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Politische Theorien der Gegenwart II:

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Politische Theorien der Gegenwart II:

Eine Einführung

Bearbeitet von

André Brodocz, Gary S. Schaal

erweitert, überarbeitet 2009. Taschenbuch. 608 S. Paperback ISBN 978 3 8252 2219 2

Format (B x L): 12 x 18,5 cm

Weitere Fachgebiete > Philosophie, Wissenschaftstheorie, Informationswissenschaft >

Wissenschaftstheorie > Sozialphilosophie, Politische Philosophie Zu Inhaltsverzeichnis

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UTB 2219

UTB (S) Impressum10-05 QXD 26.01.2011 8:53 Uhr Seite 1

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André Brodocz

Gary S. Schaal (Hrsg.)

Politische Theorien der Gegenwart II

Eine Einführung

2., erweiterte und aktualisierte Auflage

Verlag Barbara Budrich

Opladen & Farmington Hills 2006

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Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier.

Die Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Ein Titeldatensatz für die Publikation ist bei Der Deutschen Nationalbibliothek erhältlich.

Alle Rechte vorbehalten.

© 2006 Verlag Barbara Budrich, Opladen & Farmington Hills Verlags-ISBN 3-86649-985-X

www.budrich-verlag.de

UTB-ISBN 10 3-8252-2219-5 UTB-ISBN 13 978-3-8252-2219-2

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche- rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Satz: Beate Glaubitz Redaktion und Satz, Leverkusen Umschlaggestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Druck: Ebner & Spiegel GmbH, Ulm

Printed in Germany

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Inhalt Band II

Vorwort zur zweiten UTB-Auflage... 9 Vorwort zur ersten UTB-Auflage... 10 Einleitung ... 13 Kapitel I

Die politische Theorie des politischen Liberalismus:

John Rawls (Peter Niesen) ... 27 Kapitel II

Die politische Theorie des Kommunitarismus:

Charles Taylor (Hartmut Rosa) ... 65 Kapitel III

Die politische Theorie der Deliberation:

Jürgen Habermas (David Strecker & Gary S. Schaal) ... 99 Kapitel IV

Die politische Theorie des Neoaristotelismus:

Martha Craven Nussbaum (Grit Straßenberger) ... 149 Kapitel V

Die politische Theorie der Dekonstruktion:

Jacques Derrida (Thorsten Bonacker) ... 189 Kapitel VI

Die politische Theorie des zivilgesellschaftlichen Republikanismus: Claude Lefort und Marcel Gauchet

(Oliver Marchart) ... 221

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6 Inhalt Band II Kapitel VII

Die politische Theorie der Hegemonie: Ernesto Laclau und Chantal Mouffe (Urs Stäheli) ... 253 Kapitel VIII

Die politische Theorie des Pragmatismus:

Richard Rorty (Thomas Noetzel) ... 285 Kapitel IX

Die politische Theorie des Neo-Institutionalismus:

James March und Johan Olsen (André Kaiser) ... 313 Kapitel X

Die politische Theorie der reflexiven Modernisierung:

Anthony Giddens (Jörn Lamla) ... 343 Kapitel XI

Die politische Theorie des Neo-Marxismus:

Bob Jessop (Hans-Jürgen Bieling) ... 377 Kapitel XII

Die politische Theorie symbolischer Macht:

Pierre Bourdieu (Daniel Schulz) ... 407 Kapitel XIII

Die politische Theorie des Feminismus:

Judith Butler (Claudia Creutzburg) ... 435 Kapitel XIV

Die politische Theorie des Rational Choice:

Anthony Downs (Joachim Behnke) ... 467 Kapitel XV

Die politische Theorie autopoietischer Systeme:

Niklas Luhmann (André Brodocz)... 499 Register ... 529 Hinweise zu den Autoren ... 535

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Inhalt Band I

Vorwort zur zweiten UTB-Auflage... 9 Einleitung ... 11 Kapitel I

Die politische Theorie der Frankfurter Schule:

Franz L. Neumann (Bernd Ladwig) ... 29 Kapitel II

Die politische Theorie des Libertarianismus: Robert Nozick und Friedrich A. von Hayek (Peter Niesen) ... 69 Kapitel III

Die politische Theorie der Politökonomie:

James M. Buchanan (Joachim Behnke) ... 111 Kapitel IV

Die politische Theorie des Pragmatismus:

John Dewey (Thomas Noetzel)... 149 Kapitel V

Die politische Theorie des freiheitlichen Republikanismus:

Hannah Arendt (Thorsten Bonacker) ... 177 Kapitel VI

Die politische Theorie des Konservatismus:

Michael Oakeshott (Michael Becker)... 215

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8 Inhalt Band I Kapitel VII

Die politische Theorie der liberal-prozeduralistischen

Demokratie: Robert A. Dahl (Gary S. Schaal)... 247 Kapitel VIII

Die politische Theorie des Dezisionismus:

Carl Schmitt (André Brodocz)... 277 Kapitel IX

Die politische Theorie der Integration:

Rudolf Smend (Marcus Llanque)... 313 Kapitel X

Die politische Theorie der Systemanalyse:

David Easton (Dieter Fuchs) ... 341 Kapitel XI

Die politische Theorie der Rationalisierung:

Max Weber (Rainer Schmidt) ... 367 Kapitel XII

Die politische Theorie konkurrierender Eliten:

Joseph Schumpeter (William E. Scheuerman)... 397 Kapitel XIII

Die politische Theorie des Neo-Marxismus:

Antonio Gramsci (Hans-Jürgen Bieling)... 435 Kapitel XIV

Die politische Theorie der Gouvernementalität:

Michel Foucault (Thomas Lemke)... 467 Zwischenbetrachtung Entwicklungspfade der Politischen

Theorie nach 1945 (Gary S. Schaal) ... 499 Register ... 549 Hinweise zu den Autoren ... 553

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Vorwort zur zweiten UTB-Auflage

Fünf Jahre nach Erscheinen der ersten UTB-Auflage der „Politi- schen Theorien der Gegenwart, II“ sind wir in der angenehmen La- ge, der rasanten Entwicklung innerhalb der Politischen Theorie mit einer aktualisierten und erweiterten zweiten Auflage Rechnung zu tragen.

Wir sind sehr glücklich darüber, dass die beiden Bände zu den Politischen Theorien der Gegenwart so positiv aufgenommen wur- den. Mit der Aktualisierung verbinden wir die Hoffnung, dass sie auch weiterhin für den einen umfassende Einführung und den ande- ren eine schnell zugängliche Referenz auf dem Stand der For- schung sein mögen.

Unser aufrichtiger Dank gilt allen Autorinnen und Autoren, die sich wieder einmal der Mühe unterzogen haben, zu ihren Texten zurückzukehren und sie auf den aktuellen Stand der Forschung zu bringen.

Dank auch an Barbara Budrich, die uns für diese beiden Bände eine neue Verlagsheimat geschenkt hat.

Dresden, im August 2006 André Brodocz & Gary S. Schaal

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Vorwort zur ersten UTB-Auflage

Als im Sommer 1999 „Politische Theorien der Gegenwart“ publi- ziert wurde, hatten wir natürlich gehofft, daß dem Buch Aufmerk- samkeit zuteil wird. Die Reaktionen auf den Lehrtext sind jedoch weitaus positiver ausgefallen, als wir es zu hoffen gewagt haben.

Bestärkt durch diese positive Resonanz, haben wir im Januar 2000 mit der Arbeit an einem weiteren Band begonnen, der jene Theo- retiker in den Blickpunkt des Interesses rückt, welche die Ent- wicklung der politischen Theorien der Gegenwart maßgeblich be- einflusst haben. Es war ein glücklicher Zufall, dass fast zeitgleich mit der Fertigstellung des neuen Bandes eine zweite Auflage von

„Politische Theorien der Gegenwart“ notwendig wurde. Glücklich insofern, als jetzt beide Bände in der Einheit erscheinen können, die sie bilden. Aus einer Neuauflage wurde so schließlich der vor- liegende Band II von „Politische Theorien der Gegenwart“.

Aber nicht nur der Titel musste neuen Entwicklungen ange- passt werden. Auch die zeitgenössischen politischen Theorien ent- wickeln sich mit einer z.T. rasanten Geschwindigkeit weiter. Um im wahrsten Sinne des Wortes „gegenwärtig“ zu bleiben, haben wir bei unseren Autoren eine inhaltliche Aktualisierung der ersten Auflage angeregt, die sehr freundlich aufgenommen wurde. Für die Aktualisierungen, die den Stand der theoretischen Debatte vom Herbst 2000 reflektieren, wurden nahezu alle Beiträge überarbeitet.

Bereits in der ersten Auflage haben wir die Herausforderungen angesprochen, die daraus resultieren, die „relevanten“ politischen Theorien der Gegenwart identifizieren zu wollen. Zwei Jahre spä- ter erscheint uns – aber auch den Rezensenten – die Auswahl der zeitgenössischen Theorien noch immer plausibel. Um allerdings weiterhin am Puls der Zeit zu bleiben, haben wir noch ein neues

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Vorwort zur ersten UTB-Auflage 11 Kapitel hinzugefügt. Denn Pierre Bourdieus politische Theorie des Relationismus steht unseres Erachtens – nicht zuletzt wegen des stark öffentlichkeitswirksamen Auftretens ihres Protagonisten im Rahmen der Globalisierungsdebatte – zur Zeit auf der Schwelle zu einer breiten und vermutlich kontroversen Rezeption in der politi- schen Theorie.

Dresden, im Januar 2001 André Brodocz & Gary S. Schaal

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Einleitung

André Brodocz und Gary S. Schaal

1. Politische Theorie zwischen normativer Begründbarkeit und empirischer Verfasstheit1 Die zeitgenössische politische Theorie ist unübersichtlich. Ein Blick in die Literatur offenbart eine Vielzahl verschiedener Theo- rieangebote, die sich in rasanter Geschwindigkeit auseinander be- wegen. Die beiden Bände Politische Theorien der Gegenwart I und II wollen diese Unübersichtlichkeit innerhalb der Theorieentwick- lung reduzieren und einen Überblick über die politischen Theorien der Gegenwart liefern. Hierzu muss am Anfang eine Antwort auf eine scheinbar triviale Frage gefunden werden: Was ist politische Theorie? Existieren angesichts der Pluralität politischer Theorien plausible Auswahlkriterien, um die relevanten Theorieangebote identifizieren zu können? Worin besteht – trotz der internen Diver- genzen und Pluralisierungstendenzen – das Konstituierende für das Label politisch?

Orientiert man sich zunächst an der Titulierung, dann lassen sich darunter jene Ansätze verstehen, die eine Theorie zum Gegen- standsbereich ,Politik‘ formulieren. Dies ist jedoch so allgemein, um nicht zu sagen tautologisch, gefasst, dass es kaum mehr als ei- nen – sicherlich konsensuellen – Ausgangspunkt bezeichnet. Wel- chen Gegenstand der Begriff ,Politik‘ überhaupt zu fassen bean- sprucht, was Politik von anderen sozialen Gegenständen wie z.B.

Wirtschaft, Wissenschaft oder Religion unterscheidet, ist bereits höchst umstritten (vgl. Lutz 1992: 17ff.). Kann Politik überhaupt als solch ein eigenständiger Gegenstand verstanden werden, oder ist Politik (bzw. das Politische) nicht vielmehr eine bestimmte Ei-

1 Damit die beiden Bände auch eigenständig genutzt werden können, überneh- men wir an dieser Stelle den ersten Abschnitt aus der Einleitung des ersten Bandes.

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14 André Brodocz und Gary S. Schaal genschaft, Qualität oder spezifische Verbindung der genannten so- zialen Gegenstände (Heller 1991)? Das Gemeinsame politischer Theorien könnte aber auch in der Methodik zu finden sein, die die ,Politik‘ erschließt, selbst wenn deren genaues Verständnis um- stritten ist. Doch auch hier lässt sich kein expliziter Konsens finden (vgl. Held 1991a: 13; Hartmann 1997: 30). Das Gemeinsame aller Ansätze, die gegenwärtig als politische Theorien firmieren, ist demnach weder ein identisch anzugebender Gegenstand noch eine identische Methode. Lässt sich angesichts dieses eher resignativ stimmenden Überblicks das Gemeinsame in der zeitgenössischen politische Theorie noch formulieren? Oder ist es mittlerweile, wie Jürgen Hartmann (1997: 237) zu bedenken gibt, nicht sinnvoller, wenn man nicht mehr von politischer Theorie, sondern nur noch von „politikwissenschaftlichen Theorien“ spricht? Zu notieren ist zunächst, dass ein substantieller oder methodisch-prozeduraler Konsens nur mit Mühe festgestellt werden kann. Da aus der Per- spektive des Theoretikers und seiner Rezipienten jedoch offen- sichtlich eine Vielzahl von Motivationen existieren, die eigene Theorie als „politische“ zu charakterisieren, besteht eine Auflösung des Dilemmas darin, aus der Beobachterperspektive jene Theorien als „politische“ zu verstehen, die als solche bezeichnet und disku- tiert werden. Eine solche Konstruktion enthebt den Beobachter der Notwendigkeit, selbst intersubjektiv geteilte Kriterien hinsichtlich des Gegenstandsbereiches oder der Methode politischer Theorien spezifizieren zu müssen. Anhand einer Inhaltsanalyse deutschspra- chiger Fachzeitschriften zeigen Jürgen W. Falter und Gerhard Göh- ler (1986; vgl. daran anschließend auch Steiert 1994), dass die po- litische Theorie in drei Bereiche differenziert wird: Metatheorien, systematische bzw. eher empirische Theorien sowie die stärker nor- mative Akzente setzende politische Philosophie und Ideengeschichte.

Sieht man von der rein selbstreflexiven Kategorie der Metatheorie ab (siehe hierzu Noetzel/Brodocz 1996), wird an Falters und Göhlers Dreiteilung deutlich, dass sich die politischen Theorien der Gegen- wart durch eine empirische und eine normative Dimension auszeich- nen lassen: Die zeitgenössischen politischen Theorien werden darum auch oft primär nach normativen und empirischen Theorien kategori- siert (vgl. z.B. Müller 1994; Lutz 1992: 143ff.).

Dabei gelten die normativen Theorien als diejenigen, die Ant- worten auf die Frage nach der Begründbarkeit von Politik geben.

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Einleitung 15 Von empirischen Theorien ist demgegenüber die Rede, wenn die Frage nach der empirischen Verfasstheit von Politik beantwortet werden soll. Diese Kategorisierung ist allerdings nicht unproble- matisch, legt sie doch den Eindruck nahe, dass normative politi- sche Theorien nicht empirisch und empirische politische Theorien nicht normativ sind. Dabei drängt sich schon an der Unterschei- dung von normativ und empirisch die Frage auf, ob diese selbst ei- ne empirische Unterscheidung oder eine normative Unterscheidung ist. Zwischen der Frage nach der Begründbarkeit und der Frage nach der empirischen Verfasstheit von Politik sehen wir dagegen ei- ne konstitutive Spannung, die zunächst zugunsten der einen oder der anderen Seite aufgelöst werden muss – ansonsten kommt eine politische Theorie nicht auf den Weg, sie verharrt in der Unent- schiedenheit. Die politischen Theorien der Gegenwart sehen wir darum vor allem dadurch ausgezeichnet, dass sie die Spannung zwischen der Begründbarkeit und der empirischen Verfasstheit von Politik theorieintern reflexiv werden lassen, nachdem sie sich auf eine Perspektive als Ausgangspunkt festgelegt haben.2 Das heißt:

Politische Theorien, die mit der Frage nach der Begründbarkeit beginnen, wenden sich anschließend der Spannung zwischen den Möglichkeiten dieser Begründung und der empirischen Verfasstheit von Politik zu. Bestehende politische Institutionen, Ordnungen oder Prozeduren werden hier entweder vor dem Hintergrund theoretisch explizierter Standards evaluiert oder auf Basis dieser Standards neu entworfen (institutional design). Politische Theorien, die mit der Frage nach der empirischen Verfasstheit von Politik beginnen, neh- men sich dementsprechend im Anschluss daran der Spannung zwi- schen dieser Verfasstheit und der Möglichkeit ihrer Begründung an:

Die Art und Weise, wie Politik begründet wird und werden kann, ist in dieser Herangehensweise immer nur ein Ausdruck der Möglich- keiten, die das konkrete empirische Institutionengefüge und die Ge- sellschaftsstruktur zulassen. Die Angemessenheit dieser Begründun- gen muss empirische Problemlagen der Politik, sozio-moralische Dispositionen der Bürger u.ä. berücksichtigen.

2 In eine ähnliche Richtung geht Andrew Vincents (1997a: 5, Hervorhebung im Original) Unterscheidung von „inclusive and exclusive readings of the theory- practice link. The latter brings pristine theory to politics, the former finds or retrieves theory from political practice.“

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16 André Brodocz und Gary S. Schaal

2. Der Aufbau des Bandes

Die Auswahl der politischen Theorien, die Hoffnung gar, dass es sich um „relevante“ Theorien handelt, ist angesichts der Probleme bei der Bestimmung des Gemeinsamen von politischen Theorien eine weitere Herausforderung. Die Selektionskriterien können nur dem akademischen Diskurs selbst entnommen werden, d.h. es muss auch hier wieder eine Beobachterperspektive auf den metatheore- tischen Diskurs eingenommen werden. Das entscheidende Kriteri- um für unsere Auswahl war die Tatsache, dass eine Theorie in der akademischen Diskussion nachhaltig vertreten sein muss, dass sie angewandt wird, Zustimmung, kontroverse Diskussionen oder Dis- sens provoziert. In diesem Sinne ist die vorliegende Auswahl ge- troffen worden. Jede Auswahl ist kontingent; wir hoffen jedoch, dass sie nicht beliebig erscheint.

Offen ist jedoch noch der Zeithorizont: Was sind politische Theorien der Gegenwart? Präsentiert werden in diesem Band maß- geblich politische Theorien von Zeitgenossen, solche, die sich in- nerhalb der letzten dreißig Jahre in der Diskussion befunden haben und diese bis heute maßgeblich prägen sowie vor allem solche, die sich gegenwärtig in der Diskussion befinden.3 Damit wird natürlich nicht behauptet, dass die präsentierten Theorien sich jenseits von akademischen Konjunkturzyklen befinden und sich auf Dauer in der Theoriediskussion etablieren werden; vielleicht enden sie als reine Fußnote in der Theoriegeschichte. Darüber zu urteilen oder dies zu präjudizieren steht uns aber nicht zu.

Das vorliegende Buch versteht sich als Lehrtext für Studieren- de und als Überblicksband für Kolleginnen und Kollegen im Be- reich der politischen Theorie. Damit er als Lehrtext fungieren kann, existieren zwei Strukturierungsprinzipien: Einerseits folgen die einzelnen Beiträge – mit kleinen Abweichungen – einem iden- tischen Strukturprinzip, das direkt im Anschluss dargestellt wird.

Andererseits ist die Abfolge der Beiträge durch eine These, die ab- schließend präsentiert werden soll, motiviert.

3 In Politische Theorien der Gegenwart I werden hingegen jene Theorien des 20. Jahrhunderts präsentiert, die für die Politische Theorien der Gegenwart unmittelbar weichenstellend wirken.

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Einleitung 17 Die Unübersichtlichkeiten in der zeitgenössischen politischen Theorie speisen sich paradoxerweise auch daraus, dass einerseits einige größere Theoriestränge eindeutig zu identifizieren sind, so z.B. der Kommunitarismus, der politische Liberalismus, der Neo- Marxismus u.a., während andererseits innerhalb dieser großen Stränge Diversifizierungs- und Pluralisierungsprozesse stattfinden, die einen Theoriestrang in verschiedene Ansätze ausdifferenzieren.

Ohne Frage bestehen dabei zentrale Familienähnlichkeiten, die modellartige Darstellung eines Theoriestrangs wäre jedoch immer auch eine Einebnung dieser internen Unterschiede. Daher wurde in diesem Band – quasi paradigmatisch – für jede Theoriefamilie ein Referenztheoretiker gewählt. Im ersten Abschnitt der Beiträge wird der Referenztheoretiker einerseits innerhalb seiner Theoriefamilie, andererseits in seinen intellektuellen Kontext situiert. Im zweiten Abschnitt erfolgt eine Rekonstruktion des Referenztheoretikers.

Besondere Berücksichtigung finden dabei zentrale Fragen der zeit- genössischen politischen Theorie: Welcher Begriff des Politischen liegt vor, welche Gerechtigkeitsvorstellungen existieren und wie kann Demokratie als politisches System begründet werden? Wel- ches ist die notwendige oder empirisch zugeschriebene Rationalität und/oder Tugend seitens der Bürger? Welches sind die Aufgaben von Demokratie, welches ihre normativen Bewertungsstandards und welche institutionellen Arrangements sind vorgesehen, diese zu unterstützen? Der dritte Abschnitt diskutiert Kritik am Referenz- theoretiker, und zwar – sofern dies konsistent möglich ist – dif- ferenziert nach interner, d.h. aus der gleichen Theoriefamilie stam- mender, und externer Kritik. Das vierte Segment öffnet – auf Basis der artikulierten Kritik – das Tableau für den Stand der Debatte und damit für alternative Theorieentwicklungen innerhalb des Pa- radigmas. Abgerundet wird jedes Kapitel mit einer kommentierten Literaturliste, die weniger den Anspruch auf Vollständigkeit er- hebt, als vielmehr eine Schneise in den mitunter unübersichtlichen Dschungel der Sekundärliteratur schlagen soll.

Woran kann sich eine Systematik für die Anordnung der ein- zelnen Kapitel orientieren? Als Strukturierungsprinzip ist die Art und Weise gewählt worden, wie innerhalb der politischen Theorien die konstitutive Spannung zwischen der Frage nach der Begründ- barkeit und der Frage nach der empirischen Verfasstheit von Poli- tik aufgelöst wird.Der erste Teil umfasst danach jene zeitgenössi-

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18 André Brodocz und Gary S. Schaal schen politischen Theorien, die mit der Frage nach der Begründ- barkeit von Politik ansetzen.

Die politische Theorie des politischen Liberalismus von John Rawls (Kapitel I, verfasst von Peter Niesen) sucht explizit nach ei- ner Begründung des Aufgabenbereiches und Zuschnittes des Politi- schen, fundiert diese jedoch in elementaren Gerechtigkeitsgrund- sätzen. Die Begründung der Gerechtigkeitsgrundsätze ist dabei doppelt verankert: Einerseits sind sie Resultat eines heuristischen Gedankenexperiments (dem Schleier des Nichtwissens), anderer- seits sind sie in der liberalen Kultur der amerikanischen Demokra- tie bereits intuitiv vorhanden. Beides wird über die Figur des Über- legungsgleichgewichts systematisch aufeinander bezogen, somit sind der Begründungsfigur Referenzen auf die „Empirie“ einge- zogen. Daher beansprucht der politische Liberalismus auch in der politischen Praxis wirkungsmächtig zu sein.

Die politische Theorie des Kommunitarismus von Charles Taylor (Kapitel II, verfasst von Hartmut Rosa) bemüht sich um die Erkundung der kulturellen Freiheitsbedingungen menschlicher Sub- jekte, der Voraussetzungen gelingender personaler Identität und so- dann der Ermöglichungsbedingungen einer gerechten Gemeinschaft.

Auf der Suche nach einer philosophischen Anthropologie betont Taylor die Verwobenheit von individueller Identität und kultureller Gemeinschaft; daher ist für ihn Gemeinschaft ein intrinsisches Gut, das sich normativ auszeichnen lässt. Keine freiheitlich-partizipatori- sche Ordnung kann langfristig aufrecht erhalten werden, wenn die Bürger diese nicht als ein gemeinschaftliches Gut begreifen. Aus die- sem Grund fordert der Kommunitarismus für die politische Praxis auch erweiterte politische Partizipationsmöglichkeiten.

Die politische Theorie der Deliberation von Jürgen Habermas (Kapitel III, verfasst von Gary S. Schaal und David Strecker) ver- sucht Elemente der liberalen und republikanischen (kommunitari- stischen) Tradition zu vereinigen: Ihre zentrale These lautet, dass moderne Gesellschaften sich nur noch über positives legitimes Recht integrieren können. Die Legitimität ist davon abhängig, ob sich die Adressaten von Recht auch als dessen Autoren verstehen können. Die Begründung dieser These führt letztlich zur Diskurs- theorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaates. Dieser Ansatz ist prozedural; d.h., die Begründungsleistung bezieht sich nicht auf substantielle Ergebnisse von Diskursen, sondern auf ihre

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Einleitung 19 (prozeduralen) Bedingungen. Die Legitimität von realen demokra- tischen Entscheidungen, und hierin liegt u.a. die praktisch-politi- sche Relevanz des Ansatzes, kann vor dieser Kontrastfolie bewer- tet werden.

Martha C. Nussbaums politische Theorie des Neoaristotelis- mus (Kapitel IV, verfasst von Grit Straßenberger) stellt die aristo- telische Frage nach dem Verhältnis von guter politischer Ordnung und gelingendem menschlichem Leben ins Zentrum einer politisch ambitionierten Moraltheorie. Nussbaum entwirft ein eigenes Pro- gramm für die Grundlegung und Begründung einer genuin aristo- telischen interkulturellen Politik der Gerechtigkeit, das auch als ei- ne Modernisierung der Idee der Sozialdemokratie in Zeiten der Globalisierung verstanden werden kann. Insofern argumentiert sie kritisch gegen den liberalen Diskurs über entwicklungspolitische Fragen, indem sie für eine engere Kopplung von Gerechtigkeits- normen an eine Konzeption des guten Lebens plädiert. Dabei geht es durchaus um eine essentialistische Konzeption des Guten, eine Auflistung menschlicher Vermögen und Fähigkeiten, die für ein gelingendes Leben unabdingbar sind. Nur ein solcher Essentialis- mus kann für Nussbaum die Grundlage sowohl einer Theorie als auch einer konkreten Politik der Gerechtigkeit sein.

Im Unterschied zu Liberalismus, Kommunitarismus und Deli- beration verneint Jacques Derridas politische Theorie der Dekon- struktion (Kapitel V, verfasst von Thorsten Bonacker) die Frage, ob Politik durch politische Theorie begründet werden kann. Da Politik überhaupt nur noch eine Begründung innerhalb der politi- schen Ordnungen finden kann, ist eine endgültige Begründung von Politik unmöglich. Bereits die Möglichkeit, die Frage nach der Be- gründbarkeit von Politik zu stellen, baut, so Derrida, auf der Be- dingung auf, dass Politik grundlos, oder besser gesagt: begrün- dungslos ist. Derrida verabschiedet deshalb aber nicht die Suche nach einer Antwort auf die Begründbarkeit von Politik. Denn die Unmöglichkeit, Politik zu begründen, ist zugleich die Bedingung für die Möglichkeit der Begründung von Politik: Etwas, das von sich aus begründet ist, muss schließlich nicht mehr begründet wer- den. Genau diese Unbegründbarkeit begründet danach die Demo- kratie. Die politische Theorie der Dekonstruktion selbst bleibt da- bei auch immer für die politische Praxis relevant, da sie die Politik daran erinnert, dass sie sich (immer wieder neu) begründen muss.

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20 André Brodocz und Gary S. Schaal Die Unbegründbarkeit jeder Form von Politik zeichnet auch Claude Leforts und Marcel Gauchets politische Theorie des zivil- gesellschaftlichen Republikanismus (Kapitel VI, verfasst von Oli- ver Marchart) aus. Sie speist sich aus der Überlegung, dass bereits jede Beschreibung der Gesellschaft immer nur in der jeweils ge- genwärtigen, kontingenten Form von Gesellschaft möglich ist. Der Ort einer allgemein verbindlichen Selbstvergewisserung der Ge- sellschaft in der Gesellschaft ist, so Lefort und Gauchet, aufgrund dieser Unbegründbarkeit immer der Ort der Macht. Die Art und Weise, wie der Ort der Macht besetzt ist und wird, ist danach der zentrale Gegenstand einer Analyse der empirischen Verfasstheit von Politik. Weil sie den Ort der Macht symbolisch leer lässt, kann jedoch die Demokratie gegenüber anderen Formen der Politik aus- gezeichnet werden. Zugleich ist Leforts und Gauchets Ansatz inso- fern immer schon Ausdruck seiner praktisch-politischen Relevanz, als er auch sich selbst bereits der Gesellschaft eingeschrieben sieht.

Ebenso wie Derrida oder Lefort und Gauchet verneint Ernesto Laclaus und Chantal Mouffes politische Theorie der Hegemonie (Kapitel VII, verfasst von Urs Stäheli) die Frage nach der generel- len Begründbarkeit von Politik. Laclau und Mouffe betonen, dass zur diskursiven Konstruktion jeder gemeinschaftlichen Identität ein Signifikant, also ein Begriff, nötig ist, der selbst soweit entleert ist, dass sich alle Teile eines Diskurses mit ihm identifizieren können.

Welcher Begriff den Platz des identitätsstiftenden leeren Signifi- kanten in einer politischen Gemeinschaft einnimmt, bleibt schließ- lich kontingent. Aufgrund dieser prinzipiellen Unentscheidbarkeit, die jeder empirischen Verfasstheit von Politik zugrunde liegt, ist jede Besetzung des leeren Signifikanten als ein Produkt politischer Auseinandersetzungen und Ausdruck einer spezifischen Hegemo- nie zu analysieren. Im Unterschied zu Derrida oder Lefort und Gauchet ist es Laclau und Mouffe zufolge nicht möglich, aus dieser Unbegründbarkeit eine Begründung für die Demokratie herauszu- arbeiten. Trotzdem machen sie sich für die Demokratie stark. Denn sie betrachten ihre Theorie in dieser Hinsicht auch als praktisch- politischen Beitrag, der dem leeren Signifikanten ,Demokratie‘ zur Hegemonie verhelfen will.

Auch Richard Rortys politische Theorie des Pragmatismus (Kapitel VIII, verfasst von Thomas Noetzel) erblickt heute keine Möglichkeit mehr, Politik zu begründen. Dies, so Rorty, ist allein

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Einleitung 21 deshalb nicht möglich, weil die politische Theorie bzw. Philoso- phie über keinen privilegierten Zugang zur Erkenntnis verfügt. Oh- ne dieses Privileg kann sie auch keinen Anspruch erheben, rational oder moralisch besser als andere Formen der Erkenntnis politische Fragestellungen zu bearbeiten. Im Unterschied zu Derrida, Laclau und Mouffe sowie Lefort und Gauchet betont Rorty jedoch, dass auch die Demokratie deshalb nicht besser zu begründen ist als an- dere Herrschaftsformen, sie ist einfach nur besser zu erfahren. Po- litische Fragen sind Fragen der Politik und müssen politisch be- antwortet werden. Darum bescheinigt der Pragmatismus der politi- schen Theorie auch keine besondere Relevanz für die politische Praxis. Es muss im Gegenteil deutlich werden, dass allein die ein- zelne Bürgerin und der einzelne Bürger für die Politik verantwort- lich sind. So ist auch der Eintritt für Menschenrechte keine Frage des Sollens, sondern eine Frage des Wollens.

Der zweite Teil des Bandes widmet sich dann den Theorien, die zuerst die Frage nach der empirischen Verfasstheit von Politik stellen. In der politischen Theorie des Neo-Institutionalismus von James March und Johan Olsen (Kapitel IX, verfasst von André Kaiser) avanciert der Institutionenbegriff zur zentralen analyti- schen Kategorie. Drei Analyseebenen können innerhalb dieses Theoriestranges differenziert werden: Auf der Policyebene wird nach dem Einfluss der Institutionen auf die Performanz des (demo- kratischen) Systems gefragt, auf der Politicsebene wird der Ein- fluss von Institutionen auf die Entscheidungen politischer Akteure thematisch, während schließlich auf der Polityebene nach Erklä- rungen für die hohe Varianz von institutionellen Settings gesucht wird. Ergebnisse entsprechend empirisch angeleiteter Analysen kön- nen wiederum als Ausgangspunkt für das normativ inspirierte Pro- jekt des Institutional Engeneering dienen.

Der Institutionenbegriff ist auch in Anthony Giddens’ politi- scher Theorie der reflexiven Modernisierung (Kapitel X, verfasst von Jörn Lamla) zentral, um die empirische Verfaßtheit gegenwär- tiger Politik zu erschließen. Giddens dient dieser Begriff zur Un- terscheidung von vier institutionellen Dimensionen der modernen Gesellschaft: Kapitalismus, Industrialismus, Überwachung und Kon- trolle über die Mittel der Gewalt. Alle vier Dimensionen sieht Gid- dens heute aufgrund einer zunehmenden Radikalisierung und Globa- lisierung in einem Stadium ,institutioneller Reflexivität‘, d.h., dass

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22 André Brodocz und Gary S. Schaal das gesellschaftliche Wissen über die Institutionen in die Herstellung, Erhaltung und Veränderung dieser Institutionen konstitutiv mit ein- fließt. Vor dem Hintergrund dieser Diagnose, so Giddens, lassen sich dann Politikformen – wie z.B. die einer erneuerten Sozialdemokratie – normativ begründen, wenn sie beste Bedingungen für diese Refle- xivität ermöglichen. Zudem ist die praktisch-politische Relevanz po- litischer Theorie unter diesen Umständen mehr denn je gewährleistet, da sie genau jene Form des Wissens darstellt, das als Wissen über die Institutionen innerhalb der Institutionen reflektiert wird.

Auch Bob Jessops politischer Theorie des Neo-Marxismus (Kapitel XI, verfasst von Hans-Jürgen Bieling) zufolge geht die Frage der empirischen Verfasstheit von Politik der Frage nach ihrer Begründung insofern voran, als jedes angemessene Verständnis von Politik und Staat immer nur über den sozio-ökonomischen und historischen Kontext erfolgen kann. Dieser zeichnet sich gegen- wärtig zwar nicht durch einen Primat der Ökonomie, aber durch ein Interdependenzverhältnis zwischen Ökonomie, Staat und Zivil- gesellschaft aus. Erst durch die Analyse dieser gesellschaftsstruktu- rellen Bedingungen, so Jessop, zeigt sich, daß die repräsentative Demokratie zwar ein notwendiger, aber allein nicht hinreichender Bestandteil der – gegenwärtig möglichen – sozialen Demokratie ist. Hierfür bedarf es noch einer Demokratisierung der vor- politischen Lebensverhältnisse. Als konstruktive Kritik an einer unvollendeten Demokratie gewinnt der Neo-Marxismus auf diese Weise auch seine politische Relevanz.

Bei Pierre Bourdieus politischer Theorie symbolischer Macht (Kapitel XII, verfasst von Daniel Schulz) steht die Analyse politi- scher und sozialer (Macht-)beziehungen im Vordergrund. Die Theorie fokussiert dabei nicht einseitig auf handlungstheoretische oder strukturelle Aspekte von Macht, sondern nimmt Macht als et- was Relationales in den Blick. Mit dem Konzept der symbolischen Macht kann Bourdieu daher auch Machtverhältnisse identifizieren, die jenseits des klassischen, von Weber inspirierten, Machtkon- zepts der Mainstream-Politikwissenschaft bestehen. Für eine kul- turwissenschaftlich inspirierte Politische Theorie ist die Vorstel- lung Bourdieus inspirierend, dass sich symbolische Macht durch sehr unterschiedliche Medien und Formen realisieren kann, so durch Sprache und Sprachspiele (im Kampf um Geltungsmacht), aber auch durch Symbole oder rituelle Praxen, welche er wiederum

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Einleitung 23 zu bestimmten Kapitalsorten konzeptionell zusammenfasst. Ob- wohl die Theorie der symbolischen Macht durchaus auch normativ und damit machtkritisch verstanden werden kann, resultiert sie doch aus der Beobachtung empirischer Machtphänomene.

Auch Judith Butlers politische Theorie des Feminismus (Ka- pitel XIII, verfasst von Claudia Creutzburg) setzt zunächst an der gegenwärtigen empirischen Verfasstheit von Politik an, indem sie ,die Frau‘ als politisches Subjekt und die sozialen Bedingungen ih- rer Möglichkeit analysiert. ,Männer‘ und ,Frauen‘ sind danach das kontingente Produkt eines heterosexistischen Diskurses, der andere Formen der Geschlechtsidentität ausschließt. Da allerdings jede Form der diskursiven Konstruktion von Identität auf Ausschließun- gen beruht, muss es Butler zufolge einem radikaldemokratischen Feminismus darum gehen, den herrschenden Diskurs für möglichst viele Subjektpositionen zu öffnen. Geht es dem Feminismus nur um ,die Frau‘, dann er unterwirft sich einem Dualismus, den derje- nige Diskurs hervorgebracht hat, den er zuallerst bekämpft. Gleich- zeitig verschließt er sich wichtigen Koalitionen mit denen, die evtl.

dieselben Ziele verfolgen, aus dem feministischen Diskurs aber ausgeschlossen sind. Ein radikaldemokratischer Feminismus zeich- net sich für Butler dadurch aus, dass er auch die eigenen Grund- lagen kontinuierlich hinterfragt und sich mit seinen Forderungen nicht an den Staat wendet, sondern durch queer-politics Politik selbst gestaltet.

Die politische Theorie des Rational Choice von Anthony Downs (Kapitel XIV, verfasst von Joachim Behnke) bemüht sich um eine „entnormativierte“ Explikation des demokratischen Pro- zesses. Ausgehend von wenigen als deskriptiv angesehene „Essen- tials“, wird der demokratische Prozess mit dem analytischen Instru- mentarium der Wirtschaftswissenschaften behandelt: Parteien sind in diesem Modell Anbieter und Wähler Nachfrager des Produkts

„Politik“; Parteien verfolgen keine ideologischen Interessen, ihr Machtwille treibt sie zur Regierungstätigkeit. Wenn Politik aus- schließlich individuellen Kosten-Nutzen-Kalkülen folgt, besitzen die Bürger jedoch wenig Motivation, sich überhaupt an Wahlen zu beteiligen, da der entsprechende Nutzen im Vergleich zu den un- weigerlich auftretenden Kosten (Informationsbeschaffung, Oppor- tunitätskosten etc.) verschwindend gering ist. Der Rational-Choice Ansatz liefert v.a. ein Instrumentarium für die Analyse demokra-

(25)

24 André Brodocz und Gary S. Schaal tischer Prozesse, er besitzt praktische Relevanz für das Identifizie- ren von Gleichgewichtspunkten, an denen sich die programmati- sche Gestaltung von Parteipolitik orientieren kann.

So wie die politischen Theorien von Judith Butler und Antho- ny Downs sieht auch Niklas Luhmanns politische Theorie auto- poietischer Systeme (Kapitel XV, verfasst von André Brodocz) auf- grund der empirischen Verfasstheit der gegenwärtigen Politik keine Möglichkeit mehr, dass sich eine Form der Politik gegenüber ande- ren normativ auszeichnen ließe. Innerhalb einer in Funktionssyste- me ausdifferenzierten Gesellschaft, so Luhmann, gibt es keinen Ort mehr, von dem aus eine entsprechende Kritik oder gar Begründung formuliert werden könnte: Politik, Wirtschaft, Religion, Kunst, Recht sowie die Wissenschaft im allgemeinen und die politische Theorie im besonderen sind vielmehr aufgrund ihrer wechselseitig funktionalen Unersetzlichkeit gleich, kein Funktionssystem ist von sich aus besser oder vernünftiger als ein anderes. Ihre operative Geschlossenheit lässt es Luhmann zufolge außerdem nicht zu, dass eines von einem anderen direkt beeinflusst oder gar gesteuert wer- den kann. Insofern ist die politische Relevanz, die wissenschaftli- che politische Theorien für die politische Praxis beanspruchen kön- nen, aus dieser Sicht genau genommen gleich Null.

Literatur

Falter, Jürgen W./Göhler Gerhard (1986): Politische Theorie. Entwicklung und gegenwärtiges Erscheinungsbild. S. 118-141 in: Klaus von Beyme (Hrsg.), Politikwissenschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Politi- sche Vierteljahresschrift Sonderheft 17. Opladen.

Hartmann, Jürgen (1997): Wozu politische Theorie? Opladen.

Held, David (Hrsg.) (1991): Political theory today. Cambridge.

Held, David (1991a): Editor’s introduction. S. 1-21 in: ders. (Hrsg.): Political theory today. Cambridge.

Heller, Agnes (1991): The concept of the political revisited. S. 330-343 in:

David Held (Hrsg.): Political theory today. Cambridge.

Hindess, Barry (1997): The object of political theory. S. 254-271 in: An- drew Vincent (Hrsg.): Political theory: tradition and diversity. Cam- bridge.

Lutz, Donald S. (1992): A preface to American political theory. Kansas.

Müller, Wolfgang C. (1994): Politische Theorie und Ideengeschichte: Wozu?

Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft 23, 213-228.

(26)

Einleitung 25 Noetzel, Thomas/Brodocz, André (1996): Konstruktivistische Epistemologie

und politische Steuerung. Zeitschrift für Politik 43, 49-66.

Steiert, Rudolf (1994): Politische Theorie: Ein Überblick. Sozialwissenschaft- liche Informationen 23 (1), 5-8.

Vincent Andrew (Hrsg.) (1997): Political theory: tradition and diversity. Cam- bridge.

Vincent, Andrew (1997a): Introduction. S. 1-27 in: ders. (Hrsg.): Political the- ory: tradition and diversity. Cambridge.

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(28)

Kapitel I

Die politische Theorie des politischen Liberalismus: John Rawls

Peter Niesen

Inhalt

1. Einleitung ... 28

2. Darstellung der Theorie ... 30

2.1. Die Konzeption des Politischen ... 31

2.2. Der Gehalt des politischen Liberalismus ... 33

2.2.1. Liberale Gerechtigkeit ... 34

2.2.2. Liberale Legitimität ... 38

2.2.3. Liberaler politischer Diskurs ... 41

2.3. Das Recht der Völker ... 42

3. Theoretische Variation und Kritik ... 44

3.1. Die egalitäre Interpretation liberaler Prinzipien ... 45

3.2. Das Faktum des Pluralismus ... 46

3.3. Der Bereich des Politischen ... 48

3.4. Der Status politischer Theorie ... 50

3.5. Die Herausforderung globaler Gerechtigkeit ... 53

4. Der Stand der Debatte: Politischer Liberalismus, Kommunitarismus, Demokratie ... 55

Literatur ... 58

(29)

Peter Niesen 28

1. Einleitung

„Politischer Liberalismus“ ist die Selbstkennzeichnung einer nor- mativen Theorie der Politik, in deren Zentrum eine Metatheorie der Gerechtigkeit, eine Theorie demokratischer Legitimität und eine Theorie des politischen Diskurses stehen. Seine maßgebliche For- mulierung findet der politische Liberalismus in dem gleichnamigen zweiten Hauptwerk von John Rawls, das 1993 erschienen ist und seit 1998 in deutscher Übersetzung vorliegt. Rawls’ Entwicklung des politischen Liberalismus verdankt sich einer Schwierigkeit, in die sich seiner Ansicht nach philosophische Gerechtigkeitskonzeptio- nen wie diejenige verstricken, die er in seinem ersten Hauptwerk von 1971, Eine Theorie der Gerechtigkeit, entwickelt hatte. Das Haupt- merkmal moderner demokratischer Gesellschaften, dem Rawls’ frü- herer Entwurf nach seiner eigenen Auffassung nicht gerecht wurde, ist ihre pluralistische Zusammensetzung. Der Pluralismus nicht un- vernünftiger Weltanschauungen, den der Liberalismus weder selbst für unvernünftig noch für ein vorübergehendes Phänomen erklären mag, verhindert, daß Vorstellungen über Gerechtigkeit allgemein zustimmungsfähig sind, sofern sie in den Begriffen und Argumen- ten einer der in der Gesellschaft vertretenen umstrittenen philoso- phischen, religiösen oder moralischen Lehren formuliert werden.

Damit können sie sich auch nicht in den Handlungsmotiven und Urteilen der Bürger, viel weniger noch in den Institutionen einer solchen Gesellschaft verankern und dauerhaft stabilisieren. Dieser Umstand nötigt den politischen Liberalismus, sich gegenüber den in einer Gesellschaft vertretenen Weltanschauungen, sofern diese bestimmten Bedingungen genügen, neutral zu verhalten, um die Er- wartung hegen zu dürfen, zumindest von den „vernünftigen“ unter den vorhandenen Weltanschauungen selbst als „vernünftig“ aner- kannt zu werden.

Rawls’ erstem Buch ist oft die Rehabilitierung einer ganzen Disziplin, der normativen politischen Philosophie, gutgeschrieben worden;1 sein Verdienst liegt genauer darin, die Anschlußfähigkeit vertragstheoretischer Argumente für das politische Denken neu bewiesen zu haben, nachdem deren individualistische Darstellungs- form methodisch von Sozialphilosophie und Soziologie, normativ

1 Eine Diskussion bei Kersting (1993: 11-18).

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Die politische Theorie des politischen Liberalismus: John Rawls 29 vom Utilitarismus längst überwunden schien (Rinderle 1998). Rawls’

Anknüpfung an die Theorie vom Gesellschaftsvertrag bei Locke, Rousseau und Kant (1975: 12, 27, ausführlich Höffe (Hrsg.) 1998) läßt sich ebensowenig beeindrucken von der seither erfolgten Aus- differenzierung politischen Denkens in politik- und rechtswissen- schaftliche, soziologische und philosophische Forschung. Die Mo- dernisierung der vertragstheoretischen Argumentation, die in Eine Theorie für die Herleitung von zwei Gerechtigkeitsprinzipien ver- wendet wird, verdankt sich vor allem Rawls’ Beherrschung zeitge- nössischer ökonomischer und spieltheoretischer Theoriebildung (zur ökonomischen Rezeption vgl. Pies/Leschke 1995). Im späte- ren Werk bildet nicht mehr die Ökonomie, sondern das Verfas- sungsrecht die am häufigsten herangezogene Nachbardisziplin der politischen Philosophie. Die juristische Rezeption stellt wohl auch den Anknüpfungspunkt dar, über den Rawls’ Überlegungen am ehesten politischen Einfluß erlangt haben und erlangen werden (Gerstenberg 1997). Zwar nehmen politikwissenschaftliche und so- ziologische Bezugnahmen in beiden Werken einen untergeordneten Rang ein; dies hat jedoch nicht verhindert, daß Rawls’ Lehre sozio- historisch eingebettet und an sie im Rahmen einer Demokratie- theorie politikwissenschaftlich angeknüpft wurde (Cohen/Rogers 1983, Cohen 1996).

Von Rawls’ biographischem Hintergrund sind nur wenig Auf- schlüsse über seine Theoriebildung zu erwarten. Sein Lebenslauf wird geprägt von den Zäsuren eines professionellen akademischen Philosophenlebens (Pogge 1994, 11-34). 1921 geboren, besucht Rawls eine religiöse Privatschule und gelangt nach einem Studium in Princeton über die Universitäten Cornell und MIT schließlich 1962 als Professor nach Harvard, wo er seither lehrte. Rawls stirbt mit 81 Jahren im Jahr 2002.

Aus Rawls’ wenig ausgeprägtem öffentlichem Profil darf aber nicht geschlossen werden, daß seine Theorieentwicklung unabhän- gig von politischen Ereignissen vorangeschritten wäre. Für Eine Theorie gilt ebenso wie für Politischer Liberalismus, daß die poli- tische Philosophie sich ihre Aufgabe, abstrakte Prinzipien zu for- mulieren, nicht selbst ausgesucht hat. „Wir wenden uns gerade dann der politischen Philosophie zu, wenn unsere gemeinsamen po- litischen Überzeugungen (...) nicht mehr tragen, und ebenso wenn wir mit uns selbst uneins sind“ (Rawls 1998: 117). Politisch-philo-

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Peter Niesen 30

sophische Erörterung ermöglicht es, die öffentliche Diskussion weiterzuführen, „wenn gemeinsame Überzeugungen, die weniger allgemein sind, sich als nicht länger tragfähig erwiesen haben“

(Rawls 1998: 118). Reagieren sowohl Eine Theorie als auch Politi- scher Liberalismus auf politische Dissenserfahrung, so unterschei- den sich doch die jeweils ins Auge gefaßten Phänomene. Waren die Probleme, die Eine Theorie im Auge hat, politische Konflikte erster Ordnung wie Gleichberechtigung, politische Gleichheit, Ver- teilungskonflikte sowie Widerstand und ziviler Ungehorsam, so reagiert Politischer Liberalismus auf den weltanschaulichen Plura- lismus als politische Entzweiung zweiter Ordnung – eine Entzwei- ung, die sich weder auf anerkannte Verfahren stützen könnte, nach denen inhaltliche Differenzen ausgeräumt werden können, noch über eine klare Vorstellung verfügt, auf welche Argumentgenres Bür- ger zur Beilegung ihrer Konflikte zurückgreifen könnten. Rawls’

Spätwerk zur internationalen Gerechtigkeit, Das Recht der Völker (orig. 1999, dt. 2003), reagiert dagegen auf die faktische Hetero- genität politischer Überzeugungen, wie sie in der Welt verbreitet sind. Für die Zwecke allgemein akzeptabler völkerrechtlicher Nor- men sollen nicht einfach liberale Ansichten vorausgesetzt und ver- allgemeinert werden, sondern auch nicht-liberale Gesellschaften sollen die Möglichkeit haben, einem gemeinsamen Völkerrecht zu- zustimmen.

2. Darstellung der Theorie

Im Zentrum des politischen Liberalismus steht der Gedanke, daß sich Bürger moderner, demokratischer Gesellschaften gemeinsam zu einer Gerechtigkeitskonzeption bekennen sollen, um ihre zen- tralen politischen Institutionen zu bewerten und einzurichten. Poli- tischer Liberalismus beansprucht darüberhinaus eine solche Ge- rechtigkeitskonzeption auf eine Weise zu formulieren, daß die weltanschaulich entzweiten Bürger sie, ohne ihre Weltbilder auf- geben zu müssen, in einem „übergreifenden Konsens“ tatsächlich als dauerhafte Basis einer legitimen Rechtsordnung und eines ver- nünftigen öffentlichen Diskurses akzeptieren können. Während das Adjektiv „politisch“ Methode und Skopus der Theorie betrifft, be-

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