Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 4⏐⏐23. Januar 2009 A105
S E I T E E I N S
D
as zweite Konjunkturpaket der Bundesregierung enthält zwei Aspekte von gesundheitspolitischer Relevanz: die steuerfinanzierte Absenkung des einheit- lichen Beitragssatzes in der gesetzlichen Krankenversi- cherung (GKV) sowie die geplanten Investitionen in die kommunale Infrastruktur und hier vor allem in die Krankenhäuser. Letzteres war die bessere Idee.Davon, dass die Bundesregierung den GKV-Beitrags- satz zum 1. Juli von 15,5 auf 14,9 Prozent senkt, profi- tieren nur wenige Ärztinnen und Ärzte. Schließlich sind die meisten von ihnen privat krankenversichert. Als Steuerzahler müssen sie die Maßnahme freilich trotz- dem mitbezahlen. So steigt der Bundeszuschuss zum Gesundheitsfonds in diesem Jahr um drei Milliarden Eu- ro, im Jahr 2010 um weitere sechs Milliarden Euro. Aber ist diese Ungleichbehandlung von privat und gesetzlich Krankenversicherten überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar? Zweifel sind angebracht – prüft doch das Bundesverfassungsgericht derzeit noch, ob der Bundes- zuschuss, mit dem die Beitragsfreiheit von Kindern in der GKV finanziert wird, überhaupt rechtens ist. Zudem stellt sich die Frage, ob die GKV-Versicherten wirklich mehr Geld ausgeben und so die Binnennachfrage „an- kurbeln“, nur weil sie monatlich bis zu 10,80 Euro weni- ger Kassenbeitrag zahlen. Größer ist die Entlastung für den einzelnen Arbeitnehmer nämlich nicht.
Eine wirklich gute Nachricht ist hingegen die ange- stoßene Förderung zusätzlicher Investitionen in die Krankenhäuser. 3,5 Milliarden Euro stellt der Bund für die Modernisierung der kommunalen Infrastruktur be- reit. Zuzüglich des festgeschriebenen Finanzierungsan- teils der Länder in Höhe von 25 Prozent betragen die Finanzhilfen der öffentlichen Hand für diesen Bereich 4,67 Miliarden Euro. Die Krankenhäuser konkurrieren dabei zwar mit anderen Projekten zur Modernisierung der kommunalen Infrastruktur wie Städtebau und Lärmsanierung, verfügen jedoch über einen wichtigen Wettbewerbsvorsprung: Ihre Investitionspläne liegen den zuständigen Landesbehörden bereits vor und kön- nen ohne Zeitverzug umgesetzt werden.
Die Zeit spielt eine entscheidende Rolle in der Kon- junkturpolitik. Nur wenn die stimulierenden Maßnah- men rechtzeitig im wirtschaftlichen Abschwung grei- fen, sind sie überhaupt sinnvoll. Kurbeln sie hingegen zeitversetzt einen bereits in Gang gekommenen Auf-
schwung weiter an, hätte der Staat das Geld besser anderweitig eingesetzt. Die Regierungskoalition hofft denn auch, dass mindestens die Hälfte der zusätzlichen Investitionen in die kommunale Infrastruktur bereits in diesem Jahr getätigt wird – und das, obwohl das Kon- junkturpaket II wohl erst am 1. Mai in Kraft tritt. Für die Krankenhäuser steckt in diesem engen Zeitfenster eine Chance. Denn sie können mit hohem Investitionsbedarf und realisierungsreifen Projekten aufwarten. Sie sollten daher frühzeitig Anträge auf Förderung zusätzlicher Investitionen stellen, um einen möglichst hohen Anteil des Zweijahresbudgets zu realisieren.
Der von den Ländern verursachte „Investitionsstau“
in den Kliniken erschwert den Ärzten und Pflegekräften ihre Tätigkeit und gefährdet die Qualität der medizini- schen Versorgung. Deshalb ist jeder im stationären Sek- tor investierte Euro ohnehin gut angelegt. Darüber hin- aus hätten zusätzliche Investitionen im Krankenhaus- bereich aber auch positive Effekte auf die Gesamtwirt- schaft. Am meisten profitierten wohl die Unternehmen der Medizintechnologie. Weitere Branchen, die mit zu- sätzlichen Aufträgen von Krankenhäusern rechnen könnten, sind Hersteller von Datenverarbeitungsgeräten, Bauunternehmen, Möbelhersteller und Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen. „Angekurbelt“ würde mithin vor allem die heimische Wirtschaft, was hierzu- lande Arbeitsplätze sicherte. Dies sieht in anderen In- dustriezweigen bekanntlich ganz anders aus. Dieses Argument sollten die Klinikträger immer wieder vor- bringen, wenn sie auf kommunaler und Landesebene über die Finanzhilfen verhandeln.
Jens Flintrop Redakteur für Gesundheits- und Sozialpolitik
KONJUNKTURPAKET II
Eine Chance für die Kliniken
Jens Flintrop