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Archiv "Frauenheilkunde in Großbritannien: Praktische und solide Weiterbildung" (12.09.1997)

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D

ie britische Weiterbildung in der Frauenheilkunde unter- scheidet sich in vielen Punk- ten von der deutschen. Nach einem zwölfmonatigen Dienst als House Officer, der mit dem deutschen AiP vergleichbar ist, mußten die Wei- terbildungskandidaten bislang ein Jahr in einem der Frauenheilkunde nahen Fach ihrer Wahl

(zum Beispiel Pädiatrie, Chirurgie, Allgemeinme- dizin, Radiologie) ablei- sten. Das „Wahljahr“

konnte zu jedem Zeit- punkt der Ausbildung ab- solviert werden. Eine weitere Vorgabe für die Weiterbildung war eine je zwöfmonatige Tätigkeit in Geburtshilfe und Gynäkologie. Mit der Ausbildungsnovelle von 1996 entfällt das Wahljahr sowie die bisher erforder- liche ausführliche schrift- liche Ausarbeitung eige-

ner Fälle und Kommentare. Letzteres soll künftig durch eine längere Ab- handlung eines Fachthemas der Wahl ersetzt werden. Gefordert sind außer- dem Kenntnisse in der Familienpla- nung, wozu eigens Kurse angeboten werden.

Die britische Prüfung besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil ist ein Mul- tiple-choice-Test über die naturwis- senschaftlichen Grundlagen der Frau- enheilkunde, der bereits vor Antritt der Weiterbildung absolviert werden kann. Voraussetzung für die Teilnah- me am zweiten Teil der Prüfung ist, daß die vorgeschriebenen Weiterbil- dungsabschnitte absolviert wurden.

Die Prüfung besteht aus einem schriftlichen, einem praktischen und

einem mündlichen Abschnitt. Im schriftlichen Examen müssen vier vorgegebene Aufsatzthemen (je zwei in Gynäkologie und Geburtshilfe) in- nerhalb von je einer Stunde ausgear- beitet werden. In Zukunft wird dieser Abschnitt durch mehrere schriftlich zu beantwortende Aufsatzfragen er- setzt werden. Außerdem sind klinisch

relevante Multiple-choice-Fragen zu beantworten. Das Ergebnis des schriftlichen Teils entscheidet über die Zulassung zu den weiteren Prü- fungsabschnitten, die etwa 10 Wochen danach stattfinden.

Praktische Ausbildung

Im praktischen Examen müssen von je einer gynäkologischen und ge- burtshilflichen Patientin der Aufnah- mestatus erhoben, eine körperliche Untersuchung vorgeführt und Fragen zum Fall beantwortet werden. Den Abschluß bildet der mündliche Ab- schnitt mit Fragen aus dem gesamten Fachgebiet.

Die Durchfallquote ist mit durch- schnittlich 60 bis 65 Prozent für deut- sche Verhältnisse erschreckend hoch.

Wird nur ein Abschnitt des zweiten Prüfungsteils nicht bestanden, muß der gesamte zweite Teil wiederholt werden. Die Zahl der Wiederholungs- möglichkeiten ist zwar unbegrenzt, je- doch ein kostspieliges Unterfangen, da für jeden neuen Ver- such eine saftige Prü- fungsgebühr zu entrich- ten ist. Nach bestande- nem zweitem Prüfungs- teil wird in einer feierli- chen Zeremonie der Titel MRCOG (Member of the Royal College of Obste- tricians and Gynaecolo- gists) verliehen.

Ein Grund, den Schritt auf die britische Insel zu wagen, kann die Aussicht auf eine umfassende und gute praktische Ausbil- dung sein. Bewerber, die eine Stelle als Senior House Officer (SHO) suchen, können sich direkt an ein Krankenhaus wen- den oder sich von einer Agentur vermitteln lassen. Üblicherweise wer- den die vakanten Stellen allerdings wöchentlich im British Medical Jour- nal ausgeschrieben (auch über das In- ternet zugänglich). In Großbritannien ist es üblich, daß der künftige Arbeit- geber gegen ein geringes Entgelt ein Zimmer im Personalwohnheim zur Verfügung stellt. Auf diese Weise ent- fällt die schwierige Wohnungssuche vor Arbeitsbeginn. Außerdem sind die Krankenhäuser, die zum Vorstel- lungsgespräch einladen, verpflichtet, sowohl Anfahrts- als auch Unterbrin- gungskosten innerhalb des Landes zu

erstatten. !

A-2320 (36) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 37, 12. September 1997

T H E M E N D E R Z E I T BLICK INS AUSLAND

Frauenheilkunde in Großbritannien

Praktische und solide Weiterbildung

Das Rutherglen Maternity Hospital in Glasgow verzeichnet rund 3 500 Geburten jährlich.

Eine längerfristige Weiterbildung in Großbritannien kann aufgrund der beson- deren Praxisorientierung und qualitativ hochwertiger Examina die Jobchancen auch auf dem deutschen Arbeitsmarkt verbessern. Dr. med. Ralf Schild hat knapp drei Jahre seiner Weiterbildung in Frauenheilkunde in Großbritannien absol- viert. Er beschreibt im folgenden seine Erfahrungen mit dem britischen System.

Ralf L. Schild

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Als Senior House Officer arbei- tet man in einer firm, die sich aus Con- sultant (Chefarzt), Registrar (Ober- arzt) und gegebenenfalls Senior Regi- strar (Leitender Oberarzt) zusam- mensetzt. Das Team wechselt im Re- gelfall alle sechs Monate. Ein halb- jährlicher oder jährlicher Wechsel des Krankenhauses gilt als selbstver- ständlich. Die Fluktuation ist groß, was den Vorteil bietet, daß mehrere

„Schulen“ durchlaufen werden. Ein SHO ist zuständig für die Aufnahme und Untersuchung der Patienten so- wie die allgemeine Stationsarbeit.

Der Aufgabenbereich ist mit dem ei- nes Assistenzarztes in Deutschland vergleichbar. Im Rutherglen Materni- ty Hospital in Glasgow existiert bei- spielsweise ein Schichtsystem, was be- dingt, daß die Assistenzärzte abwech- selnd je eine Woche im Kreißsaal, im Stationsdienst oder in der Poliklinik sowie eine Woche im Nachtdienst ar- beiten.

Operationskatalog füllt sich schnell

Die körperliche Untersuchung der Schwangeren steht in britischen Krankenhäusern wie dem Ruther- glen Maternity Hospital (RMH) mehr im Vordergrund als in vielen deutschen Kliniken. Nach einer Ein- gewöhnungsphase werden die SHOs meist zügig an operative Entbin- dungen herangeführt. Aufgrund der Zahl an Entbindungen (3 500 pro Jahr im RMH) füllt sich der Ope- rationskatalog rasch. Die Eingrif- fe beschränk-

ten sich nicht nur auf Kai- serschnitte, sondern bein- halteten auch Vakuum- extraktionen, Forzeps- und Beckenend- lagenentbin- dungen.

Nach Be- stehen des ersten Teils des britischen Fachexamens erhielt ich im

Victoria Infirmary und im RMH, bei- de in Glasgow, eine Stelle als Senior House Officer 3 (Funktionsoberarzt) in der Gynäkologie und Geburtshilfe.

In der Gynäkologie wechselte die

Tätigkeit zwischen Stationsdienst, Po- liklinik sowie ambulanten als auch stationären Operationen. Jede firm hatte eine eigene wöchenliche Opera- tionsliste für ambulante und stationä- re Patientinnen. Im Durchschnitt wurden pro OP-Tag zwei bis drei größere Operationen wie Hysterekto- mien und mehrere kleinere Eingriffe wie diagnostische Laparoskopien vor- genommen. Die Liste ambulanter Eingriffe konnte bis zu zehn Fälle aufweisen. Operiert wurde zusammen mit dem Consultant, der im Wechsel assistierte oder den Eingriff selbst vornahm.

Während der Zeit als Funktions- oberarzt bewarb ich mich um eine Re- gistrar-Stelle. Bei Bewerbungen be-

darf es der Angabe von zwei bis drei Referenzadressen, wobei mindestens eine Referenz vom Consultant des Krankenhauses stammen sollte, in dem man zum Zeitpunkt der Be- werbung tätig ist. Besteht Interesse von seiten der stellensuchen- den Abtei- lung, wird ei- ne vertrauli- che Beurtei- lung des Kan- didaten von den Refe- renzadressen angefordert.

Für jede aus- geschriebene Stelle gibt es nur einen Vorstellungstermin, zu dem mehrere Kandidaten eingeladen werden. Die Entscheidung wird unmittelbar nach Abschluß der Interviews gefällt und mitgeteilt.

Anerkennungsverfahren hat Haken und Ösen

Nach einigen Vorstellungsge- sprächen in London und Schottland erhielt ich eine auf drei Jahre befriste- te Registrar-Stelle, jeweils für 18 Mo- nate im District General Hospital in Luton und im Hammersmith Hospital in London. In Luton liegt die jährliche Geburtenrate bei 4 500 mit einer ver- gleichsweise hohen Zahl an operati- ven gynäkologischen Eingriffen. Die Arbeitsbelastung ist mit sieben bis acht Diensten im Monat bei einem stets geschäftigen Kreißsaal relativ hoch. Zudem ist Luton ein perinato- logisches Zentrum für die Region mit Zuweisungen von Hochrisikoschwan- gerschaften. Allerdings wird in Luton wie überall in Großbritannien der diensthabende Arzt nur bei geburts- hilflichen Problemen gerufen. Die überwiegende Mehrzahl der norma- len Geburten wird von Hebammen ohne ärztliche Präsenz geleitet.

Die britische Ausbildung ist sehr pragmatisch, bildgebende Verfahren und laborchemische Untersuchun- gen werden zurückhaltender als in A-2322 (38) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 37, 12. September 1997

T H E M E N D E R Z E I T BLICK INS AUSLAND

Bildgebende Verfahren werden in britischen Krankenhäusern in der Regel zurückhal- tender eingesetzt als in Deutschland.

Kreißsaal des Rutherglen Maternity Hospital Fotos (3): Rutherglen Maternity Hospital

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Deutschland eingesetzt. Die großen Patientenzahlen erlauben jedoch eine solide praktische Ausbildung. Ein Nachteil ist allerdings, daß das Fach Senologie nicht Ausbildungsgegen- stand in der Frauenheilkunde ist, son- dern der allgemeinen Chirurgie zuge- ordnet wurde. Diese Erfahrungen müssen in der Regel bei einer Rück- kehr nach Deutschland dort erworben werden. Nach Vorlage aller Tätigkeits- nachweise wird die englische Ausbil- dung in Deutschland ohne Probleme angerechnet. Zulassungsbedingung für die Gebietsarztprüfung ist aller- dings, daß mindestens ein Jahr in einer deutschen Frauenklinik gearbeitet wurde. Innerhalb der Europäischen Union besteht jedoch bei der gegen- seitigen Anerkennung des Facharztti- tels noch Nachholbedarf. Das briti- sche Membership-Examen wird nicht als Äquivalent zum deutschen Fach- arzt eingestuft. Als gleichberechtigt anerkannt ist nur das CCST (Certifica- te of Completion of Specialist Trai- ning), das man nach neuer britischer Regelung erst nach fünf Jahren Tätig- keit als Specialist Registrar erhält. Der Haken ist, daß man mit dem CCST im Vergleich zum deutschen Gebietsarzt wesentlich qualifizierter ist und sich damit bereits für einen Consultant-Po- sten in Großbritannien bewirbt.

Trotz aller Vorzüge des briti- schen Systems muß vor allzu über- triebenen Vorstellungen über die Weiterbildung in Großbritannien ge- warnt werden. Kurzfristige Abstecher in ein britisches Krankenhaus, um seinen Operationskatalog auf die Schnelle aufzustocken, sind zum Scheitern verurteilt. Wer richtig zum Zuge kommen will, sollte länger als sechs oder besser zwölf Monate im Land bleiben. Wer sich außerdem den Mühen der britischen Examina unter- wirft, verbessert seine Chancen auf ei- ne gute Anstellung und damit bessere Ausbildung immens.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1997; 94: A-2320–2323 [Heft 37]

Anschrift des Verfassers

Dr. Ralf L. Schild, MRCOG Roermonder Straße 117 52072 Aachen

A-2323 Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 37, 12. September 1997 (39)

T H E M E N D E R Z E I T BLICK INS AUSLAND

Nach jahrelangen Auseinander- setzungen wurde Ende Juni in Deutschland ein Transplantationsge- setz verabschiedet. Dabei sprachen sich die Abgeordneten mehrheitlich für die sogenannte erweiterte Zustim- mungslösung aus: Eine Organentnah- me ist dann zulässig, wenn der Ver- storbene zu Lebzeiten eingewilligt hat oder, falls keine derartige Zustim- mung vorliegt, die gesetzlich be- stimmten Angehörigen nach dem

mutmaßlichen Willen des Verstorbe- nen entscheiden. Etwa zwei Drittel der Abgeordneten hatten sich außer- dem für das „Hirntodkonzept“ ent- schieden. Danach ist das Kriterium für den Tod eines Menschen der voll- ständige, nicht behebbare Ausfall al- ler Hirnfunktionen. Die Feststellung des Todes haben weltweit alle Staaten für eine Organentnahme vorgeschrie- ben. In den meisten europäischen Staaten ist der Hirntod als sicheres Todeszeichen festgeschrieben.

In einigen Ländern ist die soge- nannte Widerspruchslösung gesetz- lich verankert. Organe dürfen dann nicht entnommen werden, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten dies aus- drücklich verweigert hat.

Nach der sogenannten Informa- tionslösung ist der Eingriff dann zulässig, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten eingewilligt hat. Er ist un- zulässig, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten widersprochen hat. Liegt

keine Erklärung vor, ist die Entnah- me zulässig, wenn ein Arzt die näch- sten Angehörigen über die geplante Entnahme informiert und diese in- nerhalb einer „angemessenen Frist“

nicht widersprechen.

Kein europäischer Staat hat die sogenannte enge Zustimmungs- lösung gesetzlich verankert, wonach für eine Organentnahme die aus- drückliche Zustimmung des potenti- ellen Spenders zu Lebzeiten erfor-

derlich ist. Kli

Tabelle

Kein Gesetz

Kein Gesetz; praktiziert wird die erweiterte Zustimmungslösung Notstandslösung

Verordnung wird vorbereitet

Vorläufiger Erlaß des Sozialministeriums;

Kommission entscheidet über Entnahme Widerspruchslösung (teilweise mit zentralem Register)

Widerspruchslösung mit Einspruchs- recht der Angehörigen

Informationslösung

Informationslösung, Angehörige sollen im Zweifelsfall befragt werden Erweiterte Zustimmungslösung

Unterschiedliche Regelungen

Albanien, Kroatien, Rumänien, Ukraine Irland, Litauen, Malta

Bulgarien Moldawien Estland

Luxemburg, Österreich, Polen, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn Belgien (mit zentralem Register), Finnland, Italien, Rußland

Frankreich, Lettland, Liechtenstein, Norwe- gen, Schweden

Zypern

Dänemark, Griechenland, Großbritannien, Jugoslawien (Serbien und Montenegro), Niederlande, Türkei, Weißrußland Schweiz (je nach Kantonen)

Regelung der Organspende in Europa

Quelle: SPD-Bundestagsfraktion

Organspende in Europa

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