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Dramatik, Egozentrik und Manipulation

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108 DIE PTA IN DER APOTHEKE | September 2021 | www.diepta.de

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in egozentrisches und the- atralisches Verhalten – das kann typisch für eine histrionische Persönlich- keitsstörung sein. In anderen Wor- ten: Hier hat man es mit Drama- Queens und -Kings zu tun. An erkennung, Zu- wendung, Applaus, Aufmerksamkeit und Komplimente sind ihr täglich Brot. Betroffene zeigen ihre Emotio- nen übertrieben stark und haben ein sehr hohes Bedürfnis nach Auf- merksamkeit und Anerkennung.

Sie wirken unterhaltsam, extrover- tiert und reißen andere Menschen

mit sich, zusätzlich fallen sie auch durch positive Eigenschaften wie Spontanität, Kreativität, Romantik oder Herzlichkeit auf. Nicht selten gelten Menschen mit einer histrio- nischen Persönlichkeitsstörung als schillernd, faszinierend und bunt.

Allerdings können bereits kleine Anlässe bei Histrionikern große Gefühlsschwankungen hervorru- fen und sie wechseln oftmals zwi- schen verschiedenen Emotionen.

Außenstehende empfinden dieses Verhalten nicht selten als ober- flächlich.

Wie erkennt man Histrioniker?

Zunächst fallen sie durch ihr über- triebenes, theatralisches Verhalten auf, welches von extremen Stim- mungsschwankungen begleitet wird.

Sie versuchen stets im Mittelpunkt zu stehen, wobei ihnen keine Mühe zu groß ist. Oft sind Histrioniker auf ihr optisches Erscheinungsbild fixiert und nutzen dieses ebenfalls, um Auf- merksamkeit zu erlangen. Beispiels- weise setzen sie dafür ihre Sexualität ein, flirten in unangemessenen Situ- ationen oder täuschen sogar einen Suizid vor. Sie treten verführerisch

Dramatik, Egozentrik und Manipulation

Histrioniker möchten unbedingt im Mittelpunkt stehen, denn nur so fühlen sie sich

wohl. Häufig schmücken sie daher ihre Geschichten so aus, dass sie möglichst viel Aufmerksamkeit gewinnen.

© Sophie Walster / iStock / Getty Images

PRAXIS PSYCHOLOGIE IN DER APOTHEKE

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | September 2021 | www.diepta.de

auf, sind unterhaltsam, möchten an- dere Menschen mit ihrer positiven Stimmung anstecken, legen Wert auf Attraktivität und gutes Aussehen.

Ihre Art ist manipulativ und sie ver- folgen das Ziel, selbst im Glanze da- zustehen.

Darüber hinaus setzen sie auch nega- tive Strategien wie Jammern und Nörgeln ein, verhalten sich mitleid- erregend, klagen über Symptome oder üben Macht und Kontrolle aus (zum Beispiel durch Klammern in Beziehungen). Ihre Frustrationstole- ranz ist gering und sie ertragen es kaum, Niederlagen oder Rückschläge einzustecken. Sie sind meist nicht kommunikations- und bindungsfä- hig, zudem fehlt ihnen die Fähigkeit, Beziehungen langfristig zu führen.

Betroffene inszenieren leicht Eifer- suchtsdramen und machen ihren Freunden oder Partner eine Szene, sodass es in ihren Bindungen nicht selten zu Konflikten kommt. Entsteht bei ihnen ein Leidensdruck, greifen Histrioniker auf ihre Überlebensstra- tegie, das Dramatisieren, zurück. In der Regel gelingt es ihnen dann, An- erkennung und Berücksichtigung zu erlangen. Je nach Ausmaß und Art der Strategien reagiert das Umfeld zunehmend jedoch genervt bis zu- rückweisend, beispielsweise, wenn Betroffene in der Nacht tränenüber- strömt Bekannte anrufen. Bekommen Histrioniker keine Aufmerksamkeit mehr, steigt der Leidensdruck und mündet in einem Gefühl der Hilflo- sigkeit. Panikattacken, Angst, Depres- sionen oder Somatisierungsstörun- gen zählen zu den möglichen Folgen.

Definition laut ICD-10 Die histrio- nischen Züge können von Person zu Person unterschiedlich stark ausge- prägt sein, keine histrionische Per- sönlichkeitsstörung ist wie die an- dere. Nicht jeder, der entsprechende Merkmale aufweist, leidet direkt unter der Störung, stattdessen ist sie als Spektrum zu verstehen. Es han- delt sich in der Regel um fließende Übergänge der verschiedenen Facet- ten. In der ICD-Klassifikation (F 60.4) ist die Störung als Persönlich-

keitsstörung definiert, die durch oberflächliche und labile Affektivität, Dramatisierung der eigenen Person, theatralisches Verhalten, übertriebe- nen Ausdruck von Gefühlen, Sugges- tibilität, Egozentrik, Genusssucht, Mangel an Rücksichtnahme, erhöhte Kränkbarkeit sowie durch ein dau- erndes Verlangen nach Anerken- nung, äußeren Reizen und Aufmerk- samkeit gekennzeichnet ist.

Der US-amerikanische Psychologie- professor Theodore Millon ordnete Personen mit einer histrionischen Persönlichkeitsstörung dem ak- tiv-dependenten Muster zu. Aktiv sind Betroffene, weil sie sich in ihrem Auftreten nach anderen richten, als dependent gelten sie, da sie von der Reaktion ihrer Umwelt abhängig sind. Der Persönlichkeitsforscher Rainer Sachse unterscheidet hinge- gen zwischen erfolgreichen und er- folglosen Histrionikern. Zu der er- folgreichen Gruppen gehören solche Personen, die sich überwiegend mit positiven Strategien (und nur mit wenigen negativen) Respekt und Be- liebtheit verschaffen. Erfolglose His- trioniker bedienen sich hingegen der negativen Strategien, belasten damit das Umfeld und werden eher abge- lehnt.

Kategorisierung der Histrioniker 1996 haben Millon und Davis ver- schiedene Subtypen der histrionischen Persönlichkeitsstörung beschrieben:

Personen vom theatralischen Typus schlüpfen in eine Rolle, die sie glaub- haft spielen. Kindlich-naive und trot- zige Verhaltensmuster, emotionale Labilität, Verlustängste sowie Ge- fühle der Abhängigkeit sind cha- rakteristisch für den infantilen Typus. Der schmeichelnde Typus ist auf der Suche nach Bewunde- rung und Anerkennung – daher zeigt er sich hilfsbereit und opfert sich für andere auf. Die Sucht nach Sensation und Aufregung kenn- zeichnet den hypomanen Subtypen, der auch durch seine Impulsivität sowie durch sein hohes Energiele- vel auffällt. Histrioniker, die ihre Mitmenschen manipulieren, kon-

trollieren und für ihre Zwecke missbrauchen, bezeichnet man als verschlagene Typen.

Psychotherapie Eine histrionische Persönlichkeitsstörung wird, wie die meisten anderen Persönlichkeitsstö- rungen, durch eine Psychotherapie behandelt. Sinnvoll kann eine psy- chodynamische Psychotherapie sein, die sich mit dem zugrundelie- genden Konflikt beschäftigt. Zu- nächst wird das Verhalten verbali- siert, damit Patienten sich selbst besser verstehen können. Sie sollen eigene Emotionen erkennen, benen- nen, betrachten und angemessen kommunizieren. Wichtig ist, dass Histrioniker lernen, ihre Gefühle und Bedürfnisse klar zu äußern, damit sie nicht in eine emotionale Drucksituation geraten und in alte Verhaltensmuster fallen. Auf diese Weise gelingt es ihnen nach und nach, weniger Dramen zu erzeugen.

Mit der Zeit lernen sie auch, dass ihr dramaturgisches Verhalten unange- messen ist, um Aufmerksamkeit zu gewinnen.

Bei einer kognitiven Verhaltensthe- rapie hingegen arbeitet der Thera- peut mit dem Patienten an seinen hinderlichen Denk- und Verhaltens- mustern, um die Selbstwahrneh- mung zu verbessern und Konflikte adäquat zu lösen. Histrionische Menschen definieren sich stark über andere Personen, daher ist es für sie wichtig, dass sie lernen, alleine etwas zu unternehmen, etwa Spa- ziergänge, Museumsbesuche oder einen Wellnesstag. Dies ist für sie oft nicht leicht auszuhalten, denn es können Gefühle der Langeweile oder der Leere auftreten, die sie er- tragen müssen, ohne ein Drama zu erzeugen. Ein Fokus liegt auch auf der Ver besserung des Selbstwertge- fühls, schließlich nutzten sie bislang die Anerkennung anderer Men- schen, um Minderwertigkeitsge- fühle abzubauen.  n

Martina Görz, PTA, M.Sc. Psychologie, Fachjournalistin

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