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Archiv "Bei den Steuerzahlern wird abkassiert" (02.04.1993)

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von Familien mit Kindern. Gleich- gültig für welche Lösung man sich entscheidet: die sogenannten Besser- verdienenden werden immer auf der Seite der Zahlenden sein.

Bei den Steuerzahlern wird abkassiert

• Solidarzuschlag Vermögensteuer Versicherungssteuer

• Mineralölsteuer verschärfte Progression Rentenbeitrag

Die Steuerlastquote wird für 1992 mit gut 24 Prozent beziffert;

1990 hatte sie noch 22,5 Prozent be- tragen. Die Sozialabgabenquote hat 1992 die Rekordmarke von 17 Pro- zent erreicht. Zusammen ergibt dies für Gesamtdeutschland eine Bela- stungsquote von 41,5 Prozent. Diese Quote ist aus der Finanzstatistik ab- geleitet. In der Systematik der volks- wirtschaftlichen Gesamtrechnung liegt die Abgabenquote noch um et- wa zwei Prozentpunkte höher, näm- lich bei 43,7 Prozent. Im Vergleich dazu: Italien 40,8 Prozent, Schweiz 35,9 Prozent, Großbritannien 33,4 Prozent, USA 30,7 Prozent und Ja- pan 29,3 Prozent.

In diesen Zahlen ist nicht be- rücksichtigt, daß Anfang dieses Jah- res die Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt auf 15 Prozent ange- hoben worden ist. Der Solidarpakt, die vorgesehene massive Erhöhung der Mineralölsteuer zur Finanzie- rung der Bahnreform und der zwangsläufige Anstieg des Beitrags- satzes zur Rentenversicherung um etwa 1,5 Punkte auf etwa 19 Prozent werden den abgabepflichtigen Bür- gern neue Lasten aufbürden. Das Ende dieser Spirale ist nicht in Sicht, zumal der Bund trotz günstiger An- nahmen über die Konjunkturent- wicklung mit einer noch höheren Kreditaufnahme rechnen muß. Zu berücksichtigen ist auch, daß bei an- haltender Inflationierung die Steuer- last auch „heimlich" wächst.

Auf folgende Steueränderungen haben sich die Bürger einzustellen:

Solidarzuschlag

Der Solidarzuschlag soll von 1995 an wieder eingeführt werden.

Die SPD hat sich nicht mit ihrer For- derung nach einem früheren Termin durchsetzen können. Finanzminister Waigel hatte ursprünglich Einnah- men in Höhe von zwölf Milliarden Mark aus diesem Zuschlag zur Ein- kommen- und Körperschaftsteuer in seine Rechnung zum „Föderalen

Auf die Bürger rollt eine Lawine von neuen und höheren Abgaben zu. Koalition und SPD haben dies im Konsens beschlossen. Dabei ist die Abgabenbelastung in Deutschland schon jetzt Spitze.

Unter den großen Industrielän- dern der Welt ist nur in Frankreich die Abgabebelastung ähnlich.

hoch. Wie die Bundesbank in ei- ner Analyse über die Entwicklung der Steuereinnahmen darlegt, ist die Steuerbelastung wieder höher als vor der dreistufigen Steuerre- form in den Jahren 1986, 1988 und

1990; die gesamte Abgabenlast, also Steuern und Sozialbeiträge zusammen, hat im letzten Jahr den höchsten Stand seit Beste- hen der Bundesrepublik erreicht.

Konsolidierungs-Programm" (FKP) eingestellt. Das hätte einem Zu- schlag auf die Steuerschuld von etwa drei Prozent entsprochen. Nunmehr ist ein Satz von 7,5 Prozent in der

"großen Konsensrunde" beschlossen worden. 1991 und 1992 war ein Zu- schlag von 3,75 Prozent erhoben worden; die neue Ergänzungsabgabe ist also doppelt so hoch wie die letz- te. Sie soll auch nicht befristet wer- den. Der Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer erhöht sich durch den Steuerzuschlag von 53 auf fast 57 Prozent, bei der Körperschaft- steuer von 50 auf 53,75 Prozent.

Die Mehreinnahmen, die allein dem Bund zufließen, werden für 1995 auf rund 30 Milliarden Mark geschätzt. Waigel hat sich zusichern lassen, daß ihm wenigstens 28 Milli- arden Mark davon bleiben sollen.

Ein Betrag bis zu zwei Milliarden Mark wird für eine soziale Kompo- nente reserviert, über die es aber noch keine Klarheit gibt. Die SPD denkt an eine Einkommensgrenze;

diese wäre mit dem Geld jedoch nicht zu finanzieren. Waigel und die Union haben eine Präferenz für Ver- besserungen bei der Besteuerung

Vermögensteuer

Der Steuersatz auf das Privat- vermögen wird um einen halben Pro- zentpunkt angehoben. Das klingt er- träglich, bedeutet aber tatsächlich die Verdoppelung des Steuersatzes auf ein Prozent. Davon werden aller- dings Kapitalbeteiligungen, wie Ak- tien und GmbH-Anteile, und das land- und forstwirtschaftliche Ver- mögen ausgenommen. Der Vor- schlag zur stärkeren Belastung der Privatvermögen war ursprünglich von der F.D.P. gekommen, um Son- derbelastungen, wie die von der SPD geforderte Arbeitsmarktabgabe für Beamte und Selbständige, abzuweh- ren. Das ist zwar zunächst gelungen;

die SPD hält dieses Thema aber auf der Tagesordnung. Die F.D.P. hatte wohl auch gehofft, den Solidarzu- schlag mit solchen Zugeständnissen auf einer erträglichen Höhe unter fünf Prozent halten zu können. Das hat sich als Illusion erwiesen. Die Mehrbelastung wird dadurch gemin- dert, daß der persönliche Freibetrag bei der Vermögensteuer von 70 000 Mark auf 120 000 Mark angehoben werden soll.

Die Verschärfung der Vermö- gensteuer ist nicht zu begründen; ihr endgültiger Abbau wäre überfällig.

Dies dürfte spätestens dann sichtbar werden, wenn das Verfassungsge- richt die Bewertungsmaßstäbe der Vermögensteuer für verfassungswid- rig erklärt. Damit ist noch in diesem Jahr zu rechnen. Das Grundvermö- gen wird durch die Einheitsbewer- tung gegenüber allen anderen Ver- mögenswerten in einem Maße be- günstigt, das nicht mit dem Verfas- sungsgebot der Gleichbehandlung der Bürger zu vereinbaren ist.

Versicherungsteuer

Die auf den Beitrag bezogene Steuer wird schon zum 1. Juli dieses Jahres von zehn auf zwölf Prozent und 1995 noch einmal um drei Punk- te auf 15 Prozent angehoben. Das A1-930 (18) Dt. Ärztebl. 90, Heft 13, 2. April 1993

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gilt nicht für die Beiträge für Feuer- versicherungen, die über die Feuer- schutzsteuer schon mit 15 Prozent belastet sind. Die Beiträge zu Le- bensversicherungen bleiben von der

Besteuerung ausgenommen; die pri- vate Vorsorge soll nicht zusätzlich behindert werden. Es ist aber kaum anzunehmen, daß die Politik diese große Einnahmequelle noch lange schonen wird. Auch ohne die Bela- stung der Beiträge zur Lebensversi- cherung bringt die Versicherung- steuer 1995 Mehreinnahmen von gut vier Milliarden Mark. Die Versicher-

ten werden das merken.

Mineralölsteuer

Die Konsensparteien haben sich darauf verständigt, die angestrebte Bahnreform durch eine Erhöhung der Mineralölsteuer zu finanzieren.

Die von Verkehrsminister Krause angestrebte Vignette soll allenfalls dann kommen, wenn sie in der EG durchzusetzen ist. Damit ist vorläu- fig kaum zu rechnen. Zunächst wird der Finanzbedarf für die Bahnre-

form mit 8 Milliarden Mark bezif- fert; der Bund soll die Schulden der Bahn übernehmen und finanzieren.

Daraus wäre eine Erhöhung der Mi- neralölsteuer um etwa 13 Pfennig je Liter von 1994 an abzuleiten. Die Belastung der Fernpendler soll durch eine Erhöhung der Kilometer- pauschale um etwa 10 Pfennig je Entfernungs-Kilometer gemildert werden. Am Ende sollte sich nie- mand wundern, wenn diese Steuer- erhöhung noch kräftiger ausfiele.

Standortsicherung

Über den von der Bundesregie- rung vorgelegten Entwurf eines Standortsicherungsgesetzes ist im Rahmen des Solidarpakts kaum ge- sprochen worden. Die Länder waren zunächst nur bestrebt, ihre Finanzen zu sichern, und zwar zu Lasten des Bundes, der sich dafür bei den Steu- erzahlern schadlos halten muß. Über diesen Gesetzentwurf dürfte damit wohl erst im Vermittlungsausschuß entschieden werden. Kernpunkt die- ses Gesetzentwurfs ist der Vor- schlag, die Belastung der gewerbli- chen Gewinne und Einkommen von

1994 an auf 44 Prozent zu begrenzen.

Begünstigt werden Betriebe, die der Gewerbesteuer unterliegen.

• Freiberufler würden also wei- terhin in der Spitze mit 53 Prozent und damit um 9 Punkte höher bela- stet. Berücksichtigt man den Solidar- zuschlag, so ergäbe sich für die ge- werblichen Einkommen eine Spit- zenbelastung von 47,3 Prozent; diese wäre dann sogar um 9,7 Prozent niedriger als die vergleichbarer Frei- berufler. Zu berücksichtigen ist, daß zur Finanzierung der Entlastung der gewerblichen Einkommen die Höchstsätze der degressiven Ab- schreibung für bewegliche Güter des Anlagevermögens von 30 auf 25 Pro- zent und für Betriebsgebäude von 10 auf 7 Prozent herabgesetzt werden sollen. Damit hätten auch die Frei- berufler, ohne entlastet zu werden, die Entlastung der gewerblichen Einkommen mitzutragen.

Von seiten der Finanzwissen- schaft und auch von Verfassungs- rechtlern sind bei einer Anhörung des Finanzausschusses des Bundes- tages Bedenken gegen diese Begün- stigung der gewerblichen Einkom- men geltend gemacht worden.

Das Verfassungsgericht verlangt vom Gesetzgeber, bis 1996 das Exi-

Steuern wie noch nie

West- u. Ostdeutschland

361,2 351,7

93*I *Schätzung (Nov. 1992) Quelle: BMF.

Bund, Länder und Gemeinden werden in den nächsten Jahren die Steuern kräftig er- höhen. Dabei nahm der Fiskus in den letz- ten Jahren bereits ein wie nie zuvor. 1992 beispielsweise kassierte er rund 64 Milliar- den DM mehr als im Vorjahr

stenzminimum steuerlich freizustel- len. Mit einer Übergangsregelung soll gewährleistet werden, daß Ein- kommen durch die Besteuerung nicht unter 12 000 Mark (Alleinste- hende) oder unter 19 000 Mark (Verheiratete) gesenkt werden. Die- ser Ansatz ist problematisch, weil darin faktisch eine Benachteiligung von Ehepaaren gegenüber unverhei- ratet zusammenlebenden Partnern liegt. Eine solche Regelung könnte sich später leicht als der erste Schritt zur Einschränkung des Ehegatten- Splitting erweisen.

Steuertarif

Das Verfassungsgericht hat nicht in dieser Richtung votiert, wohl aber darauf hingewiesen, daß die Steuerausfälle von mehr als 40 Milli- arden Mark durch die massive Erhö- hung des Grundfreibetrages inner- halb des Steuertarifs, also durch die Verschärfung der Steuerprogression, ausgeglichen werden könnten. Sollte sich der Gesetzgeber an diese Vor- gabe halten, wozu er nicht verpflich- tet wäre, so müßte die Progressions- kurve steiler gezogen und der Spit- zensatz von 53 auf 57 bis 59 Prozent angehoben werden. Unter Berück- sichtigung des Solidarzuschlages würde der Spitzensatz dann faktisch mehr als 60 Prozent betragen. Dies wäre nur zu vermeiden, wenn die Mehrwertsteuer massiv erhöht würde.

Die Politik testet wieder einmal die Grenze der Belastbarkeit der Bürger und der Wirtschaft. Alle bis- herigen Versuche dieser Art haben zu Wachstumsverlusten, in die wirt- schaftliche Stagnation oder sogar in die Rezession geführt. 1993 steckt Deutschland mitten in der Rezessi- on. Die Steuerbeschlüsse bedrohen damit den Wohlstand aller; sie be- hindern den Aufbau Ost, auch wenn sie ihn fördern sollen, und sie be- schleunigen den Abschwung West.

Die Verantwortung tragen alle am.

Konsens über den Solidarpakt betei- ligten Parteien und auch die gesell- schaftlichen Gruppen, deren Forde- rungen sich darauf konzentrieren, ei- nen immer höheren Anteil am real schrumpfenden Sozialprodukt zu er- halten. Walter Kannengießer

Einnahmen in

Milliarden DM

93 02 10

0 im u

Dt. Ärztebl. 90, Heft 13, 2. April 1993 (19) A1-931

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