Bundesausschuss
Mistel vor Gericht
In zwei Verfahren geht es um die Erstattung.
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er Streit um die Bewertung von Mistelpräparaten in der Onkologie spitzt sich erneut zu. Anfang April hatte das Bundesgesundheitsministeri- um die Arzneimittelrichtlinie des Gemeinsamen Bundesaus- schusses wegen der Einstufung der Extrakte aus dem Baum- parasiten beanstandet. Dage- gen hat der Bundesausschuss jetzt vor dem Sozialgericht Köln geklagt. Gleichzeitig geht ein Rechtsstreit um die Ko- stenübernahme für eine an- throposophische Mistelthera- pie zwischen der Barmer und einer Patientin beim Esse- ner Landessozialgericht in die zweite Instanz.In den Arzneimittelricht- linien werden Mistelextrakte auf die „palliative Therapie von malignen Tumoren zur Verbesserung der Lebensqua-
lität“ beschränkt. Doch nach Ansicht des Ministeriums gilt die Einschränkung nur für phytotherapeutische Präpara- te. Bereits letztes Jahr hatte Marion Caspers-Merk, Staats- sekretärin im Bundesgesund- heitsministerium, zwei Her- stellern bescheinigt, dass ihre anthroposophischen Mistelex- trakte nicht auf die palliative Anwendung beschränkt sind.
Weil in der anthroposophi- schen Medizin die Mistel auch bei früheren Phasen der Krebstherapie Standard sei, müssten die Kassen die Ko- sten übernehmen. Dies will der Bundesausschuss nun ge- richtlich klären lassen.
Für die Barmer hatte die Einschätzung des Ministeri- ums bereits juristische Fol- gen. Die Kasse hat vor dem
Düsseldorfer Sozialgericht ein Verfahren gegen eine an Brustkrebs erkrankte Patien- tin verloren, die sich während der noch auf Heilung zielen- den Behandlungsphase zu- sätzlich ein Mistelpräparat injizieren ließ und die Kosten von etwa 180 Euro erstattet haben wollte. Das Gericht gab der Frau Recht, weil es sich um ein anthroposophi- sches Präparat handelte. We- gen der weitreichenden Kon- sequenzen hat die Barmer Berufung eingelegt. kch
§ 116 b SGB V
Noch kein
Vertrag in Sicht
Verband der leitenden Krankenhausärzte fordert Gesetzesänderung.
K
rankenkassen sollten mit Krankenhäusern einen Ver- trag über die ambulante Er- bringung hoch spezialisierter Leistungen und seltener Er-krankungen schließen müssen, sofern ein Krankenhaus dies beantragt und die Leistungen im Katalog nach § 116 b SGB V enthalten sind. Dafür plädiert der Verband der leitenden Krankenhausärzte Deutsch- lands (VLK). VLK-Präsident Prof. Dr. med. Hans-Fred Wei- ser wies Mitte April darauf hin, dass die bisherige Kann-Be- stimmung dazu geführt habe, dass bundesweit noch kein Vertrag abgeschlossen worden sei. Die Kassen befürchten da- durch nach Ansicht des VLK Ausgabensteigerungen.
Weiser kritisierte zudem, dass es im Gemeinsamen Bundesausschuss in jüngster Zeit „Allianzen gegen Kran- kenhausärzte“ gegeben habe.
Er hält es für problematisch, ambulant tätige Fachärzte ge- gen Klinikärzte auszuspielen.
Ziel müsse es vielmehr sein, Niedergelassenen unter Er- halt der Freiberuflichkeit ei- ne Eingliederung ins Kran- kenhaus zu ermöglichen so- wie umgekehrt Kranken- hausärzten eine Tätigkeit in Praxen. Voraussetzung sei je- doch die Finanzierung aus ei- nem Budget und nach einem Honorarsystem. Rie A K T U E L L
Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 186. Mai 2005 AA1241
Neue Doppelblind-Studie
Stammzellen bei Infarkt ohne Nutzen
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tammzellen aus dem Blut gelten als viel versprechende Kandidaten für ei- ne zukünftige Therapie von Herzinfarkt- patienten. Doch in der bislang größten klinischen Erprobung an 66 Infarktop- fern hat dieses Zellverfahren zum ersten Mal enttäuscht: Vier Monate nach der Injektion von Stammzellen hatte sich die linksventrikuläre Auswurffraktion nicht wie erhofft verbessert. Die Ergebnisse der Studie hat der Kardiologe Dr. med.Stefan Janssens von der Universität Leu- ven auf der Tagung des American Col- lege of Cardiology in Orlando vorgestellt (http://www.clinicaltrialresults.org). Um den Nutzen der Therapie möglichst zu- verlässig abschätzen zu können, haben Janssens und seine Kollegen allen 66 Pa-
tienten wenige Stunden nach einem schweren Infarkt Knochenmarkzellen entnommen, aber nur einer per Los aus- gewählten Hälfte die eigenen Stammzel- len dann während einer Katheterunter- suchung ins geschädigte Herz gespült.
Die Zellen der übrigen Patienten wur- den eingefroren.
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enn die Studie gezeigt hätte, dass die Stammzellen die Schlagkraft verbessern, hätten wir diese Zellen noch nachträglich verwenden können“, rechtfertigt Janssens das Konzept. Im Unterschied zu bisherigen Stammzell- Studien haben die belgischen Medizi- ner die Therapie „doppelt verblindet“, sodass weder der behandelnde Arzt noch die Infarktopfer informiert wa- ren, wer Zellen oder eine identisch aussehende Placebo-Lösung erhielt. In den bisher veröffentlichten, kleineren Studien, in denen Stammzellen positiv abgeschnitten hatten, war diese Vor- sichtsmaßnahme nicht beachtet wor-den. Manche Experten befürchten, dass die Wirksamkeit der Stammzellen des- wegen überschätzt worden sein könnte.
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as Ergebnis war dann in der Tat we- niger positiv als in früheren Studien.Detaillierte Untersuchungen zeigten, dass sich bei den mit Stammzellen be- handelten Patienten die Infarktnarbe zwar etwas verkleinert hatte, allerdings war die Narbe nicht besser durchblutet als bei den mit Placebo behandelten Patienten. Auch auf die Auswurffrakti- on hatten die Stammzellen keinen Ef- fekt: Innerhalb von vier Monaten hatte sie bei den mit Stammzellen behandel- ten Patienten um 2,1 Prozentpunkte zugenommen, bei den mit Placebo be- handelten aber um 3,9 Prozentpunkte.
Zwischenfälle und Komplikationen gab es allerdings keine. Um eine sichere Auskunft über den Nutzen zu bekom- men, halten die Forscher „größere Stu- dien zur Erprobung der Zelltherapie für erforderlich“. Klaus Koch Akut
Foto:Madaus