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Archiv "Sport-Immunologie und Sport-Neurologie" (12.09.1991)

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Sport-Immunologie und Sport-Neurologie

L 32. Deutscher Sportärztekongreß München 1990

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

KONGRESS HE la

auch das Wissen um den möglichen eigenen Irrtum wesentlich. Dieses Wissen entwickelt sich beim Kind erst allmählich, wiederum aus Erfah- rung, zum Beispiel beim Lutschen und Kauen an einem Keks, einem hölzernen Spielzeug und dem eige- nen Finger. In dieser eigenen Stati- stik finden sich die Vorläufer von Begriffsbildungen, weil verschiedene Keksarten und Hölzer sich gut von- einander und vom eigenen Finger unterscheiden lassen. Das Kind bil- det dabei unbewußt vorbegriffliche Kategorien, nämlich Gegenstands- und Empfindungsklassen.

Auf vielen derartigen Begriffs- vorläufern und auf den zahlreichen fortschreitend weiter sprossenden neuronalen vernetzten Strukturen beruht die einzelmenschliche Ent- wicklung, deren Stufen in Beispielen angedeutet wurden. Die Grundele- mente können in dem „Hauptsatz der Erfahrungskunde" ( 1 ) zusam- mengefaßt werden: „Das Gehirn ist in der Lage, die Signalkomplexe für assoziative Zusammenhänge, die nicht unmittelbar beobachtbar und für das Kind verborgen sind, zu ver- knüpfen und die Verknüpfung in sei- nem Handeln zu realisieren."

Auf dieser elementaren Fähig- keit und ihrer schrittweisen Weiter- entwicklung zu vielgestaltigen ver- netzten Assoziations-Gebäuden be- ruht — im Rahmen vorgegebener Grundstrukturen — das ganze menschliche Wesen — körperlich und geistig.

Literatur

1. Koller S.: Vom Wesen der Erfahrung, Trias- Verlag, Stuttgart 1989

2. Freeman W. J.: Physiologie und Simulation der Geruchswahrnehmung, Spektrum d.

Wiss. H. 4 (1991) 60-69

3. DFG: df-Magazin 3, Heft 12 (1990) 15-17 4. DFG: Forschung Heft 4 (1990) 13-15

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. phil. Dr. med.

Siegfried Koller

ehem. Direktor des Instituts für Medizinische Statistik und Dokumentation der

Johanes Gutenberg-Universtität Mainz

Georg-Büchner-Straße 25 W-6500 Mainz-Hechtsheim

D

er Deutsche Sportärztekongreß fand vom 18. bis 21. Oktober in der Zentralen Hochschulsportanlage der Technischen Universität im Münchener Olympiapark statt. Ver- anstalter war wie gewohnt der Deut- sche Sportärztebund e. V. (Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin e. V.) unter seinem Präsidenten Prof. Dr.

Dr. h. c. Wildor Hollmann. Als Aus- richter fungierte der Bayerische Lan- dessportärzteverband (Präsident:

Dr. Wolf-Dieter Montag) in Zusam- menarbeit mit dem Zentralinstitut für Sportwissenschaften der TU München, vertreten durch die Lehr- stuhlinhaber für Sporttraumatologie (Prof. Paul Bernett) und Präventive und Rehabilitative Sportmedizin (Prof. Dieter Jeschke).

Die Themenschwerpunkte wur- den in 62 wissenschaftlichen Sitzun- gen mit insgesamt 411 Einzelbeiträ- gen abgehandelt. Erstmals seit Kriegsende waren wieder „alle"

deutschen Sportmediziner aufgeru- fen, sich am Gedanken- und Erfah- rungsaustausch mit den Kollegen zu beteiligen. Die Veranstalter freuten sich, daß 80 Referenten und Mode- ratoren aus den neuen Bundeslän- dern von dieser Möglichkeit regen Gebrauch machten und ihre For- schungsergebnisse vorstellten.

Aus dem sehr umfangreichen und thematisch vielfältigen Pro- gramm des Münchener Kongresses sollen hier nur zwei Vorträge aus- führlich behandelt werden:

Einflüsse auf das Immunsystem

„Sport und Immunologie - eine Herausforderung" war das Thema eines vielbeachteten Referates von Prof. Wilfried Kindermann, dem Lei-

ter des Instituts für Sport- und Lei- stungsmedizin der Universität des Saarlandes. Nach seinen Worten scheinen die Einwirkungen des Sports auf das Immunsystem ambiva- lent zu sein. Einerseits werde berich- tet oder auch postuliert, daß regel- mäßige sportliche Betätigung die Abwehrkräfte steigere, andererseits werde eine erhöhte Infektanfällig- keit des Leistungssportlers beklagt.

Offensichtlich haben verschiedene Belastungsfaktoren wie Belastungs- art, -dauer, -intensität und mögli- cherweise auch Trainingszustand er- hebliche Bedeutung für die Reakti- onsweise des menschlichen Abwehr- systems.

Das Immunsystem reagiert auf eine akute körperliche Belastung ähnlich wie bei einer Entzündung.

Beispielsweise tritt eine Leukozytose auf, das Komplementsystem wird ak- tiviert und Akute-Phase-Proteine steigen an. Demgegenüber sind die chronischen Veränderungen beim Trainierten sehr viel diskreter, stellte Kindermann fest. Die Leukozyten- zahlen einschließlich verschiedener Lymphozytenuntergruppen scheinen unter Ruhebedingungen beim Aus- dauertrainierten niedriger als beim Untrainierten zu liegen, ohne daß daraus definitive Schlußfolgerungen gezogen werden können. Die Im- munglobulinkonzentration im Blut zeigt bei kritischer Wertung aller vorliegender Befunde keine Unter- schiede zwischen Trainierten und Untrainierten. Aus wissenschaftli- cher Sicht ergibt sich bisher kein An- halt für eine prophylaktische An- wendung vom Gamma-Globulinprä- paraten bei infektanfälligen Sport- lern. Innerhalb des Komplementsy- stems wurden verschiedene Komple- mentfaktoren beim Ausdauertrai- nierten im Vergleich zum Untrai- Dt. Ärztebl. 88, Heft 37, 12. September 1991 (67) A-3019

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nierten erniedrigt gefunden. Die kli- nische Bedeutung dieser Befunde ist nach den Worten Kindermanns noch unklar.

Moderne Analyseverfahren wie die Durchflußzytometrie und die Entwicklung monoklonaler Antikör- per ermöglichten in den letzten Jah- ren subtilere Untersuchungen des zellulären Immunsystems. In ver- schiedenen Studien wurden bela- stungsabhängige Veränderungen der Lymphozytensubpopulationen doku- mentiert. Dabei wurden insbesonde- re folgende Lymphozytenuntergrup- pen untersucht: T-(CD3 )-Zel- len, T-(Helfer/Inducer) (CD4 )- Zellen, T-(Suppressor/zytotoxische) (CD8 +)-Zellen, Natürliche Killer- zellen (NK-Zellen, CD16 +), B- (CD19 )-Zellen.

Akute Körperarbeit führt in Ab- hängigkeit von Belastungsdauer und -intensität zu quantitativen Verände- rungen der Lymphozytensubpopula- tionen. Mit zunehmender Dauer und Intensität der Belastung kommt es vor allem zu einem Anstieg von Zahl und Aktivität der NK-Zellen (CD16±) und zu einem Abfall des CD4 +/CD8+ -Quotienten, während die quantitativen Veränderungen von B-Zellen (CD19 +) gering sind.

In der anschließenden Erholungs- phase fallen insbesondere die NK- Zellen (CD16 +) unter den Aus- gangswert ab und können bis zu 24 Stunden erniedrigt bleiben.

In eigenen Studien konnten Kin- dermann und seine Mitarbeiter zei- gen, daß bei erschöpfenden Bela- stungen mit zunehmender oder vor- wiegender anaerober Energiebereit- stellung (Laktatkonzentrationen zwi- schen 7-13 mmo1/1) die quantitativen Veränderungen der Lymphozyten- subpopulationen ausgeprägter sind als bei aeroben Belastungen. Dies betrifft sowohl die NK-Zellen (CD16+ ) als auch die (CD8 + )-Zel- len. Die Veränderungen der (CD8+ )-Zellen sind laut Kinder- mann in erster Linie durch native (CD8 CD45RA±)-Zellen bedingt.

An den geringen belastungsverur- sachten Veränderungen der (CD4 +)-Zellen sind sowohl native (CD4 CD45RA±) als auch Memo- ry-Zellen (CD4 CD45R0+) betei- ligt.

Mehrtägige intensive Trainings- phasen scheinen ebenfalls zu quanti- tativen Veränderungen der Lympho- zytensubpopulationen (gemessen unter standardisierten Ruhebedin- gungen) zu führen, die nach Regene- ration reversibel sind. Offen bleibt, ob diese Veränderungen einer trai- ningsbedingten Immunsuppression entsprechen. Möglicherweise beste- hen Zusammenhänge mit gleichzei- tig auftretenden hormonellen Ver- änderungen, insbesondere der gleichzeitig abgefallenen Testoste- ronkonzentration im Blut.

Insgesamt weisen die bisher vor- liegenden Befunde darauf hin, daß sich die zellullären Veränderungen des Immunsystems um so deutlicher darstellen, je intensiver die Belastun- gen sind und je länger sie andauern, betonte Kindermann. Eine dominie- rende Rolle scheinen die NK-Zellen (CD16 ) zu spielen. Die verminder- te NK-Zellaktivität in der Nachbela- stungsphase kann durch eine ver- mehrte Prostaglandinsynthese der Monozyten bedingt sein. Die gleich- zeitig erniedrigte NK-Zellzahl in der Erholungsphase könnte ein Auswan- dern der aktivierten Zellen an den Ort des „entzündlichen" Reizes, die Arbeitsmuskulatur, bedeuten. Dort können sie ihre Funktion als zellulä- re Abwehr der ersten Linie wahrneh- men, fehlen aber an Grenzflächen wie Schleimhäuten, so daß diese vor- übergehende regionale Verarmung möglicherweise eine erhöhte Infekt- anfälligkeit induziert. Die Untersu- chungen weiterer Parameter wie spe- zieller Interaktionsmoleküle oder Antigene auf Zelloberflächen müs- sen zeigen, inwieweit diese Arbeits- hypothese realistisch ist. „Aktivitäts- marker" wie HLA-DR oder I1-2-Re- zeptoren auf Zelloberflächen von (CD3 +)-Zellen scheinen nach Kin- dermanns eigenen Befunden nicht so gravierend beeinflußt zu werden, als daß dadurch eine entscheidende Ak- tivitätsänderung der Zellen resultie- ren könnte. Inwieweit die Auftren- nung native (CD45RA+ )-Zellen und Memory-(CD45R0±)-Zellen dies- bezüglich weiterhilft, bleibe derzeit offen.

Als Fazit stellte Kindermann fest, daß offensichtlich anaerobe Be- lastungen das Immunsystem mehr

strapazieren als aerobe. Regelmäßi- ge und rechtzeitig durchgeführte Re- generationsmaßnahmen können trai- ningsbedingten Veränderungen des Abwehrsystems im Sinne einer Im- munsuppression entgegenwirken, so daß offensichtlich die Belastungsdo- sierung entscheidend dafür ist, ob Sport das Abwehrsystem beeinträch- tigt oder gar positiv beeinflußt. Wei- tere Längsschnittstudien, die insbe- sondere qualitativ und quantitativ unterschiedliche Trainingsphasen umfassen, sind nach den Worten Kindermanns notwendig, um die noch zahlreichen offenen Fragen zur Sportimmunologie zu klären. Dar- über hinaus bedarf die zweifellos be- stehende stimulierende, supprimie- rende und modulierende Funktion des Endokriniums auf das Immunsy- stem weiterer Abklärung. Schließlich weisen einige Befunde darauf hin, daß Übertraining zu quantitativen Veränderungen verschiedener Lym- phozytensubpopulationen führt, so daß Parameter der zellulären Immu- nität als Indikatoren zur Diagnose eines Übertrainings beitragen kön- nen.

Wirkungen auf das Nervensystem

Prof. Dr. Manfred Holzgraefe von der Neurologischen Universitäts- klinik Göttingen befaßte sich mit dem „Sport als Ursache von Erkran- kungen des Nervensystems".

Sportbedingte Verletzungen und Sportschäden können je nach Sportart Organe und Organsysteme in unterschiedlichem Ausmaß tref- fen. Die Rückwirkung dieser Verlet- zung kann für den Sportler durch ein bleibendes Handicap erheblich sein.

Während die Verletzungen und Schäden des Halte- und Bewegungs- apparates zunehmend bekannter werden, werden sportbedingte Stö- rungen des Nervensystems häufig nicht erkannt. Das rechtzeitige Er- kennen von neurologischen Schäden ist jedoch von besonderer Bedeu- tung, da das Nervensystem nur be- dingt regenerationsfähig ist. Die zu- nehmende Teilnahme am Freizeit- sport sowie die Intensivierung des Leistungssports führt laut Holzgrae- A-3022 (70) Dt. Ärztebl. 88, Heft 37, 12. September 1991

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fe auch zu neurologischen Krank- heitsbildern, die bislang nur selten im Zusammenhang mit dem Sport gesehen wurden (zum Beispiel Kom- pressionsneuropathie des N. supras- capularis im Volleyball oder Tennis) Analog zu der anatomischen Aufgliederung im peripheren Ner- vensystem und Zentralnervensystem beschrieb Holzgraefe verschiedene sportbedingte Krankheitsbilder.

Das Nervensystem mit seinen Subsystemen, dem peripheren Ner- vensystem, dem Zentralnervensy- stem und dem autonomen Nervensy- stem, kann wie jedes andere Organ durch sportlich aktive Tätigkeiten auf vielfältige Weise beeinflußt wer- den. Sportbedingte Erkrankungen des Nervensystems haben verschie- dene Ursachen:

1. Traumatische Schäden als zufälli- ge Verletzung oder als nicht völlig auszuschließende Verletzung bei be- stimmten Sportarten: Eishockey, Fußball, Handball, Boxen und ande- re Kampfsportarten, Skisport, Rad- rennen und anderen ähnlichen Sportarten.

2. Akute Verletzungen oder chroni- sche Irritationen des peripheren Nervensystems, bedingt durch anato- mische Besonderheiten in Kombina- tion mit stereotypen Belastungen bei bestimmten Sportarten (Kompressi- onsneuropathien), und

3. Funktionsstörungen des Nerven- systems (Migräne, Bewußtseinsstö- rungen), die bedingt sind durch die sportliche Aktivität.

Schädel-Hirn-Traumen

Schädel-Hirn-Traumen (SHT) können als zufällige Sportverletzun- gen in allen Sportarten vorkommen, bei denen sich im Wettkampf oder Training Stürze auf den Kopf, direk- te Traumen mit dem Sportgerät, wie Ball, Torpfosten, oder ein Zusam- menprall mit dem sportlichen Geg- ner ereignen. Zu den SHT zählt Holzgraefe die gebrochene Nase, Verletzungen der Zähne, der Augen oder der Ohren, aber auch — und das ist laut Holzgraefe für den Sportler von besonderer Bedeutung — Verlet- zungen des Zentralnervensystems.

Die Häufigkeit des SHT wird bei

Sportunfällen mit einem Anteil von 4 bis 13 Prozent angegeben. Setzt man den Anteil des SHT in Zusammen- hang mit der Gesamtzahl der Sport- unfälle in verschiedenen Sportarten, so zeigt sich, daß im Radsport, Mo- torsport und Reiten nahezu zwei Drittel aller Sportverletzungen Schä- del-Hirn-Traumen sind. Der Unfall- mechanismus, der zum SHT führt, ist in diesen Sportarten nahezu iden- tisch. Der Sportunfall entsteht meist durch einen Sturz vom Sportgerät.

Erschwerend kommt hinzu, daß der Sportler sich in einer hohen Geschwindigkeit befindet und daß das Sportgerät ein zusätzliches Risi- ko darstellt. Passive Schutzmaßnah- men wie etwa ein Sturzhelm reichen häufig nicht aus, oder werden nicht getragen. Die Bedeutung der Körper- haltung mit dem Kopf als führendes Organ läßt das erhöhte Risiko für ein Schädel-Hirn-Trauma erkennen. Un- ter den Mannschaftssportarten hat Eishockey mit 47 Prozent das höchste Risiko für ein SHT. Die Schwere und Häufigkeit des SHT ist hier von der Schutzkleidung, der Technik der Spieler sowie von der Spielleitung durch den Schiedsrichter abhängig.

Bei den populären Sportarten wie Fußball und Handball sind von 100 Sportverletzungen etwa 20 akute SHT. Gefährdet sind im Fußball be- sonders Abwehrspieler und im Hand- ball die Torhüter. Bei einem Wurf aus kurzer Entfernung erreicht der Ball eine Geschwindigkeit von 130 km/h, das heißt einen Aufpralldruck von etwa 150 kp. Das entspricht in et- wa der Situation beim Boxen, nur trägt der Handballtorwart keinen Kopfschutz. Neben den akuten neu- rologischen Symptomen beim SHT (Blutung oder Funktionsstörung wie bei einer Commotio cerebri) muß bei diesen Sportarten auch an eine chro- nische Schädigung des ZNS infolge möglicher Mikrotraumen gedacht werden, betonte Holzgraefe.

Während die akuten Verletzun- gen des ZNS (insbesondere Blutung) meist zu eindeutigen neurologischen Defiziten und in besonders schweren Fällen zum Tode führen, nehmen die chronischen Traumen des ZNS eine besondere Stellung ein. Diese Ver- letzungen sind bei Kampfsportarten mit wiederholten Kopftreffern (Bo-

xen), aber auch bei Sportarten wie Fußball und Handball möglich. Das Boxen nimmt hier eine Sonderstel- lung ein, besonders da Treffer am Kopf beabsichtigt sind und eine Hirnschädigung ein potentielles nichtkalkulierbares Risiko darstellt.

Langzeituntersuchungen bei Profi- boxern zeigen, daß 17 bis 55 Prozent neurologische Störungen (Gang-, Sprach-, Sehstörungen) aufweisen, davon in einem hohen Prozentsatz einen dementiellen Abbau. Hierzu gehören laut Holzgraefe Konzentra- tionsstörungen, psychomotorische Verlangsamung und Persönlichkeits- veränderungen. Die letzteren Krank- heitsbilder werden unter dem Begriff einer Dementia pugelistica zusam- mengefaßt. Das pathologisch-anato- mische Substrat besteht in einem Verlust von Hirnsubstanz (Neurone, Axone) und damit sekundär in einer Vergrößerung des Ventrikelsystems.

Wahrscheinlich ist der K.o. bei der Entwicklung dieser Schäden nicht der entscheidende Grund, sondern die zahlreichen Mikrotraumen bei Kopftreffern, besonders beim so- genannten Groggy-Zustand. Die beschriebenen Befunde wurden schwerpunktmäßig bei Profiboxern gefunden. Letzte Aussagen hinsicht- lich der Gefährdung bei Amateurbo- xern können nur durch Langzeitun- tersuchungen gemacht werden, stell- te Holzgraefe fest (in denen solche Befunde nicht erhoben wurden).

Das Boxen ist jedoch nicht die einzi- ge Sportart, bei der eine neurologi- sche Störung beschrieben wurde.

Aufgrund einer dänischen Untersu- chung wurden ähnliche Befunde auch bei Fußballern gesehen.

Akute und chronische Verletzungen des peripheren Nervensystems

Eine typische Situation einer akuten traumatischen Schädigung des PNS ereignete sich während der Fußballweltmeisterschaft in Italien:

Rudi Völler, Stürmer im deutschen Team, erhielt einen Tritt gegen das Knie. Anschließend war er nicht mehr in der Lage zu laufen und Mag- te über Gefühlsstörungen im betrof- fenen Bein. Als Ursache hierfür sieht A-3024 (72) Dt. Ärztebl. 88, Heft 37, 12. September 1991

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Holzgraefe ein direktes Trauma des N. peronaeus im Bereich des Fibula- kopfes. Da es in diesem Falle zu kei- ner strukturellen Verletzung des Nervs kam, bildeten sich die Sympto- me schnell zurück. Ähnliche Unfall- mechanismen können immer dann auftreten, wenn der periphere Nerv in seinem Verlauf nahezu unge- schützt von Knochen oder Muskeln verläuft und sich in diesem Bereich ein Trauma ereignet.

Sportbedingte chronische Neu- ropathien des PNS sind schwieriger zu diagnostizieren. Sie sind durch ei- ne chronische Irritation in anatomi- schen Engpässen entstanden, meist verbunden mit einer Dauerbelastung in bestimmten Sportarten. Typische Beispiele hierfür sind die sogenannte Radfahrerlähmung durch eine Kom- pression des N. ulnaris im Handge- lenk, gelegentlich auch des N. me- dianus. Ein weiteres Beispiel ist hier die Kompressionsneuropathie des N.

suprascapularis bei Volleyballspie- lern durch stereotype Bewegungen der Schulter, verbunden mit einem ungünstigen Verlauf des N. supra- scapularis im Bereich der Scapula.

Diese Neuropathie wurde auch bei Boxern, Tennisspielern und Hand- ballspielern gefunden.

Bei Schmerzen und Funktions- störungen im Bein nach Sportverlet- zungen muß immer eine iatrogene Schädigung des N. ischiadicus infol- ge von falsch lokalisierten i. m. Sprit- zen ausgeschlossen werden, betonte Holzgraefe.

Zerebrale Durch-

blutungsstörungen, Vaskuläre Kopfschmerzen

Verschiedene sportliche Betäti- gungen (Laufen, Fußball, Gewicht- heben) können bei disponierten Sportlern zu migräneartigen Kopf- schmerzen führen, die mit Sehstö- rungen, Übelkeit und Ohrgeräu- schen verbunden sein können. Die Kopfschmerzen sind direkt gekop- pelt an die Ausübung des Sportes.

Pathophysiologisch ist die Ursache dieser Beschwerden bislang nicht hinreichend geklärt. Eine mögliche Ursache kann beim Laufen die durch Hyperventilation bedingte Hypoka-

pnie mit einem Verlust des Dilatati- onsstimulus der zerebralen Gefäße sein. Der erhöhte Blutdruck kann dann zu Kopfschmerzen während der Belastung führen.

Bei den migräneartigen Kopf- schmerzen der Fußballer scheint der technisch nicht perfekt ausgeführte Kopfstoß Kopfschmerzen auszulö- sen. Bei allen Berichten über dieses Symptom waren die Kopfschmerzen mit einem Kopfstoß verbunden, wo- bei bei einigen Sportlern die Kopf- schmerzen durch einen technisch korrekt ausgeführten Kopfball ver- mieden werden konnten. Bei den Gewichthebern war der Kopf- schmerz immer direkt an den Sport gebunden. Eine neurologische Zu- satzdiagnostik brachte keine Ursache dafür zutage.

Kopfschmerzen sind nach Holz- graefe ein häufiges neurologisches Warnsyndrom für ernstere Erkran- kungen. Aus diesem Grunde sollte sich beim ersten Auftreten dieser Symptome eine umfangreiche Dia- gnostik anschließen und dem Sport- ler gezielte Verhaltensmaßregeln na- hegebracht werden.

Ausgeprägte Funktionsstörun- gen des ZNS nach extremen sportli- chen Belastungen sind selten. Be- kannt wurden zwei Beispiele bei den Olympischen Spielen in Mexiko so- wie Los Angeles: Nach dem

10 000-m-Finale brach der Läufer R.

Clark hinter dem Ziel zusammen.

Erst nach 20 Minuten war er wieder ansprechbar, es bestand eine retro- grade Amnesie. Als Zeichen einer fokalen zerebralen Durchblutungs- störung war eine motorische Aphasie und eine zerebelläre Ataxie nach- weisbar, die sich erst nach drei Stun- den zurückbildeten. Ähnliche Sym- ptome, insbesondere eine zerebellä- re Ataxie, fanden sich bei einer Schweizer Marathonläuferin in Los Angeles. Alle Symptome waren re- versibel. Als Ursache muß nach Holzgraefes Worten zum einen die extreme Belastung mit einer vermin- derten Sauerstoffsättigung, Elektro- lytstörungen, Hitze sowie prädispo- nierende Faktoren angenommen werden.

Bewußtseinsstörungen und Ver- wirrtheitszustände bei Gewichthe- bern sind bekannt. Die Symptome

treten meist in der ersten Phase des Anhebens des Gewichtes vom Boden auf. Als Ursache muß die kurzfristige Druckerhöhung im Thorax bis zu 300 mmHg angenommen werden bei ei- ner verzögerten Füllung des linken Ventrikels. Hierbei kann es zu kurz- fristigen, hämodynamisch bedingten Minderdurchblutungen des ZNS mit meist allgemein zerebralen Funkti- onsstörungen kommen, stellte Holz- graefe abschließend fest.

Dr. med. Urte Künstlinger Deutsche Sporthochschule W-5000 Köln 41

FÜR SIE REFERIERT

Diät oder Medikament?

Bei polygenen hypercholesterin- ämischen Patienten mit hoher LDL- Rezeptoraktivität kann eine lipid- senkende Diät genügen, während bei niedriger Rezeptoraktivität zusätz- lich die Einnahme von Bezafibrat und Cholestyramin sinnvoll ist. Um den Einfluß der LDL-Rezeptor- aktivität auf die Hypolipidämie zu beurteilen, wurde bei 20 Patienten mit polygener Hypercholesterinämie die maximal induzierte LDL-Rezep- tor-Aktivität der peripheren Blut- lymphozyten in vitro gemessen. Da- nach nahmen die Patienten an einem strengen diätetischen und pharma- kologischen Behandlungsprogramm teil. Falls nach 12 Wochen keine aus- reichende LDL-Cholesterin-Reduk- tion eingetreten war, wurde der Diät für weitere 6 Wochen Cholestyramin und/oder Bezafibrat zugesetzt. htn

Joven, J., E. Vilella, L. Masana, J. Ansole- aga: Low density receptor levels and the response to dietary and pharmacologikal intervention in polygenic hypercholester- olemia. Clinical Chemica acta 197 (1991) 67-76.

Hospital de Sant Joan de Reus, Calle Sant Joan, 43201 Reus, Spanien.

Dt. Ärztebl. 88, Heft 37, 12. September 1991 (73) A-3025

Referenzen

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