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Archiv "Extrem wenige Fälle" (01.02.2013)

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68 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 5

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1. Februar 2013

M E D I Z I N

DISKUSSION

zu dem Beitrag

Euthyreote Struma mit und ohne Knoten – Diagnostik und Therapie

von Prof. Dr. Dr. med. Dagmar Führer, Prof. Dr. Dr. med. Andreas Bockisch, Prof. Dr. med. Kurt Werner Schmid in Heft 29–30/2012

Große Herausforderung

Nach den angegebenen Prävalenzen leben in Deutsch- land circa 16 Millionen Menschen mit Schilddrüsen- knoten. Trotz leicht fallender Tendenz kommen auf einen Hausarzt knapp unter 300 Betroffene. Diese Situation stellt eine große Herausforderung für alle Allgemeinmediziner und hausärztliche Internisten dar.

Rationale Handlungsstrategien lassen sich allerdings nur entwickeln, wenn dabei auch Erkenntnisse aus der klinischen Epidemiologie berücksichtigt werden.

Wir befinden uns nämlich in einem Dilemma: Die Suche nach klinisch relevanten Schilddrüsenmaligno- men gestaltet sich ähnlich wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Weder die Labordiagnostik noch die (op- timierte) Schilddrüsen-Sonographie noch die Szintigra- phie noch die Feinnadelbiopsie sind selbst bei exzellen- ter Technik und damit einhergehender hoher Sensitivität und Spezifität geeignet, effizient Schilddrüsenmali - gnome zu diagnostizieren. Denn aufgrund deren geringer Prävalenz und ihrer uneinheitlichen Darstellung in den bildgebenden Verfahren bleiben – und das ist das Ent- scheidende – die positiven Vorhersagewerte für die Schilddrüsenmalignome auch nach einer Feinnadelaspi- rationszytologie viel zu niedrig: Auf jedes operierte Schilddrüsenmalignom kämen etwa 50 Patienten, die unnötigerweise operiert würden (1).

Was also tun? Der Verzicht auf eine Diagnostik, die über eine spezifische Anamnese und klinische Untersu- chung hinausgeht – in den USA bereits diskutiert (2) – ist zweifellos ein provozierender Gedanke. Wir sollten jedoch nicht unterschätzen, dass die im Artikel erwähn- ten Interventionen bereits quantitativ und qualitativ bedeutsame iatrogene Schäden verursachen (3). Ein Umdenken beim Umgang mit Patienten mit Schilddrü- senknoten ist daher angesagt und führt zu einem völlig anderen Schluss als im Artikel empfohlen. Sinnvoll wäre:

Gefährdungswahrscheinlichkeiten transparent darstellen, Chancen und Risiken medizinischer Maßnahmen abwä- gen und gemeinsam eine Entscheidung treffen.

DOI: 10.3238/arztebl.2013.0068a

LITERATUR

1. Schicha H, et al.: Should all patients with thyroid nodules ≥ 1 cm un- dergo fine-needle aspiration biopsy? Nuklearmedizin 2009; 48:

79–83.

2. Cronan J: Thyroid Nodules: Is it time to turn off the US machines?

Radiology 2008; 247: 602–4.

3. Liel Y, Fraenkel N: Brief report: Use and misuse of thyroid ultrasound in the initial workup of patients with suspected thyroid problems re-

Extrem wenige Fälle

Ein CME-Artikel (1) sollte heutzutage eine evidenzba- sierte Orientierung geben. Dies ist hier oft nicht gege- ben. Ein Beispiel: Bei jeder knotigen Struma soll eine Calcitoninbestimmung zur Detektierung der seltenen, aber bösartigeren medullären Carcinome (MTC) – 7 % aller – durchgeführt werden.

In Deutschland gibt es 5 350 Schilddrüsenkarzino- me/Jahr (RKI 2010); davon also 400 MTC-Fälle. Es versterben am Karzinom 780 pro Jahr, darunter 250 aufgrund des MTC. Dies sind extrem wenige Fälle im Vergleich zu anderen verhinderbaren Todesursachen.

400 „MTC- Fälle“ stehen rund 10 Millionen Men- schen mit Knotenstruma (KS) (20 % der Erwachsenen) gegenüber, die alle eine Calcitonin-Bestimmung erhal- ten sollen. Dies entspricht 1 MTC-Patient zu 25 000 mit KS. Führt man Untersuchungen mit so ungünstigen Relationen von Untersuchten zu Betroffenen durch, dann kommt es – anders als bei gezielter Diagnostik – immer zu mehr falsch- als richtig-positive Befunden.

Das bedeutet: Herrmann et al. (2) finden in ihren deutschen Studien eine Häufigkeit des MTC von 0,2 %;

vergleichbar international (3). Bei einer Spezifität der Calcitoninbestimmung von 95 % und 100 % Sensitivi- tät (3) errechnet sich eine positive prädiktive Wertigkeit von 4 %. Das heißt aufgrund eines positiven Calcito- nintests – selbst bei Zusatzeinsatz eines Pentagastrin- tests – würden 25 Personen operiert, um einem viel- leicht zu helfen. Operiert werden muss, da CT und Feinnadelpunktion unsicherer als der Calcitonintest sind, also nicht zum Ausschluss dienen.

All dies wird nicht problematisiert, sondern wider in- ternationaler Sicht (3, 4) wird der Test zur Routine emp- fohlen. Nun könnte man meinen, dass es jedem überlas- sen ist, eine „Empfehlung“ auszusprechen. In einem cme-Beitrag hat eine Empfehlung aber eine Verbind- lichkeit, die nicht zu unterschätzen ist – und hier gefähr- lich werden kann. DOI: 10.3238/arztebl.2013.0068b LITERATUR

1.Führer D, Bockisch A, Schmid KW: Euthyroid goiter with and without nodules—diagnosis and treatment. Dtsch Arztebl Int 2012;

109(29–30): 506–16.

2. AACE/AME/ETA: Thyroid Nodule Guidelines, Endocr Pract 2010;

16(Suppl 1).

ferred by primary care physicians to an endocrine clinic. J Gen intern med 2005; 20: 766–8.

4. Führer D, Bockisch A, Schmid KW: Euthyroid goiter with and without nodules—diagnosis and treatment. Dtsch Arztebl Int 2012;

109(29–30): 506–16.

Dr. med. Armin Mainz

Hausarzt/Facharzt für Innere Medizin, Korbach, dr.mainz@docduo.de Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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Deutsches Ärzteblatt

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1. Februar 2013 69

M E D I Z I N

Aussagefähigkeit der Prävalenzwerte

Mit Blick auf die hausärztliche Versorgung von Pa- tienten mit euthyreoter Struma und basierend auf un- seren Rechercheerfahrungen bei der Bearbeitung der DEGAM-Leitlinie „Schilddrüsenerkrankungen in der Hausarztpraxis“ möchten wir auf folgendes hinwei- sen:

Erstaunt beobachten wir, wie seit einigen Jahren die Papillon-Studie in deutschen wissenschaftlichen Artikeln zur Angabe von Prävalenzwerten zu Struma und Schilddrüsen-Knoten für die deutsche Bevölke- rung zitiert wird.

Völlig unreflektiert bleibt die Frage zur Aussagefä- higkeit dieser Prävalenzwerte für die deutsche Bevöl- kerung. Betrachtet man zum Beispiel die Auswahl der Studienteilnehmer (freiwillige Teilnahme „Werktäti- ger“, die selbst angaben, noch keine SD-bezogenen Vorbefunde zu haben), ist von einem hohen Selekti- onsbias auszugehen. Diese Prävalenzwerte sind nicht repräsentativ für die deutsche Bevölkerung.

Die meisten Strumen sind asymtomatisch. Müssen alle Personen mit asymptomatischen Veränderungen der SD (meist Zufallsbefunde) weiteren diagnosti- schen/therapeutischen Maßnahmen zugeführt wer- den? Oder reicht „wait and watch“ aus – umfassende Aufklärung der Patienten vorausgesetzt?

Erwähnt werden sollte, dass das Schilddrüsenkarzi- nom eine seltene Erkrankung ist. Geschätzte alters- standardisierte SD-Karzinominzidenzen betragen laut RKI 3,1/100 000 Männer und 6,3/100 000 Frauen (1).

Die überwiegende Mehrheit der SD-Veränderungen ist benigner Genese (23).

Vor dem Hintergrund sehr geringer Inzidenzwerte stellt sich die Frage nach der Effektivität weiterfüh- render diagnostischer Maßnahmen, insbesondere bei asymptomatischer euthyreoter Struma. Die Vorhersa- gekraft ist – bedingt durch sehr geringe Prävalenzwer- te insbesondere im hausärztlichen Setting – zu gering.

Die DEGAM-Leitlinie zu Schilddrüsenerkrankun- gen wird basierend auf diesem Wissensstand Haus- ärzte zu einem verantwortungsvollen „wait and watch“ bei asymptomatischen Schilddrüsenverände- rungen (immer abhängig von klinischer Symptoma- tik und Patientenwunsch und umfassende Aufklä- rung vorausgesetzt) aufrufen.

DOI: 10.3238/arztebl.2013.0069b

Sensitivität und Spezifität schlecht

Ein cme-Artikel (1) im Ärzteblatt lässt erwarten, dass sein Inhalt gesicherte Erkenntnis wiedergibt. Der Artikel von Führer et al. wird diesem Anspruch eindeutig nicht ge- recht. Sie postulieren, bei jedem Schilddrüsenknoten solle zumindest einmalig eine Szintigraphie durchgeführt wer- den. Sensitivität und Spezifität dieser Untersuchung hin- sichtlich von Malignomen sind schlecht (2, 3). Der Ein- druck einer ungerechtfertigten Überdiagnostik (es handelt sich um den massenhaften Umgang mit radioaktivem Material!) liegt nahe. Die Empfehlung, bei jedem Patien- ten mit Knotenstruma das Calcitonin zu bestimmen, ist vorsichtig gesagt umstritten. Diese Empfehlung mag für eine endokrinologische Fachambulanz stimmen. Für die Hausarztpraxis mit ihrer geringen Inzidenz von Schild- drüsenmalignomen kommt sie definitiv einer Überdiag- nostik gleich. Auch die Empfehlung, Schilddrüsen-Anti- körper zu bestimmen, wird – vor allem hinsichtlich der Handlungsrelevanz des Ergebnisses – nicht genügend be- legt. Schließlich wird die Kombination aus Jod und Thy- roxion empfohlen. In der zitierten LISA-Studie (4) wur- den Jodid und L-Thyroxin einzeln sowie in Kombination im Vergleich zu Placebo untersucht. Die behandelten Knoten waren 1,47–1,96 mL groß. Die gepriesene relati- ve Größenreduktion um 17,3 % entsprach also einer abso- luten um 0,25 bis 0,33 mL – eine völlig irrelevante Grö- ßenordnung. Das Schilddrüsenvolumen von 18,2–18,8 % nahm absolut um 1,5 mL ab, ebenfalls irrelevant.

Klinisch relevante Endpunkte wie OP-Frequenz oder Entstehen einer Thyreotoxikose wurden nicht unter- sucht. Die im Artikel gegebene Empfehlung wird durch diese Studie nicht gesichert. Einen solchen mit derart zahlreichen, nicht durch Evidenz gesicherten Empfeh- lungen zur Maximaldiagnostik und -therapie angerei- cherten CME-Artikel als CME-Beitrag im Ärzteblatt zu veröffentlichen, suggeriert meines Erachtens unge- rechtfertigterweise, dass es sich hierbei um den aktuel- len Goldstandard handelt. DOI: 10.3238/arztebl.2013.0069a

LITERATUR

1. Führer D, Bockisch A, Schmid KW: Euthyroid goiter with and without nodules—diagnosis and treatment. Dtsch Arztebl Int 2012;

109(29–30): 506–16.

3. Daniels GH: Screening for medulalary thyroid carcinoma with serum calcitonin measurments in patients with thyroid nodules in the US and Canada. Thyroid 2011; 21: 1199–207.

4. Herrmann BL, Schmidt KW, Goerges R, et al.: Calcitonin screening and pentagastrin testing: predictive value for the diagnosis of medul- lary carcinoma in nodular thyroid disease. Eur J Endoc 2010; 162:

1141–5.

Prof. Dr. med. Heinz-Harald Abholz

Institut für Allgemeinmedizin, Heinrich-Heine-Universität-Düsseldorf Abholz@med.uni-duesseldorf.de

Elizabeth Bandeira-Echtler, Cochrane Group für Metabolic and Endocrine Disorders, Heinrich Heine-Universität-Düsseldorf Prof. Dr. Johannes Köbberling, Wuppertal

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

2. Procopiou M: Wann und wie muss ein Schilddrüsenknoten abgeklärt werden? Therapeutische Umschau 2011; 68: 285–9.

3. Cronan J: Thyroid Nodules. Is it time to turn off the US machines?

Radiology 2008; 247: 602–4.

4. Grußendorf M, Reiners C, Paschke R, Wegscheider K: Reduction of thyroid nodule volume by Levothyroxine and Iodine alone and in combination: A randomized, placebo-controlled trial. J Clin Endocri- nol Metab 2011; 96: 2786–95.

Dr. med. Günther Egidi

Arzt für Allgemeinmedizin, Bremen, familie-egidi@nord-com.net Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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