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Treue Betreuungsverhältnisse oder „Es lebe das Chaos”

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Academic year: 2022

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Stichproben. Wiener Zeitschrift für kritische Afrikastudien Nr. 18/2010, 10. Jg., 59-61

Treue Betreuungsverhältnisse oder

„Es lebe das Chaos”

Miša Krenčeyová , Martina Cigániková

Ein wissenschaftlicher Betreuer kann Vieles sein. Kollege oder Chef, Inspirationsquelle oder Diktator, Berater, Ignorant, oder auch Vater, dessen nie ausgelebte wissenschaftliche Träume man in der eigenen Abschlussarbeit auszuformulieren hat. Der Betreuer, um den es hier gehen soll, scheut nicht davor zurück, ab und zu in ganz unterschiedliche Rollen zu schlüpfen: Walter Schicho ist für uns letzten Endes daher ein ganz besonderer Betreuer, einer, der sich nicht so einfach typologisieren lässt.

Dass der Begriff Betreuer sich von treu ableitet, ist in unserem Fall durchaus passend. Der unsere hat uns über die letzten Jahre hinweg betreut, geprägt und oft hinterfragt. Und es ist nicht zu dick aufgetragen, wenn wir sagen, dass unser Leben ohne diese Betreuung ein anderes geworden wäre, so wie sich vielleicht auch die Themen, mit denen wir uns beschäftigen, unterscheiden würden, und mitunter sogar die Ziele, die wir uns setzen.

Mit seiner Hilfe erscheinen uns diese erreichbarer und der Weg, den wir zu gehen haben, erträglicher.

So ein wissenschaftliches Betreuungsverhältnis umfasst unter anderem mehr oder weniger regelmäßige Besprechungen des jeweiligen denk- oder schreibbezogenen Fortschritts der KandidatInnen. Nicht wenigen unserer Treffen fehlte es an einem solchen zuvor in schriftlicher Form abgegebenen, greifbaren Fortschritt, der zu besprechen gewesen wäre. Oft genug ist der Anlass für eine Besprechung, dass eben “nichts” weitergeht. In einem solchen Fall lässt sich Walter Schicho, der Betreuer, von unserer Verzweiflung nicht beeindrucken. Er ignoriert sie und ermöglicht auch uns damit, sie zu vergessen, um uns auf das Wichtige konzentrieren zu können:

den Ausweg aus der Zwickmühle.

Manchmal versuchen wir, uns selbst zu überlisten und uns Interesse an Themen einzureden, die uns eigentlich gleichgültig sind, nur um endlich etwas vorweisen zu können. Doch weit kommen wir damit nicht – unser Betreuer erkennt an den Haaren Herbeigezogenes auf Anhieb, um es dann

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abzutun und uns zur Erkenntnis kommen zu lassen, dass es unbrauchbar ist.

Dass er uns aber Verzweiflung und die Versuchung zum Selbstbetrug nicht einfach erspart, indem er uns vorher den Weg vorzeichnet, ist wohl Teil seiner Strategie: jenen, die er betreut, Freiraum im Denken zu geben, um sie dann doch im entscheidenden Augenblick anzustupsen, bevor sie sich endgültig die Zähne ausbeißen. Dabei wirft uns unser Betreuer unser Versagen nicht vor, sondern nimmt uns die Angst, jene Ideen aufzugeben, in denen wir uns so sehr verbissen haben, dass andere nicht reifen können.

Er stellt Fragen, die unseren eigenen Köpfen nicht entsprungen wären, auf die die Antworten manchmal auch nicht zu finden sind, obwohl, oder gerade weil die Fragen klar, direkt und überraschend sind. Unbeantwortet rücken sie dann das Gedachte in ein neues Licht, als es längst schon verkrampft und blockiert in der Ecke lag. Eine kleine Anmerkung, die er nebenbei macht, kann den Stein wieder ins Rollen bringen. Dennoch erwartet er nicht, dass wir ihm nach dem Munde reden: Betreute und Betreuer denken immer gemeinsam nach, in einem gemeinsamen Prozess, in dem sie einander ebenbürtig begegnen und so, als wäre das gegebene Problem gerade das einzige, was zählt.

Jahre später erscheinen uns viele unserer früheren Themenvorschläge und Ideen naiv – dass er sich das auch denken musste, hat unser Betreuer sich aber nie anmerken lassen, sondern uns einfach von ihnen abgelenkt, durch Gegenvorschläge. Dass sich auch diese manchmal nicht verwirklichen ließen, mag daran liegen, dass sie vielleicht zu einem seiner (noch) unverwirklichten Forschungsprojekte gehören, die er mit sich trägt und manchmal mit einem Funkeln in den Augen erwähnt.

Walter Schicho begleitete und förderte uns in den letzten Jahren nicht nur in unseren Prozessen wissenschaftlichen Denkens und Schreibens. So wie ein Betreuer vieles sein kann, war und ist Walter vieles für uns: Der “Vater” des Projekts Internationale Entwicklung, der “seine”

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Philosoph, der im Vorbeigehen die Welt erklärt und irgendwann doch noch Tschechisch lernen wird. Oder der Professor, der uns stets auf gleicher Augenhöhe begegnet, ob wir nun im ersten Semester studieren oder selbst schon Lehrveranstaltungen planen. Und dessen Glaube an uns dazu beiträgt, dass aus uns vielleicht doch noch etwas wird.

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