100 Jahre Achtstundentag in Deutschland
Historische Meilensteine und aktuelle Zahlen
baua: Fakten
Geschichte des Achtstundentages
Zu Zeiten der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert waren tägliche Arbeitszeiten von 12 bis 14 Stunden kei- ne Seltenheit. Mit dem Slogan „Acht Stunden Arbeit, acht Stunden Freizeit und Erholung und acht Stunden Schlaf“
griff erstmals Robert Owen, ein walisischer Unterneh- mer und Sozialreformer, den Achtstundentag auf. Dieser entwickelte sich auch in Deutschland zu einer zentralen Forderung der Arbeiterbewegung. Vor genau 100 Jahren wurde der Achtstundentag hierzulande eingeführt.
Die Arbeitgeberverbände wollten nach der Novemberrevo- lution von 1918 verhindern, dass Fabriken in staatliches Eigentum übergingen. Daher erkannten sie die Gewerk- schaften als Vertreter der Arbeiter im Stinnes-Legien-Ab- kommen an, das nach den beiden Verhandlungsführern benannt ist. Zugleich stimmten sie der Verkürzung der Arbeitszeit auf acht Stunden bei vollem Lohnausgleich zu. So wurde der Achtstundentag in Deutschland 1918 zunächst für Arbeiter und 1919 auch für Angestellte ein- geführt. Auch viele Unternehmen profitierten davon, da durch verkürzte Arbeitszeiten oftmals die Produktivität stieg. Mit den Arbeitszeitverordnungen von 1923 und 1938 wurden durch Ausnahmeregelungen auch wieder Zehnstundentage zugelassen. In den Kriegsjahren waren die meisten Arbeitszeit-Schutzvorschriften außer Kraft ge- setzt und erst 1946 wurde der Achtstundentag durch den Alliierten Kontrollrat wieder eingeführt.
Ab 1956 warb der Deutsche Gewerkschaftsbund unter dem Motto „Samstags gehört Vati mir“ für die Einführung der Fünftage- bzw. Vierzigstundenwoche. Daraufhin setzte sich das arbeitsfreie Wochenende zunehmend durch.
In den kommenden Jahrzehnten wuchs in der Arbeitneh- merschaft der Wunsch nach kürzeren Arbeitszeiten. 1984 konnten monatelange Tarifverhandlungen und mehrwö- chige Streiks erst durch ein Schlichtungsverfahren beendet
Vor 100 Jahren wurde der Achtstundentag in Deutschland erstmals gesetzlich verankert. Bis heute ist er ein wichtiger Eckpfeiler des Arbeitsschutzes. Wir blicken auf die bewegte Geschichte des Achtstundentags seit seiner Einführung 1918 zurück. Die BAuA-Arbeitszeitbefragung liefert aktuel- le Zahlen. So machen 66 Prozent der Beschäftigten spätestens neun Stunden nach Arbeitsbeginn Feierabend. 11 Prozent sind aber länger als zehn Stunden bei der Arbeit. Lange Arbeitszeiten gehen mit mehr gesundheitlichen Beschwerden einher.
Abb. 1 Historische Wendepunkte der Arbeitszeit in Deutschland.
werden. Im sogenannten Leber-Kompromiss wurden Ar- beitszeitverkürzungen an eine flexiblere Verteilung von Arbeitszeiten gekoppelt. So ermöglichten Betriebsverein- barungen etwa individuelle Arbeitszeiten zwischen 37 und 40 Stunden pro Woche, sofern eine durchschnittliche be- triebliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden eingehalten wurde.
Mit dem Arbeitszeitgesetz, das 1994 in Kraft trat, wurde europäisches Recht umgesetzt und der Achtstundentag an den sechs Werktagen pro Woche mit einigen Einschrän- kungen festgeschrieben.
Gesetzeslage in Deutschland
Bedeutet das nun, dass Beschäftigte nach genau acht Stunden ihre Arbeit beenden müssen? Nein, denn das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) lässt hier umfangreichen Spiel- raum. So kann die werktägliche Arbeitszeit auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Ka- lendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durch- schnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten wer- den (§ 3 Abs. 1 ArbZG). Bei entsprechendem Ausgleich kann also täglich bis zu zehn Stunden an sechs Werktagen gearbeitet werden. Durch schriftliche Vereinbarungen zwi- schen den Tarifparteien oder Ausnahmegenehmigungen kann dieser Rahmen zusätzlich erweitert werden.
Achtstundentag wird in Deutschland gesetzlich
vorgeschrieben
Arbeitszeitverordnung gestattet auch einen
Zehnstundentag
Gewerkschaften fordern 5-Tage-Woche
„Leber- Kompromiss“
Achtstundentag wird im ArbZG festgeschrieben
1923 1956 1984 1994
19181918 1923 1956 1984 1994
Arbeitszeitverordnung gestattet auch einen Zehnstundentag
Gewerkschaften fordern Fünftagewoche Achtstundentag wird in
Deutschland gesetzlich vorgeschrieben
Achtstundentag wird im ArbZG fest-
geschrieben
Leber- Kompromiss
baua: Fakten 100 Jahre Achtstundentag in Deutschland 2
Impressum | Herausgeber: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Friedrich-Henkel-Weg 1–25, 44149 Dortmund, Telefon: 0231 9071-2071, E-Mail: info-zentrum@baua.bund.de, Internet: www.baua.de |
Autorinnen: C. Brauner, Dr. A. M. Wöhrmann, Redaktion: T. Frindte, Gestaltung: eckedesign Berlin, R. Grahl (BAuA) | doi:10.21934/baua:fakten20180117 | Februar 2018
Abb. 3 Anteile der Beschäftigten, die nach der jeweiligen Stun- de noch bei der Arbeit sind. 34 Prozent der Befragten sind nach mehr als neun Stunden noch an ihrem Arbeitsplatz.3
Gute Arbeitszeitgestaltung:
Unfälle vermeiden, Erholung fördern
Ein Hauptziel des Arbeitszeitgesetzes ist es, die Sicherheit und Gesundheit von Arbeitnehmern zu gewährleisten. Er- gebnisse arbeitswissenschaftlicher Untersuchungen spre- chen dafür, die tägliche Höchstarbeitszeit zu begrenzen.
So deuten Studien darauf hin, dass das Risiko für Arbeits- unfälle ab der achten bis neunten Arbeitsstunde deutlich ansteigt.2
Um zu garantieren, dass Beschäftigte ausreichend Zeit zur Erholung haben, gelten in Deutschland neben Grenzen für die tägliche Höchstarbeitszeit auch gesetzliche Mindest- ruhezeiten. Diese bleiben ebenso in Zeiten von Digitalisie- rung und ortsflexibler Arbeit bedeutsam, denn durch die tägliche Erholung nach Feierabend können Beschäftigte wieder Energiereserven aufbauen. Eine gute Arbeitszeit- gestaltung berücksichtigt daher betriebliche Erfordernisse, schützt aber stets auch die Gesundheit und das Wohlbefin- den von Erwerbstätigen.
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Abb. 2 Verteilung von Arbeitsbeginn und -ende. Die meisten be- ginnen ihre Arbeit zwischen 7 und 8 Uhr und beenden sie zwi- schen 16 und 17 Uhr.3
Während das Arbeitszeitgesetz für die meisten Arbeiter und Angestellten gilt, sind bestimmte Gruppen von Er- werbstätigen ausgenommen, wie beispielsweise Selbstän- dige, leitende Angestellte, Chefärzte oder Beamte.
Ergebnisse der BAuA-Arbeitszeitbefragung
Im Rahmen der 2015 durchgeführten BAuA-Arbeitszeitbe- fragung1 wurden Beschäftigte mit mindestens zehn Wo- chenstunden in Deutschland gefragt, wann sie an einem typischen Arbeitstag ihre Arbeit beginnen und beenden (Abb. 2). Aus diesen Angaben lässt sich ermitteln, wie viele Stunden einschließlich Pausen zwischen Arbeitsbe- ginn und -ende bei Beschäftigten in Deutschland liegen (Abb. 3).
70 Prozent der Beschäftigten sind nach mehr als acht Stun- den noch bei der Arbeit. 66 Prozent der Befragten machen spätestens neun Stunden nach Arbeitsbeginn Feierabend.
Die übrigen 34 Prozent sind länger als neun Stunden bei der Arbeit. Rund 11 Prozent der Beschäftigten machen erst nach mehr als zehn Stunden Feierabend.
Mit zunehmender Zeitspanne zwischen Arbeitsbeginn und -ende berichten Beschäftigte über eine schlechtere Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben. So sind 84 Pro- zent der Beschäftigten, die spätestens nach neun Stunden Feierabend machen, mit ihrer Work-Life-Balance zufrieden oder sehr zufrieden. Dieser Anteil nimmt mit jeder zusätz- lichen Stunde ab. Bei Beschäftigten, die erst nach mehr als zwölf Stunden Feierabend machen, liegt er bei nur noch 44 Prozent.
Ein ähnlicher Zusammenhang zeigt sich für gesundheit- liche Beschwerden. Unter Schlafstörungen leiden 31 Pro- zent der Beschäftigten, die nach spätestens neun Stunden die Arbeit beenden, aber 46 Prozent all jener, die nach mehr als zwölf Stunden Feierabend machen. Von körper- licher Erschöpfung berichten 37 Prozent der Erwerbstä- tigen, die bis zu neun Stunden bei der Arbeit sind, aber 48 Prozent all jener, die nach mehr als zwölf Stunden in den Feierabend gehen.
Weiterführende Informationen
1 A. M. Wöhrmann, S. Gerstenberg, L. Hünefeld, F.
Pundt, A. Reeske-Behrens, F. Brenscheidt und B.
Beermann, 2016. Arbeitszeitreport Deutschland 2016. Dortmund: BAuA. Verfügbar unter:
www.baua.de/dok/8137556
2 B. Beermann, M. Amlinger-Chatterjee, F. Bren- scheidt, S. Gerstenberg, M. Niehaus und A. M.
Wöhrmann, 2017. Orts- und zeitflexibles Arbeiten:
Gesundheitliche Chancen und Risiken. Dortmund:
BAuA. Verfügbar unter: www.baua.de/dok/8729000 3 Daten von 13.734 abhängig Beschäftigten der 2015
durchgeführten BAuA-Arbeitszeitbefragung. Nicht berücksichtigt wurden Beschäftigte mit sehr un- regelmäßigem oder wechselndem Arbeitsbeginn und -ende.
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bis 3 4 5 6 7 8 9 10 11 über 12
Kumulierte Häufigkeit
Stunden seit Arbeitsbeginn einschließlich Pausen
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bis 3 4 5 6 7 8 9 10 11 über 12 Stunden seit Arbeitsbeginn einschließlich Pausen Kumulierte
Häufigkeit
34%
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