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Archiv "Die Bedeutung der Allgemeinmedizin in der ärztlichen Versorgung: Aufgaben der Zukunft aus der Sicht der „Deutschen Akademie der Fachärzte"" (04.06.1981)

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hohem Niveau auf seine spätere Tätigkeit vorzubereiten. Wer sein Medizinstudium mit dem Ideal, lei- denden Menschen zu helfen, auf- genommen hat, dem wird eine Weiterbildung nach der Approba- tion eine Selbstverständlichkeit sein.

Die in Brot und Arbeit stehenden Ärzte sollen ihrerseits alle Mög- lichkeiten ausschöpfen, diesen jungen Kollegen eine gute Weiter- bildung zu ermöglichen. Individu- elle Patenschaften und Partner- schaften, Zusammenarbeit zwi- schen jung und alt sollen mithel- fen, die anstehenden Probleme zu lösen.

Ich hoffe, es ist mir gelungen, Ih- nen klarzumachen, daß der Arzt der Primärversorgung mit seinem vielfältigen Aufgabengebiet nicht im Rahmen der Ausbildung her- anreifen kann, sondern dafür ei- ner Weiterbildung nach seinem Staatsexamen bedarf.

Keinesfalls dürfen wir die Dinge einfach weitertreiben lassen, die Entwicklung sich selbst überlas- sen. Wir dürfen nicht einerseits bei jeder Gelegenheit die Notwendig- keit einer qualifizierten allgemein- ärztlichen Versorgung betonen, aber andererseits untätig zusehen, wie die Zahl der Fachärzte immer mehr zu-, die der qualifizierten All- gemeinärzte immer mehr ab- nimmt. Wir dürfen dies vor allem deshalb nicht, weil jede Entwick- lung ihre Konsequenzen hat, auch ihre politischen Konsequenzen!

Das heißt, wir dürfen die Frage der Allgemeinmedizin nicht unbeant- wortet lassen, wenn wir die erfor- derlichen Entscheidungen selbst in der Hand behalten und nicht einen weiteren Teil der notwen- digen Regelungen im Bereich der gesundheitlichen Versorgung dem Gesetzgeber anheimfallen lassen wollen.

Wir Allgemeinärzte wünschen uns, daß die Ärzteschaft und wir als ein Teil dieser Ärzteschaft unser Haus auch nach diesem Ärztetag selbst bestellen können. ❑

Wer die Frage der Allgemeinmedi- zin vom Standpunkt der Fachge- bietsmedizin betrachten soll und seit Norderney und Westerland die von so zahlreichen Persönlichkei- ten getragene Politik sowie deren Motivationen kennt, ist sich der Verantwortung bewußt, über die eigene Position hinaus, die Inter- essen der Gesamtärzteschaft zu wahren. Bei allem Verständnis da- für, daß jede Gruppierung inner- halb der Ärzteschaft zunächst ihre eigenen Interessen vertritt, sollte im Ergebnis die Sorge um die Ein- heit des ärztlichen Berufes in er- ster Linie in Deutschland, aber auch in Europa im Vordergrund stehen. Deshalb wird dieses Refe-

rat auch vorwiegend berufspoliti- sche Aspekte des Themas anspre- chen, zumal ich nicht an der inner- und außerärztlichen Diskussion der letzten Tage vorbei kann.

Dieser ersten grundsätzlichen Feststellung möchte ich noch eine weitere anschließen, bevor ich zu den eigentlichen Sachfragen Stel- lung nehme. Dabei möchte ich vorausschicken, daß es das Bemü- hen aller Ärzte ist, unbeschadet der unterschiedlichen Tätigkeit ei- ne qualifizierte, gesundheitliche Versorgung unserer Bevölkerung zu gewährleisten.

Dies muß vor der Öffentlichkeit mit aller Deutlichkeit und allem Nach- druck ausgesprochen werden, um klarzumachen, daß die Diskussion um die Allgemeinmedizin auf die- sem Ärztetag — mag sie noch so

kontrovers geführt werden — im- mer auf dieser gemeinsamen Ba- sis erfolgen wird. Die Ursache der gesamten Problematik liegt je- doch weniger bei den Ärzten selbst als vielmehr in der vom Staat zu verantwortenden unzurei- chenden ärztlichen Ausbildung.

Die hohen Studentenzahlen stel- len den Staat vor die nicht mehr lösbare Aufgabe, eine sachge- rechte Ausbildung zum Arzt zu ge- währleisten. Die Ausbildung geht jedoch der vom Berufsstand zu re- gelnden Weiter- und Fortbildung voraus. Schwächstes Glied in der Kette Aus-, Weiter- und Fortbil- dung ist daher die ungenügende Ausbildung, somit Ursache der in- ner- und außerärztlichen Diskus- sion um die Qualifikation zukünfti- ger Ärzte, auch der Allgemein- ärzte.

Ich muß mit Bedauern feststellen, daß bisher dem Berufsstand zu wenig Mitsprache bei der Ausbil- dung der Medizinstudenten im Hinblick auf die kurrikuläre Ausge- staltung eingeräumt worden ist.

Die Berufsvertretung hat daher versucht, Fehler und Mängel der Ausbildung durch eine beispiel- hafte Weiterbildungsordnung und Gestaltung der Fortbildung aufzu- fangen, um einen für die Praxis stets gerüsteten Kollegen unseren Bürgern, unseren Patienten anzu- bieten.

Mit Nachdruck muß dem Versuch einiger weniger entgegenwirkt werden, die ihre Vorstellungen Die Bedeutung der Allgemeinmedizin in der ärztlichen Versorgung

Aufgaben der Zukunft aus der Sicht der „Deutschen Akademie der Fachärzte"

Dr. Wolfgang Bechtoldt,

Vorsitzender der „Deutschen Akademie der Fachärzte"

1170 Heft 23 vom 4. Juni 1981 DEUTSCHES ARZTEBL ATT

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Die Information:

Bericht und Meinung

Dr. Bechtoldt: Allgemeinmedizin / Gebietsärzte

vom Allgemeinarzt zu einer dem System der deutschen Weiterbil- dung entgegenstehenden obliga- ten Voraussetzung für die Tätig- keit in freier Praxis machen wol- len. Diese Gruppe argumentiert mit dem Menetekel, daß andere sich dieses Problems annehmen, wenn es der Ärzteschaft nicht ge- lingt, ihre Vorstellungen über den Allgemeinarzt zu realisieren.

Ihnen muß ich warnend im Interes- se der Allgemeinmedizin, im Inter- esse einer guten ärztlichen Ver- sorgung, im Interesse einer ver- tretbaren Mehrbelastung unserer jungen Kollegen, vor allem aber auch im Interesse einer verbesser- ten Ausbildung folgendes entgeg- nen: diejenigen, die glauben, Ma- ximalforderungen stellen zu müs- sen, sollten bedenken, daß sie da- mit auch Koalitionen gegen sich provozieren können, die letztlich den wohlverstandenen Interessen der Allgemeinmedizin schaden.

Dies kann und darf nicht Ergebnis dieses Ärztetages sein.

Sonderrechte für die Allgemein- medizin — ob Erbhof, wie die ei- nen, oder Minderheitenschutz, wie die anderen meinen — gehen letzt- lich zu Lasten der gesamtärztli- chen Versorgung und des Anse- hens unseres Berufes.

Wer sich unter diesen Prämissen von seiten der Fachgebietsmedi- zin mit dem Thema „Allgemeinme- dizin" befassen muß, kann nicht umhin, auch Grundsätzliches zur Bildungspolitik im allgemeinen und zur Ausbildung des Medizin- studenten im besonderen zu sagen.

Verfehlte Bildungspolitik

Die derzeitigen Mängel der ärztli- chen Ausbildung sind in erster Li- nie den großen Nachwuchszahlen der Medizinstudierenden zuzu- schreiben. Die Bildungspolitik der vergangenen Jahre hat unter dem Motto des Bildungsnotstandes und der Chancengleichheit eine Akademikerflut bewirkt. Zudem ist

bei den jungen Menschen eine Er- wartungshaltung erzeugt worden, die häufig enttäuscht werden muß.

Ich versage es mir, in diesem Zu- sammenhang auf das Schlagwort von der Chancengleichheit einzu- gehen. Wir alle wissen um die Fragwürdigkeit dieses Begriffes im Bildungswesen. Nur am Rande sei auf den Zynismus hingewie- sen, der doch darin liegt, daß man erst junge Menschen mit dieser Argumentation in eine zehn- und noch mehrjährige Ausbildung ge- lockt hat, um ihnen, wie jetzt allge- mein von Politikern zu hören ist, zu bescheinigen, daß dies jedoch keine Garantie für einen Arbeits- platz im erlernten Beruf sei. Wer wundert sich dann noch über Staatsverdrossenheit und Opposi- tion unserer Jugend.

Doch zurück zu unserem Problem in der Medizin. Die hohen Nach- wuchszahlen haben dazu beige- tragen, daß das Ziel der Approba- tionsordnung von 1970, die Heran- bildung von eigenverantwortlich tätigen jungen Ärzten, nicht er- reicht wird.

Aus der Vielzahl von Äußerungen anerkannter Sachverständiger und Organisationen wie der Ar- beitsgemeinschaft der Wissen- schaftlichen-Medizinischen Fach- gesellschaften, dem Internisten- kongreß sowie Einzelstellungnah- men von Persönlichkeiten wie Bochnik, Hövels, Lasch, um nur einige aus dem mir bekannteren hessischen Bereich zu nennen, will ich einige Stellungnahmen zi- tieren, weil wie gesagt, ohne diese Prämissen das Thema „Allgemein- medizin" nicht diskutiert werden kann.

So schreibt Bochnik unter der Überschrift „Massenstudium ge- fährdet Patienten von morgen":

„Der Mißerfolg der Studienreform hat mehrere Ursachen:

3 Massenstudium

C) Änderung des Lern- und Lehr- verhaltens durch die neuen Prü- fungen

®

Praxisferne infolge relativen Patientenmangels."

Ich will anknüpfen an die Feststel- lung, daß bei den derzeitigen Stu- dentenzahlen die Heranbildung von eigenverantwortlich tätigen Ärzten mit Erhalt der Approba- tionsurkunde nicht erreicht wer- den kann.

Wie bereits angedeutet, muß zur Sicherstellung der Qualität der ärztlichen Versorgung in der Bun- desrepublik Deutschland bisher eine Korrektur der Ausbildung während des Studiums in der dar- auffolgenden Phase der Berufser- fahrung bzw. Weiterbildung durch den Berufsstand selbst erfolgen, obwohl doch am Ende einer Aus- bildung wie in den meisten Beru- fen eine selbständige Tätigkeit steht.

Medizinstudium

mit Spezialwissen überfrachtet Im Klartext heißt das: Die derzeiti- ge Ausbildung zum Arzt vermittelt zu viel theoretisches Faktenwis- sen; die Lernzielkataloge lassen die Vermittlung des wesentlichen Grundlagenwissens vermissen.

Das Medizinstudium ist überfüllt mit Spezialwissen, das erst nach Abschluß der Ausbildung in der Weiterbildung zum Spezialisten vermittelt werden sollte.

Das Gewicht der Famulatur in den ersten klinischen Semestern — hier stimmen wir mit der Akademie für Allgemeinmedizin voll überein —

muß noch stärker zum Ausdruck kommen. Gerade in dieser Zeit sollte eine Identifikation mit dem zukünftigen Beruf stattfinden.

Welche Bedeutung der Famulatur gerade in der ärztlichen Praxis zu- kommt, brauche ich nicht zu be- tonen.

Da der Student während des Me- dizinstudiums nicht die Fähigkeit, Zusammenhänge zu erfassen, er- lernt, ist auch das Praktische Jahr zur Einübung von praktischen Fä- 1172 Heft 23 vom 4. Juni 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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higkeiten unwirksam, zumal an seinem Ende noch einmal Prüfun- gen stehen, auf die es sich vorzu- bereiten gilt. Deshalb wird für die Wiedereinführung einer Medizi- nalassistentenzeit im Anschluß an ein fünfjähriges Studium plädiert, in dem ausschließlich die Grundla- genfächer Innere Medizin und Chirurgie Berücksichtigung fin- den sollen.

Nach der Medizinalassistentenzeit und damit am Schluß der Ausbil- dung muß eine gründliche prakti- sche Prüfung durch die Universi- tät erfolgen.

Die Akademie der Fachärzte hat zusammenfassend zu dieser Grundvoraussetzung für eine sachgerechte Diskussion des The- mas Allgemeinmedizin folgende Forderungen erhoben:

Der Zugang zum Medizinstudium sollte nicht nur ständig diskutiert, sondern endlich sinnvoller gere- gelt werden. Meiner Meinung nach sollte er weitgehend liberal gestaltet werden, wie dies in ande- ren EG-Ländern der Fall ist. Eine Selektion sollte sodann in dem er- sten oder den ersten beiden Jah- ren des Studiums durch ein funk- tionierendes Prüfsystem erfolgen und nicht durch die Zufälligkeiten und Unwägbarkeiten des derzei- tigen Ausleseverfahrens mit ei- ner zweifelhaften Vergleichbarkeit nicht mehr kontrollierbarer Schul- systeme.

Der akademische Nachwuchs soll- te während des Studiums auch ei- ne Erziehung zu einer verantwor- tungsbewußten ärztlichen Haltung erlangen. Die Vorbildfunktion des Lehrers wird als besonders prä- gend angesehen.

Auch das Literaturstudium zur Er- gänzung der Vorlesungen und praktischen Übungen ist für den Studenten von besonderem Wert.

Gerade im Medizinstudium sollte es Lehrer geben, die die Grundla- genfächer vollständig vermitteln.

Spezialisierung ist erforderlich

Wolfgang Bechtoldt

aus Gründen der Forschung und aus Gründen der klinischen Not- wendigkeiten. Dennoch muß dem Studenten eine Gesamtschau ver- mittelt werden; Die Subspezialisie- rung der einzelnen Fächer sollte nicht auf die Lehre durch- schlagen.

Die Prüfungen sollten ihre ur- sprüngliche Funktion wieder zu- rückerhalten.

Forderung

für die Studienreform

Damit fordert die Akademie der Fachärzte die folgenden in ihrem Plenum verabschiedeten Thesen:

> Wiedereinführung der großen Hauptvorlesung zur Vermittlung von Zusammenhängen

I> Andere Gewichtung und Glie- derung des Lernstoffes während des Medizinstudiums, insbeson- dere des Allgemeinärztlichen durch entsprechende Institute

> Erweiterung der Famulatur, vor allem auch bei Haus-, d. h. Allge- meinmedizin

> Engere Verzahnung von Klinik und Vorklinik

> Änderung der Prüfungsmodali- täten mit verstärkter Ausrichtung auf spätere Berufsausübung

> Wiedereinführung einer Medi- zinalassistentenzeit vor Erteilung der Approbation.

Dies alles kann jedoch nur helfen unter der — immer zu wiederholen- den — Prämisse einer Reduzierung der Zahl der Medizinstudenten, unter Liberalisierung des Zugan- ges und berufsspezifischer Selek- tion, die wir für humaner halten, als am Ende einer akademischen Ausbildung zynisch festzustellen, daß keine Arbeitsplätze vorhanden sind und daß das in der gesamten Bildungspolitik leider inzwischen eingedrungene Prinzip falscher Auslese perpetuiert wird.

Unter diesen Mindestvorausset- zungen für die dringend notwendi- ge Abänderung der jetzigen Aus- bildungs- und Prüfungsordnung hat die Akademie der Fachärzte nach Diskussionen im Vorstand und mit dem Plenum zu dem Ent- wurf einer Entschließung der Deutschen Akademie für Allge- meinmedizin Stellung genommen und in der Plenarsitzung vom 28.

März 1981 in Anwesenheit des Vorsitzenden der Deutschen Aka- demie für Allgemeinmedizin, Herrn Kollegen Klotz, folgendes beschlossen:

Um Grundsatzdiskussionen zum Aufgabengebiet für Allgemeinme- dizin hier und heute zu vermeiden, wurde von der Akademie der Fachärzte vorgeschlagen, die Präambel auf der Seite 1 des Ent- wurfes der Deutschen Akademie für Allgemeinmedizin vom 25.

März 1981 zu kürzen und auf die Definition der Allgemeinmedizin in der Weiterbildungsordnung zu verweisen.

Diesem Vorschlag der Akademie ist in der Ihnen vorgelegten Fas- sung der Entschließung Rech- nung getragen, was wir sehr be- grüßen.

Wir hoffen, daß damit erneute Dis- kussionen über die Definition des Begriffes der Allgemeinmedizin vermieden werden. Insbesondere sollte die Diskussion von Norder- DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 23 vom 4. Juni 1981 1173

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Die Information:

Bericht und Meinung Dr. Bechtoldt: Allgemeinmedizin / Gebietsärzte

ney und Westerland nicht wieder aufgegriffen werden.

Entschieden unterstrichen wird von der Akademie der Fachärzte die Notwendigkeit der Institutiona- lisierung der Allgemeinmedizin an den Hochschulen.

Dabei muß die zur Übermittlung von Kenntnissen fachspezifische Form der unmittelbaren Praxisnä- he von Studenten und Lehrern oberste Maxime bleiben.

Als problematisch wurde die Ein- engung der Weiterbildungser- mächtigung auf die Weiterbildung einer begrenzten Zahl von Kolle- gen für leitende Ärzte angesehen.

Hier muß darauf hingewiesen wer- den, daß dazu eine Änderung der Kammergesetze erforderlich ist.

Die Akademie der Fachärzte be- grüßt es, daß auch in diesem Punkte ihren Bedenken durch Änderung der Beschlußvorlage Rechnung getragen wurde. Sie ist der Meinung, daß leichter durch- führbare strukturelle Änderungen in den Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung ein besseres Instrumentarium sind, Kollegen für die Allgemeinmedizin zu interessieren und weiterzu- bilden.

Weiterbildungsproblematik nicht mit Gebührenregelungen verquicken

Nach Auffassung der Akademie sollten Gesichtspunkte der Ge- bührenregelung nicht in eine Ent- schließungsvorlage zu grundsätz- lichen Fragen der Allgemeinmedi- zin Eingang finden, da die Gefahr einer bewußten Falschauslegung besteht, die der Sache mehr scha- det als dient. Eine Entschließung zur Allgemeinmedizin sollte sich auf die strukturellen Probleme der Integration der Allgemeinmedizin in der Ausbildung, der Weiterbil- dung zum Allgemeinarzt, d. h. der inhaltlichen Ausgestaltung des Weiterbildungsganges, der Ge- währleistung ausreichender Wei-

terbildungsmöglichkeiten und der Motivation des ärztlichen Nach- wuchses zur Wahl dieses Wei- terbildungsganges konzentrie- ren.

Finanzielle Förderungen sollten in einem solchen Papier nach Auf- fassung der Akademie nicht erho- ben werden, da sie von den eigent- lichen Problemen der Weiterbil- dung zum Allgemeinarzt ablen- ken. Die finanzielle Höherbewer- tung der Grundleistungen, wie sie in diesem Papier gefordert wird, ist jedenfalls keine Maßnahme, welche zur Weiterbildung zum All- gemeinarzt motiviert, da, wie wir alle wissen, diese erhöhten Ge- bühren auch von nicht weiterge- bildeten Ärzten abgerechnet wer- den können.

Zweijährige Vorbereitungszeit als Übergangslösung ...

Mit Aufmerksamkeit ist in der Aka- demie der Fachärzte vermerkt worden, daß eine Reglementie- rung des Zuganges zum jeweili- gen Gebiet nicht vorgesehen ist, wie es einige nach holländischem Muster gefordert hatten; d. h. daß auch — wie bereits heute prakti- ziert — der Patient im Rahmen der freien Arztwahl seinen Hausarzt aus Ärzten anderer Gebiete eben- falls wählen kann.

Ansonsten werden die Thesen, die sich mit der Frage der Weiterbil- dung für Allgemeinmedizin auf freiwilliger Basis befassen, von der Akademie der Fachärzte ak- zeptiert und unterstrichen. Dabei möchte ich mit Herrn Bösche un- terstreichen: Dem System der Wei- terbildung ist die Freiwilligkeit im- manent.

Unabhängig davon ist aber die Frage der Vorbereitungszeit für die Zulassung zur kassenärztli- chen Versorgung zu sehen. Junge Ärzte waren stets bemüht, nach Abschluß ihrer Ausbildung an der Universität möglichst umfangrei- che Berufserfahrungen zu erwer- ben. Dies war in der wünschens-

werten Symbiose zwischen dieser Absicht und der Notwendigkeit ei- ner ausreichenden Zahl von Ärz- ten zur Versorgung der stationä- ren Patienten gegeben.

Bei der steigenden Zahl von Stu- dienabgängern in der Humanme- dizin wird es jedoch einer zuneh- menden Zahl von jungen Kollegen bald nicht mehr möglich sein, ei- nen Arbeitsplatz im Krankenhaus zu finden. Damit wird aber die Möglichkeit, Berufserfahrung vor der Niederlassung in eigener Pra- xis zu erwerben, ernsthaft gefähr- det. Diese bedenkliche Entwick- lung kann auch nicht dadurch auf- gehalten werden, daß eine abge- schlossene Weiterbildung vor Nie- derlassung oder Kassenzulassung obligat wird.

Die Sicherstellung eines hohen Standards der ambulanten ärztli- chen Versorgung hat deshalb auch zur Voraussetzung, daß alle Maßnahmen zur Normalisierung der Nachwuchszahlen in der Hu- manmedizin ergriffen werden. Die jungen Kollegen werden dann oh-

ne jeden Zwang ihren beruflichen Lebensweg mit einer mehrjähri- gen Krankenhaustätigkeit begin- nen und verbinden können.

Unter diesem Gesichtspunkt wird auch seitens der Deutschen Aka- demie der Fachärzte die vorgese- hene zweijährige Vorbereitungs- zeit für die Zulassung zur kassen- ärztlichen Versorgung als Über- gangslösung befürwortet, wenn sie keine curriculäre Ausgestal- tung erfährt. Dies entspricht den Forderungen der Deutschen Aka- demie für Allgemeinmedizin, die lediglich eine grobe Strukturie- rung in ein Jahr im Krankenhaus im Stationsdienst und mindestens ein halbes Jahr beim zugelasse- nen Arzt empfiehlt.

Wunsch nach einer Medizinalassistentenzeit

Nach Auffassung der Akademie der Fachärzte ist einer Lösung in- nerhalb der Ausbildung zum Arzt DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 23 vom 4. Juni 1981 1175

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der Vorzug zu geben. Wie bereits eingangs dieses Referates er- wähnt, sollte der Wiedereinfüh- rung einer Medizinalassistenten- zeit nach dem 5. Jahr des Medizin- studiums von einem bis zwei Jah- ren - hier war die Meinung nicht einheitlich - der Vorrang einge- räumt werden. Da eine solche Re- form Zeit in Anspruch nehmen wird, wird die zweijährige Vorbe- reitungszeit- und ich betone dies noch einmal - als Übergangslö- sung bis zur alsbald notwendigen Änderung der Approbationsord- nung befürwortet.

Wert legt die Akademie der Fach- ärzte auf die Feststellung, daß die

Ausbildung zum Arzt und die Wei-

terbildung zum Arzt für Allgemein- medizin im Interesse des Berufs- standes getrennt bleiben müssen, weil sonst gravierende Rück- schlüsse auf die Weiterbildung in allen anderen Gebieten zu be- fürchten sind, die weder von den wissenschaftlichen Fachgesell- schaften noch von den Berufsver- bänden, wie sie gemeinsam in der Akademie der Fachärzte ver- treten sind, als Preis für eine sol- che Regelung in der Allgemein- medizin hingenommen werden können.

Ich betone dies am Ende meines Referates, weil es Kollegen gibt, die darauf zu bauen scheinen, daß auf EG-Ebene ein Konzept in der Diskussion ist, wonach die EG- Mitgliedsstaaten bis 1985 ver- pflichtet werden sollen, die Arzt- bezeichnung "Allgemeinmedizin"

als gegenseitig anerkennungsfähi- ges Diplom auf der Basis einer mindestens zweijährigen Weiter- bildung einzuführen. Ab 1. Januar 1987 soll dieses Diplom nur noch den Ärzten verliehen werden, die mindestens die zweijährige vorge- schriebene Weiterbildung abgelei- stet haben.

C> Wer glaubt, daraus ableiten zu

können, daß dies für die Niederlas- sung obligat die Weiterbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin be- deuten könnte, wird am Ende ent- täuscht sein.

C> Die Vorlage betont ausdrück-

lich, daß die Berechtigung zur Ausübung des Arztberufes auf der Grundlage der Approbation bezie- hungsweise der entsprechenden Abschlußzeugnisse der EG-Län- der dadurch nicht beeinträchtigt werden soll.

Problematisch erscheint mir daher auch die in der erwähnten EG-Vor- lage ab 1990 vorgesehene Bin- dung der Zulassung des Arztes zu einer Tätigkeit in der Sozia- len Krankenversicherung an das Recht zum Führen einer Gebiets- bezeichnung. Auf Dauer kann eine solche Regelung nicht auf den Zu- gang zur Krankenversicherung be- schränkt bleiben, sondern wird auf das Recht zur Niederlassung übergreifen.

Warnen muß ich deshalb davor, ein System, wie in einigen europä- ischen Ländern praktiziert bzw.

vorgesehen, einzuführen. Dort ist auch in der Meinung der Bevölke- rung, ja meist auch de facto der durch Turnus oder Pflichtweiter- bildung vor der Weiterbildung in Gebieten entstandene Arzt für All- gemeinmedizin ein Arzt zweiter Klasse. Dies kann und darf nicht Ziel für unsere deutsche Allge- meinmedizin sein. Dafür ist uns al- len dieses Gebiet zu schade.

Weiterbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin nur freiwillig

Im Klartext heißt das genau das, was die Akademie der Fachärzte auch abschließend feststellen möchte:

.,.. Weiterbildung zum Arzt für All- gemeinmedizin auf breiter Basis als freiwillige, nicht obligate, indi- viduelle Entscheidung und ohne Gefährdung der Weiterbildung in den anderen Gebieten - ja.

Die Akademie der Fachärzte will nicht Stellung nehmen zu der Fra- ge einer eventuellen Reduzierung der in der Bundesrepublik in der Weiterbildungsordnung veranker-

1178 Heft 23 vom 4. Juni 1981 DEUTSCHES ARZTEBLATT

ten vier auf drei oder gar zwei Jah- re entsprechend der vorgesehe- nen europäischen Norm. Dies ist eine Aufgabe der Akademie für All- gemeinmedizin. Keinesfalls aber kann und darf es ein Junktim mit der durch die hohen Studenten- zahlen notwendig erscheinenden zweijährigen Vorbereitungszeit zur Kassenpraxis als Übergangs- regelung geben.

.,.. Die Akademie der Fachärzte schlägt Ihnen deshalb vor, wenn auch nach langen Diskussionen und teilweise noch nicht ganz aus- geräumten Bedenken, den Ent- schließungsantrag des Vorstandes der Bundesärztekammer zur All- gemeinmedizin anzunehmen. Un- sere Akademie sieht darin einen annehmbaren Kamprarniß zwi- schen den ursprünglich weit aus- einanderliegenden Vorstellungen innerhalb der Ärzteschaft

Ich will es mir und Ihnen ersparen, auf die zahlreichen anderen veröf- fentlichten und diskutierten Argu- mente einzugehen und nur fest- stellen, daß es das legitime Recht jeder Gruppe in unserer Gesell- schaft, auch in unserem noch und hoffentlich auch bleibenden ein- heitlichen Berufsstande ist, ihre gruppenspezifischen Interessen zu vertreten.

C> Es gehört aber auch zu den

Spielregeln der Demokratie, dann, wenn die Meinung einer Gruppe nicht durchsetzbar ist, also im In- teresse der Gesamtheit mehrheit- lich abgelehnt wird, diese Mehr- heitsentscheidung zu akzeptieren und nicht zu versuchen, mit aller Gewalt und notfalls auch zum Schaden der Gesamtheit Grup- peninteressen durchsetzen zu wollen. Das übergeordnete Ziel, die Wahrung der Einheit des Be- rufsstandes, muß oberste Maxime bleiben.

Mit diesem Appell hoffe ich, daß dieser Ärztetag in Trier einen we- sentlichen Beitrag zur Verbesse- rung der allgemeinmedizinischen Versorgung zum Wohl unserer Pa- tienten leisten kann.

D

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