DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Ärzte aus West- und Osteuropa
benden Population zu verbes- sern.
Mir scheint es außerordentlich wichtig, die Gesamtthematik aus- führlich zu diskutieren, wobei auch Fragen der aktiven und pas- siven Sterbehilfe angesprochen werden müssen, weil sie in eini- gen europäischen Ländern, so zum Beispiel in den Niederlan- den, schon zu Gesetzesinitiativen geführt haben. Diese könnten je- doch dazu führen, daß wiederum Menschen über den „Wert" oder
„Unwert" des Lebens anderer Menschen entscheiden. In einer neuen „Medizin ohne Mensch- lichkeit" könnten dann gewisser- maßen Gesundheitsökonomen zu „Schreibtischtätern" werden.
Für Ärzte sind dagegen heute wie vor zweieinhalbtausend Jah- ren ethische Grundnormen ärzt- lichen Handelns zu beachten, wie sie im abendländischen Kul- turkreis seit Hippokrates im we- sentlichen unverändert gelten.
Diese ethischen Grundnormen wurden von der World Medical Association 1948 im Genfer Ge- löbnis ausdrücklich aktualisiert und bestätigt. Dies Genfer Ge- löbnis steht in der Bundesrepu- blik Deutschland der Berufsord- nung voran und ist somit für alle Ärzte verbindlich.
Die Menschenwürde muß unantastbar bleiben
Fortschritt kann immer nur dann erreicht werden, wenn vorher für unüberwindbar gehaltene Gren- zen überschritten werden. Wir würden es jedoch als tragisch empfinden, wenn durch politisch initiierte Programme Erwartun- gen geweckt werden, von denen schon von Anfang an mit Sicher- heit bekannt ist, daß sie auf ab- sehbare Zeit nicht erfüllbar sind oder die Menschen zu Arbeits- material von staatlichen Gesund- heitsbürokratien machen. Dies wäre unseres Erachtens mit der Beachtung von individuellen Persönlichkeitsrechten und der Menschenwürde unvereinbar. ❑
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft informiert:
Bundesgesundheitsamt schränkt Anwendungsgebiet von Metamizol-haltigen Monopräparaten ein
Alle 104 Metamizol-haltigen Monoprä- parate dürfen nach Bescheid des Bun- desgesundheitsamtes vom 11. Novem- ber 1986 künftig nur noch vertrieben werden zur Anwendung bei
• akuten starken Schmerzen nach Verletzungen oder Operationen;
• Koliken;
• Tumorschmerzen;
• sonstigen akuten oder chronischen Schmerzen, soweit andere therapeuti- sche Maßnahmen kontraindiziert sind;
• hohem Fieber, das auf andere Maß- nahmen nicht anspricht.
In der Gebrauchsinformation von In- jektionsformen Metamizol-haltiger Arzneimittel ist künftig darauf hinzu- weisen, daß bei der Anwendung der Arzneimittel die Voraussetzungen für eine Schockbehandlung gegeben sein müssen, da der Schock eine mögliche, wenn auch seltene, Nebenwirkung der Präparate ist. In der Gebrauchsinfor- mation ist außerdem darauf aufmerk- sam zu machen, daß die enterale Dar- reichungsform (Tabletten, Tropfen, Zäpfchen usw.) wenn möglich vorzu- ziehen ist.
Die Maßnahmen des Bundesgesund- heitsamtes treten am 1. März 1987 in Kraft.
Mit Schreiben vom 11. November 1986 hat das Bundesgesundheitsamt 44 pharmazeutische Unternehmen von seiner Absicht unterrichtet, für 134 Metamizol-haltige Arzneimittel mit mehreren Wirkstoffen (Kombinations- präparate) die Zulassung zu widerru- fen. Den pharmazeutischen Unterneh- men ist Gelegenheit zur Stellung- nahme binnen drei Wochen gegeben worden. Vom Ergebnis der Stellung- nahme wird es mit abhängen, ob und wann diese Absicht in die Tat umge- setzt wird.
Im Zusammenhang mit der Nutzen-Ri- siko-Abwägung bei Metamizol-halti- gen Arzneimitteln ist das Bundesge- sundheitsamt im übrigen zu der Auf- fassung gekommen, daß die Ver- schreibungspflicht für die enteral an- zuwendenden Metamizol-haltigen Arz- neimittel angeordnet werden sollte, da sie die menschliche Gesundheit auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch gefährden können, wenn sie ohne ärztliche Überwachung angewendet
werden. ❑
nen stärken. Dabei stößt man al- lerdings auf das Phänomen der kognitiven Dissonanz, das heißt, die Menschen wissen zwar, was ihnen schadet, sie sind aber den- noch nicht bereit, sich den Er- kenntnissen der Wissenschaft und ihrem eigenen Wissen ent- sprechend zu verhalten. Viel- leicht resultiert auch gerade aus einem derartig abweichenden Verhalten im Einzelfall eine be- sondere Zufriedenheit und Le- bensfreude.
Erfolgreiche Medizin
Der Arzt ist zwar der Gesundheit des Einzelnen und der gesamten Bevölkerung verpflichtet; er ist aber in erster Linie Anwalt des Patienten und nicht Vertreter der Öffentlichkeit gegenüber einzel- nen Menschen.
Auf ein Versagen der Medizin kann schließlich nicht wegen der Zunahme zum Beispiel von chro- nischen Krankheiten geschlos- sen werden. Im Gegenteil: Weil vielfach vorzeitiger Tod durch wirksame Behandlung verhin- dert werden kann —allerdings oft nur um den Preis der Dauerbe- handlungsbedürftigkeit —, ist dies eher ein Symptom für eine erfolgreiche Medizin.
Von Politikern wird oft ein be- tont ökologischer Standpunkt vertreten, von anderen ein ex- trem ökonomischer. Die Aufwen- dungen im Gesundheitswesen werden nach dem Nutzen für die Gesamtheit beurteilt. Der einzel- ne Mensch, das Individuum, wird damit zur Masse, für die es frü- her die schreckliche Vokabel
„Menschenmaterial" gab. Den Ärzten darf jedoch nicht vorge- worfen werden, sie nähmen mas- sive Eingriffe in natürliche Ab- läufe vor oder hingen einer über- holten Individual-Ethik an. Denn es wäre wohl zutiefst inhuman, wenn Patienten, die wirksam be- handelt werden könnten, ster- ben müßten, um dadurch den Gesundheitszustand der überle-
Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 47 vom 19. November 1986 (19) 3267