SPEK TRUM LESERBRIEFE
Stillen
Zu dem „Seite eins"-Beitrag „Und bist Du nicht willig... „ von Sabine Dauth in Heft 9/1995 und stellvertre- tend für eine Vielzahl ähnlicher Brie- fe:
Kein Opfer
Es gibt nichts Schöneres im Leben einer Frau, als ein Kind zu stillen. Die Vorstel- lung, daß alles, was das Kind bekommt, von ihr selbst ist, macht jede Mutter stolz und glücklich. Seit der Mensch besteht, wurden Kinder ge- stillt, und dieser natürlichste Vorgang wurde von den Still- gegnern binnen eines Jahr- zehnts zerstört. Ich beglück- wünsche die Frauenklinik Leipzig zu diesem überfälli- gen Schritt und hoffe, daß andere Kliniken folgen wer- den.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, der Stillwillen der Mutter ist ungebrochen, aber es gehört Durchsetzungskraft dazu, den Stillgegnern zu wi- derstehen.
Stillen ist kein Opfer. Stil- len ist ein Geschenk Gottes, das man den Müttern „gön- nen" und sie dabei unterstüt- zen sollte, anstatt sie im Leit- artikel des DÄ lächerlich zu machen. Als „emanzipierte"
Frau bin ich stolz darauf, meine Kinder gestillt zu ha- ben, und als Ärztin täglich in- tensiv bemüht, auch anderen Müttern zu einem glückli- chen Stillerlebnis zu verhel- fen.
Dr. med. Claudia Steiger- wald, 54589 Stadtkyll/Eifel
Unkenntnis
Leider spricht der anson- sten gut gemeinte Artikel in der letzten Spalte von der Unkenntnis der Autorin.
Nicht nur durch Aufrufe von Unicef und durch die WHO, sondern auch in EG-Richtli- nien, die fast vollständig in die deutsche Gesetzgebung aktuell übernommen wur- den, wird gefordert, daß Frauen im Wochenbett nicht mit Werbung und Pro-
bepäckchen von Mutter- milchersatznahrungsherstel- lern konfrontiert werden.
Es ist kein Willkürakt der Universitätsfrauenklinik Leipzig, sondern Bedingung zur Erlangung des Zertifika- tes „Babyfreundliches Kran- kenhaus". Weltweite Erhe- bungen haben ergeben, daß Frauen, die nach der Geburt Proben geschenkt bekom- men, bei Stillproblemen leichter zur Flasche greifen und damit das Abstillen ein- leiten.
In der dritten Welt kostet diese Praxis jährlich einer Million Babys das Leben. Bei uns ist es immerhin die Ge- sundheit der Kinder, die durch möglichst langes Stillen besser wird.. .
Ines Brock, IRIS-Regenbo- genzentrum, Schleierma- cherstraße 39, 06114 Halle
Titel macht mich stolz
. . . Mich erfüllt die Nach- richt vom Titel „Babyfreundli- ches Krankenhaus" für die Frauenklinik der Leipziger Universität mit Stolz. Hatte ich doch vor etwa fünf Jahren, beim Abschluß meines Medi- zinstudiums an der Leipziger Uni, von solcher Entwicklung nicht zu träumen gewagt! Wä- re es nicht Grund, einen Arti- kel über die Inhalte der Initia- tive von WHO und Unicef zu veröffentlichen, anstatt eine Diskreditierung derselben vorzunehmen? Zu deren Min- destanforderungen gehört es, keine kostenlosen oder ko- stengünstigeren Muttermilch- ersatzprodukte zu erhalten, zu verteilen oder in sonstiger Weise dafür zu werben, da diese Praktiken ein Stillpro- gramm negativ beeinflussen können.
Die Uni Leipzig setzt dies exakt und konsequent um, in- dem sie keine Probepackun- gen und Plakate mehr ein- setzt. Übrigens ist es inzwi- schen zum Glück auch in Deutschland per Gesetz ver- boten, im ersten Lebensjahr- drittel (bis vollendetem vier- ten Monat) Muttermilcher- satzprodukte an die Frau zu
bringen. Dies ist dem Um- stand geschuldet, daß nur durch zum Teil aggressive Vermarktung die Flaschen- ernährung über Jahrzehnte in unserer Gesellschaft dominie- ren konnte. Meine Meinung:
Wer nicht stillen will, sollte nicht dazu gezwungen wer- den. Dies hat mit dem Werbe- verbot aber absolut nichts zu tun! Was Sie, werte Frau Dauth, fordern, ist materielle, zu Großteilen überflüssige Verblendung und Verunsiche- rung der Frauen zuungunsten hervorragender Bedingungen in der Stillförderung, welche in Deutschland erwiesener- maßen ihresgleichen suchen.
Susanne Stadelmann, prakt.
Ärztin, Stillberaterin, 02708 Löbau
Förderwürdig
Da ärgern wir uns nun ständig über die nie versie- gende Flut von Werbung in- Form von Papiermassen, so- genannten „Geschenken", Plakaten usw., aber wenn endlich mal vom Gesetzgeber eine gewisse Beschränkung verordnet wird beziehungs- weise wenn eine Klinik ver- antwortungsbewußt hier noch etwas weiter geht, ist es anscheinend auch wieder nicht recht.
Dabei ist erwiesen, daß die Stillhäufigkeit und -dauer um so geringer ist, je mehr in der betreffenden Geburtskli- nik für Industrienahrung ge- worben wird. Wenn die Wer- bung außen vor bleiben muß und somit auch nicht die Müt- ter beeinflussen kann, heißt das ja noch lange nicht, daß nicht auch Ersatznahrung be- reitgehalten wird. Ohne In- dustriewerbung, die nie um- fassend informieren will, ist die Entscheidungsfreiheit si- cher größer. Stillen ist eben nicht nur eine „Mode" (Zi- tat), sondern im Sinne der Kinder- (und Mütter-)Ge- sundheit förderwürdig.
Ihren Sarkasmus können Sie sich für geeignetere Ziele aufsparen.
Dr. med. Hildegard Bergler, Franz-Mörtl-Straße 7, 92637 Weiden
Transplantation
Zu dem „Seite eins"-Beitrag „Nieder- ländische Lösung" in Heft 10/1995:
Vorschlag:
Zusatzversicherung ...
Hier bietet sich meiner Meinung nach die Möglich- keit, zu einer Lösung zu kom- men: Die gesetzlichen Kran- kenkassen bieten zur Pflicht- versicherung zwei unter- schiedliche Zusatzversiche- rungen an, die beide mit we- nigen Mark monatlich abge- deckt sein könnten.• Der Versicherte versi- chert sich auch für einen Transplantationsempfang und verpflichtet sich im Gegenzug, als Spender nach seinem Able- ben zur Verfügung zu stehen.
• Der Versicherte möchte nur eine Transplantation in Anspruch nehmen, nicht aber als Spender dienen.
Beide Zusatzversicherun- gen müßten aus der Versi- chertenkarte ersichtlich sein und könnten somit als aktuel- le Willensäußerung des Versi- cherten aufgefaßt werden.
Regelungen für Kinder müß- ten über die Eltern möglich sein, für Sozialhilfeempfän- ger entscheidet das Sozial- amt. Der Vorteil dieses Vor- gehens liegt auf der Hand:
Ein wesentlicher Teil der Transplantationskosten wäre somit abgedeckt, Kosten für Spenderorgane würden ge- ringer werden, da diese ver- mehrt zur Verfügung stün- den, und man hat die Wil- lensäußerung des Verstorbe- nen.
Was aber geschieht mit denen, die die Zusatzversi- cherung ablehnen? Sie geben damit zu erkennen, daß sie diese teure Therapiemöglich- keit für sich nicht in An- spruch nehmen wollen. Soll- ten sie in einer eventuellen Notsituation die Meinung da- zu ändern, müßten sie eben einen Teil der Kosten selber tragen — was ihnen darüber hinaus die Frage klarer macht, wieviel ihnen ihr Le- ben noch wert ist.
Dieter Krauss, Kriegerstraße 31, 53359 Rheinbach A-1206 (8) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 17, 28. April 1995