SCHWEIZ. Z. OBST-WEINBAU Nr. 23/06
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URSBRUNNER, CHR. HANSENGMBH, OFFICESCHWEIZ, WETTSWIL urs.brunner@de.chr-hansen.com
A
ls vor Jahrzehnten die Reinhefestämme ver- schiedener Saccharomyceten-Arten auf den Markt kamen, konnte damit das Auftreten von Gär- störungen deutlich vermindert werden. Die Wein- qualität wurde reproduzierbar, Geschmacksfehler wurden minimiert und die Moste vergärten schnel- ler und vollständiger. Durch die als Folge derBeimpfung rasch herbeigeführte Dominanz der Saccharomyceten werden andere Pilzarten unter- drückt und haben nur noch wenig Einfluss auf die Zusammensetzung des Endprodukts. Damals wie heute liessen und lassen sich mit Saccharomyceten- Reinzuchthefen saubere und konstante Weine pro- duzieren.
Leider lassen bei dieser Anwendung oft die Aro- menvielfalt und auch die Individualität des Produkts Wünsche offen. Weine aus Spontangärungen werden WEINBEREITUNG
Massgeschneiderte Gärung mit Hefe- Mischungen
Nach der alkoholischen Vergärung von Traubenmost durch die am Standort vorkommenden Wildhefen – so genannten Spontangärungen – findet sich häufig eine Fülle von Aromen im Wein, die das Endprodukt komplexer und nachhaltiger erscheinen lassen. Einige dieser Kompo- nenten, die das Erscheinungsbild des Weins positiv beeinflussen, sind Stoffwechselprodukte der Wildhefen. Nachteile der Spontangärung sind ihre Unkontrollierbarkeit und damit die fehlen- de Konstanz, die Bildung von Stoffen, die zu Weinfehlern führen können sowie ein erhöhtes Ri- siko von Gärstockungen. Die Firma Chr. Hansen hat eine Serie von Reinhefe-Mischungen ent- wickelt, welche die positiven Eigenschaften der Saccharomyces-Hefen mit denen der Nicht- Saccharomyceten vereinigt. Diese Kombinationen enthalten Hefen wie Kluyveromyces thermotolerans, Torulaspora delbrueckii und Saccharomyces cerevisiae. Sie steigern die Aro- menvielfalt und Nachhaltigkeit im Wein. Die Gärung verläuft zügig und vollständig.
Dittrich H.H. und Grossmann M.:
Mikrobiologie des Weines,
Ulmer Verlag, 2005, ISBN: 3800144700. S. delbrueckii
S. rosei S. fermentati
etc.
Verschiedene Stämme EC1118
SIHA 4 R2 Verschiedene Stämme
S. cerevisiae S. bayanus
Verschiedene Stämme NOBLE.ferm
RUBY.ferm MERIT.ferm L 2056 S. cerevisiae
Verschiedene Stämme S6U W15 S. uvarum
Saccharomyces
H. anomala H. subpelliculosa
M. pulcherrima Hansenula Metschnikowa
C. stellata C. vini K. corticis K. apiculata
Candida Kloeckera
Brettanomyces Rhodotulora
Kluyveromyces Torulaspora (Klasse)
K. thermotolerans T. delbrueckii Ascomyceten
Abb. 1: Taxonomie der Hefen.
SCHWEIZ. Z. OBST-WEINBAU Nr. 23/06 7 meist als komplexer und nachhaltiger im Gaumen
wahrgenommen. Mit den von der Firma Chr. Hansen neu angebotenen genau definierten Mischungen aus Saccharomyces- und Nicht-Saccharomyces-Hefen lässt sich der Gärprozess vom Anfang bis zum Ende kon- trollieren, ohne dass man dabei auf den erwünschten Einfluss der Nicht-Saccharomyceten verzichten muss.
Gärverlauf und Hefedynamik
Die Nicht-Saccharomyceten der Hansen’schen He- femischung sind allerdings nur am Anfang der Gärung in namhafter Zahl präsent. Nach einigen Ta- gen übernehmen die Saccharomyceten die Kontrolle und bringen den Prozess sicher und zügig zu Ende.
Aber auch wenn die Präsenz der Nicht-Saccharomy- ceten-Hefen zeitlich limitiert ist, leisten diese einen wichtigen Beitrag zur Aromenvielfalt und Nachhal- tigkeit im Wein. Durch die hohe Beimpfungskeim- zahl werden zudem die Aktivitäten der vorhandenen Wildhefen – die immer auf dem Traubengut anzu- treffen sind – zu Beginn des Fermentationsprozesses wirksam unterdrückt. Die Anfangskeimzahlen und der Entwicklungsverlauf von Nicht-Saccharomyces- Arten (nsacs) in spontan vergorenem Chardonnay- Most sind in Abbildung 2 dargestellt. Im Vergleich dazu wurde derselbe Ausgangsmost in Abbildung 3 mit dem Produkt HARMONY.nsac beimpft. Die Po-
pulationsdichte der Mikroorganismen zu Beginn ist bei diesem Versuch deutlich erhöht.
Bei tiefen Gärtemperaturen halten sich Nicht- Saccharomyceten länger im Most und beeinflussen so die Aromenbildung nachhaltiger. Dies könnte einer der Gründe dafür sein, dass bei tiefen Gärtemperatu- ren in Weissweinen die bekannten fruchtbetonten Noten gebildet werden.
Entwicklungsgeschichte
Im Jahr 1999 wurde bei Chr. Hansen ein Projekt ins Leben gerufen, das zum Ziel hatte, verschiedene He- fearten auf ihre Eignung in der Weinbereitung zu tes- ten und geeignete Stämme zu isolieren. Nach auf- wändigen Labor- und Praxisversuchen blieben von ungefähr zehn getesteten Arten (Tabelle, Abb. 4) zwei übrig: Kluyveromyces thermotolerans und Torulaspora delbrueckii, die aufgrund ihrer heraus- ragenden Eigenschaften für weitere Untersuchungen in der Weinbereitung ausgewählt wurden.
WEINBEREITUNG
Hefeart Sensorik
Candida famata stechend, Estertöne
Candida stellata fermentiert nicht zu Ende
Dekkera bruxellensis sauer
Hanseniospora uvarum neutral, süsslich
Kluyveromyces thermotolerans Fruchtaromen, tropische Früchte, blumige Töne Metschnikowia pulcherrima hefig, neutral, charakterlos
Saccharomyces cerevisiae typisch, gut, wenig fruchtig Saccharomyces exiguus nasses Fell, Katzenharn Saccharomyces ludwigii unharmonisch, unnatürlich Torulaspora delbrueckii fruchtig, intensiv
20 30 25
15 10 5 0 5
0 1 2 3 4 6 7 8
Zeit (Tage)
Zellzahl/ml Temperatur°C
Gesamthefe
Nicht-Saccharomyceten Temperatur
108 106 104 102 10
108 30
25 20 15 10 5 0
0 1 2 3 4 5 6 7 8
Gesamthefe
Nicht-Saccharomyceten Temperatur
Zeit (Tage)
Zellzahl/ml Temperatur°C106
104 102 10
Getestete Hefearten.
Abb. 4. Organolepti- sche Beurteilung von deutschem Riesling nach Vergärung mit verschiedenen Hefen (A-D).
Abb. 3: Harmony ReinzuchthefeS. cerevisiae / T. delbrueckii / K. thermotolerans.
Abb. 2: Spontanfermentation.
80%
120%
160%
200%
Säure
fruchtig
Körper/Dichte
bitter
Zitrone
Ananas Pfirsich
Apfel Honig Mango/Maracuja
grüne Bohne
Standard
A B C D
0%
Nicht-Saccharomyceten Saccharomyceten
40%
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Das «Pflichtenheft» umfasste dabei folgende Kri- terien:
● zuverlässige und zügige Vergärung,
● Toleranz gegenüber SO2,
● Toleranz gegenüber Ethanol,
● geringe SO2-Produktion,
● geringe Bildung von flüchtigen Säuren und Sulfiden,
● saubere Aromatik,
● keine atypischen Aromen oder fehlerhafte Noten im Wein,
● spürbare Unterschiede zu den Saccharomyceten hinsichtlich der organoleptischen Eigenschaften.
Zuverlässige Gärung
Wie viele andere Nicht-Saccharomycetenarten sind auch Torulaspora delbrueckii und Kluyveromyces thermotoleransnicht in der Lage, den ganzen Zucker im Most zu Ethanol umzusetzen. Aus diesem Grund wurden den beiden erwähnten Nicht-Saccharomyce- ten-Einzelstämmen zusätzlich Saccharomyceten mit guten Endvergärungseigenschaften zur Seite gestellt.
Diese erprobten Mischungen erlauben eine zuverläs- sige Durchgärung der damit beimpften Moste inner- halb kurzer Zeit.
Toleranz gegenüber schwefliger Säure
In vielen Fällen wird schweflige Säure zu Beginn des Weinbereitungsprozesses zu den Trauben gegeben.
Die Nicht-Saccharomyceten von Chr. Hansen sind to- lerant gegen 30 bis 40 ppm freie SO2.
Toleranz gegenüber hohen Alkoholgehalten Die Nicht-Saccharomyceten-Hefe-Mischungen weisen grundsätzlich eine gute Toleranz gegenüber hohen Al- koholgehalten auf. Sie werden allerdings nach etwa vier bis fünf Tagen Kofermentation mit den Saccha- romyceten aufgrund der zunehmend anaeroben Be-
dingungen abgetötet. Der Gärprozess wird anschlies- send durch die Saccharomyceten-Reinhefe zuverläs- sig zu Ende geführt.
Ähnliche Temperaturoptima
Nicht-Saccharomyceten und Saccharomyceten wei- sen eine ähnliche Wachstumskinetik bei verschiede- nen Temperaturen auf. Bewährte Temperatursteue- rungsmuster bei der Gärführung müssen beim Ein- satz dieser Hefen nicht geändert werden.
Absetzverhalten, Schaumbildung
Zügiges Absetzverhalten und geringe Schaumbildung sind Merkmale dieser Hefearten.
Geringe SO2-Bildung
SO2entsteht beim Abbau von Aminosäuren im Hefe- stoffwechsel und kann in höheren Mengen den anschliessend an die alkoholische Fermentation be- ginnenden Säureabbau hemmen. Die von den Hefen produzierten Mengen hängen dabei stark vom jewei- ligen Hefestamm ab. Torulaspora delbrueckii und Kluyveromyces thermotoleransproduzieren nur we- nig SO2– im Durchschnitt während der Gärung zwi- schen 10 und 15 mg/L .
Geringe Bildung von flüchtigen Säuren und Sulfiden
Wie bei der schwefligen Säure liegen die von Nicht- Saccharomyceten produzierten Mengen dieser uner- wünschten Stoffe im Durchschnitt unter denen der meisten Saccharomyceten.
Organoleptische Eigenschaften
Weine, die mit Torulaspora delbrueckii und Kluyve- romyces thermotolerans angegoren werden, zeigen in vielen Versuchen eine gegenüber den jeweiligen Nur-Saccharomyces-Varianten gesteigerte Frucht und WEINBEREITUNG
Eine der sensorisch getesteten Hefen (Dekkera bruxellen- sis). (Foto: ACW)
SCHWEIZ. Z. OBST-WEINBAU Nr. 23/06 9 Fülle. Die Aromatik wurde von den Degustatoren in
den meisten Fällen mit dem Ausdruck «erhöhte Kom- plexität» beurteilt. Die Eindrücke im Gaumen sind vielfältiger und nachhaltiger. Die Aromatik verändert sich etwa drei Monate nach der Gärung nicht mehr re- levant und bleibt so, wie sie sich in diesem Stadium präsentierte, für lange Zeit stabil.
Weltweit die Nummer Eins mit
«Musikalischen Hefen»
Die beiden ersten Hefemischungen – mit so musikali- schen Bezeichnungen wie HARMONY.nsac und SYM- PHONY.nsac – erschienen im Jahr 2004 auf dem Markt.
Sie sind vor allem für die Verwendung in Weisswein- Mosten und allenfalls leichten Rotweinen ausgelegt (Abb. 5) und fanden rasch in der Praxis Verbreitung.
Ausschlaggebend dafür war zweifellos die versproche-
ne sichere Gärfähigkeit, die erwartete Erhöhung der Komplexität der Weine und schliesslich die gute Ver- träglichkeit mit dem hauseigenen Angebot an Bakteri- en für den biologischen Säureabbau.
Im Jahr 2005 erschienen zusätzlich die Hefekom- binationen RHYTM.nsac und MELODY.nsac, beides Mischungen von Nicht-Saccharomyces-Hefen mit dem hoch Alkohol verträglichen Saccharomyces-ce- revisiae-Stamm MERIT.ferm. Dieser Hefestamm wird als «Motor» angepriesen, der die alkoholische Gärung sicher zu Ende bringt. RHYTHM.nsac besteht aus ei- ner Mischung von MERIT.ferm und Kluyveromyces thermotolerans, während MELODY.nsac neben ME- RIT.ferm und Kluyveromycesauch noch Torulaspo- ra delbrueckiienthält. Diese beiden letzten Hefemi- schungen sind vor allem für die Herstellung schwerer Rotweine konzipiert.
WEINBEREITUNG
Une fermentation sur mesure avec des mélanges de levures
La fermentation du moût de raisin par des levures sauvages, aussi appelée fermentation spontanée, produit souvent une abondance d’arômes dans le vin qui semblent conférer au produit fini plus de complexité et de durabilité. Certaines de ces substances positives contenues dans le vin sont les méta- bolites des levures sauvages. Mais la fermentation spontanée présente aussi des inconvénients: elle n’est pas contrôlable, la constance n’est donc pas assurée, et des substances peuvent se former qui sont responsables de défauts du vin et qui augmentent le risque d’une interruption de la fermentation.
La société Chr. Hansen a maintenant mis au point des mélanges de levures pures comme Kluyvero- myces thermotolerans,Torulaspora delbrueckiiet Saccharomyces cerevisiaequi conjuguent les avan- tages des levures saccharomyces et des levures non saccharomycètes. Certains de ces mélanges de levures ont été spécialement conçus pour la fabrication de vin rouge ou blanc. On leur prête la facul- té d’augmenter la diversité aromatique et la durabilité des produits.
R
ÉSUMÉRHYTHM.nsac MELODY.nsac
HARMONY.nsac
SYMPHONY.nsac
Weissweine Rotweine
Alkoholgehalt
Körperbetont Schlanker
Körper 17
15
13
11
HARMONY.nsac SYMPHONY.nsac
Körperbetont
Abb. 5: Empfehlun- gen für die Verwen- dung der
Hansen’schen Hefe- kombinationen.