FRAGMENTE
Neues Museum in Damaskus
Ende Oktober 1979 wurde in Da- maskus ein für das Publikum zu- gängliches Medizingeschichtli- ches Museum eröffnet. Die Schausammlungen sind in ein- zelnen Räumen um einen mauri- schen Innenhof gegliedert; sie zeigen Originale, Nachbildungen und Abbildungen arabischer und europäischer Medizin aus mehre- ren Jahrhunderten. Die kleine Sammlung ist auf einem Grund- stück untergebracht, das wäh- rend der Kreuzfahrerzeit als Hos- pital diente und dann bis zum Umzug in das heute von Dr. Walid Fahham geleitete Duba-Ibusinna- Hospital Geisteskranke beher- bergte. Die Räume, der Innenhof, die wunderschönen geschnitzten Holztore sind renoviert. Mit viel Liebe und mit dem Einsatz nicht unerheblicher Mittel hat die Ge- schichtspflege des syrischen Staates hier einen weiteren inter- essanten Ort geschichtlicher An- schauung und Lehre geschaffen, wohl eingegliedert in die sehr kontinuierlichen Bemühungen, religions-, kunst- und sozialge- schichtlich Wichtiges in Damas- kus zu erhalten, zu pflegen und zu restaurieren. D.
Der Innenhof des jetzigen Medi- zinhistorischen Museums in Damas- kus war in der Zeit der Nutzung als Psychiatrische Anstalt der Hauptauf- enthaltsraum der Patienten; in der arabischen Welt wurden Geisteskran- ke zu keiner Zeit wie Gefangene oder gar in Ketten gehalten, vielmehr wur- de das Maß ihrer Bewegungsfreiheit immer ihrem Krankheitszustand an- gepaßt Bildarchiv des Verfassers Aufsätze • Notizen
Maria Theresia und ihre Zeit
van SWietens Hilfe, wegen ihrer ro- busten Gesundheit und eisernem Willen" noch einmal genas; die ver- krüppelte Älteste, deren Los das Stift wurde, konnte ebensowenig ge- sund gemacht werden wie der im- mer mehr der Lethargie und Fett- sucht verfallende Kaiser oder die aufgrund der vielen Geburten mit al- lerlei Übeln behaftete wassersüchti- ge Kaiserin.
Aber Hilfsmittel, Linderung gab es, unzählige höllische Mixturen, Sal- ben, Tees, Pasten oder Schröpfköp- fe, auf deren Herstellung oder An- wendung sich niemand besser ver- stand als der Leibarzt aus den Nie- derlanden, der völliges Vertrauen genoß. Der Dank ließ nicht lange auf sich warten: Maria Theresia machte ihn bald schon zum ständigen Präsi- denten der medizinischen Fakultät in Wien, zum Vorsteher der Kaiserli- chen Bibliothek, zum Direktor des ganzen Medizinalwesens der Kaiser- lichen Staaten, als deren Reformator er anzusehen ist und als Begründer der „älteren Wiener medizinischen Schule". Gelehrte Gesellschaften in ganz Europa rechneten sich seine Zugehörigkeit zur Ehre an. 1772 ver- starb Doktor van Swieten, in Schön- brunn, wo auch die kaiserliche Großfamilie den größten Teil des Jahres verbrachte, hoch geachtet wegen seiner um die neuere Medizin und Arzneikunde erworbenen Ver- dienste.
Neben seinen Büchern und schriftli- chen Anweisungen, allerlei für die häusliche Krankenpflege benötigten Gerätschaften, neben zahllosen Sti- chen, Zeichnungen, Aquarellen und Ölgemälden, neben den — dem Stil jener Zeit entsprechend — rein aufs Dekorative gerichteten, etwas in- haltslosen Porträts und Familienbil- dern des Hofmalers Martin van Mey- tens, neben Urkunden und Briefen, persönlichen, geschäftlichen und politischen, Bauskizzen und -plänen finden sich in der Schönbrunner Ausstellung eine Fülle persönlicher Dinge der Kaiserin, ihrer Töchter und Söhne, als Leihgaben: Näh- und Schmuckschatullen, Spielkästen, Porzellan- und Figurensammlungen, Handarbeiten, Schmuck, Kleider,
Spitzen, Toilettenartikel und Döjeu- ners sowie Notenblätter und -bü- cher, Rollenbücher und allerlei Schriftliches an Anweisungen für die Theaterabende im Schloß, an de- nen die größeren Kinder oft selbst mit auftraten.
Reizend die mühsam und mit sichtli- cher Unlust vollgekritzelten Schul- hefte der kleinen Maria, die -zigmal
„Kaysserin" üben sollte (sie schrieb übrigens auch als alte Dame kaum besser!), die zärtlichen Briefe an den Bräutigam, die mütterlich-besorgten an die leichtsinnige Amalia mit dem schwachsinnigen Ehegatten, die Putz und Amüsement über alles lie- bende Antoinette, die als Königin von Frankreich so grausam endete, die tapfere kleine Karoline in der ihr aus politischen Gründen aufge- zwungenen italienischen Ehe. Es fehlt auch nicht die handgeschriebe- ne Liste ihres zur Durchführung des Schlesischen Krieges verpfändeten Schmucks, den sie nie wieder einzu- lösen vermochte, fehlen nicht die detaillierten Erziehungsregeln und Tagespläne für den Thronfolger Jo- sef, die Essensanweisungen für die jüngeren Erzherzoginnen, die ge- naue Anordnung von Musik-, Tanz- und Lesestunden als Ergänzung zu dem übervollen Pensum an Lern- stoff, das sie für künftige Königin- nen und regierende Erzherzöge un- erläßlich fand. Nicht weniger faszi- nieren die wenigen Seiten ihres handgeschriebenen Testamentes, in dem sie alles bedachte und den Thronfolger und Mitregenten er- mahnte, diese Anweisungen sorg- sam auszuführen.
Unmöglich, die Fülle des Gebotenen auch nur annähernd zu beschrei- ben! Walter Koschatzky, dem Direk- tor der Albertina und seinen über 80 Mitarbeitern, denen die Zusammen- stellung und Bewältigung dieses chronologisch geordneten Riesen- stoffes in viele Monate währender Kleinarbeit so vortrefflich gelungen ist, gebührt hohe Anerkennung: Die- se Ausstellung gehört in die Reihe der ganz großen, die man keines- wegs versäumen sollte, wenn ein Besuch möglich ist!
Britta Steiner-Rinneberg
2210 Heft 37 vom 11. September