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Entscheidungen - Ablehnung des Erlasses einer eA im Organstreitverfahren: Chancengleichheit der Parteien und Neutralität der Staatsorgane im Wahlkampf

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Academic year: 2022

Aktie "Entscheidungen - Ablehnung des Erlasses einer eA im Organstreitverfahren: Chancengleichheit der Parteien und Neutralität der Staatsorgane im Wahlkampf"

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- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Peter Richter, LL.M., Birkenstraße 5, 66121 Saarbrücken -

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT - 2 BVE 4/13 -

Im Namen des Volkes In dem Verfahren

über

den Antrag festzustellen,

dass der Antragsgegner die Rechte der Antragstellerin aus Artikel 21 Absatz 1 Satz 1, Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes dadurch verletzt hat, dass er im Rahmen eines Auftritts vor Schülern des Oberstufenzentrums in Berlin-

Kreuzberg am 29. August 2013 Proteste gegen die Antragstellerin in Berlin-

Hellersdorf öffentlich unterstützt und Mitglieder, Aktivisten und Unterstützer der An- tragstellerin als „Spinner“ bezeichnet und auf diese Weise unter Verletzung seiner Pflicht zur parteipolitischen Neutralität zulasten der Antragstellerin in den laufenden Bundestagswahlkampf eingegriffen hat,

Antragstellerin: Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) - Bundesver- band -,

vertreten durch den Bundesvorsitzenden Holger Apfel, Seelenbinderstraße 42, 12555 Berlin,

Antragsgegner: Bundespräsident, Bundespräsidialamt, Spreeweg 1, 10557 Berlin

hier: Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der Richterin- nen und Richter

Präsident Voßkuhle, Lübbe-Wolff,

Gerhardt, Landau, Huber, Hermanns, Müller, Kessal-Wulf

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5 6 am 17. September 2013 beschlossen:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Gründe:

Die Antragstellerin sieht sich durch Äußerungen des Antragsgegners im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 in ihrem Recht auf Wahrung der Chancengleichheit im Wett- bewerb der politischen Parteien verletzt.

I.

Ende August 2013 nahm der Antragsgegner an einer Gesprächsrunde vor mehre- ren hundert Schülern eines Schulzentrums teil. Dabei ging es auch um die seit gerau- mer Zeit stattfindenden Proteste von Mitgliedern, Aktivisten und Unterstützern der Antragstellerin gegen ein Asylbewerberheim. Gegen diese Proteste gab es Gegen- demonstrationen. Nach übereinstimmenden Medienberichten begrüßte der Antrags- gegner die gegen die Antragstellerin gerichteten Demonstrationen und sagte: „Wir brauchen Bürger, die auf die Straße gehen und den Spinnern ihre Grenzen aufwei- sen. Dazu sind Sie alle aufgefordert.“ Weiterhin erklärte der Antragsgegner, solange die Antragstellerin nicht verboten sei, müsse man deren Ansichten allerdings ertra- gen. „Ich bin stolz, Präsident eines Landes zu sein, in dem die Bürger ihre Demokra- tie verteidigen.“

Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung will die Antragstellerin er- reichen, dass der Antragsgegner es unterlässt, durch Verlautbarungen zum Nachteil der Antragstellerin in den Wahlkampf einzugreifen. Die beanstandeten Äußerungen habe der Antragsgegner auf sie bezogen und hierdurch zu ihren Lasten in den Wahl- kampf eingewirkt.

Der Antragsgegner hält das Recht der Antragstellerin auf Chancengleichheit durch seine Äußerungen nicht für beeinträchtigt. Er habe seine Aussagen nicht auf die An- tragstellerin bezogen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall ei- nen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln. Dabei müssen die Grün- de, welche für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme sprechen, au- ßer Betracht bleiben, es sei denn, die Hauptsache erwiese sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedoch nur begründet, wenn eine vorläufige Regelung zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum allgemeinen Wohl dringend geboten ist. Der Erlass einer einst- weiligen Anordnung im Organstreitverfahren bedeutet einen Eingriff des Bundesver- fassungsgerichts in die Autonomie eines anderen Verfassungsorgans. Bei der Prü-

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8 fung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG ist deshalb grundsätzlich ein

strenger Maßstab anzulegen. Der Erlass kann allein der vorläufigen Sicherung des streitigen organschaftlichen Rechts des Antragstellers bis zur Entscheidung der Hauptsache dienen (vgl. BVerfGE 108, 34 <41>).

2. Danach liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anord- nung hier nicht vor. Es ist gegenwärtig nicht davon auszugehen, dass durch künftige Wortbekundungen des Antragsgegners der Antragstellerin ein schwerer Nachteil, ge- schweige denn dem gemeinen Wohl ein Schaden droht.

Das Recht politischer Parteien auf Chancengleichheit bei Wahlen (Art. 21 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1 GG) wird verletzt, wenn Staatsorgane, zu denen der Antragsgegner zählt (vgl. BVerfGE 62, 1 <31, 35>), als solche parteiergreifend zugunsten oder zu- lasten einer politischen Partei in den Wahlkampf einwirken (vgl. BVerfGE 44, 125

<146>). Eine ihren Anspruch auf die Gleichheit ihrer Wettbewerbschancen beein- trächtigende Wirkung kann für eine Partei von der Kundgabe negativer Werturteile über ihre Ziele und Betätigungen ausgehen (vgl. BVerfGE 40, 287 <293>). Aufgrund der Stellungnahme des Antragsgegners ist davon auszugehen, dass ihm diese Ge- fährdungslage bewusst ist. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erwarten, dass der Antragsgegner, wie von der Antragstellerin befürchtet, bis zur Bundestagswahl am 22. September 2013 sich in einer Weise äußern wird, die dem nicht Rechnung trägt.

Voßkuhle Lübbe-Wolff Gerhardt

Landau Huber Hermanns

Müller Kessal-Wulf

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Bundesverfassungsgericht, Beschluss des Zweiten Senats vom 17. September 2013 - 2 BvE 4/13

Zitiervorschlag BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 17. September 2013 - 2 BvE 4/13 - Rn. (1 - 8), http://www.bverfg.de/e/

es20130917_2bve000413.html

ECLI ECLI:DE:BVerfG:2013:es20130917.2bve000413

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