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Wackelt das internationale Finanzsystem?

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Wackelt das internationale Finanzsystem?

von Elga Bartsch

Die Widerstandsfähigkeit des internationalen Finanzsystems hat sich den letz- ten Jahren merklich verbessert. In der derzeitigen guten Verfassung des inter- nationalen Finanzsystems liegt aber zugleich auch das größte Gefahrenpotenzi- al für dessen langfristige Stabilität. So sind die Risikoaufschläge für Inflations- oder Kreditrisiken, die derzeit in den Märkten eingepreist sind, im histori- schen Vergleich sehr niedrig. Sie lassen nur wenig Spielraum für negative Überraschungen. Des Weiteren steigen die Herausforderungen für das interna- tionale Finanzsystem: Durch die rasch fortschreitende Globalisierung der Fi- nanzmärkte haben die internationalen Kapitalverflechtungen stark zugenom- men. Daher werden rein national ausgerichtete Konzepte der Finanzaufsicht den deutlich gestiegenen internationalen Finanzverflechtungen heute nicht mehr gerecht.

Gleichzeitig werden die globalen Ungleichgewichte, die sich an immer weiter ansteigenden Leistungsbilanzsalden zeigen, größer. Das Leistungsbilanzdefizit der USA wird sich aller Voraussicht nach auch in diesem Jahr weiter ausweiten und hat gute Chancen, die 650-Milliarden-Dollar-,Grenze zu sprengen. Mit dem amerikanischen Leistungsbilanzdefizit geht ein enormer Kapitalbedarf einher:

Die USA benötigen pro Tag rund zwei Milliarden Dollar Kapital, um ihr Leis- tungsbilanzdefizit zu finanzieren. Damit beansprucht die reichste Volkswirt- schaft der Welt fast 80 Prozent der weltweiten Überschussersparnisse. Diese werden benötigt, um einen andauernden Boom der Konsumnachfrage in den Vereinigten Staaten zu finanzieren.

Das Risiko, dass diese globalen Ungleichgewichte nicht in geordneter Weise abgebaut werden, sondern zu drastischen Wechselkurs- oder Zinsreaktionen führen, steigt damit weiter an. In diesem Zusammenhang kommt den asiati- schen Zentralbanken, die in der Vergangenheit zum Teil in erheblichem Maße zugunsten des Dollars interveniert haben, eine besondere Bedeutung zu. Da- durch, dass sie zumindest implizit ein Wechselkursziel gegenüber dem Dollar verfolgen, waren die asiatischen Zentralbanken gezwungen, den sehr expansi- ven geldpolitischen Kurs der US-Notenbank mitzutragen. Das hat in einigen Ländern, allen voran in der Volksrepublik China, zu einer Überhitzung der Wirtschaft geführt. Diese Überhitzung zeigt sich dort vor allem in einem unge- ahnten Immobilien- und Bauboom.

Aber nicht nur Asien, sondern das gesamte internationale Finanzsystem ist in den vergangenen Jahren von Liquidität geradezu überschwemmt worden.

Als Folge einer insgesamt sehr expansiv wirkenden Geldpolitik sind nicht nur Vermögenswerte, sondern ist auch die Verschuldung auf breiter Front gestie- gen. Viele Vermögenswerte – Aktien, Rentenpapiere, Immobilien oder Rohstof-

fe – weisen daher heute deutliche Zeichen einer Überbewertung auf.

Damit hat sich aber auch das Risi- ko eines möglichen Rückschlags merklich erhöht. Der Abbau der Verschuldung ist in der Regel lang- wierig und mit hohen realwirt- schaftlichen Kosten verbunden.

Dr. ELGA BARTSCH, geb. 1966, ist seit 1997 Deutschland- und Europavolkswirtin bei Morgan Stanley in London. Ihre Hauptthemen sind die Geld- und Währungspolitik der Europäischen Zentralbank.

80 KOLUMNE Bartsch / Finanzsystem IP September 2005

Ökonomie

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Durch ihren relativ expansiven geldpolitischen Kurs und die damit verbundene Aufblähung der Geldmenge haben die Zentralbanken meines Erachtens das Entstehen finanzieller Ungleichgewichte stark begünstigt.

Durch die anhaltende Niedrigzinsphase haben auch Finanzinnovationen, die mit einem erheblichen Kredithebel operieren – wie Hedgefonds und Private Equity Investoren – stark an Bedeutung zugenommen. Die daraus und aus dem starken Wachstum der Derivatemärkte entstehenden

Risiken lassen sich durch Regulierungen nur teilwei- se abfedern. Das liegt nicht zuletzt daran, dass ein Großteil dieser Kapitalsammelstellen ihren Sitz in so genannten Offshore-Zentren hat. Zudem besteht die

Gefahr, dass detaillierte Regulierungen systemische Risiken erhöhen, statt sie zu verringern. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn diesen Institutionen ein einheitliches Risikomanagement verordnet wird. Durch ein erzwungenes, gleichgerichtetes Anlageverhalten würde Herdenverhalten wohl eher mehr als weniger wahrscheinlich.

Insgesamt beruht der Wunsch nach stärkerer Regulierung von Hedgefonds auf dem fälschlichen Glauben, dass eine Regulierungsbehörde das Marktge- schehen fast vollständig vorausberechnen kann. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die Regulierungsbehörden viele der großen finanziellen Schieflagen meist nicht frühzeitig genug gesehen haben. Gerade an den Finanzmärkten hat die dezentrale Verarbeitung von Informationen entscheidende Vorteile. Selbst bei einer vollständigen Offenlegung aller Marktpositionen und Investitionsstrate- gien wäre eine zentrale Vorausberechnung aller Eventualitäten nicht zu leis- ten. Darüber hinaus ginge eine verschärfte Regulierung an dem Kern des Pro- blems, nämlich den Niedrigzinsen und der daraus resultierenden Überschuss- liquidität, vorbei.

Hier sind die Zentralbanken gefragt. Sie haben nicht nur Verantwortung für die Wahrung der Preisstabilität, sondern auch der Finanzstabilität. Mit dem Er- reichen der Preisstabilität in den späten achtziger Jahren ist es nicht zu einer Zunahme der Finanzstabilität gekommen. Stattdessen stieg die Zahl der Fi- nanzkrisen an. Zunächst wurde dies auf die umfassende Deregulierung natio- naler und internationaler Finanzmärkte zurückgeführt. Dabei wurde überse- hen, dass das Finanzsystem starke zyklische Bewegungen aufweist, die in der Regel eng mit dem Zinszyklus der Zentralbanken zusammenhängen. Nachdem die Inflations-erwartungen fest auf einem niedrigen Niveau verankert waren, haben viele Zentralbanken die Zinsen vielfach zu lange zu niedrig gelassen, da sich kein Inflationsdruck abzeichnete.

Insbesondere den Zentralbanken, die sich einer direkten Inflationssteuerung verschrieben haben, sind die Hände gebunden. Damit wurde das Entstehen fi- nanzieller Ungleichgewichte begünstigt. Erst in letzter Zeit wird den Geldmen- gen- und Kreditaggregaten hier wieder eine größere Bedeutung zugemessen.

Die geldpolitische Strategie der Europäischen Zentralbank (EZB) mit ihren zwei Säulen – dem allgemeinen Inflationsausblick auf der einen Seite und der monetären Analyse auf der anderen – scheint besser geeignet zu sein, die Stabi- lität des Finanzsystems zu wahren als eine eng ausgelegte Inflationssteuerung.

Allerdings muss die EZB der monetären Analyse bei ihren Zinsentscheidungen auch die Bedeutung zukommen lassen, die ihr gebührt.

Der Kurs der US-Notenbank hat in China zur Überhitzung der Wirtschaft geführt.

IP September 2005 Bartsch / Finanzsystem KOLUMNE 81

Ökonomie

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