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Archiv "Sport und Auge: Augenverletzungen durch Sport und Sport als Therapie bei Augenkrankheiten" (13.10.2000)

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D

rei Prozent aller Augenverletzun- gen entstehen beim Sport. Von hundert Sportverletzungen be- trifft durchschnittlich eine das Auge.

Bei 100 000 Sportreibenden, ebenso in 100 000 Sportstunden sind etwa 15 Ver- letzungen der Augen zu erwarten (11).

Ein Viertel von ihnen muss in Kliniken behandelt werden. Zwei Drittel der Augenläsionen werden als leicht bis mittelschwer, ein Drittel als schwer ein- gestuft.

Augenverletzungen beim Sport

Nach einer von unserer Arbeitsgruppe (11) geführten Statistik (n = 1 054), die sich mit der anderer europäischer Au- toren weitgehend deckt (6), sind die häufigsten Augenverletzungen beim Sport Prellungen (52 Prozent). Es fol- gen an Häufigkeit Fremdkörperverlet- zungen (18 Prozent), Infektionen und Reizungen (12 Prozent), physikalische (zum Beispiel durch UV-Strahlen) und chemische (zum durch Beispiel Chlor) Einwirkungen (12 Prozent), schließlich Schnitt- und Spießungsverletzungen (6 Prozent).

Vorwiegend erleiden Leistungs- und Hochleistungssportler Augenverlet- zungen und -schäden. Breiten-, Frei- zeit-, und Alterssportler sind davon we- niger betroffen. Gesundheitssportler weisen selten Augenläsionen durch Sport auf. Etwa 70 Prozent der Augen- verletzungen weltweit entstehen in Sportarten, bei denen ein Gegenstand (Ball, Puck) bewegt wird. Verursacher der meisten Sportschäden am Auge sind kleine Bälle (einschließlich Pucks), jedoch nicht, weil sie besser ins „Auge passen“, wie man in der Literatur im-

mer wieder findet, sondern weil sie mit höherer Geschwindigkeit und aus nähe- rer Distanz auf das Auge treffen (Schnell D, unveröffentlichte Ergebnis- se). Bei Gesichtsanalysen (Abbildung 1)und Schussversuchen können große Bälle das Auge ebenfalls „voll treffen“, vor allem, da sie sich beim Auftreffen verformen. Als Kriterium der Verlet- zungshäufigkeit und -schwere lässt sich ein „Energiequotient“ aus Ballmasse, - geschwindigkeit und Schussabstand be- stimmen, der zum Beispiel beim Ten- nisball eine Zehnerpotenz höher liegt als beim Fußball (10, 11).

Unfallfolgen im Auge

Durch Prellungen können Hornhaut-, Iris-, Linsenläsionen, Blutungen im Au- ge und Rupturen (der Aderhaut und der Sehnerven) auftreten (Abbildung 2). Nach direkten Einwirkungen, aber auch nach indirekten, wie Erschütte- rungen der Augen und des Kopfes, las- sen sich vor allem bei Kurzsichtigen Netzhautschäden beobachten. Der Au- tor des vorliegenden Beitrags und seine Arbeitsgruppe diagnostizierten zwei akute Netzhautablösungen nach Stür- zen bei alpinem Skilauf, ohne direkte Augenverletzungen (Schnell D, unver- öffentlichte Ergebnisse). Leider wer- den derartige indirekte Unfallfolgen im deutschen medizinischen Gutachterwe- sen bisher nicht anerkannt.

Eine wichtige Prophylaxe stellt bei allen Sportarten, besonders aber bei de- nen, die mit stärkeren Erschütterungen des Kopfes einhergehen, eine einge- hende Augenuntersuchung, einschließ- lich der zentralen und peripheren Netz- haut dar.

Wie Draeger (2) feststellte, kann sich schon beim Joggen das an seinen Muskeln aufgehängte Auge zu hohen Schwingungsfrequenzen aufschaukeln.

Das gleiche gilt nach unseren Erfahrun- gen auch für das Reiten (12). Bei ungünstiger Glaskörper-Netzhaut-Kon-

Sport und Auge

Augenverletzungen durch Sport und Sport als Therapie bei Augenkrankheiten

Dieter Schnell

Zusammenfassung

Leichte Prellungen, reversible Funktionsstörun- gen oder sogar Augenverlust kommen im Sport ebenso vor wie Schäden durch Infektionen, UV- Strahlen, Chlor oder solche, die durch besonde- re Augenstrukturen oder -krankheiten bedingt sind. Prophylaktisch sehr wirksam sind Augen- untersuchungen und geeignete Schutzmaß- nahmen wie Masken, Brillen oder Helme. Positi- ve Auswirkungen hat der Sport in Form eines dynamischen Ausdauertrainings auf Menschen mit Grünem Star, mit diabetischer Retinopathie und wahrscheinlich auch auf solche mit (ande- ren) Durchblutungsstörungen. Eindeutig posi- tiv wirkt Sport auf Blinde und Sehbehinderte, bei denen ein Bewegungsmangel schon im Säuglingsalter zu physischen und psychischen Entwicklungsstörungen führt, die nur durch ein frühzeitiges Bewegungstraining gemindert werden können. Neben dem Gesundheitssport spielt der Leistungssport Blinder und Sehbehin- derter eine zunehmende Rolle.

Schlüsselwörter: Augenverletzung, Augenscha- den, Augenkrankheit, Blindensport, Sportver- letzung

Summary

Sport Activities and Eye

In sport activities light contusions, reversible functional disturbances or even loss of an eye, as well as injuries caused by certain eye structures or eye diseases may occur. Detailed eye exami- nations and suitable protections, for instance in form of masks and glasses are effective pro- phylactically. Positive consequences of sport can be demonstrated in persons suffering from glaucoma in form of dynamic staying-power activities as well as by persons with diabetic retinopathy and probably by persons with (other) poor blood supply. It is proven that sport has a positive effect on blind and visually handicapped persons. Their immobility leads to disturbances in physical and psychic devel- opment already in infancy which can be re- duced by earliest sport exercises. Beside the health-sport of blind and visually handicapped persons there are more and more blind or visually handicapped top-performance athletes.

Key words: eye injury, eye-disease, sport with blind persons, sport injury

Augenklinik (Leitende Ärzte: Dr. med. Dieter Schnell, Dr.

med. Hans-Jürgen Schnell) des akademischen Lehrkran- kenhauses der Universität Bonn im Kreiskrankenhaus Waldbröl

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stellation kann es dadurch zu Blutun- gen und Netzhautschäden kommen.

Kleine Bälle verursachen meist Ver- letzungen des vorderen und mittleren Augenabschnitts (Binde-, Horn-, Re- genbogenhaut, Strahlenkörper, Linse).

Große Hohlbälle führen zu oft zu Ver- letzungen des hinteren Augenab- schnitts, das heißt vor allem der Netz-, Aderhaut und des Sehnervs. Für Letz- tere ist vor allem die Sogwirkung dieser Ballart verantwortlich, die in der zwei- ten, der Rückprallphase, zu einem Un-

terdruck zwischen der Linse und den hinteren Augenstrukturen führt. Orbi- tafrakturen (zum Beispiel die Blow- out-Fraktur) werden entgegen einigen Literaturangaben immer durch harte Gegenstände (beispielsweise Schläger, aber auch Pucks) nie durch Hohlbälle hervorgerufen (10, 11). Die höchsten Geschwindigkeiten erreichen, kurz nach dem Abschlag, Golfbälle mit über 300 km/Std., Squash- und Tennisbälle mit über 250 km/Std., Badminton-(Fe- der-)Bälle mit über 200 km/Std. Hand- und -Fußbälle sind mit etwa 100 Stun- denkilometern erheblich langsamer.

Augenverletzungen bei einzelnen Sportarten

Immer noch führen weltweit fast zehn Prozent der Augenverletzungen beim Sport zur Erblindung. Dies liegt vor al- lem an einigen wenigen besonders au- gengefährdenden Sportarten, die von Land zu Land variieren. In den Län- dern, in denen bevorzugt Squash ge- spielt wird, steht diese Sportart stets an erster Stelle der relativen Verletzungs- häufigkeit und -schwere. In Deutsch- land verursacht zwar der Fußballsport

wegen seiner hohen Spielfrequenz die häufigsten Läsionen der Augen, Squash weist jedoch im Verhältnis zur Häufig- keit der Sportausübung die meisten schweren Augenverletzungen auf. An zweiter Stelle der relativen Häufigkeit folgen hier die Augenverletzungen bei Eishockeyspielern. Leider geht auch heute noch eine Menge an Erblindun- gen auf das Konto dieser beiden Sport- arten. Der Grund liegt darin, dass bei beiden Sportdisziplinen in Deutsch- land, zumindest für Erwachsene, kein

(Gesichts-) Augenschutz vorgeschrie- ben ist.

Empfehlungen des Autors und sei- ner Arbeitsgruppe an die Verbände der Sportarten Squash und Eishockey, Au- gen- beziehungsweise Gesichtsschutz für alle Spieler vorzuschreiben, blieben bisher leider ohne Erfolg. Als Begrün- dung der Ablehnung wurde darauf hin- gewiesen, dass Augenverletzungen bei diesen Sportarten relativ selten seien.

Dies trifft für Squash nicht zu, denn hier spielen sich 50 Prozent der Sportverlet- zungen am Kopf und 25 Prozent am Auge ab! Zwei Drittel dieser sowie der etwas selteneren Augenver-

letzungen beim Eishockey sind schwer und führen nicht selten zu Erblindungen.

Dabei sind die bei bei- den Sportarten erforderlichen Schutzmaßnahmen (Brille be- ziehungsweise Gesichtsvoll- maske) weder unzumutbar störend noch zu teuer, und sie verhindern schwere Augen- verletzungen zu fast 100 Pro- zent. In Nordamerika haben sich die Augenverletzungen beim Squash drastisch redu-

ziert, seitdem ein Augenschutz bindend vorgeschrieben wurde, obwohl die Bril- le nur zu etwa 50 Prozent getragen wird.

In Kanada konnte durch den obligatori- schen Gesichtsschutz beim Eishockey die offizielle Erblindungsrate im Jahr von etwa 80 Augen auf annähernd Null Augen gesenkt werden (7).

Beim Basket- und Volleyball sind Lidverletzungen einschließlich Tränen- röhrchenabrissen nicht selten. Lidwun- den entstehen auch häufig beim Berufs- boxen. Amerikanische und kanadische Untersucher stellten bei au- gengesund erscheinenden Profiboxern zu etwa 70 Pro- zent schwere Schäden des Kammerwinkels, der Linse (Luxationen) und der Netz- haut fest (12).

Beim Tauchen werden in der Ab- und der Austauch- phase Durchblutungsstörun- gen, Erhöhungen des Augen- drucks und damit Befundver- schlechterungen, besonders bei engem Kammerwinkel (auch durch Pupillenerweite- rung bei zunehmender Dunkelheit in der Tiefe), aber auch bei Weitwinkel- glaukomen mit Gesichtsfeldausfällen diskutiert. Kunstaugen dürfen beim Tauchen nicht getragen werden, sie können durch den Überdruck in der Tauchermaske implodieren. Tauchgän- ge (mit Druckluftgeräten) über die

„Nullzeit“ hinaus bedrohen bei Nicht- beachtung der Austauchzeiten das Au- ge durch ausperlende Stickstoffblä- schen. Es wurden dabei Erblindungen durch zentrale Schäden (an Gefäßen, Netzhaut, Aderhaut) beobachtet. Ame- rikanische Augenärzte haben bei 50 Abbildung 1: „Volltreffer“ eines großen Balls ins Auge

Abbildung 2: Aderhautruptur durch Augenprel- lung (Visus 10 Prozent)

Abbildung 3: Hallentauchkurs in der Schwimmhalle (Sportophthalmologen-Kurs)

(3)

Prozent der Personen, die Dekompres- sionssymptome während ihres Taucher- lebens festgestellt hatten, vaskuläre und Netzhautpigmentschäden festge- stellt (8).

Durch die Klappenlosigkeit der Halsvenen kann bei allen Körper-über- Kopf-Übungen (Kopf-, Handstand, Kerze) sowohl Blutandrang als auch Druck im Auge (und Kopf) auftreten.

Bei brüchigen Gefäßen (Diabetes, Skle- rose) und hohem Blutdruck drohen Blu- tungen ins Auge. Dies erklärt auch die in der Literatur beschriebenen Netz- hautblutungen, bis hin zu Erblindungen beim Bungee-Springen.

Dass die Klappenlosigkeit der Hals- venen auch zu anderen gravierenden Augenveränderungen führen kann, be- schreiben zwei amerikanische Au- genärzte (9). Sie fanden bei einem jun- gen Mann, der täglich einen Yogakopf- stand mit einer Dauer von über 20 Mi- nuten durchführte, Gesichtsfeld-Aus- fälle, wie sie bei Glaukompatienten auf- treten, obwohl der Patient sonst augen- gesund war. Offensichtlich hatten hal- tungsbedingte Augeninnendrucker- höhungen bei der Yoga-Übung zu ei- nem „glaukomoiden“ Schaden geführt.

Als der Patient diese Übung vermied, blieben die Ausfälle stationär. In ähnli- chen Situationen wurde vom Autor die- ses Beitrags und seiner Arbeitsgruppe bei Gesunden zum Teil ein Augenin- nendruckanstieg auf das Doppelte der Norm (> 40 mm Hg) gemessen (Abbil- dung 4).

Über 90 Prozent der Augenverlet- zungen im Sport wären durch Schutz- maßnahmen vermeidbar (3, 7). Andere sportbedingte Augenschäden, an Glas- körper, Netz- und Aderhaut, sind durch regelmäßige augenärztliche Untersu- chungen und die Beachtung wichtiger Regeln bei der Sportausübung auf ein Minimum reduzierbar.

Sport als Therapie bei Augenkrankheiten

Grundsätzlich kann man davon ausge- hen, dass sich in unserer Zeit des Bewe- gungsmangels Sport in jeglicher Form physisch und psychisch positiv auf den Körper auswirkt und Krankheiten, auch im Bereich der Augen, günstig be- einflusst. Gesundheitssport spielt daher in unserer modernen Gesellschaft mit voller Berechtigung eine große Rolle.

Eine wohldosierte dynamische Aus- dauerbelastung (zum Beispiel Walking, Joggen, Radfahren) hat positive Wir- kungen auf das am grünen Star er- krankte Auge (5). Der Augendruck sinkt zumindest temporär ab, die Durchblutung bessert sich.

Günstige Auswirkungen eines sol- chen Gesundheitstrainings fanden eini- ge Autoren auch bei Diabetespatien- ten, nicht nur durch eine Verbesserung der allgemeinen Durchblutung, son- dern auch in Form eines insulinsparen- den Stoffwechseleffekts und der Ver- hinderung einer diabetischen Retino- pathie (1). Erste Hinweise scheinen dafür zu sprechen, dass ein dynami- sches Kreislauf-Ausdauertraining in der Lage ist, die Situation von Men- schen mit degenerativen Augener- krankungen (Makulopathien und ande- ren Durchblutungsstörungen) zu ver- bessern (Schnell D, unveröffentlichte Ergebnisse). Von etwa 400 ausgewerte- ten Arbeiten über das Thema „Auge und Sport“, beschäftigten sich nur 1,5 Prozent mit der Thematik Augen-

krankheiten und Sport, davon jedoch keine mit dem Thema der Durchblu- tungsverbesserung der Augen durch sportliche Betätigung (10).

Spektakuläre Durchblutungsverbes- serungen erlebten der Autor und seine Arbeitsgruppe bei zwei Menschen mit frischen arteriellen Netzhautgefäßem- bolien (10, 11). Nachdem bei beiden Patienten drei Stunden lang keine Be- fundänderung eingetreten war und alle sonstigen ophthalmologisch üblichen konservativen Behandlungsmethoden versagt hatten, kam es bei beiden durch ein dynamisches Ausdauertraining von etwa 50 Watt (Rost R, persönliche Mit- teilung) innerhalb weniger Minuten zu einer Wiederdurchblutung der emboli- sierten Gefäße. Es hatte sich offensicht- lich aus einer Zentralarterien- bezie- hungsweise Arterienast-Embolie eine transitorische ischämische Attacke ent- wickelt (Abbildung 5). Bei einem der beiden Patienten konnte ein Rezidiv vier Wochen später auf die gleiche Art beseitigt werden. Weitere Rückfälle ließen sich bei beiden Personen durch Abbildung 4: Augeninnendruckmessung im

Handstand (Sportophthalmologen-Kurs)

a

b

Abbildung 5a und b: Transitorische ischämische Attacke (TIA)

(4)

ein von da an regelmäßig aufgenomme- nes Ausdauertraining im Beobach- tungszeitraum von nunmehr 3,5 Jahren vermeiden. Neben der Verstärkung der vis a tergo in den Gefäßen durch den Dauerlauf wäre eine aggregationshem- mende Wirkung in den Gefäßen zu dis- kutieren, die zum Abwandern der wohl noch locker gefügten Emboliepartikel führte.

Der Dauerlauf, als unkomplizierte, ungefährliche und wenig zeitrauben- de konservative Therapie, wird seither vom Autor und seiner Arbeitsgruppe bei frischen arteriellen Embolien mit unterschiedlichem Erfolg angewendet.

Im Falle eines Versagens dieser Thera- pie bleibt genügend Zeit für die auf- wendigen invasiven Therapieformen bis hin zur sehr problematischen allge- meinen oder intraarteriellen Lyse der Arteria centralis retinae.

Sport mit Blinden und Sehbehinderten

Gesundheitssport

Neueste Gehirnforschungen haben er- geben, dass die Zahl der im späteren Leben nutzbaren Synapsen im frühe- sten Säuglingsalter durch die frühkind- liche körperliche Aktivität festgelegt wird (Hollmann H, persönliche Mittei- lung). Daher ist es wichtig, Säuglingen möglichst früh körperliche Bewegung zu ermöglichen.

Da die Motorik und der Bewegungs- drang blinder Kinder meist gering ent- wickelt sind und häufig durch Über- behütung weiter minimiert werden, bleibt die körperliche, oft auch die see- lische Entwicklung dieser Kinder ge- genüber Gleichaltrigen meist weit zu- rück. Nach Auskunft der Blindenein- richtungen werden blinde Kinder auch heute noch immer zu spät körperlicher Bewegung oder gar einem Bewegungs- training zugeführt.

Eine früh begonnene Bewegungs- therapie begünstigt die körperliche und seelische Entwicklung hochgradig seh- schwacher und blinder Kinder. Es wird diskutiert, dass ein wohldosiertes kör- perliches Training auch in der Lage sein könnte, durch die Erblindung der Au- gen bedingte hormonelle Störungen

(beispielsweise des adrenocorticotro- pen Hormon- [ACTH-], Melatonin- und Cortisolspiegels im Blut [6]) zumin- dest teilweise auszugleichen.

Das später einsetzende Mobilitäts- training, welches zur Selbstständigkeit jugendlicher und erwachsener Men- schen im täglichen Leben beiträgt, kann auf den Trainingsergebnissen eines fachkundigen, der körperlichen Ent- wicklung und der Erblindungsursache angepassten Sportprogramms aufbau- en. Wichtig bei einer solchen körperli- chen Bewegungstherapie ist, dass Pati- ent, Therapeut (Sportlehrer) und Au- genarzt in enger Verbindung stehen, um

weitere Schäden, etwa durch den Sport, zu vermeiden. Schließlich geht es ja dar- um, das noch vorhandene Sehvermö- gen oder zumindest die Augen zu erhal- ten.

Menschen mit einer Sehschärfe zwi- schen 30 Prozent und fünf Prozent auf dem besseren Auge gelten als seh- schwach, solche mit einem Visus zwi- schen fünf und zwei Prozent als hoch- gradig sehschwach und Sehbehinderte mit einer Sehschärfe unter zwei Prozent als blind. Schulfähigkeit, also auch all- gemeine Schulsportfähigkeit, Sehbe- hinderter besteht bei einer Sehschärfe des besseren Auges von 30 Prozent und mehr.

Leistungssport

Dem Leistungssport hochgradig Sehbe- hinderter und schon gar Blinder stehen Augenärzte kritisch gegenüber, da zu befürchten ist, dass zu der bisherigen

Behinderung weitere Schäden durch den Sport hinzukommen. Dennoch ist es wichtig, auch diesen Sport ärztlich zu begleiten, um Schädigungen zu mini- mieren.

Zur Schaffung einigermaßen fairer Wettkampfbedingungen werden die Behinderten in drei Schadensklassen eingeteilt (11). Für Sehbehinderte in Deutschland gilt die internationale Klassifikation. Leider ist das Raster dieser Einteilung zu grob. Die Konkur- renz in der gleichen Schadensklasse von Menschen mit schlechter Zentralseh- schärfe und normalem Gesichtsfeld mit solchen, die 100 Prozent sehen, aber ein

nicht für die Orientierung im Raum nutzbares Gesichtsfeld aufweisen, führt bei vielen Sportarten (Läufen, Spielen, Schießwettbewerben) zu Ungerechtig- keiten.

Während bis dato kaum Augenärzte mit den Problematiken des Blinden- sports befasst waren, erhielt die Arbeits- gruppe des Autors „Sportophtalmolo- gie“ im Berufsverband der Augenärzte Deutschlands vor einigen Jahren vom Deutschen Behinderten-Sportverband die Aufgabe, sich um den Leistungs- sport der Blinden und Sehbehinderten zu kümmern. Frühere Einteilungsfeh- ler in den einzelnen Schadensklassen konnten beseitigt und dadurch Gerech- tigkeit und Fairness hergestellt werden.

Mittlerweile ist die Arbeitsgruppe auch im internationalen Blindensport veran- kert und tätig.

Besondere Hilfsmittel erlauben es den Blinden und Sehbehinderten, ihrem Sport nachzugehen: Blinde Abbildung 6: Blinden-Spiel „Rollball“ (Sportophthalmologen mit Augenbinden)

(5)

Kurzstreckenläufer werden durch Zu- rufe mit dem Megafon gesteuert. Lan- ge Strecken absolviert man durch ein Band, mit einem sehenden Mit- läufer verbunden. Ballspiele werden mit Klingelbällen durchgeführt (Ab- bildung 6). Die eingebauten kleinen Schellen erzeugen beim Rollen hörba- re Geräusche. Klingelstöcke oder Zu- rufe eines hinter dem Blinden fahren- den Sehenden dirigieren den alpinen Skiläufer die Piste hinab. Bei allen Vorbehalten gegen den Leistungssport Sehbehinderter steht fest, dass hierbei wenig Verletzungen oder andere Schä- den zu verzeichnen sind. Anderer- seits vermittelt der Sport Sehbehinder- ten, die sich oft von der Umwelt ab- schotten, ein Gemeinschaftsgefühl.

Leistung führt zu einem positiven Körperempfinden, dadurch wachsen Selbstvertrauen und Selbstbewusst- sein, Lebensmut und Kraft für das Le- ben in dieser oft auch psychisch dun- klen Welt.

Schlussbemerkung

Von den 28 Millionen Sportreibenden der 80 000 Vereine in Deutschland be- dürfen etwa 14 Millionen der fach- männischen Betreuung der Augen durch einen sporterfahrenen Speziali- sten. Seit sieben Jahren veranstaltet die Arbeitsgruppe „Sportophthalmolo- gie“ des Berufsverbandes der Augen- ärzte Deutschlands Seminare, Works- hops und Wochenendkurse über die speziellen Gegebenheiten des Sports in Theorie und Praxis (Abbildung 3, 4, 6).

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2000; 97: A 2712–2716 [Heft 41]

Literatur

1. Cruickshanks KJ, Moss SE, Klein R, Klein BE: Physi- cal activity and proliferative retinopathy in people diagnosed with diabetes before age 30 years. Dia- betes Care 1992; 15: 1 267–1 272.

2. Draeger J, Roßmann H: Sport und Augenerkrankun- gen. Zsch für prakt Augenheilkunde 1984; 5:

159–166.

3. Easterbrook M: Getting patients to protect their eyes during sports. The Pphysician and Sportsmedi- cine 1992; 20: 164–170.

4. Hollwich F: Die Wirkung des natürlichen und künst- lichen Lichts über das Auge auf den Hormon- und Stoffwechselhaushalt des Menschen. Monatsbl für Augenheilkd 1972; 171: 98–104.

5. Kypke W: Augeninnendruck während und nach kör- perlicher Belastung: I. Kreislaufparameter. Albrecht von Graefes Arch klin exp Ophthalmol 1973; 186:

91.

6. Labelle P, Mercier M, Podtetenev M, Trudeau F: Eye injuries in sports: Results of a five-year study. The Physician and Sportsmedicine 1988; 5: 126–138.

7. Pashby TJ: Eye injuries in Canadian sports and recreational activities. Canadian J Ophthalmol 1992; 27: 226–229.

8. Polkinghorne PJ, Sehmi K, Cross MR, Minassian D, Bird AC: Ocular fundus lesions in divers. Lancet 1988; 8 625: 1 381–1 383.

9. Rice R, Allen RC: Yoga in glaukoma. Am J of Opht- hal 1986; 100: 738–739.

10. Schnell D: Sehorgan und Sport. In: Bartmus U, Heck H, Mester J et al. (Hrsg): Aspekte der Sinnes- und Neurophysiologie im Sport. Sport und Buch. Köln:

Strauß, 1996; 175–240.

11. Schnell D: Das kann ins Auge gehen. Sport und Buch. Köln: Strauß, 1997; 11–90.

12. Wedrich A, Velikay M, Binder S, Radax U, Stolba U, Datlinger P: Ocular findings in asymptomatic ama- teur boxers. Retina 1993; 2: 114–119.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Dieter Schnell Augenklinik des akademischen Lehrkrankenhauses der Universität Bonn im Kreiskrankenhaus Waldbröl Kaiserstraße 62, 51545 Waldbröl E-Mail: schnell-waldbröl@t-online.de

Derzeit wird empfohlen, bei Patienten mit einer Zylinderzellmetaplasie der Speiseröhre (Barrett-Ösophagus) endo- skopisch-bioptische Vorsorgeuntersu- chungen in zweijährigem Abstand zur Früherkennung eines Adenokarzinoms der Speiseröhre durchzuführen. Die schwedischen Autoren haben diese Empfehlung in einer prospektiven Stu- die einer kritischen Würdigung unterzo- gen. Dabei wurden 199 Patienten mit ei- ner Zylinderzellmetaplasie, die insge- samt 797 Jahre überwacht worden waren und bei denen 1 071 Endoskopien durch- geführt wurden, ausgewertet. Fünf Pati- enten entwickelten ein Adenokarzinom, das heißt, einer auf 159 Patientenjahre.

Die Kosten für ein entdecktes Karzinom beliefen sich auf 37 815 US $. Nur vier der fünf Patienten erwiesen sich als geeignet für eine Ösophagusresektion, von diesen

wies einer bereits einen fortgeschrittenen Tumor auf. In allen Fällen, in denen ein Karzinom beobachtet wurde, handelte es sich um einen Long-Segment-Barrett von über 3 cm Länge. Die Autoren kom- men zu dem Schluss, dass Vorsorgeunter- suchungen bei Patienten mit Barrettöso- phagus wegen der niedrigen Karzino- minzidenz, der hohen Kosten und der zweifelhaften Prognose infrage gestellt

werden müssen. w

Nilsson J, Skobe V, Johnsson F et al.: Screening for oeso- phageal adenocarcinoma: an evaluation of a surveillance program for columnar metaplasia of the oesophagus.

Scand J Gastroenterol 2000; 35: 10–16.

Folke Johnsson, M.D., Ph. D., Dept. of Surgery, Lund Uni- versity Hospital, SE 221 85 Lund, Schweden.

Referiert

Referiert

Vorsorgeuntersuchung bei Barrett-Ösophagus?

In einer prospektiven Kohortenstudie an Kindern unter zehn Jahren wurde der Einfluss einer Antibiotikabehand- lung auf das Entstehen eines hämoly- tisch-urämischen Syndroms (HUS) bei gesicherten Infektionen mit Es- cherichia coli 0157:H7 überprüft. Von den untersuchten 71 Kindern hatten 9 (13 Prozent) Antibiotika erhalten, 10 (14 Prozent) entwickelten ein HUS.

Fünf dieser zehn HUS-Kinder (50 Prozent) waren antibiotisch behandelt worden. Dadurch ließ sich ein 17,3- fach erhöhtes relatives Risiko für das Auftreten eines HUS nach Antibioti- katherapie bei Infektionen mit E. coli 0157:H7 errechnen. Als mögliche Er- klärung gilt den Autoren die Beobach- tung aus verschiedenen In-vitro-Stu- dien, dass E. coli unter dem Einfluss von Antibiotika Shiga-Toxin freisetzt.

Dieses Toxin gilt als eigentlicher Schlüssel in der Pathogenese der Ent-

stehung eines HUS. acc

Wong CS et al: The risk of hemolytic-uremic syndrome after antibiotic treatment of Escherichia coli 0157:H7 infections. N Eng J Med 2000; 342: 1930–1936.

Dr. Tarr, Division of Gastroenterology, CH-24, Child- rens Hospital and Regional Medical Center, 4800 Sand Point Way NE, Seattle, WA 98105, USA.

Hämolytisch-urämisches Syndrom durch

Antibiotika?

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