A-3082 (14) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 47, 22. November 1996
Kunstband
Verhüllt
Christo & Jeanne-Claude:
Verhüllter Reichstag, Berlin, 1971–1995.Benedikt Taschen Verlag, Köln, 1996, 700 Sei- ten, 1 313 Abbildungen, kar- toniert, 499,95 DM
Dem von den Künstlern und dem Projektleiter und Fotografen Wolfgang Volz numerierten und handsi- gnierten Buch liegt ein Ori- ginalstück des Verhüllungsge- webes bei.
Ein Jahr nach der anfangs umstrittenen, später aber um- jubelten Verhüllung des Reichstags in Berlin erschien das Buch, das die-
ses lang geplante Projekt dokumen- tiert und von Chri- sto selbst gestal- tet wurde. Nach langjährigen Be- mühungen von Christo und Jeanne- Claude und den Befürwortern des Projektes wurde die Verhüllung des Reichstagsgebäudes am 24. Juni 1995 mit Hilfe einer
„Mannschaft“, be- stehend aus 90 Gewerbekletterern und 120 Montage-
arbeitern, vollendet. Der Reichstag blieb für 14 Ta- ge verhüllt. Zehn Firmen in Deutschland begannen im September 1994 damit, die Materialien herzustellen.
100 000 Quadratmeter Gewe- be mit einer aluminisierten Oberfläche und 15 500 Meter blaues Propylenseil wurden für die Verhüllung eingesetzt.
Die Geldmittel, die für dieses Projekt nötig waren, wurden durch den Verkauf von Vor- studien, Zeichnungen, Litho- graphien, Collagen und Mo- dellen allein von Christo und Jeanne-Claude aufgebracht, die darauf bestehen, für ihre Projekte keinerlei öffentliche oder private Mittel einzu- setzen. Dies wird alles in dem Projektbuch von Christo und Jeanne-Claude mit ein-
drucksvollen, zum größten Teil farbigen Bilddokumen- ten belegt.
Es zeigt nicht nur das Zu- standekommen des Projektes über alle Hürden der demo- kratischen Bürokratie hin- weg, zeigt nicht nur auf an- schauliche Weise die einzel- nen Schritte der Planung und des Aufbaus, sondern stellt ganz besonders eindrucksvoll dar, was dieses Projekt in der Stadt Berlin, in Deutschland und vor allem in den Men- schen, die sich von diesem Kunstwerk angezogen fühl- ten, bewirkt hat und für sie bedeutet. Künstlerische Fo- tos des verhüllten Reichstags aus allen nur denkbaren Per- spektiven und in unvorstell-
bar unterschiedlichen Be- leuchtungen, deren Wahrneh- mung das speziell für diese Verhüllung entwickelte Ge- webe ermöglicht und ver- stärkt, wechseln ab mit priva- ten und intimen Stimmungs- bildern, die die Menschen zei- gen, wie sie das Kunstwerk erleben.
Es macht Spaß, in diesem Dokument eines künstleri- schen Wollens und Könnens zu blättern, sich in die einzig- artigen vierzehn Tage in Ber- lin hineinzuversetzen, das verhüllte Gebäude aus allen erdenklichen Blickwinkeln und zu allen möglichen Ta- geszeiten anzusehen . . . und dabei stellt sich sogar ein we- nig das Gefühl ein, dabeige- wesen zu sein.
Klaus Fröhlich, Köln
S P E K T R U M BÜCHER
Foto: Benedikt Taschen Verlag