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Europäische Bibliotheken als Objekte einer schamlosen Hochpreispolitik

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Europäische Bibliotheken als Objekte einer schamlosen Hochpreispolitik

Regionale Zeitschriftenlisten weisen schwerwiegende Preisnachteile für EU-Zone auf.

Es ist eine alte Praxis von Verlagen, für Ihre Produkte in den verschiedenen Regionen der Welt uneinheitliche Preise zu fordern. Die Gefahr von Währungsverschiebungen zum Nachteil des Produzenten in der Zeit zwischen Rechnungsstellung und Bezahlung oder als unverzichtbar bezeichnete Lagerhaltung vor Ort müssen offiziell als Gründe dafür gelten.

In den späten 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts bis hin zum Beginn des währungseinheitlichen Euromarktes mag dieses Verfahren eine gewisse Berechtigung gehabt haben. Anfangs war der Schiffsweg aus Übersee Standard, die Lieferzeiten lang und eine schnelle Lieferung aus den Lagern der Verlage in den Niederlanden willkommen. Und mehrmals gab es in den Jahren bis zur Euroeinführung teils heftige Währungsausschläge.

Auffällig war die Tatsache, dass oft neben dem günstigen US-Preis und dem ebenfalls moderaten britischen Pfundpreis der DM-Preis vergleichsweise am höchsten angesetzt war (Beispiel Marcel Dekker, aber auch viele andere). Vermutlich war man der Meinung, dass die reichen Länder andere Standorte mitfinanzieren sollten. Man nahm das Geld eben da, wo man Interesse kombiniert mit ausreichenden Pfründen vermutete. Verantwortungsvolle Bibliothekare erstrebten deshalb immer eine Medienbeschaffung aus dem Ursprungsland, da die dort geltenden niedrigen Preise leicht die evtl. höheren Portokosten rechtfertigten.

Heute dagegen leben wir in der Eurowährungszone, erleben einen stabilen Markt in Bezug auf die wichtigsten Währungen wie selten zuvor und Luftfrachtsendungen sind ein Standard, der auch interkontinentale Entfernungen relativiert und regionale Lagerhaltungen weitgehend sinnlos macht. Elektronische Zeitschriften, Bücher und Nachschlagewerke gehen völlig neue Wege. Regional geltende unterschiedliche Preise machen gar keinen Sinn mehr, jedenfalls aus Sicht der zahlenden Bibliothekskunden.

Der Fall Elsevier:

Die Universitätsbibliothek Regensburg hält im laufenden Jahr 282 Printabonnements des Verlages Elsevier im Gesamtwert von € 548 231 lt. aktueller Preisliste des Verlages. Das sind die Kosten (ohne Steuer) des abonnierten Zeitschriftenpaketes für eine europäische Bibliothek.

Für Kunden außerhalb Europas (Ausnahme Japan mit eigener Preisliste) gelten jedoch $-Preise. Wäre daher die UB Regensburg in einem der arabischen Emirate gelegen, so wären umgerechnet nur € 443193 für das gleiche Zeitschriftenpaket an den Verlag zu entrichten (Kurs April 2007). Der Differenzbetrag von mehr als € 100 000 (exakt € 105 037 /Kurs April 2007) würde folglich die Kosten für einen notleidenden Ölstaat mildern. Eine beinahe ebenso irrationale Preisrelation hat Elsevier zwischen dem europäischen und dem japanischen Markt

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festgesetzt. Mit anderen Worten: die deutschen bzw. europäischen Kunden subventionieren in einer Gesamtkalkulation andere Regionen der Welt mit.

Vielleicht spielt aber auch noch ein anderer Faktor bei dieser für Europa überaus nachteiligen Preisgestaltung mit: bei Branchenkennern verstärkt sich der Eindruck, dass einige Verlage ihre eigene Bedeutung in Relation zur Anzahl ihrer Repräsentanten, Niederlassungen und regionalen Lagerhaltungen sehen, die natürlich erhebliche Mittel verschlingen (Spitzenreiter Elsevier: 70 Geschäftsstellen in 24 Ländern). Bei der Schnelligkeit der Postwege auch über große Entfernungen hinweg und in der Zeit des Internets besteht aber seitens der Endabnehmer kein Bedarf für die meisten dieser Einrichtungen, die aus Bibliothekssicht überwiegend der Selbstdarstellung dienen und von den Kunden selbst finanziert werden müssen. Im Hinblick auf die schnell wachsende Akzeptanz elektronischer Versionen von Printmedien ist diese Firmenpolitik ohnehin obsolet.

Es ist unverständlich, dass der Verlag nach der starken Belastung der Beziehung zu Bibliotheken und Wissenschaftlern durch die extremen Preiserhöhungen in der 80er und 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts jetzt mit einer Politik der gespaltenen Preise wieder eine Konfrontation sucht. Diese Praxis ist für die betroffenen Bibliotheken ein klarer Wettbewerbsnachteil. Der Verlag macht sich auf seinen Webseiten auch gar nicht die Mühe einer Erklärung. Trotz Diskussion des Problems während eines persönlichen Treffen mit einem Verlagsrepräsentanten und zweimaliger Aufforderung per E-Mail zur Klärung der Angelegenheit war keine Stellungnahme zu erhalten. Die klassischen Gründe Unsicherheit über die Entwicklung der Währungen und ihrer Relationen zueinander können heute kein vernünftiges Argument für diese dramatische Preisdifferenz mehr sein. Mangelnde Schnelligkeit im Zahlungsverkehr ebenfalls nicht. Sie ist bei jeder modernen Bibliothek ohnehin ein primäres Ziel. Schließlich habe ich zu dieser Frage vom Customer Service Department / Journals in Amsterdam am Telefon doch noch eine klare Antwort erhalten: die Preise seien eben so festgelegt.

Basta. Ob es denn eine rationale Erklärung für diese Preisgestaltung gäbe? Das wurde verneint. Wörtlich: es gibt keine rationale Erklärung.

Das war auch genau der Eindruck, den ich schon vor meiner Befragung gewonnen hatte.

Wehren wir uns – die Bibliotheken zusammen mit den Fachwissenschaftlern - gegen diese Praktiken! Es lohnt sich durchaus, die offiziellen Preislisten nach Regionen oder Währungen miteinander zu vergleichen und von den Verlagen die Einstellung dieser Benachteiligung zu verlangen. Zwar sind die einzelnen Bibliotheken mit ihrer Marktmacht meist zu klein, um auf einen großen, internationalen Verlag Einfluss nehmen zu können. Schließen sie sich aber zu Konsortien zusammen, so muss dieses seltsame Preisgebaren zu Lasten des europäischen Marktes bei künftigen Vertragsgesprächen zweifellos zur Sprache kommen. Das ist eine vordringliche Aufgabe, die den Sprechern der Bibliotheken bei

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anstehenden Konsortialverhandlungen ein dringendes Anliegen sein sollte.

Hans Kopp

Erwerbungsabteilung

Universitätsbibliothek Regensburg

hans.kopp@bibliothek.uni-regensburg.de

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