Anforderungen
an die Auswahl von Gehörschutz
Sandra Dantscher, 29.06.2010, TRLV - UK NRW
Typen von Gehörschutz
Bauart
• Kapselgehörschutz
• Helm-Kapsel-Kombination
• Gehörschutzstöpsel (fertig geformt oder vor Gebrauch zu formen)
• Bügelstöpsel
• Otoplastiken Funktion
• passiv
• mit elektronischen
Gehörschutz mit elektronischen Funktionen
• als Kapseln und teilweise auch Stöpsel erhältlich
• Gehörschutz mit pegelabhängiger Dämmung
• Gehörschutz mit Kommunikationseinrichtung
• Gehörschutz mit aktiver Geräusch- kompensation
• Gehörschutz mit Unterhaltungs- elektronik
• Wichtig: Es müssen immer alle Funktionen geprüft sein!
Schalldämmung von Gehörschutz
L‘EX,8h = LEX,8h - M
Schalldämmung in der Praxis
Schalldämmung in der Praxis - Praxisabschläge
Laborschalldämmung wird im Betrieb meist nicht erreicht.
Korrekturabschläge für den Einsatz von Gehörschutz in der Praxis
Vor Gebrauch zu formende Gehörschutzstöpsel Ks = 9 dB Fertig geformte Gehörschutzstöpsel Ks = 5 dB
Bügelstöpsel Ks = 5 dB
Kapselgehörschützer Ks = 5 dB
Otoplastiken mit Funktionskontrolle Ks = 3 dB (Studie des IFA 2009)
Auswahl nach der Schalldämmung – Maximal zulässiger Expositionswert
L'EX,8h = LEX,8h - (M – Ks) für hoch-/mittelfrequente Geräusche L'EX,8h = LEX,8h - (L – Ks) für tieffrequente Geräusche
LEX,8h: Tages-Lärmexpositionspegel
L'EX,8h: LEX,8h unter Berücksichtigung des Gehörschutzes M bzw. L: Dämmwerte
Ks: Praxisabschlag
TRLV Lärm Allgemeines, Kapitel 4.11:
Die Einhaltung der maximal zulässigen Expositionswerte ist bei der Auswahl und Benutzung des Gehörschutzes unter Berücksichtigung seiner Dämmwirkung
sicherzustellen und in der Gefährdungsbeurteilung zu dokumentieren.
Bei der Auswahl ist die in der Praxis verminderte Dämmwirkung zu berücksichtigen.
Auswahl nach der Schalldämmung – ergonomisches Kriterium
Überprotektion kann:
• bei Restpegeln < 70 dB(A) vorliegen
• die Signalerkennbarkeit unnötig erschweren
• Ablehnung des Gehörschützers zur Folge haben
Ergebnisse der Berechnungen: Positivliste
Weitere Auswahlfaktoren
• Signalerkennbarkeit
• Typ des Gehörschutzes
• Arbeitsumgebung, z.B.
• Lärmsituation
• Hitze, Staub
• Kopfbewegungen
• Richtungshören
• Medizinische Auffälligkeiten
• Vorhandene Hörverluste
• Andere PSA oder Ausrüstung am Kopf
• Ergonomie/Tragekomfort
BGI 5024
Gehörschutz und Signale
• Gehörschutz beeinflusst den Höreindruck und somit
auch die Wahrnehmung von Signalen (Sprache, Warntöne etc.).
• Mit einem ungeeigneten Gehörschutz können Signale überhört werden.
• Ursache dieses Problems: spektrale Verdeckung (Maskierung)
• Abhilfe: Spezielle Auswahlmethoden (z.B. durch IFA)
• Zwei Blickwinkel: akustisch und rechtlich
+ = ?
Gehörschützer mit flacher Schalldämmung
Idealer GHS: Schalldämmung für alle Frequenzen gleich
Guter GHS: nur geringe Zunahme der Dämmung für hohe Frequenzen Eher ungeeigneter GHS:
starke Zunahme der Dämmung für hohe Frequenzen
Ausreichend flache Dämmung:
Kennzeichen W in der IFA-Positivliste
0 5 10 15 20 25 30 35 40
63 125 250 500 1000 2000 4000 8000 Frequenz [Hz]
Schalldämmung [dB]
Ideal gut geeignet gut geeignet weniger geeignet
Fahrzeugführer im öffentlichen Straßenverkehr
Vorauswahl von geeignetem Gehörschutz (durch IFA):
Messung von Signalen und Stör-/Arbeitsgeräuschen.
Prüfung mit einem Rechenverfahren, ob die Wahrnehmbarkeit durch den Gehörschutz verschlechtert wird.
Arbeitsbereiche mit besonderen rechtlichen Vorschriften:
• Fahrzeugführer im Straßenverkehr
• Arbeiter im Gleisoberbau
Ergebnisse der Berechnungen: Positivliste
Hörprobe
Eine Hörprobe sollte generell an jedem Arbeitsplatz für die sicherheitsrelevanten Signale durchgeführt werden.
Rechnerisches Verfahren
• Nur Vorauswahl mit Mittelwerten der Schalldämmung
• Für jeden Anwender individuell leicht unterschiedliche Werte Einsatz in der Praxis
• Vor Ort für jeden Benutzer eine Hörprobe durchführen
• Für Fahrzeugführer alle drei Jahre
• Verfahren nach BGI 673
Gehörschützer-Auswahlprogramm
http://www.dguv.de/ifa/de/pra/softwa/psasw/index.jsp
Sonderfall Musiker
• Das Gehör ist das Kapital des Musikers.
• Gesamtexposition dem Arbeitgeber meist unbekannt:
Musiker haben häufig weitere Tätigkeiten (Unterrichten, …).
• Gehörschützer-Auswahl schwierig,
da Anforderungen individuell sehr unterschiedlich
• Einfache Auswahlhilfe:
Für das Programm braucht
der Musiker kein Akustikfachwissen.
Umsetzung im IFA-Auswahlprogramm für Musiker:
(http://www.dguv.de/ifa/de/pra/softwa/musiker/musiker_rechner.xls)
Otoplastiken
Was sagt die TRLV Lärm
zu Otoplastiken (Kap. 6.2.3)?
• hohe Trageakzeptanz
• meist unterschiedliche Filter erhältlich
• bei flacher Dämmkurve geeignet für Musik und Unterhaltungsssektor
• durch individuelle Anfertigung nur eine Trageposition möglich
• ABER: regelmäßige Funktionskontrolle nötig!
Also: spezieller Gehörschutz mit langer Einsatzdauer, der aber
Otoplastiken und Funktionskontrolle (1)
„Nur bei fachgerechter Herstellung und Funktionskontrolle bei Auslieferung sowie regelmäßig wiederkehrender
Funktionskontrolle im Abstand von höchstens zwei Jahren wird die Schutzwirkung der Otoplastiken gewährleistet.“
Das heißt: Auch für ältere Produkte ist eine (Nach-)Prüfung notwendig.
Verschiedene Methoden möglich:
• Überdruckprüfung
• akustisch mit Mikrophonen
• akustisch mit Audiometer
• akustisch mit Lautstärkevergleich
Otoplastiken und Funktionskontrolle (2)
Fachausschuss PSA: Präventionsleitlinie zum Thema Bei Neuprodukten:
Hersteller muss innerhalb von sechs Monaten eine Prüfung durchführen.
Wiederkehrende Prüfung:
- Im Abstand von maximal zwei Jahren
- Sie liegt in der Verantwortung des Unternehmers.
- Die Ergebnisse müssen dokumentiert werden.
- Die Methode muss vergleichbar zur Erstprüfung sein.
Auswahl nach dem Pegel am Arbeitsplatz
TRLV: betrachtet nur L‘EX,8h zur Einhaltung des MZE und zur Auswahl von Gehörschutz.
An manchen Arbeitsplätzen mit klar eingegrenzten lauten Tätigkeiten ist auch eine Auswahl von Gehörschutz nach
dem Mittelungspegel der Tätigkeit (Leq) möglich (wenn nur in diesen Zeiten Gehörschutz getragen werden muss).
Generell gilt:
- Bis auf wenige Ausnahmen: M-Geräusch (L: z.B. Bagger)
-Signalhörbarkeit vor Ort überprüfen (Waldarbeiter, Fahrzeugführer)
Beispiel: Grünpflege
Nur eine Lärmquelle:
Auswahl nach Leq möglich
Handrasenmäher: Leq = 84 dB(A) Bei weniger als 191 min:
LEX,8h < 80dB(A)
Aufsitzmäher: Leq = 92 dB(A) Bei 4 h Betrieb pro Schicht:
LEX,8h = 89 dB(A)
Bei Auswahl nach LEX,8h muss die
Beispiel: Bauhof
Einzelne Tätigkeiten:
Aufbruchhammer: Leq = 104 dB(A) Rüttelplatte: Leq = 106 dB(A) LEX,8h z.B. aus Baulärmreporten
Straßenbau: LEX,8h = 88 bis 94 dB(A) Bei Auswahl nach Leq und ständigem
Tragen: zu hohe Dämmung in den leiseren Phasen.
Beispiel: Ausästarbeiten
Kettensäge: Leq = 105 dB(A) 2 h pro Schicht: LEX,8h = 99 dB(A) Aber: auch Lärmquellen aus der
Umgebung in den eigenen leisen Phasen
Am besten: Tabellierte, typische Werte für LEX,8h
Z.B. Waldarbeiter (SUVA) LEX,8h = 100 dB(A) Für Kommunikation: pegelabhängig
dämmender Gehörschutz möglich
Beispiel: Musiker
• Unterschiedliche Tätigkeiten
• Gesamtdosis (z.B. über eine Woche) bestimmt die Gehörgefährdung.
• Dosis kann ausreichend weit gesenkt werden, wenn nur in bestimmten Zeiten (bei einzelnen Tätigkeiten) Gehörschutz getragen
wird, z.B. beim Üben.
Qualifizierte Unterweisung und Benutzung
TRLV, Kap. 6.3.3:
- Bei sehr hohen Pegeln: notwendige Dämm- werte mit Praxisabschlägen nicht erreichbar - Unterweisungen mit regelmäßigen
praktischen Übungen
- Praxisabschläge können entfallen - Ab LEX,8h = 110 dB(A) vorgeschrieben
- Sollte auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben (großer Aufwand)
Informationsmaterial
• Informationen des Fachausschusses PSA
http://www.dguv.de/psa/de/themenfelder/sg_gehoerschutz/index.jsp
• 2 Auswahlprogramme (IFA)
• BGR/GUV-R 194: Benutzung von Gehörschutz
• BGI 5024: Gehörschutz-Informationen
• BGI 8621: Gehörschutz-Kurzinformation
• BGI 673: Fahrzeugführer
• BGI 677: Raumschießanlagen
• BGI 686: Personen mit Hörverlust
• BGI 823: Ärztliche Beratung zum Gehörschutz
• erhältlich über http://bibliothek.arbeitssicherheit.de/
• Neu und im Aufbau: Präventionsleitlinien