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Archiv "Anwendungsbeobachtungen – Notwendig: mehr Transparenz und Wissenschaftlichkeit" (16.10.2009)

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A 2042 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 42

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16. Oktober 2009

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öllig wertlos und überflüssig – so lautet häufig das Urteil über Anwendungsbeobachtungen (AWB). Dabei gehört zu den Haupt- kritikpunkten, dass pharmazeutische Unternehmen sie als reine Marke- tingmaßnahmen nutzten. An die Ver- tragsärzte ist der Vorwurf gerichtet, sie wollten durch die Teilnahme ihr Honorar aufbessern. Dadurch ließen sie sich vor den Karren der Unter- nehmen spannen und würden ihren Patienten unnötige und/oder über- teuerte Arzneimittel verschreiben.

Zunächst ein paar Fakten: Der Umsatz von Arzneimitteln, zu denen Pharmafirmen AWB durchführen, ist beträchtlich: Er beläuft sich auf rund 7,2 Milliarden Euro jährlich, was knapp einem Viertel des Gesamtum- satzes für verschreibungspflichtige Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. An - nähernd jede fünfte AWB bezieht sich auf neu in den Markt eingeführte Arzneimittel.

Arzneimittelhersteller müssen der zuständigen Bundesoberbehör- de, also dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung (KBV) anzeigen, dass sie An- wendungsbeobachtungen begonnen

haben. Diese Meldung musste bis- lang Ort, Zeit und Ziel der AWB umfassen. Der KBV und dem Spit- zenverband Bund mussten darüber hinaus eine Namensliste der teil- nehmenden Ärzte, der Vertrag so- wie Angaben zu den Honoraren übermittelt werden. Aufgrund der kürzlich verabschiedeten 15. No-

TABELLE

Kennzahlen zu den der KBV gemeldeten Anwendungsbeobachtungen für das Jahr 2008

* einschließlich AWB, die bereits vor 2008 begonnen wurden; teilweise mehrere AWB zum selben Präparat.

** Analogarzneimittel (auch sogenannte Me-too-Präparate) sind neue, patentgeschützte Arzneimittel mit keinen oder nur marginalen Unterschieden zu bereits eingeführten Präparaten.

Anwendungsbeobachtungen (AWB)

Anzahl unterschiedlicher AWB*

davon Erstmeldungen

namentlich angegebene Arzneimittel in AWB

Anzahl AWB zu neuen Arzneimitteln nach Markteinführung Anzahl der Analogarzneimittel**, für die AWB durchgeführt werden durchschnittlicher Preis je Verordnung eines AWB-Arzneimittels

2008

329 215 235 54 12 196 €

ANWENDUNGSBEOBACHTUNGEN

Notwendig: mehr Transparenz und Wissenschaftlichkeit

Anwendungsbeobachtungen können sinnvoll sein, um nach der Markteinführung eines Medikaments wichtige Erkenntnisse zu erhalten. Sie seien aber noch zu oft ein Marketinginstrument, sagt KBV-Vorstand Dr. med. Carl-Heinz Müller.

Foto: Superbild

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16. Oktober 2009 A 2043 velle des Gesetzes zur Änderung

arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften muss nun zusätzlich allen drei Organisationen der Beob- achtungsplan zur Verfügung gestellt werden.

Die KBV bereitet die eingehen- den Meldungen systematisch auf und stellt sie den Kassenärztlichen Vereinigungen zur Verfügung. Ziel ist es, diese bei ihrem Auftrag zu unterstützen, auf eine wirtschaftli- che Verordnungsweise hinzuwirken.

Über Inhalte und Ergebnisse der AWB bleibt manches unklar: Es werden weder Abschlussberichte noch die Anzahl behandelter Patien- ten noch die Gesamtbeträge der aus- gezahlten Honorare gemeldet. Den- noch lassen sich aus den erfassten

Meldungen Fakten entnehmen, die zu einer sachlichen Diskussion des Themas AWB beitragen können.

Insgesamt haben pharmazeutische Unternehmen im Jahr 2008 der KBV 329 Anwendungsbeobachtungen zu 235 verschiedenen, namentlich ge- nannten Arzneimitteln gemeldet.

Davon waren 215 Erstanmeldungen von Anwendungsbeobachtungen.

Bei den namentlich genannten Prä- paraten handelte es sich über - wiegend um patentgeschützte und damit meist hochpreisige Arznei- mittel. Bei allen produktbezogenen Untersuchungen betrafen 54, das heißt knapp 20 Prozent, solche Arzneimittel, die im ersten Quartal 2007 noch nicht auf dem Markt waren (siehe auch Tabelle).

81 Anwendungsbeobachtungen bezogen sich mit unterschiedlichen Studiendesigns und unter verschie- denen Titeln auf Produkte, zu denen bereits mindestens eine andere AWB gemeldet war. Zwölf AWB waren nicht auf ein einzelnes Pro- dukt bezogen, sondern auf mehrere unterschiedliche Wirkstoffe, auf einzelne Krankheitsentitäten oder spezielle Syndrome.

AWB-Verordnungen kosten durchschnittlich 200 Euro Der Umsatzzuwachs bei allen Arz- neimitteln in AWB von 2008 ge- genüber 2007 betrug rund eine Mil- liarde Euro. Der durchschnittliche Wert je Verordnung bei allen Arz- neimitteln, für die Anwendungsbe- obachtungen durchgeführt werden, lag 2008 bei rund 196 Euro. Dies macht zum einen deutlich, dass pharmazeutische Unternehmen AWB bevorzugt bei neuen und teuren Medikamenten ansetzen.

Das Ziel, eine schnelle Umsatz- steigerung zu erreichen, ist deshalb sicherlich nicht von der Hand zu weisen. Zum anderen kann ein frü- her Untersuchungszeitpunkt aber auch sinnvoll sein, weil bei der Markteinführung eines neuen Me- dikaments in der Regel lediglich Daten aus Zulassungsstudien vor- liegen. Die Zulassungsbehörden verlangen aber regelmäßig auch Be- richte, um Wirksamkeit und Unbe- denklichkeit von Arzneimitteln unter Alltagsbedingungen bestätigt zu be- kommen und seltene, unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu erkennen.

An einer Anwendungsbeobach- tung nehmen im Durchschnitt 259 Ärzte teil. Die der KBV gemeldeten Zahlen von Ärzten in AWB geben alle erfassten Teilnehmer an; sie sind deshalb höher. Mehrfachzäh- lungen sind nicht vermeidbar, allein schon wegen der Teilnahme einzel- ner Ärzte an mehr als einer Anwen- dungsbeobachtung sowie wegen fälschlicherweise unterschiedlicher Schreibweisen desselben Arztna- mens. Ein Abgleich mit weiteren persönlichen Daten, wie zum Bei- spiel der Praxisanschrift oder der lebenslangen Arztnummer, ist nicht möglich, da diese nicht regelhaft

gemeldet werden. X

Die KBV fordert, die Transparenz im Fall von Anwendungsbeobachtungen (AWB) weiter zu erhöhen. Dazu schlägt sie Folgendes vor:

AWB allein zu Marketingzwecken sollten in keiner Weise akzeptiert werden. Anhaltspunkte dafür, dass es eher um Absatz als um Erkennt- nisgewinn geht, sind besonders hohe Teilnehmerzahlen, ungewöhn- lich hohe Vergütungen, Studien zu längst eingeführten und gut er- probten Produkten oder mehrere unterschiedliche, einander jedoch sehr ähnliche AWB zum selben Produkt.

Entfallen solche Anwendungsbeob- achtungen, lässt sich ihre Gesamt- zahl ohne Informationsverlust deut- lich reduzieren. Für den Rest ist auf eine hohe Planungs-, Durchfüh- rungs- und Berichtsqualität zu ach- ten. Nur dann sind AWB sinnvoll.

Form und Inhalte des Meldeverfah- rens müssen weiter verbessert werden. Hierfür sollte eine gesetzli- che Grundlage geschaffen werden.

Darüber hinaus müsste der Gesetz- geber Hersteller verpflichten, AWB- Ergebnisse beispielsweise im Rah- men einer zentralen, allgemein zu- gänglichen Datenbank zu veröf- fentlichen. Die bisherigen Selbst- verpflichtungen von Unternehmen,

Forschungsergebnisse zu veröf- fentlichen, sind nicht ausreichend.

Nach den gemeinsamen Empfeh- lungen des Bundesinstituts für Arz- neimittel und Medizinprodukte und des Paul-Ehrlich-Instituts zur Pla- nung, Durchführung und Auswertung von Anwendungsbeobachtungen ist bezüglich der Therapieentscheidung zwar eine über die übliche ärztliche Aufklärungspflicht hinausgehende Information des Patienten nicht erforderlich. Es kann jedoch zusätz- licher Aufklärungsbedarf notwendig sein, dann sollte das Einholen einer Einwilligung des Patienten selbst- verständlich sein. Auf alle Fälle sind die Vorgaben des Datenschutzes zu berücksichtigen. Die KBV empfiehlt daher den Vertragsärzten, Patienten möglichst umfassend aufzuklären und deren Einverständnis zu einer AWB einzuholen.

Zusätzlich könnten Vertragsärzte, die entweder an Anwendungsbeob- achtungen teilnehmen oder dies ablehnen, Patienten über ihre dies- bezügliche Haltung informieren, beispielsweise durch ein entspre- chendes Hinweisschild in der Pra- xis. Dies würde ebenfalls zur För- derung der Transparenz beitragen und könnte gegebenenfalls Miss- trauen reduzieren.

AWB: ES GEHT NOCH BESSER

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FORTBILDUNGSNACHWEIS

Zielsetzung erfüllt

Noch liegen nicht in allen KVen die endgültigen Zahlen vor. Sicher ist: Deutlich mehr als 90 Prozent der

nachweispflichtigen Ärzte bildeten sich ausreichend fort.

S

achsen-Anhalt nimmt die Spitzenposition ein: 99,9 Pro- zent der Vertragsärzte und -psycho- therapeuten sind dort ihrer gesetz- lichen Fortbildungspflicht nach - gekommen. An einer Hand abzählen kann man dort demzufolge diejeni- gen niedergelassenen Ärzte, die es bis Ende Juni nicht geschafft haben, 250 Fortbildungspunkte innerhalb des vorgeschriebenen Fünfjahres- zeitraums zusammenzutragen. An- nähernd gleich gut aufgestellt in Sa- chen Fortbildung zeigen sich die Bremer Kassenärzte mit einer Quote von 99,2 Prozent. Von den 1 364 be- troffenen Ärzten und Psychothera- peuten haben sich in Bremen 1 351 ausreichend fortgebildet.

In anderen Kassenärztlichen Ver- einigungen (KVen) sieht es nicht ganz so gut aus. Die beiden Süd- KVen Bayern und Baden-Württem- berg liegen mit einer Quote von 92 Prozent gleichauf. Saarland als Schlusslicht kommt auf 90 Prozent.

Ungefähr auf dem sehr guten Durch- schnittsniveau bewegen sich bei- spielsweise Hamburg (97 Prozent), Mecklenburg-Vorpommern (96,1 Prozent) und Thüringen (95,6 Pro- zent). Die Vertragspsychotherapeu- ten haben im Durchschnitt eine noch etwas höheren Quote erreicht als die Ärzte.

Der Vorsitzende der Kassenärzt- liche Bundesvereinigung, Dr. med.

Andreas Köhler, ist zufrieden mit dem Ergebnis: „Deutlich mehr als 90 Prozent der nachweispflichtigen Ärzte haben sich ausreichend fort- gebildet. Diese Zahl belegt, dass die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen die Weiter- und Fortbil- dung sehr ernst nehmen.“

Für diejenigen Ärzte und Psycho- therapeuten, die ihrer Fortbildungs- pflicht nicht nachgekommen sind, werden die Konsequenzen schon bald spürbar, und zwar mit dem Ho- norarbescheid für das dritte Quartal 2009, der wohl Anfang des Jahres 2010 ausgesandt wird. Die Sanktio- nierung ist gesetzlich präzise gere- gelt und lässt der ärztlichen Selbst- verwaltung keinen Spielraum. Er- bringt ein Vertragsarzt gegenüber der KV den Fortbildungsnachweis nicht oder nicht vollständig, ist die KV verpflichtet, das Honorar für die ersten vier Quartale, die auf den Fünfjahreszeitraum folgen, um zehn Prozent zu kürzen. Bei weiterhin fehlendem Fortbildungsnachweis be- trägt die Kürzung ab dem darauf folgenden Quartal, also ab dem drit- ten Quartal 2010, 25 Prozent.

Die betroffenen Ärzte können die für den Fünfjahreszeitraum fest- gelegte Fortbildung innerhalb von zwei Jahren ganz oder teilweise nachholen. Die nachgeholte Fort- bildung wird allerdings auf den folgenden Fünfjahreszeitraum nicht angerechnet. Die Honorarkürzung endet mit Ablauf des Quartals, in dem der Arzt den vollständigen Fortbildungsnachweis erbracht hat.

Bei fortwährender Nachweisver- weigerung über die Zweijahresfrist hinaus soll die KV gegenüber dem Zulassungsausschuss unverzüglich einen Antrag auf Entziehung der Zulassung stellen. ■

Thomas Gerst Gut aufgestellt in

in Sachen Online- Fortbildung: das Deutsche Ärzteblatt mit seinem quali- tätsgesicherten

cme-Angebot Nach den Daten der KBV liegt

die Aufwandsentschädigung je Pa- tient im Durchschnitt bei etwa 190 Euro. Dies entspricht fast dem durchschnittlichen Preis je Verord- nung bei allen Arzneimitteln, für die Anwendungsbeobachtungen durch- geführt wurden. Aufwandsentschä- digungen für eine AWB müssen sich an der Zeit für die Dokumentation und den sonstigen Aufwand des teil- nehmenden Arztes orientieren.

Zu viel Geld verführt eventuell zu einer Verordnung

Honorare für solche ärztlichen Do- kumentationsleistungen dürfen kei- nen Anreiz darstellen, bestimmte Arzneimittel bevorzugt zu verord- nen. Denn durch überzogen hohe Aufwandsentschädigungen ist die

„Nichtintervention“ als Grundprin- zip der Anwendungsbeobachtung bereits zunichtegemacht. Diese be- sagt auch, dass die Entscheidung, einem Patienten ein bestimmtes Arzneimittel zu verordnen, nicht mit der Entscheidung, einen Patien- ten in eine Anwendungsbeobach- tung aufzunehmen, in Verbindung stehen darf. In der Pflicht sind je- doch nicht nur pharmazeutische Unternehmen, sondern auch die teilnehmenden Ärzte selbst, die die Höhe des vereinbarten Honorars immer kritisch hinterfragen sollten.

Wissenschaftlich gut geplante, umgesetzte und ausgewertete AWB haben andererseits schon das Poten- zial, zum Erkenntnisgewinn über Anwendungspraxis und Arzneimit- telsicherheit beizutragen und damit die Ergebnisse von klinischen Stu- dien zu ergänzen. Aufgrund der sehr viel größeren Teilnehmerzahl als in klinischen Zulassungsstudien können seltene unerwünschte Arz- neimittelwirkungen oder Wechsel- wirkungen leichter erkannt werden.

Um eine solche Qualität zu errei- chen, sollten die diesbezüglichen Empfehlungen des BfArM sowie des Paul-Ehrlich-Instituts berück- sichtigt werden. Sie werden derzeit aufgrund neuer gesetzlicher Be- stimmungen überarbeitet und sind in Kürze aktualisiert verfügbar. ■

Dr. med. Carl-Heinz Müller Kassenärztliche Bundesvereinigung Herbert-Lewin-Platz 2, 10623 Berlin

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