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Zu phönizischen Inschriften.
Von Franz Fraetorins.
Von den beiden , in der Opfertafel von Marseille mehrmals.
und zwar stets vereint vorkommenden Ausdrücken nbSf'i n"iJtp
p
dürfte der letztere wohl richtig mit hebr. mb''-SN , syr. JJ.^ zu¬
samraengestellt worden sein. Dies führt mich darauf, in msp die
phönizische Form des Wortes für Knöchel, Hand- und Fuß-
0 ^
gelenk zu vermuten, das im Syrischen IJj'ttO lautet, im Jüdisch-
Aramäischen NSllt'i^, nVd"!);, im Hebräiscben hb'^f,, im Assyrischen
qursinnu {qurslnu). Ist diese Gleichsetzung richtig, so dürfte der
vorliegende phönizische Plural als n'lKp aufzufassen sein , mit
Assimilierung von -i an lt, aus nns'lp.
Ich denke, die beiden Deutungen stützen sich wenigstens gegen¬
seitig. Beide Ausdrücke gehören aller Wahrscheinlichkeit nach be¬
grifflich eng zusamraen , da sie in der Inschrift imraer (vier- bis
fünfmal) vereint vorkommen. Von den geopferten Vierfüßlern sollen
den Priestern zustehen die Stücke an den Knöcheln und an den
Kniegelenken.
Die Worte auf Z. 2 f. der Inschrift ESmün'äzär's -ny nbT55
sind zweifellos richtig gedeutet ,ich bin geraubt worden vor meiner
Zeit". Dieser selbe Gedanke kehrt auf griechischen Grabschriften
mit gleichen und ähnlichen Worten so oft wieder, daß jene Auf¬
lösung auch für das Phönizische den höchsten Grad von Wahr¬
scheinlichkeit besitzt. Dann aber lese ich weiter :
nttbt« ..'-.ia Dn-'"T ditn»73''3DU 'la.
Für p mag raan beideraal auch lesen, allenfalls auch ^3 (Infin.
absol.), d. h. „der ich baute n"iTNl:''r30tt , der ich fertig baute
mobti". Der König will also sagen, er habe die schon vor seiner
Zeit begonnene Baulichkeit msb« vollendet, die Baulichkeiten "o?:
dagegen allein gebaut.
166 Praetorius, Zu pliönizischen Inschriften.
Die Buchstabengruppe nMbs dürfte einen, die Buchstaben¬
gruppe DITNMWDO'n zwei Eigennamen enthalten: die Eigennamen
der Baulichkeiten. Wie diese Eigennamen zu deuten, ist ziemlich
unberechenbar. Bei nwbN liegt nisbN , nisbt nah. Aber bei der
anderen Buchstabengruppe macht zunächst schon die Abteilung der
Worte Schwierigkeiten. Ich vermute , daß hinter dem ersteren D
der Mitte die Trennung fällt, so daß der erstere Namen mit D%
B"* abschließenTT würde ,' während sich als zweites Glied des zweiten
Namens O'i abzuheben scheint. Gelegentlich der Deutung dieser
Namen sei daran erinnert, daß der Sarkophag ESmün'äzär's auf
dem alten Begräbnisplatze gefunden worden ist, an dem Abhänge
und auf den Höhen der östlichen Hügelkette, welche parallel mit
der Küste das Tal begleitet und bei Sidon enger einschließt. Wenn
nun Gildemeister einst gedentet hat: 073^ Tjpn „die Leben erwarten', so wäre wohl auch ein D"' "{OB denkbar, etwa „Warte des Meeres, Meerschau" oder ähnlich. Als zweiter Name würde „hoher M'Z"^)
übrig bleiben. Wir finden hier dieselbe asyndetische Zusammen¬
stellung der beiden Eigennamen, die Lidzbarski, Ephemeris Bd. 2,
S. 64 in der Bod'astart - Inschrift bemerkt hat; und wenn wir
beidemal ^ia lesen, auch das gleiche Fehlen des Akkusativexponenten.
Ich verzichte darauf, der Kombinationsgabe oder der Phantasie
weiter nachzugeben und noch andere möglich scheinende Deutungen
der Eigennamen darzulegen. Ich verzichte darauf um so lieber, als
ich nicht einmal sicher bin, ob das 0 vor on-' nicht vielleicht mit
diesem zu on*» zu verbinden ist, so daß die erstere Gruppe der
Eigennamen mit 1 abschließen würde. In cn^, was ich oben vor¬
schlug, würde der Infin. absol. causativi von an zu sehen sein
(= hebr. Dnii), in Dn'M das Partizipium.
Welches die gedachten Baulichkeiten gewesen sein dürften,
habe ich bereits angedeutet. Ich denke, es waren Teile der sido¬
nischen Nekropole, im besonderen der Teil, an dem der Sarkophag
E§mün'äzär's stand. Und der Gedankengang, der den König leitete,
da er sicb gleich zu Beginn seiner Rede als Erbauer und Vollender
gewisser Baulichkeiten bezeichnete, findet seine Erläuterung in den
gleich folgenden Worten: „und ich liege in diesem Sarkophage und
in diesem Grabe an dem Orte, den ich gebaut habe".
Und dieser Gedankengang findet seinen Abschluß auf Z. 12 f.,
wo der König den Eingangssatz seiner Rede zur Begründung des
gegen die Grabschänder ausgesprochenen Fluches wiederholt und
ihn in dieser Absicht durch ein zweimaliges verstärkt: „Denn
1) Ein Nomen TtJB scheint auch vorzuliegen in der Weihinschrift von Karthago, die Lidzbarski, Ephemeris Bd. 1, S. 18 ff. mitgeteilt hat (Z. 3). Ich hatte, gegen Lidzbarski , das schließende üi dieses Wortes DSTMB als Suffiz ge¬
faßt und fand nachtrüglich, dafi so auch schon andere gedeutet hatten (Cooke, A Text-Book S. 128; Winckler, Altor. Forsch. Bd. 2, S. 541; Landau, Beiträge 3. Heft, S. 26).
Praetorius, Zu phöniziscTien Inschriften. 167
ich (in;?) bin geraubt woi-den vor meiner Zeit, ich der ich ge¬
baut habe "ott, vollendet habe nTobs". Ich habe also das höchste
Anrecht darauf, gerade an dieser Stelle ungestört zu ruhn!
Es ist längst bemerkt , daß die 4. Zeile der großen Insebrift
von Umm al'awämid (CIS. tom. I, S. 29 ff.) eine gewisse Verwandt¬
schaft zeigt mit der 1. und 2. Zeile der zweiten Inschrift von Malta
(ibid. S. 156 flf.). Vgl. Lidzbarski, Ephemeris 1. Bd., S. 295 a. E.
Gleichwohl gehören beide Stellen nocb zu dem Unverstandenen ;
s. zuletzt Lidzbarski a. a. 0. S. 248, 2. Anm.
Ich möchte lesen "'nbra bys; 2. Melit. flf. ,es ist hergestellt
worden seine (des Grabes) Höhle aus meinera Vermögen'. Die
Inschrift wurde gefunden in einer in den Fels gehauenen Grab¬
höhle, ybsn pijsa, n^yban ''2''?.^ heißen im A. T. dreimal Fels¬
löcher , Felshöhlen , Sept. rQVfiaXia und rqaylr} (twv Tter^cov) ; und
hierzu raöchte ich das phöniz. stellen. Vgl. de Vogüe's 35. In¬
schrift aus Palmyra: rö ftvrjftfiov tcCto xet arf^Xeov avrov
axoööfiriGev x. t. X.
Ein dem griechischen lx räv lölcov entsprechender Ausdruck
ist m. W. im Phönizischen bisher nicht gefunden worden. Ich
vermute , daß in inb^a dieser Ausdruck vorliegt. Und gleicher
oder ähnlicher Bedeutung scheint "inbrina zu sein in der Inschrift
von Umm al'awämid , etwa „durch meine Fürsorge' {inijiEXsiu,
TtQovoia, anovdil). Als Wurzel von nba, wie von nbsn nehme ich
bD"! , ^yit an. Ich halte für möglich , daß zu lesen ist nbs'B bffiN
■'n:3 ■'nbaina, nämlich biäN aus läN + bN, Relativum-f Demonstr.
plural.^): „Dieses Tor sarat den Türen, die durch meine Fürsorge
hergestellt sind, habe ich gebaut u. s. w.'
Durch Oriental. Bibliographie Bd. 18, S. 289, Nr. 5646 werde
ich aufmerksam gemacht auf Revue archeol. 1904 S. 421 Anm.
Clermont-Ganneau sagt daselbst im Hinblick auf meine Bemerkung
„Zur Esmün'äzär-Inschrift' in dieser Zeitschr. Bd. 58, 9: 198 „Je
me permettrai de rappeler que la partie essentielle de la thöse
presentee comme nouvelle a dejä ete etablie par moi autrefois (Etud.
d'archeol. Orient. II, 197) etc.* Nachdem ich die angezogene Stelle
der Etudes eingesehen, bin ich etwas übeiTascht, dort Erklärungs¬
vorschläge zu finden, die sich von dem meinigen doch recbt erheblich unterscheiden.
1) Zu der gewöhnlichen Erkläruug von blON = "'b "flN hat Clermont- Ganneau in seinem Kecueil Bd. 4, S. 197 eine unsichere Parallele gehracht.
168 Praelorius, Zu phönizischen Inschriften.
Ich darf sagen , daß ich bei meinen Versuchen , die Stelle zu
erklären , auch die Möglichkeit stark in Erwägung gezogen habe,
die Clermont-Ganneau in der Revue arcb. a. a. 0. als seine Meinung
bringt, daß nämlich p bedeute , Prends bien garde!' aus iji -f-
daß ich diese Möglichkeit aber bald fallen gelassen habe zu gunsten
von IP, und daß ich heute mehr noch als damals riN ''72 für
die richtige Lösung halte.
Denn nachdem Esmün'äzär, wie wir eben gesehen, sich zu
Beginn seiner Rede breit und absichtlich als Bauherrn, also als Be¬
sitzer der Grabanlagen eingeführt hat, paßt es vortrefiflich, wenn
er sich mit den Worten ,Wer immer du Besitzer sein mögest'
ausdrücklich an die späteren Besitzer wendet.
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Das syrische Alexanderlied.
Herausgegeben und übersetzt ron Lic. Dr. Carl Hunning.
Vorwort.
Das syrische Alexanderlied ist in 2 jungen Handschriften der
Pariser Nationalbibliothekund in einer ältern des Britischen
Museums-), die aus dem 9. Jahrhundert stammt, erhalten. Die eine
Pariser Handschrift ist von Knös in seiner kleinen syrischen Chresto¬
mathie (Göttingen 1807) abgedruckt worden. Diesen Text bezeichne
ich fortan mit P.
Die Londoner Handschrift ist von Budge im sechsten Bande
(1891) der Zeitscbrift für Assyriologie herausgegeben worden. Ich
bezeichne sie mit L.
Die zweite Pariser Handschrift ist bisher noch nicht ediert
und ist zum ersten Male von mir zu vorliegender Ausgabe benutzt
worden. Ich bezeichne sie mit P*-.
Der Text von P ist vielfach fehlerhaft und weist häufig kleinere
Lücken auf. Doch läßt P in der Regel nur ganze Verse aus; die
erhaltenen Verse sind fast stets, was das Versmaß betrifft, in Ord¬
nung. L weist vielfach einen besseren Text auf als P und hat
viele Verse, die P fehlen. Doch ist das Versmaß bei L häufig in
ünordnung, die Verseinteilung häufig außer acht gelassen. Jedoch
hat die Handschrift auch Lücken, vor allem zwei größere Lücken
(V. 368—379 und 386—419, wofür L nur die Verse 430—432
hat) und einen viel kürzeren Schluß. Der Text von P"^ ist meines
Erachtens der beste von den dreien. P^ geht häufiger mit L als
mit P zusammen. P*^ hat fast immer die Verse , die L mehr hat
als P, doch während bei L gerade bei diesen Versen das Versmaß
in der Regel in ünordnung ist, ist es bei P* fast stets in bester
Ordnung. Andererseits bringt P"^ auch die großen Partien, die
bei L fehlen und die P hat, aber mit besserem Text als P. Für
sich allein hat P* gegen Schluß eine längere Partie, die von
Alexander's Koch, der unsterblich geworden war, handelt. Diese
1) N. 13, 30 und 243, 4 in Zotenberg's , Catalogues des manuscrits syriaques de la Biblioth^ne nationale".
2) Add. 14624.
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