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Archiv "Flüchtlinge in Kroatien: Hilfsprojekte geben neue Hoffnung" (29.07.1994)

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THEMEN DER ZEIT BLICK INS AUSLAND

Flüchtlinge in Kroatien

Hilfspr.ojekte geben neue Hoffnung

In Kroatien leben zur Zeit rund 500000 Flüchtlinge und Vertriebene. Die Krankenhäuser, die ohnehin unter der schlechten Finanzlage im Bereich des Gesundheitswesens leiden, stehen durch die wachsenden Flüchtlingsströme kurz vor dem Ruin. Die Lager, in denen die Menschen

schon mehrere Jahre wohnen, sind meistens provisorisch eingerichtete Baracken und Kasernen. Nach drei Jahren Krieg schwindet die Chance auf einen baldigen Frieden im ehemaligen Jugoslawien und damit auf eine Rückkehr der vertriebenen Menschen in ihre Heimat.

Z

ögernd berichtet die 34jährige Jella ihre Lebensgeschichte.

Vor zwei Jahren ist sie aus Pri- jedor nach Split geflüchtet. Am 1. Ja- nuar 1993 kam sie von dort ins Flüchtlingslager Resnik nach Zagreb.

Dort lebten rund 5 000 Menschen ohne jede Waschmöglichkeit. Jetzt wohnt Jella mit ihren beiden Söhnen in der sogenannten Alten Soldaten- ambulanz, einem Flüchtlingslager in Varazdin, 80 Kilometer von Zagreb entfernt.

Vergewaltigte Frauen Dort arbeitet sie mit mehreren anderen Frauen in einer Nähstube.

"Sie sind alle vergewaltigt worden und haben ein furchtbares Schicksal hinter sich", sagt Katharina Grieb, Schatzmeisterin der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (lGFM) und Vorsitzende der öster- reichischen Sektion. Wie die meisten anderen Frauen spricht J ella nicht über ihre Vergewaltigung. Sie will auch nicht wahrhaben, daß sie ihren Ehemann nicht mehr wiedersehen wird. "Wir wissen definitiv, daß er von den Serben ermordet wurde. Es bringt jedoch niemand fertig, ihr die Wahrheit zu sagen", berichtet Kafha- rina Grieb. Durch das Nähstuben- projekt hätten die Frauen jedoch wieder neue Hoffnung geschöpft.

Die österreichische IGFM- Vor- sitzende kommt regelmäßig nach Va- razdin und verteilt die in Deutsch-

manitäre Hilfe. Die Menschenrechts- organisation geht davon aus, daß sich das Projekt in rund einem Jahr tra- gen wird. Bis dahin kommt die IGFM für Miete, Strom und Stoffe auf. Die Frauen haben außerdem moderne Nähmaschinen zur Verfügung ge- stellt bekommen und erhalten ein kleines Gehalt.

Stoffe und Schnittmuster kön- nen an die deutsche Sektion in Frankfurt oder an die österreichische Selktion der Internationalen Gesell- schaft für Menschenrechte (Untere Augartenstraße 21, A-1020 Wien) ge- schickt werden. Von dort erhält man zu günstigen Preisen nach etwa vier Wochen die Kleidungsstücke zurück.

Unter Jellas Anleitung haben die

land und Österreich gesammelte hu- Die Nähstube in der "Alten Soldatenambulanz"

A-2034 (30) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 30, 29. Juli L994

Frauen schnell gelernt; ihre Produk- te sind jetzt schon perfekt.

Für die psychologische Betreu- ung der vergewaltigten Frauen ist Prof. Dr. Narzisa Seraljic, Psychiate- rin und Psychotherapeutin an der Universitätsklinik Zagreb, zuständig.

Sie fährt seit rund zwei Jahren regel- mäßig in verschiedene Flüchtlingsla- ger, um traumatisierte Menschen zu therapieren. Die meisten Frauen re- deten nicht über das, was ihnen ange- tan worden sei, berichtet die Psychia- terin. Sie kämen mit körperlichen Beschwerden wie Atemproblemen und Alpträumen und müßten durch Gespräche ganz behutsam dazu ge- bracht werden, daß sie sich öffnen.

"Erst wenn sie die Fähigkeit erlangt

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Das zweite Flüchtlingslager in Varazdin

THEMEN DER ZEIT

haben, über ihre Probleme zu spre- chen, lernen sie, auch ihr Leben wie- der in die Hand zu nehmen", sagt Narzisa Seraljic.

Flüchtlingslager

Das Flüchtlingslager, in dem Jel- la und die anderen Frauen leben, ist nicht repräsentativ. Schon von außen macht das Haus, in dem 86 Men- schen wohnen, einen durchaus an- sprechenden Eindruck. Es gibt pro Familie ein Zimmer; etwa drei Fami- lien teilen sich ein Badezimmer.

Ganz anders wirkt da schon das zwei- te Lager in Varazdin, in dem rund 800 Flüchtlinge untergebracht sind.

Rund 20 Frauen, Männer und Kin- der leben dort in den Schlafsälen auf engstem Raum. Ihre wenigen Habse- ligkeiten haben sie meistens in einem Karton unter dem Bett verstaut, die Kleider hängen an einem Nagel über dem Bett. Mehrere Männer sitzen an einem kleinen Tisch, lesen Zeitung und werfen ab und zu einen Blick auf den Fernseher. Ein junges Mädchen bereitet Palatschinken zu. Einige Frauen liegen scheinbar apathisch auf ihren Betten. „So leben die Men- schen schon seit zwei Jahren. Ohne Hoffnung auf eine baldige Ände- rung", sagt Katharina Grieb.

Nach Informationen des kroati- schen Regierungsbüros für Flüchtlin- ge und Vertriebene leben in Kroa- tien zur Zeit 517 707 muslimische und kroatische Flüchtlinge und Ver- triebene (Stand: 27. April). Fast die Hälfte, nämlich 247 119 Flüchtlinge, stammen aus den serbisch besetzten Gebieten des Landes, bei diesen Vertriebenen handelt es sich vorwie- gend um Kroaten. 270 589 Flüchtlin- ge stammen aus Bosnien-Herzegowi- na und sind vorwiegend muslimischer Herkunft. Die meisten Flüchtlinge sind in Ostslawonien und in Kroatien in der Nähe der bosnischen Grenze sowie in Split und Zagreb unterge- bracht.

Die weiter zunehmenden Flüchtlingsströme in Kroatien wirken sich auch auf die Situation der Kran- kenhäuser aus, die bereits vor dem Krieg unter der schlechten Finanzla- ge des Gesundheitswesens litten. Das frühere Jugoslawien hatte nach In-

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formationen des GSF-Forschungs- zentrums für Umwelt und Gesund- heit, Oberschleißheim, ein Kranken- versicherungssystem, das über Bei- träge der Arbeitnehmer finanziert und von Delegiertenversammlungen der Arbeitnehmer und Vertretern der Gesundheitseinrichtungen ver- waltet wurde. Grujica Zarkovic vom GSF bezeichnet dieses System, das im wesentlichen auch heute noch in Kroatien Bestand hat, als eine Mi- schung aus „Mißmanagement und Anarchie". Die Dezentralisierung des Gesundheitssystems habe bei- spielsweise zu großen Ungleichge- wichten in der Versorgung der Bevöl- kerung geführt.

Frauenklinik

„Petrova"

In die Frauenklinik „Petrova" in Zagreb kommen Flüchtlingsfrauen aus mehreren Lagern. Betreut wer- den dort unter anderem auch schwangere, vergewaltigte Frauen.

„Eine junge Kroatin mußte mitanse- hen, wie ihr Vater von Tschetniks er- mordet wurde, sie selbst wurde sechsmal vergewaltigt", berichtet Prof. Dr. med. Veselco Grizelj, Lei- ter der Frauenklinik

Dr. Grizelj berichtet von den Versorgungsmängeln „seiner" Klinik.

Aus Geldmangel mußte bereits eine Station mit 82 Betten geschlossen werden. Und es fehlt an fast allem.

Für die Frühgeborenen stehen bei weitem nicht genügend Inkubatoren zur Verfügung. Außerdem gibt es zur Zeit keine Windeln mehr. Deshalb haben die Mitarbeiter die Babys in alte Leinentücher gewickelt, die je- doch die empfindliche Haut der

„Frühchen" reizt und blutig scheuert.

Medikamente fehlen an allen Ecken und Enden, besonders eklatant ist auch der Mangel an chirurgischem Nahtmaterial. Von Spendengeldern kaufen die Klinikangestellten unter anderem Monatshygiene, Wehen- schreiber-Papier und Waschpulver.

Ärzte und Krankenschwestern erhalten nur noch 70 Prozent ihres Gehaltes. Dabei entsprächen die Preise denjenigen in Österreich oder Deutschland, Lebensmittel seien so- gar noch teurer. Da könne man von 250 DM (Krankenschwestern) oder 400 DM (Ärzte) Monatseinkommen keine große Sprünge machen, stellte Grizelj fest. Der Arzt bittet darum,

„im Namen der Frauen und Säuglin- ge mit der Unterstützung unserer Ar- beit fortzufahren".

II> Weitere Informationen: In- ternationale Gesellschaft für Men- schenrechte — Deutsche Sektion e.V.

—, Kaiserstraße 72, 60329 Frankfurt, Tel 0 69/23 69 71, Fax 23 41 00.

Bankverbindung: Taunus-Sparkasse Bad Homburg v.d.H., Konto 23 000 881, BLZ 512 500 00. Kenn- wort: „Nähstube Bosnien" oder „Kli- nik Petrova". Gisela Klinkhammer Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 30, 29. Juli 1994 (31) A-2035

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