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(1)601 Beitrag zur Geschichte der chinesischen Grammatiken und zur Lehre von der grammatischen Behandlung der chinesischen Sprache

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(1)

601

Beitrag zur Geschichte der chinesischen Grammatiken

und zur Lehre von der grammatischen Behandlung der

chinesischen Sprache.

Vop

Georgr von der Gabelentz.

I.

Literaturgeschichte.

Das Stück Literaturgeschichte, welchem die nächstfolgenden Seiten gewidmet sind, bietet ein Interesse ganz eigener Ari • Nicht der Sinolog allein, vielleicht nicht einmal er in erster Beihe konunt

hier in Betracht: gerade der Linguist wird sich vor eine Anzahl

höchst reizvoller Probleme gestellt sehn.

Versuchen wir, die Sache a priori zu betracbten. Hier unsere

flektirenden indogermanischen Muttersprachen, — dort eine Sprache,

welche, soviel bekannt, mehr als irgend eine isolirend ist:' zwei

Antipoden im denkbar vollsten Sinne des Wortes, ünd zwischen

Beiden wir, geistig aufgewachsen in,, verwachsen mit jenen, aber

gewiUt uns imd Andere in dieser heimisch zu machen. Es giebt

bekanntlich auch in dieser Lage ein bewährtes Mittel: man ex-

patriire sich geistig und sprachlich. Allein der Interpret darf

sich nicht expatriiren, und der Grammatiker ist Interpret ; er giebt

nur nicht Wort für Wort, nicht Satz für Satz oder Buch für

Buch, sondem er giebt Sprache für Sprache, — schärfer gesagt:

Sprachgeist für Sprachgeist. Wie nun, wenn Beide zweien in-

commensurabeln Grössen gleichen? Hier stehen wir auf dem Punkte,

auf welchen ich den Leser führen wollte; und nun möge man

jene Eeihe von Gemeinplätzen entschuldigen. Die Aufgabe woUte

eben geförmelt sein, soweit dies auf der Grandlage des All¬

bekannten möglich war; und vielleicht bewahrheitet sich im Ver¬

laufe dieser Abhandlung der weitere Gemeinplatz : dass die richtige

Förmelung einer Aufgabe der Hälfte ihrer Lösung gleichkommt.

Wäre es mir unmittelbar um Vorzeichnung eines gramma¬

tischen Rahmens zu thun, so würde manche andere Sprache kaum

Bd. xxxn. 39

(2)

602 «• d. Gabelenlz, Beitrag zur Geschichte der ehines. (Grammatiken.

weniger, nur andere Scliwierigkeiten darbieten, als die cbinesiscbe.

Keine von jenen jedocb bat meines Wissens so zahlreiche, keine

so verschiedenartige Darstellungen erfahren , wie diese ; darum

dürfte keine eines literaturhistorischen Rückblickes gleich vrürdig

sein. Ich glaube, sämmthche bisher erschienene chinesische Gram¬

matiken bis auf eine zu besitzen, imd habe sie alle mehr oder

minder genau durchgelesen. Drei Viertheile der hierauf verwandten

Zeit müsste ich für vergeudet rechnen, wenn ich nur die Sprach-

erlemung im Auge hätte; insoweit bestanden die Lesefrüchte oft

nur in einem „periclum facere ex aliis". Nichts aber hat mir in

gleichem Maasse die Frage nach System vund Methode der Sprach¬

lehre nahe gelegt, eine Frage, die schnell die Schranken der

Einzelgrammatik überschreitend, zur spracbphilosopbischen werden

musste.

Abel Römusat hat in der Vorrede zu seinen Elements de la

grammaire chinoise über seine Vorgänger in ähnlicher Weise Heer¬

schau gehalten, wie ich es heute zu thun beabsichtige. Jene

früheren Grammatiker sind mit Ausnahme eines einzigen heute

veraltet, und R6musat's Urtheile über sie wird man grösstentheils

noch heute unterschreiben: zwei Gründe, mich stellenweise kurz

zu fassen.

Das älteste einschlägige Buch

1) Des P. Francisco Varo Arte de la lengua Mandarina,

Canton 1703, 8.

ist mir nie zu Gesichte gekommen; nach meinem soeben genannten

Gewährsmanne mag man es allenfalls aus

2) Stephanus Fourmont, Linguae Sinarum Mandarinicae

bieroglyphicae Grammatica duplex. Paris 1742, fol.

kennen lemen. Dies Buch soll in der That nichts mehr und nichts

Besseres sein als ein Plagiat jenes spanischen Werkes, vermehrt

durcb Beigabe chinesischer Schriftzeichen, aber kaum verbessert,

weil die Zeichen nicht selten falsch gewählt sind. Wo Fourmont

bei dieser Zuthat das Richtige getroffen, da wird er aus den Ar¬

beiten Anderer geschöpft haben. Nichts berechtigt zu der An¬

nahme, dass er Chinesisch verstanden, sehr vieles spricht dagegen,

vorab die Fehler, von denen sein Katalog der in der Pariser

Bibhothek vorhandenen Originalwerke wimmelt. Seine Meditationes

Sinicae, Paris 1737, fol., hat Remusat richtig geschildert als ,un

livre obscur et presque inintelligible, rempli de notions vagues,

inexactes, ou tout-ä-fait erronees." Seine Grammatik aber ist,

trotz des Titels, keineswegs ausschliesslich der heutigen Verkehrs¬

sprache gewidmet; sie enthält gar Vieles, was dem alten Style

angehört, nur planlos untermischt mit Modemem. Trügt mich der

empfangene Eindrack nicht, so hat es Fourmont mehr an Sach¬

kenntniss gefehlt als an Verstände und Begabung. Wo er nicht

auf's Abschreiben angewiesen ist, nimmt er zuweilen ganz ge¬

schickte Anläufe; nur eben bleibt der Kenner hinter dem Denker

(3)

V. d. Oabelentz, Beürag sur Oeschiehte der chinet. Grammatiken. 603

zurück. Seine Sprachlehre, nach lateinischem Zuschnitte angefertigt

mid wahrhaft belehrender Beispiele fast entbehrend, ist längst ein

Cuiiosum, nichts weiter, und das noch im bösen Sinne des Wortes.

3) Theoph. S. Bayeri Museum Sinicum &c. Petrop. 1730,

2 voll. 8.

hat Eemusat mit der gebührenden Milde beurtheilt. Dagegen

scheint mir dieser Gelehrte das folgende Werk nicht ganz nach

Verdienste zu schätzen.

4) J. Marshman, Elements of Chinese Grammar, auch unter

dem Titel: Clavis sinica, Serampore 1814, 4.

Marshman war, soviel mir bekannt, ein ganz selbständiger und

sicher ein sehr fleissiger und wohl belesener Porscher. Er stand,

— auch geistig — nicht fem von der Schwelle der neueren Lin¬

guistik und hat sichthch damach gestrebt, die Sprache nicht nur

im gewöhnlichen Sinne des Wortes zu verstehen, sondem wirkhch

sie in ihrem Wesen zu begreifen. Er war ein scharfer Denker

und ein sorgsamer Porscher ; seinen Untersuchimgen über die Ent¬

stehnng und Bildung der chinesischen Schrifl fehlen freilich die

paläographischen Unterlagen, sonst aber sind sie von tadelloser in¬

duktiver Methode. Was Callery in seinem Systema phoneticom, und

neuerdings Edkins in seiner Introduction to the study of the

Chinese characters des Näheren ausgeführt, ist von ihm mit sicherer

Hand vorgezeichnet worden; Fourmont's Betrachtungen über diese

Fragen dürfen, trotz manches Zutreffenden, das sie enthalten, neben

den Leistungen des Engländers kaum genaimt werden. Auch war

Letzterer, soviel mir bekannt, der Erste, der einen tieferen Bhck

in das ehemalige Lautsystem der Sprache getban ; Mangel an Hülfs¬

mitteln, namentlich an dialektischen, allein mag es gewesen sein,

was ibn hierin nicht weiter vordringen hess. Seine Schreibweise

ist leider von der geschmacklosesten Breitspurigkeit. Der eigentUch

grammatische Theil des dicken Quartanten nimmt etwa 400 Seiten

ein, und trotzdem ist die Ueberschrift: ,The elements of Chinese

grammar' durchaus nicht zu bescheiden gewählt. Auf zwanzig

Seiten zähle ich dreissig Beispiele, was etwa 600 für das ganze

Werk ergeben würde. Past jedes dieser Beispiele aber ist nicht

nur mit zwischenzeiliger und freier Uebersetzung, sondem über¬

dies mit einer sehr entbehrUchen sachlichen Einleitung ausgestattet Der alte Stil ist zu Grunde gelegt, die Anlage des Ganzen sklavisch

der der europäischen Grammatiken angepasst. Von den klassischen

Wortstellungsregeln, welche Juhen's Rubm und Stärke bUdeten,

finde ich manche schon bei Marshman. Auf einzelne Unrichtig¬

keiten in der Förmelung der Regeln und der Erklärung der Bei¬

spiele einzugehen ist hier nicht der Ort.

5) Morrison, A Grammar of the Chinese Language. Seram¬

pore 1815, 4. 280 Seiten.

Dies Erstlingswerk des hochverdienten Lexicographen ist von

B^musat a. a. 0. gebührend besprochen worden. Heute dürfte es

39*

(4)

604 V- <i. Oabelente, Beitrag mtr Oetehiekte der chinu. Orammatiken.

kaum mehr in Gebranch kommen, und an Bedeutung für die Ge¬

schichte der Wissenschaft wird man es nicht mit Marshman's

Werke vergleichen.

Ich bin absichtlich von der chronologischen Ordnung ab¬

gewichen, und werde dies auch femer thun, um die Grammatiken

einigermaassen grappenweise beisammen zu halten.

6) Premare, Notitia Imguae sinicae, Malacca 1831, 4.

übersetzt in's Enghsche von J. G. Bridgman, Canton

1847, 8.

Der Verfasser, em Zeitgenosse Fourmont's, lebte um Anfang

des vorigen Jahrhunderts als Missionär im Mittelreiche. Er war

einer jener kathoUschen Sendhnge, welche im richtigen Verständ¬

nisse ihrer Aufgabe vor Allem sich selbst im Chinesenthume

heimisch zu machen trachteten, vmd ist ihm dies im vollen Maasse

gelungen. Durch fortgesetzte sorgfältige Lektüre der besten Schrift¬

steller und, wie es schemt, durch den Verkehr mit hochgebildeten

Eingeborenen hatte er sich hohe Meisterschaft in der Handhabung

der Sprache und den feinsten stihstischen Geschmack angeeignet.

Er war selbst gebildeter Chmese geworden, und seme ästhetischen

Urtheile lassen den Europäer kaum mehr erahnen. Was er war,

dazu wollte er seine Berufsgenossen heranbilden, und dies war

für Anlage und Gestaltung semes vrunderbaren Buches entscheidend.

Der hodegetische Zweck scheint ihm kaum weniger zu gelten, als

der unmittelbar didaktische; er lehrt nicht nur was, sondem aucb

wie gelemt werden, welcher Bildungsmittel man sicb bedienen,

worauf man bei dem Gebrauche Acht haben soUe. Er fühlt viel¬

leicht mehr als er es ausspricht, dass dies Lemen ein Akt der

Befreiung sei von so und sovielen Vorurtbeilen, welche uns von

zu Hause her anhaften wie Lehm an den Sohlen. Was unserm

Sprachbedürfiiisse am nächsten zu liegen, scheint und etwa der

Formenlehre unserer Grammatiken entspricht, das macht er auf

etwa zwanzig Seiten (12 und 9 der englischen Uebersetzung) ab.

Wilhelm von Humboldt deutet an, dass der trefQiche Pater

ein klares Bild vom Wesen dieser Sprache schwerhch gehabt haben

möge. Dem wird man ohne Weiteres beipflichten; ein Linguist

war Prömare nicht, und Remusat's Urtbeil, die Notitia sei eher

eine Rhetorik als eme Grammatik , hat riel Zutreffendes. Es ist

dem SchriftsteUer sichtlich mehr dämm zu thun, was geschmack¬

voll, als was zulässig und sprachgemäss sei. Nicht als könnte er

wider den Sprachgebrauch Verstössen; davor schützen ihn seine

QueUen, durchweg gute Ausgaben der besten Autoren. Aber,er

lehrt nicht, oder doch nur ab und zu und nebenbei, warum im

emzelnen FaUe diese und nicht lieber jene Wendung gebraucht

sei ; den grössten Theil seines Buches würden Viele eher lexikalisch,

als grammatikalisch nennen, weü in ihm etwa anderthalbhundert

Partikeln und einige andere Wörter häufigen und auffälligen Ge¬

brauches in ihren verschiedenen Anwendungen an Beispielen, er-

(5)

«. d. Cfabelentz, Beitrag sur Geschichte der ehines. CMimjnatiken. 605

läutert werden. Auch ich würde diese Bezeichnung w&hlen, wenn

ich dem Wörterbuche als solchem einen Platz in der Sprach¬

wissenschaft zuzuweisen wüsste. Allein gerade das Chinesische

besitzt ja in den Hülfe- imd Bildungswörtem das zweitwichtigste

seiner sprachlichen Organe.

Mehr als ein Pünftheil des Werkes fällt die eigentliche

Stihstik, die Lehren von Antithese, Wiederholung, Climax, didak¬

tischer Frage, Beschreibung u. s. w. Diese Dinge hegen im

Chinesischen der Grammatik weit näher als man meinen sollte,

und sie dürfen hier in einem für den höheren Spr^hunterricht

bestimmten Lehrbuche kaum fehlen. Was ich hier sagen will,

lässt sich vielleicht besser erleben, denn theoretisch erweisen; ein

Versuch es darzulegen sei mir indessen gestattet Der Chinese ist

in Sachen des Stiles ein höchst heikler Feinschmecker. Er keimt

sehr mannichfache Bedefiguren und Schreibweisen, aUe von gemein¬

samen, jede überdies von besonderen Geschmacksregeln beherrscht;

er verlangt zeit- und sachgemässe Anwendung einer jeden, dabei

geschickte, vor Uebersättigung schützende Abwechselung; und vor

Allem hat er ein feines Gefühl fürv Bhythmus. Nun sind viele

seiner Bücher ohne Interpunktionen, oft mehrere Seiten lang ohne

Absatz gedruckt. In einem Athem, so scheint es, folgt Wort auf

Wort, — und diese Wörter gehören einer isolirenden Sprache an.

Kenne ich die Stellungsgesetze, so weiss ich, was ich zu Anfange,

in der Mitte oder am Ende des Satzes zu suchen habe. Wo habe

ich aber Anfang und Ende der Sätze zu suchen? Gelegentlich

geben mir gewisse Partikeln einen Anhalt. Wenn sie aber fehlen,

— und sie fehlen oft, — was dann? da überfliege ich eben den

Text, einerlei wieviele mir unbekannte Zeichen er enthalten möge,

finde hier einen Parallehsmus, dort eine Antithese, zähle wohl

gar von gleichem zu gleichem Worte die Zeichen ab, geräthe un¬

versehens in den Rhythmus hinein —• und habe den Schlüssel in

Händen. Man sieht, dies Verfahren ist so äusserhch, so rem

formaUstisch vne nur möglich; das Eingehen auf das SachUche

kommt erst hinterdrein. Aber was war es, was ich da gethan

habe ? Ich habe einfach das Stilmuster entdeckt, das meinem Autor

vorgeschwebt haben muss, ich trommele den Takt, ehe ich das

Lied kenne. Es ist selbstverständUch, dass diese Methode nicht

überall, nicht in allen Texten gleich sicher zum Ziele führt. Wo

sie fehlschlägt, da müssen lexikaUsche und reaUstische Erkenut¬

nissmittel in die Lücke treten. Allein just jenes formaUstische

Moment, jene innige Verquickung der Satzbildung und Satz-

scheidung mit der Stüistik muss dieser letzteren mindestens in

einer philologischen Grammatik die Aufnahme sichem.

Wir besitzen keine chinesische Sprachlehre, die sich in feiner

und eingehender Behandlung dieses Gegenstandes mit Prömare's

Notitia messen könnte. Wir besitzen auch, ausser des Gon9alves

für uns weniger brauchbarer Arte china, kerne, welche gleich reich

(6)

606 f- d. Oabdentt,. Beitrag zur Geachiehte der chinea. Grammatiken.

an wohl gewählten Beispielen wäre. Und endlich dies: es mag

Jemand die chinesische Sprache besser verstehen lemen als der

französische Pater; nicht leicht aber dürfte wieder ein Europäer

so voll tmd ganz wie er den chinesischen Geist und Geschmack

in sich aufiiehmen. Darum wird nicht so bald ein zweiter gleich

befähigter Lehrer chinesischer Bhetorik erstehen. Hierin erblicke

ich den unvergänghchen Werth seines Buches, — einen Werth,

welchen man stellenweise mehr durch die That als mit Worten

anerkannt hat.

7) J. P. Abel-Bemusat, Bimmens de la grammaire chinoise,

ou principes g6n6raux du Kou-wen ou style antique , et

du Kouan-hoa, c'est-ä-dire, de la langue commune gene¬

ralement usitee dans l'Empire chinois. Paris 1822, 8.

Nouv. Ed. ibid. 1857, gr. 8.

Das eben Gesagte gilt in erster Eeihe von diesem Buche.

Der Verfasser sagt. Preface pg. XIX: ,0n ne fait nulle difficulte

,d'avouer que plusieurs exemples qu'on trouvera rapportes dans

,ce volume, ont ete empruntes, soit ä l'ouvrage du P. Premare,

,soit aux autres dont on vient de parier: I'invention, en ce genre,

,n'est pas un merite ä redamer. Mais ce qu'on croit pouvoir

.assurer, pour la securite de lecteurs et des etudiants, c'est qu'ü

,n'est pas im de ces exemples qui n'ait et6 verifie sur les origi¬

¬naux. On a compulse ä cet öffet un grand nombre d'ouvrages &c."

Die Wahrheit ist, wie C. F. Neumann (Premare, Marshman und

A. Eemusat, München 1834, 4.) mehr wahr als zart nachgewiesen,

dass der erste Inhaber des chinesischen Lehrstuhles am CoUege

de Prance fast AUes seinen beiden genannten Vorgängem, das

Meiste dem erstgenannten einfach abgeborgt hat Wenn er Seite XX

wenigstens äuf die Construktions- und Wortstellungsregeln Ent¬

deckungsrechte beanspmcht, so ist ihm vrieder Marshman, ja

Fourmont und aUenfaUs auch Premare entgegenzuhalten. Wahr¬

haft sein Eigen ist kaum mehr als die Mache. Auf diesem Punkte

jedoch zeigt sich gerade Verdienst genug um dem Verfasser ein

gut Theü seiner Unredlichkeit zu verzeihen. Verdienst, ja Genie.

Leichter, übersichtlicher, einladender vermochte der schwierige

Stoff nicht wohl vorgetragen zu werden^ als es hier geschehen

ist, und bei Allem, was man im Einzelnen an dem Buche aus¬

zustehen finden mag: noch heute wüsste ich der Mehrzahl der

Anfänger kein geeigneteres in die Hände zu geben. Mit der Ge¬

schichte des Pariser Lehrstuhles ist es ebenso eng verwachsen,

wie dieser mit der Gescbichte der Sinologie. Wo wäre Letztere

ohne jene Beiden? Wäre statt dieses Buches Premare's zehnmal

inhaltreichere Notitia im Dracke erschienen, so würde man schwer¬

lich so bald zu der Einsicht gelangt sein, dass Chinesisch ebenso

erlembar wie lemenswerth sei. Es bedurfte eines Elementarbuches,

an welchem man Muth fassen konnte, und eines Lehrers, der

Eeclame zu machen verstand. Wir werden bald genug sehen, wie

(7)

p. d. Gahelentz, Beürag zur Geschiehte der chines. Grammatiken. 607

es der Dilettanten bedurfte, die, durch ihren Meister kühn gemacht,

zu Falle gerathen mussten, um die Wissenschaft vor Verseichtung

zu behüten.

Es scheint lehrreich zu untersuchen, worin die Vorzüge der

Elömens bestehen. Zunächst in möglichster Kürze, vrie sie der

Anfänger in seiner Sehnsucht nach raschem Eintreten in die

Lektüre verlangt, — doch ohne jenen Lakonismus, den er nicht

verstehen vriirde. Dazu kommt möglichste Uebersichtlichkeit und

Handlichkeit. Die Haupttbeile und Kapitel sind auch für's Auge

scharf geschieden, die kurzen Regeln unter laufenden, die Ver-

weisvmgen erleichternden Nxmimem paragraphirt. Der alte und

der neue Stil sind gesondert behandelt, sodass man nur die ersten

zwei Drittheile des Buches inne zu haben braucht, um mit Hülfe

einer Uebersetzung und eines Wörterbuches einen alten Schrift¬

steller lesen zu können. Die Beispiele, fi-eilich hin und vrieder

in unliebsamer Weise gekürzt, manchmal nicht ganz richtig erklärt,

— sind mit doppelter, zwischenzeiliger und freier Uebersetzung

versehen, — eine vorzügliche gcbule in der Analyse. Ein leider

nicht immer zuverlässiges Verzeichniss der chinesischen Scbrift¬

zeichen übt vor zum Gebrauche der Wörterbücher. Vor AUem

aber lobe ich den Takt, mit welchem der Verfasser es verstanden,

den dem Anfänger geläufigen europäisch-grammatischen Begriffen

entgegenzukommen, ohne dem Geiste der chinesischen Sprache

zu riel zu vergeben. Ich sprach von einzelnen Unrichtigkeiten.

In der That ist das Buch stellenweise veraltet und mehrfach

lückenhaft ; die Erkenntnisse sind vorwärts geschritten, die Lücken

inzwischen ausgefüllt worden. An neueren Grammatiken ist kein

Mangel; keine jedoch, oder ich müsste sehr irren, ersetzt dieses

geist- und geschmackvolle Plagiat.

Einmal schien es allerdings, als sollte ein solcher Ersatz

kommen. Dies war im Jahre 1874, als Trübner & C. in London

die erste Lieferung von L6on de Rosny's Grammar of the Chinese

Language herausgaben. Das Heftchen enthält auf 48 Seiten 8.

die Schriftlehre und einen Theü der Lautlehre in ähnlichem Geiste,

doch selbständig und fast noch mehr im Sinne eines Elementar¬

buches dargestellt, als dies von Remusat geschehen ist. Denke

ich an des Verfassers bekanntes schriftstellerisches und didaktisches

Geschick, an seinen, bei Sinologen nicht eben gewöhnUchen er¬

weiterten linguistischen Gesichtskreis, endlich daran, vrie er selbst

vor Jahren für die zweite Auflage der Elemens thätig gewesen

ist, wie er Remusat Uebt und Julien kennt, so muss ich es be¬

klagen, dass diese Veröfientlichung keinen Fortgang nimmt.

8) Stanislas Julien.

Abel R6musat's berühmter Schüler und Amtsnachfdlger hat

sein grammatisches Werk, die Syntaxe nouvelle de la langue

chinoise, Paris 1869—1870, 2 Bde. 8., als sieben zigjähriger Greis

geschrieben, nachdem er längst durch andere, höchst fruchtbare

4 3

(8)

608 d. Gabelente, Beürag mtr Gnsckichte der ehines, Grammatiken.

Arbeiten das Verständniss der chinesischen Sprache um ein Be¬

deutendes gefördert hatte. Von seinen zahlreichen, überaus zuver¬

lässigen Uebersetzungen soll hier nicht geredet Vierden. Schon

sein Anhang zur Meng-tsü-Ausgabe : Brevis traetatus in quatuor

litteras quae apud Mencium ejusque interpretes officio maxime

notabili funguntur enthält des Neuen und Wichtigen viel. Epoche¬

machend aber war sein gelehrter Streit mit G. Pauthier. Dieser

hatte 1839 und 1841 im Journal Asiatique einige sehr verfehlte

Uebersetzimgen veröffenthcht, deren massenhafte Irrthümer Julien

in folgenden drei Schriften:

a) Examen eritique de quelques pages de Chinois relatives ä

I'Inde, traduites par M. G. Pauthier, aecompagnö de discussions

grammaticales sur certaines rögles de position qui, en Chinois

jouent le mSme röle que les flexions dans les autres langues. Im

Journal Asiatique, Mai 1841.

b) Exercices pratiques d'analyse, de Syntaxe et de lexicographie

chinoise. Paris 1842, 8.

c) Simple expos6 d'un fait honorable &c. Paris 1842, 8.

mit erstaimhcher Gründlichkeit aber oft reeht hämisch nachwies.

Die drei Schriften, zumal die zweite, gehören zu den belehrendsten, die ich in diesem Pache kenne ; wer vorschnell an die selbständige

Lektüre chinesischer Texte gehen will, dem sollte man die Exer¬

cices pratiques in die Hand legen , um ihn zu warnen. Und

wiederum, wem da zu wissen verlangt, worin Julien's Meisterschaft

in der Analyse chinesischer Texte bestanden, wer sich selbst die

bewährte Methode dieses Alimeisters anzueignen wünscht: der

soUte diese geharnischten Bücher gründhch imd mehr als einmal

durcharbeiten. Juhen liebte es die Stellungsgesetze als seine Ent¬

deckung zu bezeichnen. Man hat im Vorigen gesehen , wieviel

ihm hierin schon von Anderen vorgearbeitet war. Allein unzweifel¬

haft will er unter seiner „rfegle de position" ein Mehreres begriffen

wissen, und gerade in diesem Mehrerwerb erblicke ich einen un¬

schätzbaren Fortschritt. Das allwaltende Wortstellungsgesetz bedingt

nÄmhch nicht nur den Casus des Substantivums oder das genus

verbi, ersetzt mit anderen Worten nicht nur verschiedene Pormen

eines und desselben europäischen Wortes: sondern es ist auch

ebenso oft für die Präge entscheidend, welchem Redetheile in

unserm Sinne das nämliche Wort jeweilig angehöre, ob es etwa

Adjektivum, Substantivum, Adverb, Verbum neutrum oder Verbum

factivum sei. Erst in diesem Umfange kann es voll verstanden

werden. Ein Sprachgebrauch aber, dessen Ursachen nicht immer

einleuchtend sein mögen, hat es gefügt, dass viele Wörter durch

die Nachbarschaft gewisser anderer ganz eigenthümlich begrifllich

beeinflusst werden; die Zwei oder Drei gehen eine feste Ver¬

bindung ein , sie bilden unwandelbare Composita , deren Ver¬

kennung zu den tollsten Missdeutungen führen würde. Es giebt

gewisse praktische Regeln , nach denen sich manche dieser Zwei-

4 3

(9)

,v. d. Gabelentz, Beitrag zur Getchiehte der chiues. Grammatiken. 609

und Dreisylbler von vom herein als vrahrscheinliche Composita

erkennen lassen, z. B. die, dass zwei Wörter, welche sich in

einer ihrer Bedeutungen berühren, zusammen den Begriff dieser

gemeinsamen Bedeutung darstellen, dass zwei von entgegengesetzter Bedeutung meist durch „und* bez. : ,oder" verbunden zu verstehen sind, dass hierbei das potius (das Grössere, Bessere, Höhere) voran¬

zustehen pflegt u. dgl. m. ^). Solche Fingerzeige gehören in die

Spracblehre; oft aber reicben sie nicht aus, und die Phrasenkimde

muss nachhelfen. Auf deren Nothwendigkeit hat Julien mit allem

Nachdmcke hingewiesen, und auch das möge man zu seinen Ver¬

diensten rechnen.

Es ist tief zu beklagen, dass er nicht in den Jahren seiner

Kraft an die Ausarbeitung einer vollständigen Granmiatik gegangen

ist. Ein Werk von linguistischer Vertiefung hätte er wohl auch

damals kaum liefem können ; dazu schien sein Kopf nicht angelegt.

Aber sicher besHssen wir dann ein ebenso reichhaltiges wie praktisch

klares Buch, mehr auf das grammatisch Nothwendige, weniger

auf das stilistisch Schöne gerichtet, als die Notitia linguae sinicae,

und an grammatischen Beobachtungen vollständiger, als es irgend

ein Zweiter hätte herstellen können. Sein Spätling, die Syntaxe

nouv^Ue wurde allseitig mit verdientem Jubel aufgenommen. Was

konnte man Besseres wünschen, als dass der merkwürdige Greis

zum Gemeingute der Welt machte, soviel er selbst noch besass?

Den ersten Band des inhaltreichen Buches hat mein verewigter

Vater in unsrer Zeitschrift angezeigt *) und ich unterschreibe sein

anerkennendes Urtheil noch heute mit vollster Ueberzeugung. Was

aber der aufmerksame Leser dort zwischen den Zeilen finden wird,

das muss hier ausgesprochen werden.

Dass der Verfasser Schrift- und Lautlehre von seinem Buche

ausgeschlossen hat, besagt dessen Titel. Es ist keine voUständige

Grammatik, sondem eben eine Syntax. Allein auch in dieser

Eigenschaft ist es nicht sowohl ein vollständiges Werk, als viel¬

mebr eine Vervollständigung seiner Vorgänger. In der ersten Ab¬

tbeilung, welche die Ueberschrift ,Syntaxe nouvelle de la langue

chinoise" trägt, werden Substantivum, Adjektivum, Verbum und

Adverb in Bücksicht auf ihre Funktionen und deren Erkenntniss

betrachtet. Es ist dies im Wesentlichen eine Wiederholung der

vom Verfasser in früheren Jahren veröffentlichten Beobachtungen,

und namentlich insoweit sie dies ist, kommt jenes Talent der

Aufstellmig klarer praktischer Regeln noch einmal zur Geltung.

Unter der Ueberschrift „Monographies" werden nach einander acht der wichtigsten Partikeln in ihren verschiedenen Anwendungen

1) Beispiel: jih — Sonne, Tag; yueh = Mond, Monat. Also: jih-yueh

= Sonne und Mond, weil die Sonne grösser ist als der Mond, — aber yueh- jih = Monate und Tage, wieder weil Erstere grösser sind als Letztere.

2) xxm. Band S. 699—701. D. Ked.

(10)

610 «■ d. Oabelentz, Beitrag zur Oeschichte der ehines. Orammatiken.

und Verbindungen behandelt; ein Kapitel ,de l'anteposition" be¬

scbliesst diese Abtbeilung. Dieselbe ist ungemein ergiebig für

denjenigen, der sie mit Kritik zu benutzen und in der wüsten

Masse der Einzelbeiten das innere Band zu erkennen versteht.

Geradezu verwirrend und entmuthigend aber muss sie auf Anfänger

einwirken, denen der Verfasser nur sehr ,selten mittheilt, warum

von den zwölf bis siebenzehn Anwendungen, die er unvermittelt

und ungeordnet nach einander aufführt, mm gerade diese eine im

gegebenen Falle vorliege. Die Thatsache ist, dass Juhen hier

unter Anwendungen kaum mehr versteht, als verschiedene Mög¬

lichkeiten dasselbe Wort durch passende französische Wörter wieder¬

zugeben.

Von den beiden folgenden Ahtheilungen: „Supplement aux

Monographies' und „Table des idiotismes' ist wieder die erste

namenthch für den weiter Vorgeschrittenen, die andere aber auch

für den Anfönger unschätzbar. Dass Beide lexikalisch geordnet

und durchaus nicht in grammatikalischem Geiste bearbeitet sind,

thut wenig zur Sache. Die Wahl der zur Uebung angehängten,

wörtlich übersetzten Texte ist vielleicht nicht eben glücklich ; Ueber¬

setzungen aus dem Sanskrit bilden nicht den Instinkt des chinesischen

Geschmackes. Allem die einfache Methode der Analyse dürfte für

den ersten Unterricht zu empfehlen sem.

Der zweite Band zerftlllt wieder in drei Theile: 1) einen

Wiederabdruck des „Examen critique', leider mit Belassung aller

persönlichen Ausfälle gegen den unglücklichen, inzwischen hoch¬

betagt wordenen Prügeljungen von 1841—42; 2) ein Wörterbuch

bemerkenswerther Ausdrücke aus den Romanen iü-kiao-li und Ilao-

kkieu-fachuan, dem neueren Stile angehörig ; endlich 3) eine wört¬

liche Uebersetzung der drei ersten Akte des gleichfalls modernen

Dramas Tschao-acM-lcu-ri. — In allen Juhen'schen Arbeiten ver¬

misst man die Bezeichnung der Stimmbiegungen (Accente) bei den

Umschreibungen chinesischer Wörter.

Es verlohnt sich der Mühe, an dieser Stelle Julien mit Pre¬

mare zu vergleichen. Beide sind Grössen ersten Ranges, Beide

treten in ihren grammatischen Hauptwerken nicht eben als Gram¬

matiker auf. Julien aber war Alles um's Uebersetzen aus dem

Chinesischen, Premare Alles um das Reden und Sebreiben im

Chinesischen zu thun. In diesem Verstände ergänzen Beide einander;

doch vergesse man nicht, was oben gezeigt wiurde, dass die Kennt¬

niss der Rhetorik für das Verständniss und mithin für die Ueber¬

setzung der Texte oft unentbehrlich ist. Der berühmte Professor

war Dank einer imermüdlicb unter steter Führung der saubersten

Collektaneen fortgesetzten Lektüre zu einer Art Unfehlbarkeit ge¬

langt, wie man sie dem gelehrten Jesuiten nicht zusprechen wird.

Gerade jenes anerkannte Uebergewicht aber scheint der Entwicklung

der Sinologie m ihrem Vaterlande Frankreich eher geschadet als

genützt zu haben. Aus der Autorität wurde ein Despot, imver-

(11)

V. d. Oabelentz, Beitrag zur Geschichte der ehines, Grammatiken. 611

drossen hülfreich für Jeden, der sich ihm ganz zu Eigen gab, aber

unduldsam gegen Jeden, der in seinem Machtgebiete, ich meine in

Frankreich, neben ihm aufzukoüimen strebte. Was ich hier an¬

deute, ist seiner Zeit von li6on de Rosny in pietätsvoller, doch

sehr deuthcher Weise ausgesprochen worden; man muss darum

wissen, wenn man der französischen Sinologie nicht Unrecht thun will.

9) St. Endlicher, Anfangsgründe der chinesischen Grammatik.

Wien 1845, 8.

Verhielt sich Julien seinen französischen Vorgängem Pr6mare

und Remusat gegenüber beinahe ablehnend, so suchte der bekannte

Wiener Polyhistor in eklektischer Weise sich die Errungenschaften

dieser drei und der bisher erschienenen lexicahschen und scbrift-

kundlichen Arbeiten zu Eigen zu machen. Der Gedanke war an

und für sich nicht zu missbilhgen, und Endlicher hat nicht versucht, mit einer Selbständigkeit zu prunken, die er nicht besass und nicht besitzen konnte. Gleich Remusat wollte er ein Elementarlehrbuch

liefem; allein das seine wurde doppelt so dick und vielleicht

viermal so ausführlich, als das des Franzosen.

Die Aufschrift , Anfangsgründe" möchte ich nicht als Be¬

scheidenheitstitel gelten lassen ; sie fordert von dem Verfasser jene

Beschränkung, in welcher sich der Meister zeigen soU. Darum

hat von zwei Elementarbüchem das stärkere sich vor dem dünneren

zu verantworten, nicht umgekehrt.

Endlicher hat, das muss ihm wieder zur Ehre nachgesagt

werden, die Arbeiten seiner Vorgänger recht sorgfältig benutzt

und wenigstens die ihm durch Uebersetzungen zugänglichen Texte

der älteren Literatur fleissig in seine Collektaneen extrahirt; die

Beispielsammlung ist grossentheils sein eigen. AUein, wenn ich

recht urtheile, so hat er es weder verstanden, weise Maass zu

halten, noch seinen Stofi' zweck- und sachgemäss anzuordnen. Der

Schrift- und Lautlehre, welche Remusat auf 34 Seiten etwa soweit

behandelt, als es dem Anfänger nöthig ist, widmet er 160 Seiten.

Dabei behandelt er das Lautsystem in einer Weise, die zu den

ärgsten Missverständnissen fübren kann. Er redet da von Grand¬

formen und Steigerangen, kurz er thut — vielleicht ohne es zu

wissen —, als hätten wir schon eine fertige chinesische Etymologie,

vermöge deren wir eine comphcirtere Sylbe als Weiterbildung der

und der einfacheren bestimmen könnten.

In der eigenthchen Sprachlehre, Seite 162—360, ist die Mehr¬

zahl der Lehrsätze dem Remusat'schen Buche entlehnt; zwischen

hinein haben die in den Juhen'schen Schriften enthaltenen Regeln

und Beobachtungen Aufnahme gefunden. Aber in der Anordnung

des Stoffes weicht der Verfasser gar sehr von den Elemens ab.

Jene Zweitheilung in alten und neuen Stü, deren Vorzüge vrir

oben kennen lemten, giebt er auf; Beide behandelt er, aUerdings

1) Congres international des orientalistes, Tome I pg. 385—389.

4 3*

(12)

612 » d. Oabelentz, Beitrag zur Oeschichte der ehines. Orammatiken.

mit ausdrücklicher Hei-vorhebung , nebeneinander. Nun möge ein

kurzes aber recht vielsagendes Register folgen:

A. Von den vollen Wörtem. I. Nennwörter: 1) Haupt¬

wörter, a) zusammengesetzte Wörter; b) Eigennamen; c) Genus

der Hauptwörter; d) Numeras; e) Casus. 2) Beiwörter: a) Von

den Beiwörtem überhaupt ; b) Vergleichimgsstufen. 3) Zahlwörter,

n. Fürwörter: a) persönliche Fürwörter u. s. w. HI. Zeitwörter:

a) verschiedene Arten derselben; b) Modus; c) Zeitformen; d) Person und Zahl.

B. Von den leeren Wörtem. I. Adverbien; H. Beziehungs¬

wörter; in. Conjunktionen; IV. Interjektionen; V. Finalpartikeln.

Damit schliesst das Buch; und wenn ich die eingehendere

Uebersicht hätte abschreiben wollen, so vrärde man noch deut¬

licher sehen, wie hier eine chinesische Syntax in das Prokrastes-

bett einer europäischen Formenlehre hineingezwängt ist. In der

That finde ich, ausser der sehr unerheblichen Eintheilung in volle

und leere Wörter und dem so unvermeidlichen Kapitel von den

Endpartikeln, nichts, was an eine einsylbig-isolirende Sprache

denken liesse. Römusat hatte doch wenigstens die wichtigsten

Hülfswörter und Wortstellungsgesetze in zusammenhängender Re¬

capitulation behandelt und so den Weg einer erspriesslichen Lehr¬

methode vorgezeichnet. Sein Nachfolger erspart sicb dies, d. h.

er lässt das, was den Genius dieser Sprache ausmacht, in der Um¬

hüllung. Jetzt frage ich: ist es zu hart, wenn man behauptet,

dass Endlicher der Welt mehr genützt haben würde, wenn er etwa

den R6musat übersetzt und nur- durch Einfügung der Julien'scben

Regeln ergänzt hätte? — Man findet immer und immer wieder

die „Anfangsgründe" in linguistischen Werken angezogen ; das Buch ist dadurch zu einem Ansehen gelangt, das es meiner Ueberzeugung nach nicht verdient.

10) A. Bazin, Grammaire Mandarine, ou principes genöraux

de la langue chinoise parl6e. Paris 1856, 8.

Ueber Werke, welche die heutige Umgangssprache behandeln,

wage ich nur mit aUem Vorbehalte zu reden ; ich würde mich

ihrer Besprechung völlig enthalten, wenn sie nicht selbst einander

einigermaassen controlirten. Ist A. Bazin meines Wissens nie in

Cbina gewesen, so waren es dafür Andere, deren Arbeiten ich be¬

sitze, um so länger. Auf diese muss ich mich verlassen, wenn

ich über Jenen urtheilen will.

Bazin hatte im Jahre 1845 im Joumal asiatique ein Memoire

sur les principes gön^raux du chinois vulgaire veröfFentlicht. Er

hatte die Entdeckung gemacht, dass der sogenannte kuän-hon, den

Römusat im zweiten Theile seiner Grammatik dargestellt, mit

nichten die heutige allgemeine Verkehrssprache des Mittelreiches

sei, dass diese Verkehrssprache in der That keine einsylbige mehr

genannt werden könne, und dass viele ihrer Elemente als blosse

Wortbildimgsmittel aufzufassen seien.

4 3 *

(13)

I,, d. OcAelentz, Beürag eiir Oetohiehte der chines. Grammatiken. 613

Die grammaire mandarine ist nacli des Verfassers ausge¬

sprochener Absicht eine Entwickelung jener Sätze. Bazin mag in

der Verfolgung seiner Lieblingsideen bisweilen nach Entdeckerart

zu weit gegangen sein; z. B. möchte ich einsylbige Verba in Ver¬

bindung mit einsylbigen Objekten (S. 42—43) nicht als wahre

Composita gelten lassen, weil diese Objekte durch davortretende

Attribute ohne Weiteres von ihren Verben getrennt werden können,

und weü die betreffenden Verba wohl eher ein Objekt überhaupt,

als gerade das eine bestimmte Objekt erfordern. Paradigmata, wie

er sie an zwei SteUen giebt, sind in alle Wege dem Sprachgeiste

zuwider; ich betrachte sie indessen als harmlos, da der Schrift¬

steUer selbst sich gegen etwaige verfehlte Schlussfolgerungen deut¬

lich genug verwahrt. Nur das hätte er hervorheben soUen, dass

man die Ausdrücke für „ehemals, zuvor, voUenden, künftig, der¬

einst", durch welche er die Präterita und Putura bildet, überhaupt

nicht anwenden muss, sobald von einer bestimmten, näher be¬

zeichneten, vergangenen oder zukünftigen Zeit die Rede ist. In

solchen Dingen weicht auch das Neuchinesische selbst von den

formenärmsten unsrer europäischen Sprachen weit, weit ab.

Der Hauptsache nach findet unsres Verfassers Betrachtungs¬

weise in den Porschungen anderer, sebr bewährter Kenner ihre

Bewahrheitung. Es ist leicht einzusehen, dass diese Theorie eine

ganz andere Scheidung zwischen Wort- und Satzlehre zugleich er¬

heische und ermögUche, als die von dem durchgängigen Mono

syUabismus. Bei Letzterer kann es sich fragen, ob die einsylbigen

Wörter gewisse Bildungen als aufgehobene Momente in sich ent¬

halten ; in ihrem Verhalten zu einander können sie nur syntaktisch

begriffen, und die Syntax tarm nur in eine niedere und eine höhere

gescbieden werden. In der That ist die Lehre von den zusammen¬

gesetzten Wörtem auch für das Verständniss der älteren Sprache

fmchtbarer, als man glauben sollte. Auch in der Sprachwissen¬

schaft kann das Spätere ein Prüberes erklären. Ich rede hier von

jenen Ansätzen, von jenen embryonalen Existenzen, die anscheinend

noch wenig sind, aber gewiss viel werden wollen. Was sich mir

in Bazin's und Anderer Werken voll entfaltet darstellt, davon

glaube ich schon in den ältesten Sprachdenkmälem der Chinesen

sehr deutliche Keime zu erkennen. Nicht als meinte ich, gleich

dem Verfasser der Grammaire mandarine, dass man vor Alters

viel anders gesprocben, als geschrieben habe, sondem ich halte

dafür, dass die Tendenz der Sprache gewisse Wörter zu ständigen

Einheiten miteinander zu verknüpfen, mindestens ebenso alt sei,

als jene ehrwürdigen Urkunden, und dass man diese besser ver¬

stehe, wenn man jener Tendenz gebührender Maassen Rechnung

trage. Bemerkt sei übrigens , dass der Verfasser die Scheidung

zwischen Wort- und Satzlehre nicht immer in streng folgerechter

Weise vollzieht; § 124 z. B. hätte besser im ersten Theüe Auf¬

nahme gefunden. Von anderen, mehr blos Einzelheiten betreffenden

(14)

614 "-d. Gabelenlz, Beitrag zur Geschichte der ehines. Grammatiken,

Bedenken, die mir beigehen, mag ich in diesem Aufsatze überhaupt

nicht reden.

Am Schlüsse seines Buches kehrt Bazin zu dem zurück, was

wir als den Angelpim^kt seiner Lehre kennen lernten. An fünfund-

zwMizig erläuterten Beispielen zeigt er, wie verschieden seine langue

mandarine von der Sprache der Romane sei, aus welchen Remusat

(Pr6mare) seine Beispiele und Beobachtungen entnommen. Der

Unterschied ist in der That auffällig, und da die Uebertragimgen

von einem einheimischen Sian-seng herrühren, so darf man sich

auf sie verlassen. Mir aber giebt dies Eine zu denken, dass ein

Kenner wie Premare von einem so beträchtlichen Unterschiede

nichts sagt. Er und viele seiner damaligen und früheren Berufs¬

genossen standen zu den Gebildetsten des Landes in viel innigerer

Beziehung als die beutigen Sendboten. Möchte man da nicht

muthmaassen, dass damals noch, zum Wenigsten in der vornehmsten

Gesellschaft, die Sprache des iü-kiao-li und des Hao-khieu-tschuan die gangbare war?

Die Grammaire mandarine theilt hinsichtlich der geschmack¬

voll kurzen und klaren Darstellung die meisten Vorzüge der Ele¬

mens. Mit ihr verlasse ich die französische Schule, um zurück¬

greifend einige andere, zum Theil ältere, selbständige Werke zu

betrachten, ehe ich von dem jüngsten Erzeugnisse französischer

Sinologie rede.

11) J. A. Gon^alves, Arte cbina constante de alphabeto e

grammatica, comprehendendo modelos das differentes compo-

si9oens. Macao 1829, klein 4. ')

Die Arte cbina bildet mit dem Diccionario China-Portuguez

und dem Diccionario Portuguez-China ein Ganzes, in dessen Zu¬

sammenhange sie der Verfasser gebraucht und beurtheilt wissen

wollte. Diese grosse dreitheihge Arbeit verfolgt den ausgesprochenen

Zweck, nicht nur die Portugiesen Chinesisch, sondern auch die

Chinesen Portugiesisch zu lehren. Wir unsrerseits können es nur

mit der Grammatik und mit dieser nur hinsichtlich ihres Lehr-

werthes für Europäer zu thun haben.

Das mehr als fünfhundert Seiten haltende Buch erinnert auf

den ersten Blick an die Notitia des P. Premare, mit welcher es

auch im Reichthume an Beispielen wetteifert. Allein, wenn nicht

Alles trügt, ist es eine voUkommen selbständige Arbeit, deren sehr

tiefgehende Abweichungen von des grossen Jesuiten Werke wir

bald kennen lemen werden.

Auch Gon9alves lehrt die Spiache für den Gebrauch im Mittel¬

reiche, und er erwartet, dass diejenigen, die sich seiner Arte be¬

dienen wollen, einen chinesischen Lehrer hinzuziehen. Somit er¬

spart er sich zunächst die Umschreibungen der chinesischen Beispiele.

1) Bazin, Gramm, mandarine pg. 36 erwälint eine Grammatica sinica des¬

selben Verfassers. Von der Existenz einer solcben habe ich sonst nie erfahren.

(15)

r. d. Gahdente,. Beitrag zur Gesehichte der chsnes. Grammatiken. 615

Allein er scheint sich sein Ziel weniger hoch gesteUt zu haben,

als Premare; denn die lengua volgar, die er lehrt, ist das kuän-

kod des gewöhnlichen Lebens , nicht die Sprache der eleganten

Bomane, und sein estilo subUme ist nicht entfemt in dem fein¬

sinnig wählerischen Geiste des Premare behandelt. Eigentliche

Beobachtungen und Regeln enthält das Buch nur in sehr geringer

Anzahl imd in karger Porm; was der Verfasser seine „regras"

(Begeln) nennt, sind oft nichts weiter, als Ueberschriften zu un¬

ausgesprochenen Regeln, welche der Leser sich selbst aus den

gegebenen Beispielen entnehmen mag. Ein weiterer Einblick in

die Oekonomie des Buches wird erweisen, inwieweit dasselbe über¬

haupt als Grammatik gelten könne.

S. 1—88 behandeln das „Alphabete china" in Form eines Ver¬

zeichnisses der phonetischen Elemente und der vom Verfasser auf¬

gestellten 129 Radikale. S. 90—127 Phrasen im niederen imd

höheren Stile. S. 130—14.5 „Grammatik", in welcher die Wieder¬

gabe europäischer Sprachformen durch chinesische Hülfswörter und

Constraktionen an Beispielen gezeigt wird. S. 146—183 „Syntax", davon achtzehn Seiten Beispiele für den Gebrauch gewisser Partikeln

der höheren Schreibweise; S. 184—214 Uebungen in dieser Schreib¬

weise. Es folgen nun weiter Gespräche in der Umgangssprache,

Sprüchwörter, dann S. 327—421 sehr scbätzenswertbe Belehrungen

über gebräuchliche mythologische und historische Anspielungen '),

S. 422—502 Proben chinesischer Composition. Angefügt ist eine

Arte china sem letras chinas in Mandarinen- und Canton-Dialekte, ganz ohne Regeln.

Die portugiesischen Sätze sind in der eigentlichen Grammatik

ünd den geeigneten Theilen der Syntax immer in beiden Dialekten

paraUel wiedergegeben, was die Vergleichung Beider sehr erleichtert,

gelegentlich wohl aber auch einen gewissen Zwang auf den Ver¬

fasser ausgeübt haben mag.

Es dürfte nicht zweifelhaft sein, dass wir für unsere philo¬

logischen Zwecke der Notitia Unguae sinicae vor der Arte cbina

entschieden den Vorzug zu geben haben. AUein ein schlechthin,

oder auch nur bedingt abfälUges Urtheil soll damit über Letztere

keineswegs ausgesprochen sein. Wer an der Hand anderer Lehr¬

mittel die ersten Schwierigkeiten der Sprache überwunden hat,

dem öffnet sicb hier wieder eine , eben durch ihre Eigenartigkeit

höchst wichtige Fundgrabe. St Julien citirt die Arte cbina oft

und gern, Bazin entlehnt ihr einen grossen Theil seiner Beispiele,

und unlängst erst hat Graf Kleczkowski Band I seines Cours

gi-aduel et complet de Chinois parle et 6crit, enthaltend: phrases

1) W. F. Mayors, The Chiuese Reader's Manual, a Handboolc of biographical, historical, mythological and generally literary reference, Shanghai 1874, 8. ist ein schätzbares Naclischlagebuch. Vgl. meine Anzeige im Lit. Centralblatt, 1875,

$k.r28.

(16)

616 v-d. Oabdentt, Beitrag mr OetiUdUe der ehines. Orammatiken.

de la langue parlee, tiröes de l'Arte China du P. Gon^alves, Paris

1876, pp. LXXn, 102 und 116, 8. veröffentlieht.

Kein praktische, nicht mit grammatischer Tendenz verfasste

Lehr- und Hülfsmittel, Phrasen- und Stilmustersammlungen wie

die von Rochet, Wade, .Doolittle u. A. haben im Polgenden un¬

berücksichtigt zu bleiben.

12) (B y t s c h u r i n) Jakinf, Kitaiskaja Grammatika. St. Peters¬

burg 1834, xxn und 241 Seiten, gr. 4., lithographirt.

Dem Verfasser, einem russischen Mönche, der einen sehr grossen

Theil seines Lebens im Mittelreiche verbracht hatte, wird wohl

allgemem ein Platz unter den tüchtigsten Kennern der Sprache

eingeräumt. Seine Granunatik scheint im westlichen Europa wenig

gekannt und selbst auf antiquarischem Wege kaum erlangbar zu

sein; die Sprache des Verfassers selbst scheint ihr wie so manch

anderem Buche den Weg gen Westen versperrt zu hahen. Ich

selbst, kaum erst Anfitnger im Russischen, wage nur zögernd und

mit allem Vorbehalte über das Werk zu berichten.

Dasselbe, so sehr es auf eigenen Pügsen steht, erinnert in

manchen Dingen angenehm an R6musat's E16mens. Das gleiche

Streben nach lehrbuchmässiger Kürze, Uebersichtlichkeit und Be¬

stimmtheit, auch etwa derselbe Umfang. Anordmmg und Dar¬

stellung sind in beiden Büchem sehr verschieden. Der mssische

Gelehrte handelt von Schrift und Aussprache weit ausführUcher

als der Franzose; die 92 Vorschriften der Schönschreibekunst

füllen allein 23 Seiten.

In der eigentlichen Grammatik, S. 57—137, werden der alte,

classische Stil und die Umgangssprache nebenemander dargestellt,

doch so, dass Ersterer überwiegt. Auf em einleitendes Kapitel

über die (funktionelle) Veränderlichkeit der Wörter und die Rede¬

theile, folgen nachemander die Hauptstücke über Substantiv, Ad¬

jektiv und Zahlwort, Pronomina u. s. w. mit Zugrundelegung der

dem europäischen Schüler geläufigen grammatischen Begriffe, doch

eigentlich ohne entstellendes Zwangsjackenthum. Die drei letzten

Kapitel: X, über die chinesische Vertheilung der Wörter nach

Redetheilen S. 104—113, XI und XII über die Stellung der s. g.

voUen und der s. g. leeren Wörter, S. 114—137, sind eben spe¬

cifisch chinesisch angelegt. Bei den Beispielen vermisst man die

wörtliche Analyse.

Ueber hundert Seiten füllen die angehängten „Tafeln", welche

etwa zur Hälfte der Schriftlehre angehören und dann weiter die

s. g. Numerahen (classifyers), die Ehrfurchts- und Bescheidenheits¬

surrogate für die Fürwörter der 1. und 2. Person und endhch die

Waarennamen des rassisch-chinesischen Handelsverkehrs aufführen.

Zahlreiche Febler in den sonst sehr sauber gezeichneten chinesischen Charakteren, meist des Lithographen, zuweilen auch des Verfassers

Schuld, — mindern leider die Brauchbarkeit des Werkes, und die

rassisch-chinesische Transscription sollte dem Westeuropäer ein

(17)

«. d. Oabdentz, Beürag cur Oetehiehte der ehinet. Orammatiken. gl 7

Gräuel sein. Dies Alles hindert nicht, dass ich eine üebersetzung

des Buches von berufener Feder wohl vdinschen könnte ; es vrürde

dainit der noch immer imersetzten Sprachlehre B6musat*s vielleicht eine fruchtbringende Concurrenz geschaffen. Der üebersfetzer müsste

nur zugleich Bearbeiter sein und vreglassen oder verändem, was

nur dem Russen zu vrissen frommt, oder was Jeder anderwärts

suchen und finden wird. Zwei Umstände wiegen mir schwer : ein¬

mal die Kennerschaft des Verfassers, und dann die Kürze des

Bnehes. Es wird Zeit, dass wider die E16mens ein gleichberechtigter

Mitbewerber in die Schranken trete, geftlUig, dem Anfänger ge-

vridmet gleich ihnen, und doch aus anderer Schule. Ich meine

ein kurzes Buch für den Lehrzweck des europäischen Bücher¬

sinologen, und ein Buch, das von der sprachwissenschafUichen Be¬

fähigung des Lernenden nicht zuviel erwartet.

18) Philo-Sinensis (Karl Gützlaff), Notices on Chinese

Grammar, Part I: Orthography and Etymology. Batavia

1842, 148 Seiten. 8. (Mehr nicht erschienen.)

Der Verfasser, Missionar der Berliner Gesellschaft, vrar 1826

nach Batavia, 1827 auf eine der Molukken gelangt, und da er

hier für die Verbreitung des Evangehums unter den Chinesen

thätig sein konnte, so ist anzimehmen, dass er bereits früher

sich mit deren Sprache beschäftigt gehabt. 1828 begab er

sich nach Bangkok, seit 183> hat er in China gelebt, wo er

mehrere Bücher in der Landessprache veröffenthcht. Praktische

Keimtniss dieser letzteren ist also bei ihm ohne Weiteres voraus¬

zusetzen.

Seine Notices sind Bmchstück geblieben; die Syntax, welche

den zweiten, vermuthhch grösseren Theil des Werkes einnehmen

sollte, hat er nie veröffentlicht. Die Laut- und Schriftlehre,

S. 1—16, ist sehr kurz, mehr hindeutend als ausführend. Ein

recht gutes Kapitel ,0n Words", S. 16—24, die allgemeine Lehre

von ein- und mehrsylbigen (zusammengesetzten) Wörtem enthaltend,

bereitet auf das vor, was der Verfasser Etymology nennt. In

Letzterer werden die Redetheile nach europäischer Ordnung und

nach Analogie der Formlehren in unseren Grammatiken behandelt;

z. B. Cap. I, Substantivum: a) Artikel, dessen regelmässiger Mangel;

Ausdrücke, welche gelegenthch als Surrogate dafür gelten können;

b) Casus; c) Genus; d) Numems, auch die s. g. classifyers oder

numeratives besprechend. Cap. II, Adjectivum u. s. w. Es ist

anzuerkennen, dass in der Ausführung dieses Planes, — ich meine

im Einzelnen, — der Sprache bei Weitem nicht soriel Zwang an¬

gethan vrird, als tnan von vom herein befürchten sollte. Die alt¬

klassische und die heutige (ümgangs-)sprache werden zugleich und

wohl auch mit ziemlich gleicher Ausführhchkeit gelehrt, aber ge¬

bührend gegeneinander hervorgehoben. Das Buch mag über drei¬

tausend Beispiele, meist volle Sätze enthalten, etwa halb sorieie

Bd. XXXII. 40

(18)

618 p d. Oabelentz, Beitrag zur Oeschichte der ehines. Orammatiken.

als Prömare's Notitia Dabei ist das Buch keineswegs eine Bei¬

spielsammlung nach Art der Arte cbina des Gomjalves, sondem

es wird jeder der mehreren hundert Paragraphen durch Eegeln

oder Beobachtungen eingeleitet. Die Transscription der cliinesischen

Wörter ist die schlechte Morrison'sche , aber für den Porscher

immer noch besser, als das von vielen Neueren angenommene

Pekinger Lautsystem. Von den Accenten ist leider nnr der vierte,

eingehende, angedeutet. Die Uebersetzung der Beispiele lässt wohl

öfter zu wünschen übrig; allein, das ist auch bei Primäre der

Pall und ein Vorwurf, welcher weniger den Schriftsteller, als den

damaligen Stand der Sinologie trifft. Die Erfahrung lehrt, dass

zwei Sprachen sich lange aneinander gemessen haben müssen, ehe

die entsprechendsten Uebersetzungsformen zwischen ihijen fest¬

gestellt sind.

Leider vrird die Brauchbarkeit des Buches durch eine wahr¬

haft erbärmhche Ausstattung sehr beeinträchtigt. Blasser Drack

ohne Auszeichnung der Umschreibungen chinesischer Sylben vor

dem englischen Texte, leidlich gezeichnete, aber winzig kleine

chinesische Charaktere, dünnes Papier, durch welches der auf der

Bückseite befindliche Drack durchschimmert, — kurz eine wahre

Marter für die Augen des Lesers.

14) Jos. Edkins, A Grammar of the Chinese colloquial

Language, commonly called the Mandarin Dialect. Shanghai

1867, 264 S. 8. 2d ed.,Shanghai 1864, gr. 8.

Der Londoner Missionar J. Edkins hatte bereits im Jahre 1853

,A Grammar of Colloquial Chinese, as exhibited in the Shanghai

Dialect, Shanghai, 247 S. 8.", veröffenthcht, ein Buch, in welchem er feine grammatische Beobachtungsgabe, gute linguistische Schulung

und grosses Geschick der Anordnung und DarsteUung seines Stoffes

bevriesen. AU dieses Lob gebührt seiner Mandarin Grammar in

gleichem, steUenweise selbst in noch höherem Grade. Der Ver¬

fasser ist unter den Grammatikem der Erste, welcher eine gründ¬

liche Untersuchung des chinesischen Laut- imd Tonwesens unter¬

nommen hat. Er untersucht die älteren schriftlichen QueUen der

Chinesen, hält sie mit den heutigen Dialekten vergleichend zu¬

sammen und verfährt dabei nach einer Methode, die den strengen

Anforderangen unsrer Indogermanisten entsprechen dürfte. Insoweit

das Kapitel ,on Sound* auf die Ermittelung des altcbinesischen

Lautbefundes abzweckt, enthält es zugleicb das fast fertige Pro¬

gramm zu des Verfassers unlängst erschienener Introduction to the

Study of the Chinese Characters (London, 1876, gr. 8.) *). Ueber

1) Remusat's Angabe Uber diese, Elemens, pg. X, beruht wohl auf einem Rechenfehler.

2) Angezeigt von Pott, Gott. Gel. Anz. 1877, Stück 11 und 12, und von mir, Literar. Centralblatt 1877, No. 14, S. 470—471.— Eine eingehendere Be¬

sprechung behalte ich mir vor.

(19)

p. d. Gabelentz, Beürag mr Geschickte der chines. Orammatiken. 619

seine ausfuhrliche und anscheinend sehr rationale DarsteUung des

Betonungswesens mögen Solche urtheilen, welche an Ort und SteUe

beobachten können.

Bazin gefiel sich in der Entdeckung, dass die heutige ge¬

büdete Umgangssprache der Chinesen ein Anderes sei als was uns

Primäre und Bemusat als Neu- oder Vulgärchinesisch lehren. Wo

Jener Gegensatz sieht, da erkennt der Engländer Entwicklimg.

Auch sein Zweck ist zunächst der, in die Sprache des jetzigen

Verkehrs einzuführen; allein, er ist sich des Zusammenhanges

zwischen dieser und den älteren Phasen des Chinesischen zu wohl

bewusst, als dass er nicht dem ursprüngUchen, monosyllabisch-

isoUrenden Gepräge der Sprache immer Rechnung tragen soUte.

Sein Buch ist nicht nur dreimal grösser, sondem auch viel

schwieriger als das Bazin'sche; zugleich ist es entsprechend reich¬

haltiger, sowohl an Beispielen als an Regeln, leider aber, wenigstens

in der mir vorliegenden ersten Auflage, nicht ganz so übersicht¬

lich, vvie es hätte sein können und soUen. Man vermisst jene

kurzen Paragraphen, jene typographischen Hervorhebungen der

Regeln, Beispiele, Bemerkungen, welche ausführlichere Lehrbücher

handlich machen.

Die Eintheilung des zweiten Hauptabschnittes : ,The parts of

Speech" ist die ims geläufige. Die Syntax enthält die Kapitel:

Ueber Eection (government), — Einfiuss der Wortstellung auf die

Redetheile, — Kürzung und Erweiterung, — Innerer Satzbau, —

Aeussere Beziehungen der Grappen, — Einfache, — Coordinirte, —

Subordinirte Sätze, — Ellipse und Pleonasmus, — Antithese, —

Rhythmus. Man sieht, hier werden wir ganz in das Wesen des

chinesischen Sprachbaues eingeführt, bis zu der ihm eigenen Ver¬

mählung von StiUstik und Grammatik. Drei Anhänge über neuere

einheimische sprachliche Forschungen, über die Literatur des s. g.

Mandarinendialekts und über dessen südliche Form beschUessen

das Buch.

Mir scheint, der europäische Sinolog werde gut thun, an das

Studium dieses trefflichen Werkes nicht zu früh zu gehen. Einige

Bekanntschaft mit dem Altchinesischen sollte er ohnehin mitbringen;

allein auch eine gewisse vorläufige Bekanntschaft mit der heutigen

Umgangssprache deucht mir erwünscht. Der Verfasser selbst hat

in seinen „Progressive Lessons" ') ein gutes vorbereitendes Buch

geschaffen ; aber auch Bazin's Grammaire mandarine oder der erste

Band von Pemy's Grammaire de la langue chinoise (wovon später),

werden den Zutritt zu diesem Lehrbuche ebenen. Dasselbe ist

nichts wemger als für Anfänger bestimmt. Die Beispiele sind

nicht analysirt und, soviel ich sehe, durchaus nicht auf eine me¬

thodisch schrittweise Vermehrung des Wortschatzes berechnet. Ihre

1) Deutsch übersetzt und erläutert unter dem Titel: Deutsch-chinesisches Conversationsbuch von Joseph Haas; Shanghai 1871, 197 Seiten, 8.

40*

(20)

g20 d. Oabelentz, BeUrag zur Oeechichte der ehines. Orammatihen.

gewaltige Zahl wird den Anfänger ebenso hemmen und stören, wie

den tiefer Forschenden entzücken. Statt jener knöchernen positiven

Kegeln, — der Commandoworte, mit denen der Sprachmeister seine

Kecruten drillt, — oft kluge kritische Betrachtungen, als redete

der Verfasser zu Seinesgleichen.

16) Wilh. Schott, Chinesische Sprachlehre. Zum Gebrauche

bei Vorlesungen und zur Selbstuntßrweisung. Berlin 1867,

169 S. gross 4. Hierzu:

Dess. Zur chinesischen Sprachlehre. Berlin 1868, 4.

Schott's Sprachlehre ist überwiegend der classischen und nach¬

classischen Sprache gewidmet, und in der genial selbständigen Art,

wie diese aufgefasst und behandelt wird, erblicke ich die hervor¬

ragende Bedeutung des Buches. Der Verfasser, weniger aus¬

schliesslich Sinolog als die Meisten seiner Vorgänger, mehr Linguist

als sie Alle, — den einzigen R6musat etwa ausgenommen, — hat

den Versuch gewagt, der chinesischen Grammatik eine Form zu

geben, welche keine andere Voraussetzung kennt, als den Bau der

Sprache selbst. Man muss die Neuheit und Kühnheit eines solchen

Unternehmens voll vriirdigen, wenn man dem Buche Gerechtigkeit

wiU widerfahren lassen. Hätte der Verfasser statt dessen ein blosses

ausführliches Programm drucken lassen, so hätte dies genüget, um

ihm auf alle Zeiten den hervorragenden Platz in der Geschichte

der chinesischen Grammatik zu sichern, welcher ihm meiner Ueber¬

zeugung nach gebührt.

In Kücksicht auf technische Aeusserlichkeiten steht Schott's

Werk hinter den meisten anderen zurück. Keine numerirten Haupt¬

stücke, Kapitel, Paragraphen; schlechte Marcellin-Legrand'sche

Typen für das Chinesische, — zuweilen wahre Monstra —, der

deutsche Text in jener Orthographie, die den Leser anmuthet etwa

vrie ein drückender Stiefel den Fuss wanderer , ein gleich hin¬

laufender, der vrirksamsten Hervorhebungsmittel entbehrender Druck,

zahlreiche Anmerkungen unter der Linie, kein systematisches In¬

haltsverzeichniss, — nur zu einigem Ersätze Seitenüberschriften.

Man könnte meinen, ein CoUegienheft vor sich zu haben: droben

das Diktat des Professors, imten seine mündhchen Glossen, die ein

fleissiger Zuhörer nachgetragen! Und in der That ist der Stü

selbst rieler Orten nicht der streng disciphnirte eines Lehrbuches,

sondem der eines belehrenden Vortrages mit gelegentiichen kleinen

Excursen.

In dem propädeutischen Theüe geht die Laut- und Wurzel¬

lehre, vrie bülig, der Schriftlehre voraus. Dass der Verfasser sich

folgemässig behindert gesehen hat, vor der Schriftlehre chinesische

Zeichen anzuwenden, mindert freilich den Werth der Beispiele.

Und wäre die Lehre von den zusammengesetzten Wörtem, S. 12

—16, nicht besser dem Kapitel: Chinesische Wörter als Satz¬

theile, S. 52, einzuverleiben oder unmittelbar vorauszuschicken gewesen?

(21)

V. d. Gabelentz, Beitrag zur Geschichte der ehines. Grammatiken. 621

Gefährlich scheint mir der Gebrauch, den der Verfasser, frei¬

lich in Uebereinstimmung mit den Meisten seiner Vorgänger, von

dem Ausdrucke „Wort* macht. Sylben wie ma, Su, ngo, hi, ho,

hoa, hu, k'iü u. s. w. kommen in allen fünf Tönen (Accenten,

Stimmbiegungen) vor und entsprechen wieder in den meisten

derselben mehreren Schriftzeichen von ganz verschiedenem Begriffs¬

werthe , die oft in den Dialekten unter sich verschieden aus¬

gesprochen werden. Nun ist bekanntlich dem chinesischen Worte

die Betonimg adhärent: mä, mä, mh, md und mä halt kein Chi¬

nese für das nämliche Wort. Der Verfasser thut dies aber, odet

vielmehr er scheint es nach der Meinung jedes Nichtkenners zu

thun. Wollte er nun selbst hier fünf verschiedene Wörter an¬

nehmen, so würde ich ihm noch nicht beipflichten. Denn was

bürgt bei der bekannten lautlichen VerschUffenheit des Neu¬

chinesischen dafür, dass, was heute gleichlautend und gleichtönend

ist, es auch vor Alters gewesen ? Dass der s. g. eingehende Accent

(mä) aus dem Schwunde einer wortschliessenden muta entstanden,

weiss man bereits. AUein auch ohnedem: wer würde „sein" =

suum, tmd „sein" = esse für ein Wort ausgeben? Ich schlage

vor, ma (gleichviel wie betont) als einen Lautcomplex, mä, mh,

md, mä als vier Sylben, endUch: mh, Pferd, mh ein Geldgewicht

und mh, Achat, als drei Wörter zu bezeichnen.

Seite 4 heisst es : „Es giebt kein durch Ableitung entstandenes

Wort . .. ., keine angefügte oder gar eingekörperte Zeichen gram¬

matischer Verhaltnisse. Der anziehenden Kraft wirkt überaU eine

abstossende entgegen, die jedes Stammwort, wie eng auch die Ver¬

bindung sei, isoUrt hält*. Dem mrd von manchen Seiten wider¬

sprochen. In Peking z. B. verbindet man das Wort erh (ri) =

Kind, wenn es als diminutives Substantivsuffix dient, mit dem

davor befindlichen Worte zu einem neuen, auf rh auslautenden

Einsylbler; so wird jin -f erh : jerh, ping -)- erh : pierh, phn +

erh : pärh (Haas, deutsch-chines. Conversationsbuch, S. 8). So

entsteht aus tsab = früh + whn = spät das vulgäre Wort:

taän = Zeitdauer (daselbst S. 4" der Aufgaben). So scheint schon

in den Classikern 6u (rad. 149) mancher Orten aus einer Zu¬

sammenziehung von c« (dem Objektspronomen) hu (Präposition

und Finale) entstanden zu sein; z. B. Lün-iü VI, IV; XI, XXI;

XIU, n, 2; XIII, XV, 1; XV, XX. Im Dialekte von Chin-cheu

werden wohl von nifö-men, nl-men : ngan, nin = wir, ihr, abge¬

leitet ; und ähnlich werden wir uns vieUeicht den Hergang in vielen

der FäUe denken müssen, wo neue Wörter in der Schriftsprache

Aufnahme gefunden haben ').

1) Gint Kleczkowsky, Cours graduel et complet dn Chinois parU et ^crit, T. I, partie fran9aise, pg. 34 fg., führt noch erstaunlichere Beispiele an: k'it für k'i-lni, haot für hao-ti, fügt aber freilich hinzu: Dans la realite, il n'en va peut-etre pas tout-k-fait ainsi!

(22)

622 d. Gabdentz, Beitrag zur Getchiehte der chinet. Grammatikm.

Seite 30: „Ueberhaupt kann man die chinesische Schrift in

jeder Sprache lesen". Gleichfalls ein oft gehörter Ausspruch, der

erst in einem so bedeutenden Buche Wiederhall finden musste

ehe er der Widerlegung bedurfte. Wäre er zutreffend, so wäre

die chinesische Schrift überhaupt keine Schrift, so gäbe es über¬

haupt keine Wortschrift, sondem die chinesischen Charaktere stünden

auf gleicher Stufe mit unseren Ziffem , deren sogenanntes Lesen

selbst eher ein Deuten oder Uebersetzen ist. Lesen wir doch, wie

wir sagen, in den arabischen Zahlzeichen Dinge, die gar nicht ge¬

schrieben sondem nur durch die SteUung ausgedrückt sind. Denn

wie verhält sich 19 zu undeviginti , 96 zu quatre-vingt-seize ? Die

chinesische Schrift ist so gut wie irgend eine die sichtbare Dar¬

stellung der Sprache, welcher sie zugehört. Die Frage ist nur,

auf welcher Stufe der Analyse sie ihre Sprache gefasst hat, welcher Art Einzelheiten sie darsteUt. Nun ist sie nicht Buchstabenschrift

vrie die unsere, auch nicht (phonetische) Sylbenscbrift wie die

japanische oder tscherokesische , sondem Wortschrift. Dies darf

sie sein, weü und insoweit die von ihr unveränderUch bezeichneten

Worteinheiten selbst imveränderUch sind. Jetzt versuche man es,

eine Wortschrift für eine agglutinirende oder flektirende Sprache

zu erfinden, oder man versuche, in einer solchen Sprache einen

chinesischen Text abzulesen, ohne etwas darin umzusteUen oder

zu ergänzen. Schneidet man gewissenhafter Weise von den deutschen

oder türkischen Wörtem die Endungen weg, so Uest man eben

nicht mehr deutsch oder türkisch. Der Japaner, dessen Verfahren

man mir entgegenhalten köimte, Uest entweder das Chinesische in

seiner verderbten Aussprache Wort für Wort ab, oder er ver¬

wandelt es vermittels eines künstlichen Apparates von Lesezeichen

in einen mögUchst adäquaten Ausdrack seiner Sprache, oder end¬

üch er übersetzt es ganz so wie vrir dies thun müssen.

Dass Schott sich in diesem ersten Theüe seines kurzen Lehr¬

buches nicht auf Untersuchungen, wie sie bei Edkins gerühmt

wurden, einlassen konnte, Uegt in der Natur der Sache. Was er

hier giebt, darin steht er Keinem der Uebrigen nach, und dass er

uns mit frachtlosen Weitschweifigkeiten, wie sie Endlicher in seiner

Latitlehre vorträgt, verschont, das versteht sich wohl bei einem

Sprachforscher seines Ranges von selbst. Ich wiederhole es, nur

die Vorliebe für sein Buch kann mich veranlassen, daraus soriel

hervorzuheben, was ich bei den Anderen mit Stillschweigen über¬

gangen habe.

Ueber die Grammatik im engeren Sinn, S. 52—165, welcher

vorzugsweise die rieten und gehaltvollen Nachträge und Be¬

richtigungen der Schrift: „Zur chinesischen Sprachlehre" gewidmet

sind, muss ich nun in fortlaufendem Auszuge berichten. Sie be¬

handelt, wie angedeutet, den neueren Stil nur nebenher, so zu

sagen einstieuend, und hat ihre Beispiele für den alten Stil zum

nicht geringen Theile nachclassischen Werken entlehnt. Dies wäre

(23)

V. a. U-abelentz, Beitrag xur Oetchichte der chinet. Orammatiken. 623

ein Nachtheil, wenn der Verfasser wie Primäre in der Kunst edler

Schreibweise Unterricht ertheilen, wenn er nicht vielmehr für das

Verständniss jederlei höherer Lektüre vorbereiten wollte. Dass

dabei oft seltenere, dem Anfänger entbehrliche Schriftzeichen ndt

vorkommen, ist bei dem verbältnissmässigen Reichthume an Bei¬

spielen kaum von Belang. Diese Beispiele sind aber durch Wort¬

für-Wort-üebersetzungen und oft noch durch angeknüpfte Be¬

trachtungen in dankenswerthester Weise erläutert.

Einem kurzen eiideitenden Kapitel: „Chinesische Wörter als

Redetbeile ausser der Satzverbindung" wird ein Verzeichniss der

Pronomina angefügt. Der Verfasser sagt S. 52: „Da diese ihrer

Porm nach nichts Auszeichnendes haben, so scheiat es nicht minder

überflüssig von ihnen, als von jedem anderen BedetheUe, abge¬

sondert zu handeln. Jedoch u. s. w." Ihrer Porm nach gewiss

nicht; das Chinesische kennt ja nur syntaktische Unterscheidungs¬

mittel. Was aber eine eigenartige syntaktische Behandlung erft,hrt,

das, sollte ich meinen, kennzeichnet der Sprachgeist eben dadurch

so stark, wie er es vermag, als etwas Besonderes. Nun erfahren

die chinesischen Wortstellungsgesetze eine Ausnahme , welche

Stanislas Juhen, Syntaxe nouvelle, Band I S. 147—149 als Ante¬

position bezeichnet. Sie besteht darin, dass in gewissen Pällen

das Objekt vor, statt der allgemeinen Regel nach hinter das re¬

gierende Verbum tritt. Die Erscheinung ist dem Verfasser nicht

entgangen, vgl. S. 63 und 80; ich selbst habe sie in etwa sechszig

Beispielen beobachtet und gefunden, dass sie an gewisse, scharf

begränzte Voraussetzungen gebunden, dass aber allemal das voran¬

stehende Objekt ein Pronomen ist. Ausser den Pinalen imd einigen

anderen Partikeln von vermuthlich pronominalem Ursprünge vrässte

ich keinen Redetheil, der sich einer gleich wirksamen Auszeichnung zu erfreuen hätte.

Der Abschnitt: Verhältniss der Satztheile und Sätze, sofem

es aus blosser Stellung sich ergiebt, wird ohne Weiteres durch

das Kapitel: Nennwort zum Nennworte eröflEhet. Ich hätte ge¬

wünscht, hier eine Darstellung derjenigen Stellungsgesetze, welche

alle Redetheile ohne Unterschied beherrschen, vorausgeschickt zu

sehen ; die einzelnen Kapitel hätten sich dazu wie soviele Schöss¬

linge zur gemeinsamen Wurzel verhalten, und die folgenden Ab¬

schnitte über abhängige und Zwischensätze, über die Partikeln, wären selbst wieder aus jenen Grundgesetzen organisch zu erklären gewesen.

Zu den Nennwörtern rechnet der Verfasser S. 58 mit Recht

auch diejenigen, „welche zu den allgemeinsten Bezeichnungen einer

Oertlichkeit gehören", Theil- und Beziehungswörter möchte ich sie

nennen; denn, wie er S. 160 ergänzt, gehört auch kii, Ursache,

dazu. Diese alle durchwandern nach sehr bestimmten Gesetzen

eine grosse Zahl der Redetheile im europäischen Sinne des Wortes

(vgl. Julien, Exercices pratiques pg. 175, 178, 183; Syntaxe

nouvelle I, pg. 269, 270, 272), und diese Vielseitigkeit ist für sie 4 i

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