Der Friedensvertrag zwisclien dem Sultan Bäyazid II.
und dem König Ladislaus II.
Von Prof. Dr. V. Corovic-Belgrad
Diese Friedensurkunde zwischen dem türkischen Sultan
Bäyazid II. und dem ungarischen Könige Ladislaus befindet
sich in dem Sächsischen Hauptstaatsarchiv zu Dresden. Ich
bekam deren Lichtbild von Dr. H. Schebl durch Vermittlung
meines Kollegen Prof. Dr. F. Bajraktarevic, denen ich auch
an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank ausspreche. Die
Urkunde ist in der Wissenschaft schon bekannt durch die
Ausgabe von A. R. Godinka in Pecs'). Wenn ich eine zweite
Ausgabe hier besorge, mit einer wortgetreuen Übersetzung,
geschieht das deswegen, weil die erste Ausgabe, was ihren
slavistischen Teil anbelangt, nicht ganz einwandfrei aus¬
gefallen ist. Die Sprache der Urkunde ist keine kirchen-
slavisch-serbische, wie G. angibt, sondern die serbische Volks¬
sprache jener Zeit mit einigen älteren Überresten, die sich
aber nur in gewissen Wendungen des alten Formulars vor¬
finden (z. B. in der Intitulation).
Godinka stellte die Frage auf: wieso konnte es sein, daß
ein türkischer Sultan eine so wichtige Urkunde an einen
ungarischen König in serbischer Sprache und mit serbischen
Lettern verfassen und schreiben ließ. Auf diese Frage, sagt
er, konnte er keine befriedigende Antwort geben. In süd-
slavischen Fachkreisen ist diese Erscheinung schon längst
bekannt. Im 14. Jahrhundert war der serbische Staat die
mächtigste Organisation der Balkanhalbinsel, dessen Sprache
mehr als die Hälfte dieser Halbinsel beherrschte. Im 15. Jahr¬
hundert, bis zum Jahre 1459, war dieser, wenn auch ver¬
fallende Staatsorganismus, fast die einzige Zufluchtsstätte
der ziemlich aufblühenden slavischen Literatur, die sich
1) Sisicev Zbornik (Melanges §isi6), Zagreb 1929, S. 635—39.
V. CoBOvic, Friedensvertrag zwischen Bayazid II. u. Ladislaus II. 53
später, nach dem Fall Serbiens, weiter nach Rumänien und
Rußland verpflanzte. Die Türken haben am Balkan am
meisten mit den Serben zu tun gehabt ; sie wußten auch ganz
gut, daß sie in der serbischen Sprache mit' allen Balkan¬
völkern und Balkanstaaten, ausgenommen Griechenland, sich
verständigen konnten. Serbische Kanzlei hatten nicht nur,
wie es ganz natürlich ist, serbische Dynasten in Serbien,
Bosnien, Zeta, der Herzegowina und die kleine Republik
Ragusa, sondern auch die albanesischen und walachischen
Fürsten. Serbisch oder serbokroatisch sprach man in ganz
Kroatien, Slavonien und Dalmatien; diese Sprache war auch
den Bulgaren sehr leicht verständlich. ,, Bekannt sind", be¬
tont K. Jireöek, ,, slavische Urkunden der Herren von Valona,
der Dukagin, des Georg Kastriota ... ja ein Schreiben der
Ragusaner an Kaiser Sigismund von 1434 sagt ausdrücklich,
daß die albanischen Fürsten nur ,sclavonos cancellarios'
haben')." Ich habe in einer Sarajewoer Zeitschrift, Gajret,
1913, S. 8511., über den Gebrauch der serbischen Sprache und
der serbischen CyriUicaschrift an dem türkischen Hofe einen
Artikel geschrieben, aus dem ich hier nur einige Tatsachen
anführen möchte. Der erste serbisch und in serbischen Lettern
geschriebene Brief oder, besser gesagt, eine Urkunde eines
türkischen Herrschers, datiert vom 10. Juli 1430. Das ist
eine Vorladung des Sultans Murad II. aus Adrianopel, ge¬
richtet an die ragusanische Republik. Von dem mächtigen
Eroberer Mehmed II. haben wir in dem Staatsarchiv der
Republik Ragusa 44 Briefe und Urkunden aufbewahrt, die
von dem gewesenen Direktor des Sarajewoer Landesmuseums
Dr. C. Truhelka") und dem gewesenen Direktor des Ragusa¬
nischen Staatsarchivs Dr. K. Kovac') publiziert wurden.
Von dem Sultan Bayazid II. sind 49 Briefe erhalten. Zu seiner
Zeit wurde sogar von den türkischen Zentral- und Provinzial-
1) Illyrisch-albanische Forschungen I, 1916, S. 142/43.
2) Tursko-slovjenski spomenici, Sarajewo 1911 (vgl. auch Glasnik
zemaljskog muzeja u Bosni i Hercegovini, Bd. XXIII, Sarajevo 1911,
S. 1-162, 303-350, 437-484).
3) Glasnik zemaljskog muzeja, Bd. XXIV, Sarajevo 1912.
54 V. CoBOviö, Friedensvertrag zwisclien Bayazid II. u. Ladislaus II.
behörden an ihre Untergebenen in Bosnien, der Herzegowina
und Bocche di Cattaro serbisch geschrieben, da diese Pro-
vinzialbehörden fast ausschließlich nur diese Sprache und
Schrift kannten und benutzten. Im 16. Jahrhundert dauert
diese Tradition noch immer und die Briefe der Sultane Selim I.
und Selim IL, sowie Sulejman des Großen geben den sicheren
Beweis dafür. Man glaubt, daß diese Tradition am türkischen
Hofe durch die islamisierten türkischen Würdenträger, die
aus Bosnien, der Herzegowina, aus Serbien und Montenegro
stammten, beinahe systematisch erhalten wurde. Serbische
Briefe wurden auch in Ungarn verwendet. Der Donau¬
kommandant Mustafa aus Pest schrieb am 24. Dezember 1536
an den Kapitän zu Östrogen, Peter, serbisch und cyrillisch;
so schrieb auch der König Jan Zapolya an den Sandäak-Bey
von Serbien, Mehmed Bey, am 30. Oktober 1537^). Der Statt¬
halter in Bosnien, der berühmte Gründer von Sarajewo,
Husrev-Bey, schrieb so 1540 an den kroatischen Banus
P. Kegleviö. In dieser Sprache und Schrift schrieben sogar
an den Kaiser Ferdinand: Ulama Pascha aus Bosnien und
der Statthalter von Ofen, Mehmed Pascha, 1544. Im Jahre
1551 schreibt ausdrücklich der Beylerbey Mehmed Pascha
an den Kommandanten von Temesvar, Andreas Battory:
,,Und die Briefe, die du mir schickst, schicke mir alle in
serbischer Sprache und nicht fränkisch")." So bildet diese
Friedensurkunde des Sultans Bayazid keine auffallende Aus¬
nahme in der türkischen Diplomatik jener Zeit. Wir wissen,
daß serbische Briefe auch an die Republik von Venedig ge¬
richtet wurden, zwar nicht von Konstantinopel aus, aber von
vielen Lokalbehörden. Es sei noch erwähnt, daß bei der Über¬
reichung des Friedensvertrages in Frankfurt dem Kaiser
Ferdinand, am 27. November 1565, der türkische Vertreter
Ibrahim in „lingua slavonica", wohl serbisch, seine Anrede
hielt»).
1) F. MiKLOSicH, Monumenta serbica, Viennae 1858, S. 552—54.
2) Archiv für slav. Philologie XXX, S. 205—14.
3) Vgl. darüber Dr. M. Kostic, Serbische Sprache als diplomatische
Sprache im Südosten Europas (serbisch), Üsküb 1924.
V. CoBOvic, Friedensvertrag zwischen Bayazid II. u. Ladislaus II. 55
Was den Friedensvertrag selbst anbelangt, so ist die Sache
im großen und ganzen gut bekannt. Der erste Friedensvertrag
zwischen dem Sultan Bayazid II. und dem König Ladislaus
wurde im Jahre 1495 auf drei Jahre geschlossen; der vor¬
liegende Vertrag vom Jahre 1498 ist also nur dessen Verlänge¬
rung. Zwei Jahre nach dem ersten Vertrag kam die erste
türkische Gesandtschaft ins Reich, zum römischen König
Maximilian, der auch in dieser Urkunde genannt wird^). Uber
die Mission Emerik Czobors zum türkischen Sultan wegen
dieser Friedensverlängerung enthält genaue Anhaltspunkte
eine Urkunde des Königs Ladislaus vom 2. Februar 1498, in
der es heißt: „Misimus in certis rebus et negociis nostris et
regni nostri fidelem nostrum egregium Emericum Czobor de
Czobor — Zent Myhal ad cesarem Thurcorum qui in huiusmodi
legacione nostra in Thurcia per certum tempus debebit neces-
sario occupari")."
Die Intitulation in dieser Urkunde entspricht der Intitu¬
lation anderer Urkunden Sultan Bayazids, die an die Re-
piiblik Ragusa gerichtet waren"). In gewissen Urkunden
dieses Typus findet man sogar, wie in dieser Urkunde, das
altertümliche asb für j a. Die Urkunde Nr. 128 hat voll¬
ständig identische Intitulation wie die unsrige. Die Tugra
ist derselben Form wie jene bei Truhelka, Nr. 125. Es ist
interessant, daß auch am Schlüsse dieser Urkunde eine Ab¬
kürzung vorkommt, die sich ebenfalls in anderen Urkunden
aus der slavischen Kanzlei des Sultans Bayazid II. findet,
sonst aber in serbischen Briefen jener Zeit sehr selten üblich
ist. Das ist die Schreibweise nnc für nnca*).
1) Vgl. N. JoBOA, Geschichte des Osmanischen Reiches, Bd. II,
Gotha 1909, S. 267/68.
2) Tört6nelmi tär 1906, S. 168/69; vgl. weiter Godinka, op. cit.,
S. 638/39.
3) Vgl. Truhelka, op. cit., Nr. 125 (aus dem Jahre 1497), Nr. 127
(aus demselben Jahre), Nr. 128 (vom 2. Februar 1498), Nr. 129 (aus
dem Jahre 1499), Nr. 131 (aus dem Jahre 1499) usw.
4) Vgl. Truhelka, Nr. 72, 102, 104, 109, 110 usw.
56 V. CoBOYid, Friedensvertrag zwischen Bayazid II. u. Ladislaus II.
Die Tugra dieser Urkunde lautet:
UIj Jil\ia ^M- ju^ j_ a>j)li
(Bayazid ben Mehmed Chän, muzzafer dä'imä = Baya¬
zid, Sohn Mehmed Chans, immer siegreich^).
Ich, durch Gottes Gnaden, der große Herrscher und mäch¬
tige Kaiser und Groß-Emir Sultan Bajazit Chan, Herr aller
Küstenländer, und der griechischen und karamanischen und
anatolischen und romanischen und noch vieler anderer Länder
(Herrscher), geben hiermit jeder Person und jedem Stande und
jedermann, zu dem dieses unser offenes Schreiben würdig und
mit Achtung kommen oder vor dem es verlesen werden sollte,
kund und zu wissen, wie und auf welche Art vordem zwischen
Ladislaus, dem durchlauchtigen König von Ungarn und
Böhmen sowie anderer Länder Herrn, um des Friedens, der
Brüderlichkeit, der Freundschaft, der Liebe und der guten
Nachbarschaft willen viel gesprochen wurde zwischen uns,
und wie der Friede auf drei volle Jahre geschlossen wurde,
nicht nur um unserer Beider willen, sondern um der Ruhe der
beiderseitigen Länder und Herrschaften und Leute und Staats¬
gebiete. Die Königliche Durchlaucht sah nun die Vollendung
und den Ablauf dieses Friedens, und deswegen schickte die
Königliche Durchlaucht, damit die Frist dieses Friedens ver¬
längert und er befestigt werde, ihre Gesandten zu meiner
Kaiserlichen Hoheit, zugleich um die Entsendung unserer
Gesandten bittend. Und deswegen hatte meine Kaiserliche
Hoheit meinen treuen und ehrwürdigen Diener und Sklaven
Hadii Zenos als Gesandten geschickt, und er ging hin und
traf zusammen mit der Königlichen Durchlaucht und be¬
sprach mit ihr jenen früheren ersten Frieden, der zwischen
uns geschlossen und für volle drei Jahre festgesetzt und rati¬
fiziert worden war, wobei beiderseits in Schwurbriefen ein¬
getragen ist, auf welche Art und Weise und nach welchen
Artikeln alles zu handhaben sei — wie es alles aus jenen
Schreiben zu ersehen ist. Dieser frühere Friede ist nun voll-
1) Für die Lesung dieser Tugra danke icli dem Kollegen Dr. F. B.\j- r.AKTAREVIC.
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V. CoROvic, Friedensvertrag zwischen Bayazid II. u. Ladislaus II. 57
endet und abgelaufen, nach drei Jahren, im jetzt verflossenen
Monat März, am dreißigsten Tage. Und jetzt war Anfang
(wörtlich: ,,Kopf") und Beginn dieses neuen Friedens an dem
obengenannten Tage, in der(selben) Art und Weise und nach
den(selben) Artikeln und Schreiben, wie auch bei jenem
Frieden, den die Königliche Durchlaucht in Pees geschlossen
hatte, von nun an für weitere volle drei Jahre, bis er voll¬
endet und abgelaufen sein wird wiederum im März, am drei¬
ßigsten Tage; und in der(selben) Art imd Weise und nach
den(selben) Artikeln soll er ohne jede Hinterhältigkeit und
List fest und unerschütterlich eingehalten werden.
Und in den ersten Schreiben war die Rede von Maximilian,
dem durchlauchtigen römischen König: sollte er sich diesem
unseren Frieden anschließen wollen, soll er innerhalb von
sechs Monaten an meine Kaiserliche Hoheit, an die Pforte,
oder an die Königliche Durchlaucht seine Gesandten oder
aber einen Schwurbrief oder ein Sendschreiben schicken, und
die Königliche Durchlaucht soll dann (diese Schreiben) an
meine Kaiserliche Hoheit schicken und uns zur Kenntnis
geben. Sollte sich wiederum etwas ereignen und der römische
König nicht den Wunsch hegen, sich diesem unseren Frieden
anzuschließen, so soll dieser neue Friede seinetwegen nicht
erschüttert noch gebrochen werden, sondern soll fest und un¬
erschütterlich, ohne jede Hinterhältigkeit und List, bestehen
bleiben. Und dieser neue Friede (sei) nicht nur für uns zwei
Mächtige und Allgewaltige in den Kerngebieten unseres Be¬
sitzes sowie in den Ländern und Herrschaften, sondern auch
für alle Leute, die sich beiderseits (bei) uns beiden Mächtigen
und Allgewaltigen befinden: alle sollen in diesem Frieden mit
einbegrilTen sein. Außerdem wurde auch noch folgendes in
dem Schwurbrief der Königlichen Durchlaucht in diesem
neuen Frieden hinzugefügt: Sollte die Königliche Durchlaucht
vom Tode ereilt werden — wie wir alle Gott dem Herrn den
Tod schulden — so sollen wir, der obengenannte mächtige
Kaiser Sultan Bajazit Chan, nicht destoweniger diesen neuen
Frieden gegenüber allen Ländern sowie der Herrschaft und
allen Leuten und Untertanen der Königlichen Durchlaucht,
58 V. CoBovic, Friedensvertrag zwischen Bayazid II. u. Ladislaus II.
die unter deren Gebot stehen, gerecht, treu und unerschütter¬
lichen halten, und seinen Ländern gegenüber sollen wir ihn
so halten, wie wir ihn bei Lebzeiten der Königlichen Durch¬
laucht gehalten haben, und ebenso sollen wir ihn auch nach
deren Tode halten und wahren, bis die Frist dieses neuen
Friedens vollendet und abgelaufen sein wird. Kein Übel soll
ihnen, diesem Frieden entgegen, zugefügt werden, und der
Friede soll weder gewaltsam verletzt, noch gebrochen werden.
Und weiterhin wird in diesem neuen Frieden (festgesetzt):
sollte meine Kaiserliche Hoheit vom Tode ereilt werden, so
soll die Königliche Durchlaucht den obengenannten neuen
Frieden gegenüber allen Gebieten und Ländern, Leuten und
Untertanen, die uns gehorchen und treu und gerecht dienen,
einhalten, und soll ihn halten nach unserem Tode ebenso wie
zu unsern Lebzeiten, gerecht und treu, ohne jede Hinter¬
hältigkeit und List, und durch kein Gesetz soll dieser Friede
gewaltsam verletzt oder gebrochen werden. Und wir, der
obengenannte mächtige Kaiser Sultan Bajazit Chan, (be¬
stätigen) diesen obengenannten neuen Frieden und die
Brüderlichkeit und Liebe auf diese drei vollen Jahre, alles
nach der(selben) Art und Weise und nach den(selben) Artikeln,
wie in unserem ersten Schwurbriefe geschrieben und ver¬
sprochen. Und die Königliche Diu-chlaucht schickte zu mir
nach dieser Weise den Schwurbrief durch den obengenannten
(treuen und ehrwürdigen) Diener meiner Kaiserlichen Herr¬
schaft, und nun sandte die Königliche Durchlaucht deren
treuen und ehrwürdigen und ausgezeichneten Ritter Sobor
Imrich als Gesandten nach dem Schwurbrief. Deswegen
machten, schlössen und bestätigten wir diesen neuen Frieden
nach obengenannter Weise, durch die Person, nach der Art
und auf Grund der Artikel, wie oben angegeben, und nachdem
dieser neue Schwurbrief aufgesetzt und geschrieben ward,
sandte ich ihn der Königlichen Durchlaucht. Und also soll
zwischen meiner Kaiserlichen Hoheit und der Königlichen
Durchlaucht dieser neue Friede nach dem früher geschrie¬
benen ersten Gesetz, nach Brauch und Sitte, wie in den ersten
Schwurbriefen geschrieben steht, genau nach der(selben) Art
V. CoROvic, Friedensvertrag zwischen Bayazid II. u. Ladislaus II. 59
und Weise und nach den(selben) Artikeln ohne jede Hinter¬
hältigkeit und List eingehalten werden, angefangen von dem
heutigen Anfang, der vom 30. des jetzt verflossenen Monats
März läuft ; und bis zur Vollendung und zum Ablauf der Frist
dieses neuen Friedens wiederum am 30. Tage des Monats
März nach vollen drei Jahren soll dieser neue Friede beider¬
seits fest und unerschütterlich eingehalten werden, und es soll
keinerlei Übel oder Schaden, diesem Frieden entgegen, zu¬
gefügt werden. Und daraufhin schwöre ich: bei Gott dem
Herrn, Schöpfer des Himmels und der Erde, und bei dem
Propheten Mohammed und bei den 124 Propheten Gottes und
bei dem Mushaf und allen übrigen göttlichen Büchern (schwöre
ich) der Königlichen Durchlaucht und allen deren Ländern,
deren Herrschaft und deren Leuten und Untertanen, die
unter deren Gebot stehen, daß wir unerschütterlich, ohne jede
Hinterhältigkeit und List, diesen Frieden halten und wahren
werden, solange die obengenannte Königliche Durchlaucht
ebenfalls diesen neuen Frieden uns gegenüber gerecht und
treue, wie es sich geziemt, und unerschütterlich halten wird.
Geschrieben im Monat Ramadan, am 10., im Jahre 903,
und im Jahre nach Christi Geburt 1498, am 1. Mai, in Kon¬
stantinopel.
Chalder oder Urartäer?
Von Johannes Friedrich-Leipzig
Es scheint das Verhängnis der urartäischen Studien zu
sein, daß die engsten Fachgenossen über die Grundtatsachen
der Forschung verschiedener Meinung sind. So weichen Götzk
und TsERETHKLi in der Auffassung des Verbums sehr von mir
ab; vor allem aber will Lehmann-Haupt, wie seine oft allzu
temperamentvollen Äußerungen im Supplement zu Liefe¬
rung 1 und 2 seines Corpus Inscriptionum Chaldicarum^)
zeigen, kaum eine von meinen grundlegenden neuen Erkennt¬
nissen auf dem Gebiete der urartäischen Grammatik an¬
erkennen. So sehr ich aus Gründen des persönlichen Ein¬
vernehmens diese Meinungsverschiedenheit bedaure, so
kann es doch im Interesse der Wissenschaft dem Alt¬
meister nicht erspart bleiben, daß Irrtümer, die sich jahr¬
zehntelang fortgeschleppt haben, endlich einmal ausgemerzt
werden. Zu diesen Irrtümern gehört auch die Annahme
Lehmann-Haupt's, die Verfasser dieser vorarmenischen Keil¬
inschriften, die ich selbst vorsichtigerweise mit dem von ihren
assyrischen Nachbarn entlehnten Namen ,, Urartäer" be¬
zeichne, hätten sich selbst „Chalder" genannt und dieser
Name ,. Chalder" sei in den einheimischen Texten belegbar.
Nun könnte ich zwar gegenüber dieser falschen Annahme
Lehmann-Haupt's und seiner fortwährenden Polemik gegen
meine abweichende Meinung dieselbe abwartende Haltung
einnehmen, wie ich sie in den Fragen der urartäischen Gram¬
matik") im Hinblick auf den zu erwartenden gegnerischen
Artikel Lehmann-Haupt's ,,Zur chaldischen Nominalflexion"
1) Im folgenden abgekürzt CICh; vgl. dort Sp. 125fL
2) Vgl. meine Einführung ins Urartäische (Mitteilungen der Vorder¬
asiatisch-Ägyptischen Gesellschaft, Band 37, Heft 3), Leipzig 1933 (mit Verweisen auf meine früheren Arbeiten).