Der Wirkstoff Sibutramin hat sich in den ersten anderthalb Jahren seit der Zulassung in der Praxis als mildes Medika- ment zur Therapie der Adipo- sitas bewährt. Dies zeigen die Ergebnisse einer Phase-IV- Studie, die auf der 16. Jahres- tagung der Deutschen Adipo- sitas-Gesellschaft in München vorgestellt wurden. Im Rah- men der gesetzlich geforder- ten Anwenderbeobachtung nahmen 6 360 Patienten mit ernährungsbedingter Adipo- sitas zwölf Wochen täglich ei- ne Tablette mit 10 mg Sibutra- min (Reductil®, Astra Zeneca GmbH und Knoll Deutsch- land GmbH) ein.
Wie Prof. Jürgen Scholze (Charité Berlin) referierte, betrug die durchschnittliche Gewichtsabnahme im Zeit- raum von drei Monaten etwa zehn Kilo. Dieser Wert ent- sprach den Erwartungen, da in den vorausgegangenen kli- nischen Studien das Kör- pergewicht um fünf bis 12,5 Prozent reduziert werden konnte.
Damit stand schon früh fest, dass Sibutramin eine ver- gleichsweise milde Wirkung hat und auf keinen Fall als
„Wundermittel“ gegen die massive Adipositas angese- hen werden darf. „Es ist auch kein Ersatz für eine Umstel- lung der Ernährung und an- dere nichtmedikamentöse An- sätze zur Gewichtsredukti- on“, erklärte Scholze, der sich in München für einen in- terdisziplinären Ansatz aus- sprach.
Auch für die Therapie adipöser Hypertoniker geeignet Ziel von Phase-IV-Studien ist ein zusätzlicher Sicherheits- Check nach der Zulassung. In Bezug auf Sibutramin interes- sierte vor allem die Auswir- kung der Therapie auf den Blutdruck. Aufgrund einer leichten Blutdrucksteigerung hatte die amerikanische Arz- neimittelbehörde FDA im September 1996 die Zulas- sung für den Wirkstoff verwei- gert. Auf den Markt kam es in den USA dann im November 1997, in Deutschland ist es seit Februar 1999 verfügbar.
Nach den bisherigen Er- fahrungen ist die Blutdruck- steigerung mit ein bis vier mm Hg gering. Gleichzeitig kommt es zu einem Anstieg
der Pulsfrequenz um drei bis fünf Schläge je Minute. Inter- essanterweise sind hiervon in erster Linie Normotoniker betroffen. Bei primär hyper- tonen Patienten kam es dage- gen zu einem leichten Blut- druckabfall von zwei mm Hg diastolisch und acht mm Hg systolisch.
Sibutramin hat eine günsti- ge Wirkung auf das kardio- vaskuläre Risikoprofil der Pa- tienten: In der Phase-IV-Stu- die litten 33,7 Prozent der Pa- tienten begleitend an einer Hypertonie, 22,7 Prozent hat- ten eine Dyslipoproteinämie, und bei 12,2 Prozent hatten die Ärzte einen Diabetes mellitus diagnostiziert. Unter der kurzen Behandlung än- derte sich das Lipidprofil vor- teilhaft: Cholesterin, LDL und Triglyzeride sanken pro- zentual in etwa gleich stark wie das Gewicht.
Bei den Diabetikern, die eine zehnprozentige Gewichts- reduktion erzielten, sank der
HbA1C-Wert um 0,7 Prozent- punkte, bei unter Sulfonyl- harnstoff-behandelten Typ-II- Diabetikern sogar um einen Prozentpunkt.
Nach den Ergebnissen der UKPD-Studie entspräche dies einer Risikoreduktion der kardiovaskulären und mikro- vaskulären Ereignisse um et- wa 20 Prozent. Ob Sibutra- min tatsächlich diese Wir- kung erzielt, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Bisher gibt es keine Studien, die den Einfluss der Behandlung auf Morbidität und Mortalität untersucht hätten.
Außerdem setzt die Prä- vention voraus, dass das Mittel langfristig eingenom- men wird. Denn nach dem Absetzen des Appetitzüglers muss mit einer erneuten Gewichtszunahme gerechnet werden. Dies unterstreicht den Wert der begleitenden Therapie. Sibutramin sollte maximal ein Jahr eingenom- men werden. Rüdiger Meyer V A R I A
Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 7½½16. Februar 2001 AA413