Vor- und Nacherbschaft
Rechtliche Stellung des Vorerben
Das gesetzliche Schuldverhältnis zwischen dem Vor- und dem Nacherben
• Problem des Vorerben: Seine Erbenstellung ist nicht nur vorläufig, sondern auch fremdnützig
• Das ergibt sich aus § 2130 I 1 BGB: „Der Vorerbe ist nach dem Eintritt der Nacherbfolge verpflichtet, dem Nacherben die Erbschaft in dem Zustand
herauszugeben, der sich bei einer bis zur Herausgabe fortgesetzten ordnungsmäßigen Verwaltung ergibt.“
• Die dingliche Surrogation gem. § 2111 I 1 BGB
• Der Umgang mit eigennützigem Verbrauch gem. §
2134 BGB
Vor- und Nacherbschaft
Rechtliche Stellung des Vorerben
• Der Schadensersatzanspruch des Nacherben gegen den Vorerben
• Zwischen dem Nacherben und dem Vorerben besteht hinsichtlich der Nachlassverwaltung ein gesetzliches Schuldverhältnis
• Verletzt der Vorerbe seine Pflicht zur ordentlichen Verwaltung, macht er sich gem. § 280 I BGB dem Nacherben gegenüber schadensersatzpflichtig
• Aber: Bezugspunkt ist die Gesamtverwaltung und nicht jede einzelne Maßnahme
• Außerdem: Es haftet der Vorerbe nicht für jedes
Vertretenmüssen, sondern gem. § 2131 BGB nur für die Verletzung der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten
Vor- und Nacherbschaft
Rechtliche Stellung des Vorerben
Was hat der Vorerbe davon, Vorerbe zu sein?
• Den Vorerben treffen allerhand Pflichten gegenüber dem Nacherben, bei deren Verletzung er sich im
Zweifel schadensersatzpflichtig macht
• Nach § 2124 BGB muss er sogar die gewöhnlichen Erhaltungskosten aus seinem eigenen Vermögen tragen
• Aber: Gem. § 2111 I 1 a.E. BGB stehen dem Vorerben die Nutzungen aus dem Nachlass zu
• Überdies kann der Erblasser gem. § 2136 BGB den
Vorerben von seinen Beschränkungen ganz oder
teilweise befreien
Vor- und Nacherbschaft
Rechtliche Stellung des Vorerben
Fall 48 („Verfügung nach dem Nacherbfall“)
Erblasser Edgar ist früh verstorben. Er setzte seinen Vertrauten Viktor als alleinigen Vorerben ein.
Nacherbe solle sein Sohn Stephan sein, sobald dieser seine Approbation als Arzt erlange. Als Viktor von Stephans Zulassung als Arzt erfährt, will er eine letzte Rache für die kleinliche Überwachung seiner Verwaltungstätigkeit nehmen, mit der Stephan ihn in den vergangenen Jahren piesackte. Zum Nachlass gehört ein 1964er Lamborghini 350 GT, auf den Stephan sich bereits besonders freut. Dieses
Fahrzeug veräußert Edgar an den Dritten Dieter, der von der Vor- und Nacherbschaft nichts weiß.
Kann Stephan von Dieter die Herausgabe des Fahrzeugs aus § 985 BGB verlangen?
Vor- und Nacherbschaft
Rechtliche Stellung des Vorerben
• Ursprünglicher Eigentümer: Erblasser Edgar
• Mit dem Erbfall: Alleineigentum des Vorerben Viktor gem. § 1922 I BGB
• Mit dem Nacherbfall: Alleineigentum des Nacherben Stephan gem. § 2139 BGB
• Aber: Eigentumsverlust durch Übereignung von Viktor an Dieter gem. § 929 S. 1 BGB?
• Problem: Verfügungsbefugnis des Viktor als Eigentümer endete mit dem Eintritt des Nacherbfalls
• Aber: Fortwirkung gem. § 2140 BGB?
• Gutgläubiger Erwerb gem. §§ 929, 932 BGB?
Das Vermächtnis
Allgemeines
• Erbeinsetzung bedeutet: Zuwendung eines Vermögensvorteils durch unmittelbare dingliche Beteiligung des Empfängers am Nachlass
• § 1939 BGB: Der Erblasser kann durch Testament einem anderen, ohne ihn als Erben einzusetzen, einen Vermögensvorteil
zuwenden (Vermächtnis)
• Die Zuwendung des Vermögensvorteils erfolgt dabei dadurch, dass der Empfänger einen Anspruch aus § 2174 BGB erhält, einen Gegenstand aus dem Nachlass „geleistet“ zu bekommen
• Was Gegenstand dieser „Leistung“ ist, hängt davon ab, was Gegenstand des Vermächtnisses ist
• Dieser Anspruch begründet ein Forderungsrecht i.S.d. § 241 I BGB
• Daraus folgt: Es gelten die Regeln des allgemeinen Leistungsstörungsrechts, wenn
Das Vermächtnis
Agenda
• Wann ist ein Vermächtnis wirksam angeordnet?
Was sind die essentialia negotii des Vermächtnisses?
Welche Wirksamkeitshindernisse sind zu beachten?
• Was kann Gegenstand eines wirksamen Vermächtnisses sein?
• Wer ist Schuldner des Vermächtnisses?
• Wer ist Gläubiger des Vermächtnisses?
Das Vermächtnis
Wirksame Vermächtnisanordnung
Fall 49 („Ein Dank an Schwester Sieglinde“)
Die Erblasserin Erika verbrachte die letzten Wochen ihres
Lebens in einer Kurklinik zur Behandlung eines Lungenleidens, wo ihr allerdings schlussendlich auch nicht mehr geholfen werden konnte. Gleichwohl war Erika insbesondere von der fürsorglichen Pflege der Schwester Sieglinde beeindruckt, für die sie sich erkenntlich zeigen wollte. Also suchte Erika ihr eigenhändig verfasstes Testament heraus und ergänzte es um den Zusatz
„Schwester Sieglinde war mir in den letzten Wochen meines Lebens eine große Unterstützung. Als Dank soll sie 2.000 Euro bekommen.“,
den sie sodann ordnungsgemäß unterschreibt.
Der Nachlassrichter Norbert fragt sich, was mit dieser zuletzt genannten Anordnung wohl gemeint sein könnte.
Das Vermächtnis
Wirksame Vermächtnisanordnung Interesse der Erblasserin
• Zuwendung von 2.000 Euro an die Sieglinde
• Diese Zuwendung soll durch Rechtsgeschäft von Todes erfolgen und nicht als Rechtsgeschäft unter Lebenden
• Argument: Aufnahme der entsprechenden Anordnung in das Testament
• Es gibt verschiedene erbrechtliche Wege, auf denen Erika der Sieglinde diese 2.000 Euro zukommen lassen kann:
Erbeinsetzung mit entsprechender Quote, Anordnung
eines Vermächtnisses, Anordnung einer Auflage
Das Vermächtnis
Wirksame Vermächtnisanordnung Denkbar: Erbeinsetzung
• Erblasserwille muss gerichtet sein auf eine Erbeinsetzung
• Erika müsste Sieglinde neben anderen als Gesamtrechtsnachfolgerin in ihr Vermögen bestimmt, d.h. sie unmittelbar dinglich am Nachlass beteiligt haben
• § 2087 II BGB: Die Zuwendung einzelner Gegenstände ist im Zweifel kein Ausdruck eines auf eine Erbeinsetzung gerichteten Erblasserwillens
• Hier ist für einen abweichenden Willen der
Erika nichts ersichtlich
Das Vermächtnis
Wirksame Vermächtnisanordnung
Verbleibende Alternativen: Vermächtnis und Auflage
• § 1939 BGB: Der Erblasser kann durch Testament einem anderen, ohne ihn als Erben einzusetzen, einen Vermögensvorteil zuwenden (Vermächtnis)
• § 1940 BGB: Der Erblasser kann durch Testament den Erben oder einen Vermächtnisnehmer zu einer Leistung verpflichten, ohne einem anderen ein Recht auf die Leistung zuzuwenden
(Auflage).
• Das Vermächtnis verschafft dem Begünstigten einen eigenen Anspruch aus § 2174 BGB gegen den Schuldner
• Die Auflage verschafft ihm keinen solchen Anspruch gegen den mit der Auflage Belasteten
• Dort können lediglich die in § 2194 BGB Genannten die Beachtung der Auflage von dem Belasteten erzwingen
• Daraus folgt: Das Vermächtnis verschafft dem Empfänger die stärkere Position
• Will der Erblasser dem Begünstigten einen konkreten Vermögensgegenstand verschaffen, so ist im Zweifel die Anordnung eines Vermächtnisses gewollt
Das Vermächtnis
Wirksame Vermächtnisanordnung Wirksamkeit des Vermächtnisses
• Die Verfügung von Todes wegen, in der das
Vermächtnis enthalten ist, muss nach den für sie geltenden Regeln wirksam sein
• Hier: Eigenhändiges Testament gem. § 2247 BGB
• Problem: Wirksamkeit von Zusätzen unter das bereits fertiggestellte Testament
• Weitere Anhaltspunkt für eine Unwirksamkeit
gibt es nicht, insbesondere greifen für Mitarbeiter in Krankenhäusern nicht die heimrechtlichen
Verbote entsprechend § 14 HeimG a.F.
Das Vermächtnis
Gegenstand des Vermächtnisses
Fall 50 („Verschaffungsvermächtnis“)
Der verwitwete Erblasser Erich setzt seine beiden Kinder Tina und Stephan zu je ½ als Erben seines Vermögens ein.
Erich weiß, dass sich sein 14jähriger Enkel Nico sehnlich einen bestimmten „lebensgroßen“ Modellnachbau des Androiden R2D2 aus Star Wars wünscht, der knapp 10.000 Euro kostet und den ihm sein Vater Stephan nicht kaufen möchte. Da Erich ganz vernarrt in seinen Enkel ist verfügt er in seinem wirksam errichteten Testament weiterhin, dass Nico eine solche Figur bekommen solle, und zwar als Vermächtnis, damit er ein eigenes rechtliches Druckmittel gegen seinen Vater und seine Tante habe. Tatsächlich
findet sich in dem Vermögen des Erblassers Erich keine solche Figur.
Liegt eine wirksame Vermächtnisanordnung vor?
Das Vermächtnis
Gegenstand des Vermächtnisses Wirksame Vermächtnisanordnung
• Ziel des Erblassers: Der Begünstigte soll einen Vermögensvorteil in Form der Star-Wars-Figur bekommen
• § 2087 II BGB: Bei der Zuwendung einzelner Gegenstände im Zweifel keine Erbeinsetzung
• Das entspricht auch hier dem Erblasserwillen
• Auch ist ausdrücklich nicht lediglich eine
Auflage gewollt
Das Vermächtnis
Gegenstand des Vermächtnisses
Gegenstand des Vermächtnisses
• Entscheidendes Tatbestandsmerkmal in § 1939 BGB ist der Vermögensvorteil
• Verlangt der Vermögensvorteil nach einem Marktwert des Gegenstandes?
• Vermögensvorteil i.S.d. Vorschrift ist alles, was Gegenstand einer Leistung i.S.d. § 241 I BGB sein kann
• Erfasst sind: Eigentum an Sachen und Sachgesamtheiten,
Unternehmen, Gesellschaftsanteile, Forderungen, beschränkte dingliche Rechte, Dienstleistungen etc.
• Dementsprechend ist zur Erfüllung des Anspruchs aus § 2174 BGB das Eigentum zu übertragen, der Besitz einzuräumen, eine
Dienstleistung zu erbringen etc.
Das Vermächtnis
Gegenstand des Vermächtnisses Stück- und Gattungsvermächtnis
• Ebenso wie es im allgemeinen Schuldrecht die Unterscheidung zwischen Stück- und
Gattungsschuld gibt, so gibt es auch im Erbrecht die Unterscheidung zwischen Stück- und
Gattungsvermächtnis
• Das Stückvermächtnis ist dabei auf einen bestimmten einzelnen Gegenstand gerichtet
• Der Schuldner kann in diesem Fall den Anspruch aus
§ 2174 BGB nur erfüllen, indem er dem Gläubiger
des Vermächtnisses exakt diesen Gegenstand leistet
Das Vermächtnis
Gegenstand des Vermächtnisses
Stück- und Gattungsvermächtnis
• Beim Gattungsvermächtnis beschreibt der Erblasser den zu leistenden Gegenstand lediglich mit seinen
charakteristischen Merkmalen
• Der Schuldner des Vermächtnisses kann den Anspruch aus § 2174 BGB mit allen Gegenständen erfüllen, die diese charakteristischen Merkmale aufweisen
• § 243 I BGB: Im allgemeinen Schuldrecht hat der
Schuldner dabei eine Sache mittlerer Art und Güte zu leisten
• § 2155 BGB: Im Erbrecht sind stattdessen die Verhältnisse des Bedachten maßgeblich
• Hier: Gattungsstück aus Serienproduktion
Das Vermächtnis
Gegenstand des Vermächtnisses Zweck- und Wahlvermächtnis
• Eine genau bestimmte Bezeichnung des
Vermächtnisgegenstands ist nicht in allen Fällen erforderlich
• Wahlvermächtnis gem. § 2154 I 1 BGB: Der Erblasser kann ein Vermächtnis in der Art anordnen, dass der Bedachte von mehreren Gegenständen nur den einen oder den anderen erhalten soll.
• Zweckvermächtnis gem. § 2156 S. 1 BGB: Der Erblasser
kann bei der Anordnung eines Vermächtnisses, dessen
Zweck er bestimmt hat, die Bestimmung der Leistung
dem billigen Ermessen des Beschwerten oder eines
Dritten überlassen
Das Vermächtnis
Gegenstand des Vermächtnisses
Fehlende Zugehörigkeit zum Erblasservermögen
• Problem: Der Vermögensvorteil ist aus dem Erblasservermögen zu gewähren und es befindet sich dort keine solche R2D2-Figur
• Stückvermächtnis: Gem. § 2169 I Hs. 1 BGB ist die Zuwendung eines bestimmten Gegenstands, der zur Zeit des Erbfalls nicht Bestandteil des Nachlasses ist, unwirksam
• Das bedeutet: In diesem Fall bestehen weder der Anspruch aus
§ 2174 BGB noch Ansprüche nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht
• Aber: Nach § 2169 I Hs. 2 BGB kann sich etwas anderes aus dem abweichenden Erblasserwillen ergeben
• In diesem Fall spricht man von einem
„Verschaffungsvermächtnis“
Das Vermächtnis
Gegenstand des Vermächtnisses
Fehlende Zugehörigkeit zum Erblasservermögen
• Das Gattungsvermächtnis ist demgegenüber regelmäßig darauf gerichtet, dass der Schuldner dem Gläubiger einen Gegenstand der
beschriebenen Gattung besorgt
• Von einer Zuwendung aus dem Erblasservermögen kann man in diesen Fällen dennoch sprechen, weil der Schuldner sowohl bei dem Gattungs- als auch bei dem Verschaffungsvermächtnis den vermachten Gegenstand mit Mitteln aus dem Nachlass
beschaffen muss
• Problem: Wie geht man mit einer gattungsmäßigen Zuwendung um, die auf den Vorrat aus dem
Nachlass beschränkt ist?
Das Vermächtnis
Schuldner des Vermächtnisses
• § 1939 BGB nennt den Schuldner des Vermächtnisses nicht ausdrücklich
• Denkbar: Die Zuwendung des vermachten
Gegenstands erfolgt aus dem Nachlass, weshalb die Erben die Schuldner des Vermächtnisses sein
müssten, denn diesen ist der Nachlass nach dem Erbfall zugewiesen
• Tatsächlich kann der Schuldner eines Vermächtnisses nur eine Person sein, der der Erblasser etwas aus dem Nachlass zugewandt hat
• § 2147 BGB: Erbe oder Vermächtnisnehmer
• Problem: Wie kann ein Vermächtnisnehmer zum Vermächtnisschuldner werden?
Erblasser
Vermächtnisnehmer 1
Vermächtnisnehmer 2
§ 1939 BGB
§ 1939 BGB
§ 2174 BGB
§ 2174 BGB
Das Vermächtnis
Gläubiger des Vermächtnisses
• Das Vermächtnis wird wirksam mit dem Erbfall
• Gem. § 2176 BGB entsteht in diesem Zeitpunkt auch der Anspruch aus § 2174 BGB
• Begünstigter und Gläubiger ist die Person, die der Erblasser entsprechend bezeichnet hat
• Für den Fall des Vorversterbens des Bedachten gilt § 2160 BGB
• Für den noch nicht Geborenen gilt nicht § 1923 BGB, sondern § 2178 BGB
• Ebenso wie der Erbe die Erbschaft ausschlagen kann, kann gem. § 2180 BGB auch der Begünstigte eines Vermächtnisses das Vermächtnis ausschlagen
Die Auflage gem. §§ 1940, 2192 ff. BGB
• § 1940 BGB: Der Erblasser kann durch Testament den Erben oder einen
Vermächtnisnehmer zu einer Leistung
verpflichten, ohne einem anderen ein Recht auf die Leistung zuzuwenden (Auflage).
• Gegenstand einer Auflage kann alles sein, was Gegenstand einer Leistung i.S.d. § 241 I BGB sein kann
• Das auferlegte Verhalten kann einer
bestimmten Person zugutekommen, die aber dennoch keinen Anspruch darauf hat
• Es ist allerdings nicht erforderlich, dass es einen Begünstigten gibt