Buchführung und Rechnungslegung – Knackpunkte mit und ohne COVID-Bezug
Andreas Oester dipl. Wirtschaftsprüfer
Buchführung und Rechnungslegung - Knackpunkte mit und ohne COVID-Bezug
Ausgangslage / Zielsetzung
Die Pandemie hat zu neuen Herausforderungen in den Themen Buchführung und Rechnungslegung sowie generell in der Beurteilung von neuen Sachverhalten geführt
Der Themenblock soll anhand von Praxisfällen
Lösungsansätze aufzeigen und auf verschiedene weitere Stolpersteine und Knackpunkte sensibilisieren
Ausgangslage / Ausblick
Die Rahmenbedingungen aus dem COVID-19- Solidarbürgschaftsgesetz (SBüG) sind streng
Verstösse sind keine Kavaliersdelikte und werden konsequent weiterverfolgt
Für Schäden haften der VR sowie die mit der
Geschäftsführung betrauten Personen persönlich und solidarisch
Mögliche Bussen sind happig und eine Strafverfolgung könnte drohen
Wird der ordnungsgemässe Zustand nicht wiederhergestellt, muss eine Revisionsstelle die Bürgschaftsgenossenschaft informieren
Buchführung und Rechnungslegung - Knackpunkte mit und ohne COVID-Bezug
Ausgangslage / Ausblick
Presseartikel im «Der Bund» vom 7.9.21: Die Finanzkontrolle (EFK) verdächtigt allein für das erste Quartal 2021 über 200 Firmen, dass sie COVID-Kredite nutzten, um Dividenden auszuzahlen. Abgleiche mit den Daten der ESTV finden statt
219 Firmen haben nicht abbezahlte COVID-19-Kredite im Umfang von CHF 50 Mio. erhalten und CHF 43 Mio.
Dividenden gemeldet
Rückführung der Kredite (Gesamtvolumen CHF 17 Mrd.) wird von der Margenstärke der Kreditnehmenden abhängig sein. Für margenschwächere Branchen könnte die avisierte
Ausgangslage / Ausblick
Im neuen Aktienrecht wird das Sanierungsrecht modernisiert und die Liquidität der Gesellschaft rückt in den Fokus. Der Verwaltungsrat ist verpflichtet, die Liquidität zu
überwachen. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit hat der Verwaltungsrat Massnahmen zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit zu ergreifen und – sofern erforderlich - zusätzliche Sanierungsschritte einzuleiten
Buchführung und Rechnungslegung - Knackpunkte mit und ohne COVID-Bezug
Fallbeispiel 1 – COVID-Praxisfall – Beurteilung möglicher Verstösse gegen die COVID-Bestimmungen
Ausgangslage (1)
Gesellschaft in der Baubranche
Pandemie führt zu erschwertem Zugang zu Rohmaterial, insbesondere aus Italien. Verzögerung in den Lieferketten.
Teils muss zu teureren Preisen Rohmaterial im Inland beschafft werden
Generelle Unsicherheit in der Branche in Bezug auf die Durchführung der Bauprojekte sowie dem weiteren Geschäftsgang.
Einzelne Verschiebungen von Bauprojekten
Ende März 20 wurden verbürgte COVID-19-Kredite im Umfang von total CHF 2.5 Mio. beantragt
Fallbeispiel 1 – COVID-Praxisfall – Beurteilung möglicher Verstösse gegen die COVID-Bestimmungen
Ausgangslage (2)
Auszahlung erfolgte in drei Tranchen am 1.4. / 15.6. / 31.8.2020
Umsatzmässig wird im Geschäftsjahr 2020 letztlich ein um rund CHF 1 Mio. höherer Umsatz als im Vorjahr realisiert
Generell konnte im 2020 auch von der Ergebnisseite her eine Steigerung gegenüber Vorjahr realisiert werden
Buchführung und Rechnungslegung - Knackpunkte mit und ohne COVID-Bezug
Fallbeispiel 1 – COVID-Praxisfall – Beurteilung möglicher Verstösse gegen die COVID-Bestimmungen
Fragestellung 1:
Wie beurteilen Sie die COVID-Kreditbeanspruchung im Lichte folgender Regelung?
Art. 4 COVID-19-Kreditvereinbarung:
«Der Kreditnehmer ist aufgrund der COVID-19- Pandemie namentlich hinsichtlich seines Umsatzes wirtschaftlich erheblich beeinträchtigt.»
Musste ggf. der Abschlussprüfer oder Treuhänder die Voraussetzungen des Kreditantrags näher prüfen?
Fallbeispiel 1 – COVID-Praxisfall – Beurteilung möglicher Verstösse gegen die COVID-Bestimmungen
Ausgangslage (3):
Kreditnehmer beansprucht bei seiner Bank im Rahmen eines Basiskreditvertrags jeweils feste Vorschüsse, welche mit Laufzeiten von jeweils drei bis sechs Monaten abgeschlossen werden
feste Vorschüsse werden seit Jahren nach Ablauf immer wieder verlängert. Nach Ablauf erfolgt eine Rückzahlung und eine Gutschrift (Verlängerung) auf dem Bankkonto
Unter Absprache mit dem Bankkundenberater werden am 15.6. sowie 31.8. die fälligen festen Vorschüsse mit den ausbezahlten COVID-19-Kredittranchen abgelöst
Buchführung und Rechnungslegung - Knackpunkte mit und ohne COVID-Bezug
Fallbeispiel 1 – COVID-Praxisfall – Beurteilung möglicher Verstösse gegen die COVID-Bestimmungen
Fragestellung 2:
Wie beurteilen Sie den Sachverhalt im Lichte folgender Bestimmungen?
Art. 2 Abs. 3 SBüG:
«Die Mittel aus nach der Covid-19-SBüV verbürgten Krediten dürfen nicht zur Umschuldung vorbestehender Kredite verwendet werden.“
Art. 2 Abs. 3 lit. b SBüG:
„Zulässig ist: das Erfüllen vorbestehender ordentlicher Zins- und Amortisationszahlungspflichten.“
Fallbeispiel 1 – COVID-Praxisfall – Beurteilung möglicher Verstösse gegen die COVID-Bestimmungen
Fragestellung 3:
In welcher Position sind die COVID-19-Kredite in der Jahresrechnung zu erfassen und ergeben sich
Offenlegungspflichten im Anhang zur Jahresrechnung?
Buchführung und Rechnungslegung - Knackpunkte mit und ohne COVID-Bezug
Fallbeispiel 2 – COVID-Praxisfall sowie weitere Knackpunkte
Ausgangslage (1)
Gesellschaft verfügt über einen Expansionsplan in näher umliegende EU-Länder
Fortführung seit vielen Jahren ein Thema und die Gesellschaft musste mehrmals saniert werden
Nebst externen Faktoren (u.a. Konkurrenz) und
wirtschaftlichen Schwierigkeiten (Erreichung Break-Even) liegen interne Herausforderungen vor (Stabilität
Personal; ungenügende Lagerbewirtschaftung)
Fallbeispiel 2 – COVID-Praxisfall sowie weitere Knackpunkte
Ausgangslage (2)
Aufgrund hoher Nachfrage während der Pandemie akzentuieren sich die Probleme mit den Lieferketten und die Lieferzeiten von Komponenten aus Asien wurden speziell ab anfangs 2021 noch länger
Unklare Lieferzeiten, erhöhte Lieferpreise, leeres Verkaufslager
COVID-19-Kredit gemäss Art. 3 SBüV wurde in Anspruch genommen (TCHF 450)
Buchführung und Rechnungslegung - Knackpunkte mit und ohne COVID-Bezug
Fallbeispiel 2 – COVID-Praxisfall sowie weitere Knackpunkte
Ausgangslage (3)
Das Bilanzbild per 30.9.2020 zeigt folgendes Bild:
Fallbeispiel 2 – COVID-Praxisfall sowie weitere Knackpunkte
Fragestellung 1:
Beurteilen Sie das Bilanzbild per 30.9.20 im Lichte von Art. 725 OR sowie Art. 24 SBüG. Liegt eine Überschuldung oder ein Kapitalverlust vor?
In welchem Mindestumfang sind neue Rangrücktritte
einzuholen, damit vom Gang zum Richter abgesehen werden kann? Im Budget für die nächsten 12 Monate wird mit einer schwarzen Null gerechnet. Die Liquidität wird durch das Aktionariat wie in der Vergangenheit sichergestellt
Die Gesellschaft war bereits zum Zeitpunkt der COVID-19- Kreditbeantragung in einem Kapitalverlust nach Art. 725 Abs.
1 OR. Handelt es sich hierbei um einen Verstoss gegen die COVID-19-Kreditvereinbarungsbestimmungen?
Buchführung und Rechnungslegung - Knackpunkte mit und ohne COVID-Bezug
Fallbeispiel 2 – COVID-Praxisfall sowie weitere Knackpunkte
Ausgangslage (4)
Der VR erkennt die Notwendigkeit einer Sanierung der Gesellschaft und legt folgendes Sanierungskonzept vor:
Fallbeispiel 2 – COVID-Praxisfall sowie weitere Knackpunkte
Fragestellung 2:
Beurteilen Sie kritisch das Sanierungskonzept des
Verwaltungsrats. Stimmen Sie dem Sanierungskonzept zu?
Das Aktienkapital wird nur teilweise wiederhergestellt (deklarative Kapitalherabsetzung).
Ein zugelassener Revisionsexperte muss deshalb gemäss Art.
732 Abs. 2 OR bestätigen, dass die Forderungen der Gläubiger trotz der Herabsetzung voll gedeckt sind. Kann bestätigt werden, dass die Forderungen der Gläubiger trotz der Herabsetzung des Aktienkapitals voll gedeckt sind?
Buchführung und Rechnungslegung - Knackpunkte mit und ohne COVID-Bezug
Fallbeispiel 2 – COVID-Praxisfall sowie weitere Knackpunkte
Ausgangslage (5)
Im April 2021 kommt der VR aufgrund der weiteren negativen Entwicklungen zur Erkenntnis, keine weiteren Sanierungsmassnahmen mehr zu ergreifen und die Bilanz beim Richter zu deponieren
Der VR erstellt eine Zwischenbilanz zu Fortführungs- und Veräusserungswerten und bittet Sie als Revisionsstelle, die Prüfung gemäss Art. 725 Abs. 2 OR vorzunehmen und zu bestätigen, dass die Gesellschaft offensichtlich überschuldet ist
Fallbeispiel 2 – COVID-Praxisfall sowie weitere Knackpunkte
Fragestellung 3:
Werden Sie die verlangte Prüfung vornehmen? Gemäss den Ausführungen des VR ist die Gesellschaft
offensichtlich überschuldet. Diskutieren Sie Vor- und Nachteile dieses Prüfungsgegenstands.
Buchführung und Rechnungslegung - Knackpunkte mit und ohne COVID-Bezug
Fallbeispiel 3
Ausgangslage (1)
Operative Gesellschaft B-AG nimmt am 1.4.2020 einen COVID-19-Kredit über TCHF 500 auf
Muttergesellschaft hatte Kauf der Aktien B-AG mittels Bankdarlehen finanziert. Bankdarlehen muss gemäss vorbestehendem Vertrag halbjährlich amortisiert werden. Amortisation soll über Dividenden der B-AG geleistet werden
Gemäss Art. 2 Abs. 2 lit. a SBüG ist die Ausschüttung
Fallbeispiel 3
Ausgangslage (2)
Buchführung und Rechnungslegung - Knackpunkte mit und ohne COVID-Bezug
Fallbeispiel 3
Ausgangslage (3)
KK-Bewegungen gegenüber A-AG gestalten sich im 2020 wie folgt:
Fallbeispiel 3
Ausgangslage (4)
Der Zins auf dem KK von rund TCHF 20 ist im Wesentlichen auf die vorbestehende Forderung zurückzuführen
Nebst den Bankspesenbelastungen für die Kontoführung von CHF 50 zeigt das Bankkonto mit dem einbezahlten COVID-19- Kredit per Ende 2020 einen Saldo von CHF 499’950
Netto haben sich bei B-AG die Forderungen ggü direkt und indirekt Beteiligten per ende 2020 zum Vorjahr sogar reduziert
Fragestellung:
Liegt aus ihrer Sicht im vorliegenden Fall ein Verstoss gegen die COVID-19-Mittelverwendungsbestimmungen vor?
Buchführung und Rechnungslegung - Knackpunkte mit und ohne COVID-Bezug
Fallbeispiel 4
Ausgangslage:
Gesellschaft erleidet im 2020 einen 70% Umsatzrückgang
Gesellschaft war per Ende 2019 überschuldet. Es lagen ausreichend Rangrücktritte vor
Im April 21 wurde ein Härtefallgesuch beim Kanton
eingereicht. Ein à-fonds-perdu Beitrag von TCHF 500 wurde gewährt
Im Juni 21 beschliesst der VR die Liquidation der Gesellschaft
Der Kanton erfährt von der Liquidationseröffnung und holt Informationen bei der Revisionsstelle / Treuhandstelle ein
Fallbeispiel 4
Fragestellung:
Besteht in diesem Fall eine Rückzahlungspflicht des à- fonds-perdu Beitrags?
Stellt die Überschuldung per Ende 2019 ein Problem in Bezug auf die Antragsvoraussetzung dar?
Wie reagieren Sie auf die Informationsbedürfnisse des kantonalen Amtes?
Wie verbuchen Sie den à-fonds-perdu-Beitrag?