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Entscheidungen - Verrechnung von Abschlagsleistungen auf staatliche Parteienfinanzierung mit Zahlungspflicht gem § 31b S 1 PartG einstweilen ausgesetzt - irreparable Nachteile aufgrund erheblicher Einschränkung der Wahlwerbemöglichkeit überwiegen in Folge

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Academic year: 2022

Aktie "Entscheidungen - Verrechnung von Abschlagsleistungen auf staatliche Parteienfinanzierung mit Zahlungspflicht gem § 31b S 1 PartG einstweilen ausgesetzt - irreparable Nachteile aufgrund erheblicher Einschränkung der Wahlwerbemöglichkeit überwiegen in Folge"

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- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Carsten Schrank, Niebuhrstraße 75, 10629 Berlin - BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BVR 547/13 -

Im Namen des Volkes In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde der N …,

gegen a) das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 2012 - BVerwG 6 C 32.11 -,

b) das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Mai 2011 - OVG 3a B 1.11 -,

c) das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 15. Mai 2009 - VG 2 K 39.09 -,

d) den Bescheid der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Prä- sidenten des Deutschen Bundestages - Verwaltung - vom 26. März 2009 hier: Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Gerhardt,

die Richterin Hermanns und den Richter Müller am 14. Mai 2013 einstimmig beschlossen:

Der Präsident des Deutschen Bundestages wird im Wege der einstweiligen Anord- nung verpflichtet, der Antragstellerin die vom Bund zu leistenden Abschlagszahlun- gen zum 15. Mai 2013 und zum 15. August 2013 entsprechend seinem Schreiben an die Antragstellerin vom 31. Januar 2013 in Höhe von jeweils 303.414,05 Euro ohne Verrechnung mit dem im Bescheid vom 26. März 2009 festgesetzten Zah- lungsanspruch zu zahlen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat der Antragstellerin die notwendigen Auslagen für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten.

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6 Gründe:

Mit dem Erlass einer einstweiligen Anordnung erstrebt die Antragstellerin die Aus- setzung der Vollziehung eines durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages gegen sie festgesetzten Zahlungsanspruchs.

I.

Der Präsident des Deutschen Bundestages stellte Unrichtigkeiten im Rechen- schaftsbericht der Antragstellerin für das Jahr 2007 fest und verpflichtete sie nach

§ 31b Satz 1 PartG zur Zahlung eines dem Zweifachen des den Unrichtigkeiten ent- sprechenden Betrages. Das Bundesverwaltungsgericht reduzierte letztinstanzlich die Zahlungspflicht, hielt sie im Grundsatz aber aufrecht und führte dazu aus: Dem Wort- laut des § 31b Satz 1 PartG ließen sich zwar keine subjektiven Tatbestandsvoraus- setzungen entnehmen, die Auswirkungen der Zahlungsverpflichtung könnten die Be- tätigungsfreiheit der betroffenen Partei ohne das Korrektiv eines subjektiven Tatbestandes aber in einem dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz widersprechenden Maße beeinträchtigen. Deshalb sei zu prüfen, ob die Antragstellerin hinsichtlich der festgestellten Unrichtigkeiten ein Fahrlässigkeitsvorwurf treffe, wobei ein an den all- gemeinen Verkehrsbedürfnissen ausgerichteter objektiver Fahrlässigkeitsmaßstab anzulegen sei. Das Bundesverwaltungsgericht sah ein fahrlässiges Verhalten der An- tragstellerin als gegeben an.

Die Antragstellerin begründet ihre unter anderem auf die Rüge einer Verletzung ih- res Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG gestützte Ver- fassungsbeschwerde insoweit damit, dass die vom Bundesverwaltungsgericht gefun- dene Lösung, die darauf ziele, § 31b Satz 1 PartG die Schärfe zu nehmen, dem Gesetzgeber vorbehalten gewesen sei, die in dieser Vorschrift vorgesehene ver- schuldensunabhängige Sanktionierung von Unrichtigkeiten im Rechenschaftsbericht aber gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße.

Den Erlass einer einstweiligen Anordnung hält die Antragstellerin zur Erhaltung ih- rer finanziellen Handlungsfähigkeit für erforderlich. Die Kosten für die Aufrechterhal- tung eines minimalen Parteibetriebs einschließlich der Sachausgaben für Wahlwer- bung beliefen sich in 2013 auf 1.392.000,00 Euro, die sie ohne die staatliche Mittelzuweisung nur in Höhe von 392.000,00 Euro decken könne. Die Schlusszah- lung aus der staatlichen Teilfinanzierung für 2012 und die erste Abschlagszahlung 2013 seien verrechnet worden.

Der Präsident des Deutschen Bundestages hält den Antrag auf Erlass einer einst- weiligen Anordnung für unzulässig. Die Antragstellerin habe gegen die von ihm abge- lehnte Stundung der Zahlungsforderung Klage erhoben, aber insoweit nicht um fach- gerichtlichen Eilrechtsschutz nachgesucht.

II.

1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall ei-

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9 nen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr

schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu blei- ben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erwiese sich von vornherein als un- zulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang des Verfassungsbe- schwerdeverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwer- de aber Erfolg hätte, gegen die Nachteile abwägen, die entstünden, wenn die be- gehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde der Er- folg aber zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 88, 25 <35>; 89, 109 <110 f.>; stRspr).

2. Der Zulässigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin sich nicht mit einem Eilantrag an das Verwaltungs- gericht gewandt hat, um eine Stundung zu erreichen. Gefestigte Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Stundung von Zahlungsansprüchen, die der Präsident des Deut- schen Bundestages nach dem Parteiengesetz gegen politische Parteien festgesetzt hat, besteht nicht. Im Schrifttum wird bestritten, dass eine Forderung nach § 31b Satz 1 PartG gestundet werden kann (vgl. Rixen, in: Kersten/Rixen, Parteiengesetz

<PartG> und europäisches Parteienrecht, 2009, § 31b Rn. 31 ff.). Jedenfalls unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten kann die Antragstellerin deswegen nicht auf die vor- rangige Inanspruchnahme fachgerichtlichen Eilrechtsschutzes verwiesen werden.

3. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht offensichtlich unzulässig. Die Ausführungen der Antragstellerin genügen jedenfalls im Hinblick auf die in Betracht kommende Ver- letzung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaats- prinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) noch den Begründungsanforderungen nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG. Mit dem Hinweis, der vom Bundesverwaltungsgericht be- schrittene Weg zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Anwen- dung des § 31b Satz 1 PartG hätte gesetzlich vorgegeben sein müssen, macht die Antragstellerin geltend, dass das Gericht die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbil- dung zu ihren Lasten verlassen habe. Eine die verfassungsrechtlichen Grenzen über- schreitende gerichtliche Rechtsfortbildung kann eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip darstellen (vgl.

BVerfGE 65, 182 <190>; 87, 273 <279 f.>).

4. Die Verfassungsbeschwerde ist auch nicht offensichtlich unbegründet. Es ist nicht von vornherein erkennbar, dass § 31b Satz 1 PartG ohne ein vom Gesetzgeber zu normierendes Korrektiv subjektiver Verantwortlichkeit mit der Verfassung im Ein- klang steht. Diese im Verwaltungsrechtszug erörterte Frage bedarf vielmehr der Klä- rung im Hauptsacheverfahren. Gleiches gilt für die Frage, ob die Norm gegebenen- falls einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich ist. In diesem Zusammenhang wird zu überprüfen sein, ob die Auffassung des Bundesverwaltungs- gerichts, die Verhältnismäßigkeit der in § 31b Satz 1 PartG vorgesehenen Zahlungs-

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12 richts fahrlässig herbeigeführt worden seien, sich in den Grenzen richterlicher Geset-

zesauslegung und -anwendung hält.

5. Bliebe der Antragstellerin der Erlass einer einstweiligen Anordnung versagt, ob- siegte sie aber in der Hauptsache, könnten möglicherweise bereits eingetretene Rechtsbeeinträchtigungen nicht mehr verhindert oder rückgängig gemacht werden.

Die Abschlagszahlungen am 15. Mai 2013 und 15. August 2013 würden verrechnet (§ 31b Satz 4 i.V.m. § 31a Abs. 3 Satz 2 PartG; über die Abschlagszahlung am 15. November 2013 kann im Hinblick auf § 32 Abs. 6 Satz 1 BVerfGG nicht befunden werden). Die Antragstellerin ist nach ihrer Darstellung zur Finanzierung ihrer Parteiar- beit aber auf die staatlichen Mittelzuweisungen angewiesen. Ohne sie wären vor al- lem ihre Wahlwerbemöglichkeiten im anstehenden Bundestagswahlkampf erheblich eingeschränkt (vgl. zur Bedeutung des Wahlkampfes für die Wahlentscheidung der stimmberechtigten Bürger BVerfGE 20, 56 <113>). Die Nachteile, die entstünden, wenn die einstweilige Anordnung erginge, der Antragstellerin der Erfolg in der Haupt- sache aber versagt bliebe, wiegen dagegen weniger schwer. Die Realisierung des staatlichen Zahlungsanspruchs würde lediglich hinausgeschoben. Die Möglichkeit zur Verrechnung mit späteren Abschlagszahlungen bliebe erhalten.

6. Die Summe der für 2013 noch ausstehenden und vom Bund zu leistenden Ab- schlagszahlungen entspricht weitgehend dem von der Antragstellerin angegebenen, nicht durch Eigeneinnahmen gedeckten Bedarf. Die Zahlungen brauchen nicht von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht zu werden. Wegen der Möglichkeit der Verrechnung mit künftigen Abschlagszahlungen erscheint die spätere Forderungs- realisierung nicht gefährdet.

7. Die Entscheidung über die Erstattung von Auslagen folgt aus § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG.

Gerhardt Hermanns Müller

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Bundesverfassungsgericht, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Mai 2013 - 2 BvR 547/13

Zitiervorschlag BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom

14. Mai 2013 - 2 BvR 547/13 - Rn. (1 - 12), http://www.bverfg.de/e/

rk20130514_2bvr054713.html

ECLI ECLI:DE:BVerfG:2013:rk20130514.2bvr054713

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