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Archiv ". . . und abends Gäste in der Klinik: Einzigartiges Experiment in Bad Trissl: Talk-Show für Patientinnen" (07.04.1977)

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. . . und abends Gästeinder Klinik

Einzigartiges Experiment in Bad Trissl: Talk-Show für Patientinnen

Die Information:

Bericht und Meinung

REPORTAGE

Daß eine „Talk-Show", richtig konzipiert und in den Griff genom- men, keine — durch unzulängliche

„Handhabung" abgewertete —

„Spielerei" ist, sondern eine einzig- artige Mitteilungs- und Ausdrucks- form mit höchstem Aufmerksam- keits- und Unterhaltungswert — die- sen Beweis bleibt uns das deutsche Fernsehen in allen Kanälen schul- dig! Der Beweis wird aber derzeit an anderer Stelle erbracht, in einem Haus, das weit abseits der Öffent- lichkeit liegt, nämlich in der onkolo- gischen Spezialklinik Bad Trissl, ei- nem „Anhängsel" Oberaudorfs, nahe der deutsch-österreichischen Grenze im Inntal.

Dieses oft als „beste Krebsnachsor- ge-Klinik Europas" apostrophierte Haus, das eng mit der Bayerischen Landesärztekammer, mit der bayeri- schen Arbeitsgemeinschaft für Krebsbekämpfung, mit den Universi- täten München und Heidelberg ver- bunden ist, versorgt vollklinisch 270 Patientinnen für jeweils sechs bis acht Wochen, ausschließlich Frauen, die ihre Krebsoperation und/oder Be- strahlung hinter sich, aber — wie ein Journalist es formulierte— ihr schwe- res Sorgenpaket weiter mit sich zu tragen haben. In dieser Klinik nun findet seit November 1976 an jedem dritten Freitagabend, mit je-

weils drei, höchstens vier Prominen- ten eine einzigartige Talk-Show statt, initiiert von dem Arzt-Ehepaar Dr. med. Hedda Schreiber-Heuser und Dr. med. Georg Schreiber, von letzterem in einem Stil moderiert, der im deutschen Fernsehen seines- gleichen sucht.

Wirklich, hier soll nicht jemand ge- lobt werden, nur weil er Arzt oder nur, weil er auch Journalist ist, viel- mehr soll hier auf eine Leistung auf- merksam gemacht werden, die zwar im Sinne des Doppelberufs profes- sionelle Reife hat, mehr aber noch — Menschlichkeit. Und das nicht nur in der Begegnung mit den „Gästen"

der Talk-Show, also mit den drei oder vier Prominenten, sondern vor allem auch mit den hunderten Frauen, die im großen Speisesaal der Klinik alle drei Wochen um die

„Welt der Großen" herumsitzen.

Zahlreiche kritische Beobachter, auch Kollegen Schreibers aus des- sen beiden Berufen, haben sich die Klinik-Talk-Show inzwischen ange- sehen, haben ihr zugehört. Aus ih- ren Einzelurteilen läßt sich summie- ren, daß dieses Experiment eines positiven Medizinjournalismus als Lebenshilfe für psychisch und phy- sisch besonders belastete Frauen als gelungen gelten kann.

Aber ist der Unterschied zwischen diesen 270 Frauen in der onkologi- schen Klinik „Bad Trissl" und viel- tausenden Frauen und Männern in den Städten und Dörfern der Bun- desrepublik nicht nur graduell? Sind nur Abende im Krankenhaus „trist, unausgefüllt"? Solche Fragestel- lung provoziert die weitere Frage, warum eigentlich die fernseh-öffent- lichen Gesprächsschauen bei einem breiten Publikum nicht ankommen,

— vielleicht weil sie oft allzu aggres- siv, allzu giftig, allzu unmenschlich geführt werden und daher die über- wiegend nicht gerade rosige Grund- stimmung der Zuhörer/Zuschauer keineswegs auflockern und erhel- len. Interessant in diesem Zusam- menhang, wie Dr. med. Georg Schreiber selbst den — von profes- sionellen Kritikern und den Klinikpa- tientinnen gleichermaßen bestätig- ten — Erfolg seiner Talk-Show erklärt:

„Erstens stellen wir hier jede Talk- Runde schon von der ‚Mischung' her so kontrovers zusammen, wie es nur geht (z. B. einen Politiker, eine Schauspielerin und einen Psychia- trie-Professor; oder einen Bischof, eine Show-Sängerin und einen Pu- blizisten; oder einen Humoristen, ei- nen Gewerkschaftsboß und eine Schriftstellerin usw.).

Zweitens wird vor der Talk-Show grundsätzlich nichts, aber auch gar nichts vorbesprochen und auch nichts abgesprochen. Gesprächsta- bus gibt es nicht. Niemand weiß, welche Fragen auf ihn und seine Ge- sprächspartner zukommen. Und die meisten von ihnen lernen sich selbst erst unmittelbar vor der Veranstal- tung persönlich kennen.

Drittensstellen wir keine vorbedach- ten Themenkomplexe zur Diskus- sion. Unsere Gesprächsthemen sind und ergeben sich ausschließlich aus Denk- und Verhaltensweisen, Reak- tionen, Charakter und Temperament der Mitwirkenden. Sie zu „entblät- tern" (dieses Persönlichkeiten-Ent- blättern ist allein der Sinn einer gu- ten Talk-Show) und auch aus ihnen herauszufragen, wie sie sich selbst

922 Heft 14 vom 7. April 1977

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Die Information:

Bericht und Meinung

einschätzen und privat sehen, macht unsere Gesprächsrunde so amü- sant, macht den Zuschauer einein- halb Stunden lang geradezu atemlos und unsere Veranstaltungen insge- samt so gelungen, weil ja wirklich nichts interessanter und unterhalt- samer ist als der Mensch ohne Tün- che und Make-up. Und doppelt in- teressant und unterhaltsam ist na- türlich die sogenannte Persönlich- keit, der prominente Mensch.

Viertens bleibt meine Fragetechnik als ,Talk-Master` in jeder Situation liebenswürdig, wird niemals peinlich oder verletzend, ist aber dennoch penetrant neugierig, entwaffnend, einkreisend und hart bis hartnäckig.

Fünftenswird der Wortwechsel, wird das Gespräch ‚wellenartig' geführt:

heiter — ernst — heiter. Das Unterhalt- same und das Heitere stehen dabei im Vordergrund. Nicht etwa auf Ko- sten der Mitwirkenden, sondern mit ihrer Hilfe."

Es gehört aber wohl noch mehr dazu, als „Talk-Master" Erfolg zu haben. Die Klinik-Talk-Show in Bad Trissl macht — im Umkehrschluß — deutlich, was den bisherigen deut- schen „Talk-Mastern" offenbar fehlte: ein Optimum an Lebensalter, ein Maximum an Reife, psychologi- sche Kenntnisse, Ausgeglichenheit, Souveränität.

Daß die Klinik-Talk-Show in Bad Trissl nicht nur für die Patientinnen, sondern auch für die „Prominenten"

interessant ist, beweist die Mitwir- kung (ohne Honorar) allseits be- kannter Damen und Herren aus Poli- tik und Gesellschaft, Kunst und Wis- senschaft; mehr als 60 haben ihre Mitwirkung bis jetzt zugesagt oder bereits absolviert, von Annemarie Renger bis Käte Strobel, Hans Fride- richs bis Josef Ertl, Kurt Biedenkopf bis Hans Jochen Vogel, Odilo Lech- ner (Benediktiner-Abt) bis Otto von Habsburg, Luise Ullrich bis Annelie- se Rothenberger, Peter Kreuder bis Horst Tappert, Rudi Carell bis Peter Alexander, Werner Höfer bis Carl Amery, Caterina Valente bis Hoimar von Ditfurth, Rudolf Rohlinger bis Cornelia Froboess. WZ

Prominente in Bad Trissl: Hans Werner Richter und Petra Schürmann in einer Klinik-Talk-Show mit Dr. med. Georg Schreiber (v. I. n. r.) Fotos: Volkmann

Alle drei Wochen: Patientinnen und Gäste bei der Talk-Show im Klinik-Speisesaal

Anerkennung für das gelungene Experiment:

Prof. Deneke, Hauptgeschäfts•

führer der Bundes- ärztekammer, im Gespräch mit Dr. med.

Leonhardt (I.), dem Klinik- direktor, und Dr. med.

Hedda

Schreiber-Heuser

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 14 vom 7. April 1977 923

Referenzen

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