15 %.

k) Aschegehalt

Die Probe wird nach Vorveraschung über dem Bunsenbrenner bei 550 °C im Muffelofen verascht. Der Aschegehalt wird durch Differenzwägung bestimmt. Die Angabe erfolgt in [%].

Der gesetzlich vorgeschriebene Grenzwert liegt bei 2 %.

(42)

Grenz- oder Sollwerte für die Punkte a) bis h) sind nicht gesetzlich vorgeschrieben, die Konfektionierung erfolgt hier nach Kundenwunsch. Als Beispiel sind in der folgenden Tabelle die Labordaten einer standardmäßig untersuchten Charge von alkalisch aufgeschlossener Gelatine aufgeführt.

Tab. 2-3: Labordaten einer routinemäßig untersuchten Charge von alkalisch aufgeschlossener Gelatine (nach Herrn Dr. Dieter Schulz, Eberbach, persönliche Mitteilung vom 06.09.2001)

Bezeichnung Ist-Wert Soll-Wert

Gelfestigkeit [g Bloom] 286 240 - 400

Viskosität [mPas] 5,35 4,38 - 7,17

Farbe [%] 92,43 keine Angabe

Klarheit [%] 99,45 93,00 - 99,90

pH-Wert 6,31 5,90 - 6,50

Leitfähigkeit [µS/cm] 119 80 - 150

Geruch [Noten 1- 6] 3 1 - 4

Nitrit halbquant. [Noten 0 - 3] 0 0 - 1

2. Mikrobiologische Parameter

Standardmäßig wird jede Charge vor und nach der Konfektionierung auf alle gesetzlich vorgeschriebenen mikrobiologischen Parameter (vgl. Tab. 2-2) untersucht. Für den Fall eines positiven Befundes wird die Untersuchung zunächst wiederholt, bei wiederholt positivem Befund wird die Gelatine in Wasser aufgelöst und erneut sterilisiert.

3. Rückstandsanalytik

Die gesetzlich vorgeschriebenen Untersuchungen auf bestimmte Metalle und Schwermetalle (vgl. Tab. 2-2) werden mit der Atomabsorptionsspektralphotometrie (AAS) bzw. mit der Atomemissionsspektralphotometrie (AES) durchgeführt.

(43)

2.2.7.2 Weitere Laboruntersuchungen

Stichprobenartig oder auf speziellen Kundenwunsch werden folgende Parameter untersucht:

1. Physikalisch-chemische Parameter

Fettgehalt Eiweißgehalt

Gehalt an Hydroxyprolin Calciumgehalt

Phosphatgehalt u. a.

2. Rückstandsanalytik

DDT (Dichlor-diphenyl-trichloräthan) Aflatoxine

Aldrin, Dieldrin Tetracycline

Hexachlorcyclohexane Sulfonamide

PCB (polychlorierte Biphenyle) Schwefeldioxid u. a.

2.3 Folgerungen aus der Literatur und daraus resultierende Zielsetzung für die eigenen Untersuchungen

Statistiken zeigen, dass Tetracycline die am meisten in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung eingesetzten Antibiotika sind. Es ist weiterhin bekannt, dass sich Tetracycline bevorzugt im Knochen ablagern, wo sie für lange Zeit persistieren. Folglich stellt ein negativer Befund bezüglich knochengebundener Tetracyclin-Rückstände insbesondere bei Schlachttierkörpern von Schweinen eher die Ausnahme dar, was durch verschiedene Untersuchungen bestätigt wurde.

Zur großtechnischen Herstellung von Gelatine werden neben Schweineschwarten, Rinderhäuten und Rinderknochen in nicht unerheblichem Maße Schweineknochen verwendet.

Es stellt sich die Frage, ob sich die im Knochen gebundenen Tetracyclin-Rückstände eventuell im Lebensmittel Gelatine wiederfinden.

Bisher liegen keine veröffentlichten Daten zur Kontamination von Gelatine mit Tetracyclinen vor.

(44)

Ziel der eigenen Untersuchungen ist, die einzelnen Produktionsschritte der Gelatine- Herstellung auf ihre Eignung zu untersuchen, die Tetracyclin-Rückstände im Ausgangsmaterial zu eliminieren bzw. zu reduzieren. Dazu sollen die verschiedenen Aufschlussverfahren zur Herstellung von Gelatine aus Knochen imitiert und nach jeder Produktionsphase Proben auf den Gehalt an Tetracyclinen untersucht werden.

Zusätzlich werden Eigenkontrollproben der industriellen Herstellung sowie Handelsproben aus dem Lebensmittel- und Arzneimittelbereich rückstandsanalytisch untersucht. Dazu ist es nötig, zunächst ein geeignetes Nachweisverfahren für Tetracyclin-Rückstände in Gelatine bzw. gelatinehaltigen Produkten zu entwickeln.

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