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Archiv "Wiener Bestattungsmuseum: Auf Leben und Tod" (17.02.2012)

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A 334 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 7

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17. Februar 2012

B

ei uns liegen Sie richtig!“ So begrüßt Wittigo Keller seine Gäste im Wiener Bestattungsmu- seum. Die flotte Floskel ist mehr als ein Gag. Das Probeliegen in einem Sarg stoße immer auf großes Inte- resse, erfährt der verblüffte Besu- cher. Es scheint noch etwas dran zu sein am besonderen Verhältnis der Wiener zum Tod. Das Bestattungs- museum war 1967 das erste welt- weit. Auch heute gibt es nur weni- ge, die sich dieser Thematik ver- schrieben haben. Das Wiener Haus ist ein Unikum geblieben. Das ga- rantiert Wittigo Keller, Ethnologe und Designer, der sich seit einem Vierteljahrhundert der Sammlung verschrieben hat.

Rund tausend Exponate sind in dem Museum zu sehen – von einer Leichendroschke über Postkarten- serien, die zu besonderen Begräb- nissen gedruckt wurden, bis zu Ga- launiformen von Sargträgern und Kutschern. Es gibt historische Do- kumente, dazu Bibeln, Kreuze und

Madonnenstatuen, Sargverzierungen und Urnen. Im Zentrum der Aus- stellung steht das Phänomen der

„schönen Leich“, womit kein gut aussehender Dahingeschiedener ge- meint ist, sondern eine pompöse Bestattungszeremonie. „Dafür nah- men sich die Wiener gerne einen Tag frei“, schmunzelt Keller – wo- bei nicht von Angehörigen, sondern von Schaulustigen die Rede ist.

Im Wien der Monarchie, erzählt Wittigo Keller, sei der Tod allge- genwärtig gewesen. Aber im späte-

ren 19. Jahrhundert gehörte die

„schöne Leich“ dann auch zum Selbstverständnis des Bürgertums.

Hinter der Inszenierung stand, laut Keller, ein ganz und gar weltlicher Wunsch: „Bitte behaltet mich in guter Erinnerung.“ Als Zeremo- nienmeister des Spektakels fungier- ten die „Pompfüneberer“. Diese Be- zeichnung haben die Wiener dem Französischen entlehnt. Pompes Funèbres ist ein Bestattungsunter- nehmen. „Heute spricht man von Ritualbestattern“, so der Wissen- schaftler. „Die Wiener setzten sich nicht mit dem Tod auseinander, sondern mit der Art ihrer Bestat- tung.“ Das Begräbnis diente zur Unterstreichung des sozialen Sta- tus. „Das ist in anderen Kulturen nicht so“, resümiert er.

Da kann es nicht verwundern, dass der Klappsarg nur kurz zum Einsatz gekommen ist. Ende des 18.

Jahrhunderts sorgte der reforme- risch veranlagte Kaiser Josef II. mit diesem Modell für einen Aufschrei in der Bevölkerung. Eine schnöde Kiste als Durchgangsstation, die nur dazu diente, die Dahingeschie- denen in die Grube plumpsen zu lassen. Sind nicht vor dem Tod alle gleich? Mag sein, aber mit Ausnah- me der Wiener. Der Kaiser musste jedenfalls sein Dekret zurückneh- men. Auch andere Exponate sind kurios: Ein Wecker, dessen Schnur vom Handgelenk des Verstorbenen bis ins Zimmer des Totengräbers reichte, sollte im Fall der Fälle eine schnelle Rettung ermöglichen. „Die Scheintodhysterie grassierte seiner- zeit“, erläutert Wittigo Keller. Und weil das so war, gab es für Persön- lichkeiten, die auf Nummer sicher gehen wollten, das doppelschneidi- ge Herzstichmesser. Ein Modell der schwarzen Leichenstraßenbahn, die zeitweise in Wien durch die Gassen ratterte und Särge zum Zentralfried- hof transportierte, sorgt für un - gläubiges Staunen. Und wer glaubt, dass auf den Fotos aus der Mitte des 19. Jahrhunderts Lebende zu sehen sind, täuscht sich. Zu dieser Zeit blühte die Totenfotografie. Leichen wurden ins Studio verfrachtet, wo sie in voller Montur ins rechte Licht gerückt worden sind.

Ulrich Traub Bestattungsmuseum Wien, Goldeg-

gasse 19; Telefon: 0043 1/501950, www.bestattungsmuseum.at. Die Besichtigung ist – jedoch nur im Rahmen einer Führung – werktags von 12 bis 15 Uhr möglich. Eine telefonische Voranmeldung ist un- bedingt erforderlich.

INFORMATIONEN

Der „Klappsarg“

kam nur für kurze Zeit zum Einsatz. Er wurde mit der Lei- che über die offene Gruft gestellt und geöffnet. Die in einem Leichensack befindliche Leiche fiel in eine offene Grube.

Foto: E. Kehnel

WIENER BESTATTUNGSMUSEUM

Auf Leben und Tod

Rund tausend Exponate sind im Wiener Bestattungs- museum zu sehen – von einer Leichendroschke bis zu

Galauniformen von Sargträgern.

K U L T U R

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